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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Sayyid Abul A'la Maududi wurde von seinen Anhängern
"Maulana" (unser Herr)
genannt. Er war der Gründer und langjährige Vorsitzende der Jamaat-i-Islami,
einer besonders in
Pakistan einflussreichen islamischen Organisation. Als einer der meistgelesensten muslimischen Autoren seiner Zeit trug er maßgeblich zur Verbreitung des
Wiedererwachens der
Muslime und eines dynamischen
Islam bei.
Abul A'la Maududi wurde am 25. September 1903 in Aurangabad im muslimisch regierten
Fürstentum Hyderabad im Süden Indiens geboren. Er entstammte einer
Sayyid-Familie. Maududis Vater war
ein Anwalt und beeinflusst von der in Auseinandersetzung mit der kolonialen Vermittlung
europäischer Werte entstandenen Bewegung zur Purifizierung des Islams, die eine Reinigung
von traditionell verwurzelten unislamischen Praktiken und ein Wiedererstarken der
muslimischen Welt nach dem Vorbild der
islamischen Frühzeit anstrebte. Er lehnte sowohl
die traditionelle, damals in
Pakistan stagnierende Ausbildung der
Madrasa als auch die säkulare, rein
materialistisch orientierte Ausbildung an den
Kolonialschulen ab und unterrichtete seinen jüngsten Sohn Abul A'la zu Hause neben seiner
Muttersprache Urdu unter anderem im Studium der Naturwissenschaften, der islamischen Schriften und
der Sprachen Arabisch, Persisch und Englisch. Später besuchte Maududi für kurze Zeit
eine neu gegründete Madrasa in Hyderabad. Diese Verwurzelung in einem dynamischen nach
Fortschritt und ständiger Entwicklung strebenden Bildung prägte Maududis Anschauungen
bis ans Ende seines Lebens.
Nach dem Tod seines Vaters arbeitete Maududi schon mit 17 Jahren für ein
Urdu-sprachiges Wochenmagazins in Jabalpur, wenig später wechselte er nach Delhi zur
Al-Jamiat, der Zeitschrift der Jamiat Ulama-i-Hind, der damals wichtigsten Vereinigung
traditioneller Geistlicher Indiens. Unter seiner Herausgeberschaft von 1925 bis 1928
entwickelte sich das Blatt zur führenden muslimischen Zeitung des Landes. Daneben
beteiligte er sich auch an der ersten indischen Massenbewegung, dem Khilafat-Movement
gegen die Zerschlagung des
osmanischen Kalifats nach dem Ende des Ersten Weltkrieges.
In der Al-Jamiat veröffentlichte Maududi 1927 Al-Jihad Fi-al Islam, eine Untersuchung
zum islamischen Kriegsrecht anhand der kanonischen Schriften, die 1930 auch in Buchform
erschien. Durch diese Schrift, in der Maududi die Konzepte im
Heiligen Qur'an zu Krieg und
Frieden anhand moderner Begriffe interpretierte, wurde der große Dichter und Philosoph
Muhammad Muhammad Iqbal
auf ihn aufmerksam. Zur geplanten Zusammenarbeit bei der Übersetzung und
Neuinterpretation der frühen religiösen Kommentare zu Recht und Politik kam es
aufgrund von Iqbals
Ableben 1938 aber nicht.
Die zunehmende Polarisierung zwischen
Muslimen und Hindus im Vorfeld der 1934 und 1936
anstehenden Wahlen zum Zentralparlament und den Provinzlandtagen zog Maududi stattdessen
endgültig in die politischen Auseinandersetzungen hinein. Dabei wandte er sich gegen
beide großen muslimischen Organisationen Indiens: Die Pakistan-Bewegung bzw. die
Muslim-League lehnte Maududi ab, weil der Islam als universales Weltbild nicht als
ideologisches Fundament eines Nationalstaates missbraucht werden dürfe. Die traditionelle
Geistlichkeit, bei der seine radikalen Neuinterpretationen kanonischer Schriften kaum
Zustimmung fanden, kritisierte er wegen ihrer Monopolisierung religiöser Auslegung.
In der von 1933 bis zu seinem Lebensende herausgegebenen Monatsschrift
Tarjuman-al-Quran (Die Übersetzung bzw. Übertragung des
Qur'ans) und in unzähligen
Aufsätzen und Vorträgen arbeitete Maududi seine politischen Ziele heraus, die auch lange
nach ihm ideologische Grundlage der von ihm gegründeten Jamaat-i-Islami sind. Dabei
interpretierte er den
Heiliger Qur'an orientiert am Fundament und benutzte explizit das politische
Vokabular der Moderne und arbeitete vielfach mit Gleichnissen, um zeitgenössische politische
Institutionen und Ideen mit dem Nachweis ihrer Existenz in der islamischen Frühzeit zu
erläutern.
Fundament seines politischen Kampfes war die Überzeugung, dass der
Islam eine
umfassende Weltanschauung ist, die nicht nur die Beziehungen der Gläubigen zu
Gott
umfasse, sondern alle Lebensbereiche, besonders auch das gesellschaftliche Zusammenleben,
umfassend, abschließend und eindeutig regele. Er war davon überzeugt, dass sie in
idealer Weise während der Herrschaft des
Prophet Muhammad (s.) und der
ersten vier Kalifen
verwirklicht gewesen sei. Sein Ziel war die Wiederherstellung der frühen Ordnung,
spätere Entwicklungen im
Islam lehnte er als Entstellungen des
reinen Islam ab.
Nach Maududis Vorstellungen sollte die neue Gesellschaft zuerst auf staatlicher Ebene
errichtet werden. Als oberstes Prinzip dieses Staates und der Gesellschaft beschrieb er
die Souveränität Gottes. Sie verbinde Religion und staatliche Ordnung zu einer
untrennbaren Einheit, denn Gottes Souveränität erstrecke sich auf alle Bereiche
menschlichen Lebens. Dabei bezog er sich auf
Verse im
Heiligen Qur'an, in denen die Allmacht
Gottes
bei der Schaffung des Universums und der Menschen, bei dessen Erhaltung und bei der
Beurteilung der Menschen
nach ihrem Tod beschrieben wird. Diese Allmacht erstrecke sich direkt auf alle
menschlichen Lebensbereiche und werde durch den Staat in konkrete Normen
übersetzt. Die Konzipierung staatlicher Herrschaft als Stellvertretung
göttlicher Allmacht unterwerfe die Gesamtheit menschlicher Handlungen
staatlicher Herrschaft.
Die ursprüngliche Idee, sich nur begrenzt und als Fundamentalopposition
parlamentarisch zu betätigen, trat in den folgenden Jahren in den Hintergrund. Um General
Ayub Khan von der Macht zu verdrängen, stimmte Maududi 1965 sogar der Unterstützung der
Kandidatin der säkularen Opposition, Fatimah Jinnah zu. Nach der schmerzlichen
Wahlniederlage 1970, als Maududi und seine Mitstreiter eigentlich auf den Durchbruch
gehofft hatten, gewann bei ihm allerdings wieder die Sicht einer
fundamentaloppositionellen, revolutionären Bewegung die Oberhand. Von seinen Anhänger
zum Teil für die Wahlniederlage verantwortlich gemacht, begann er sich enttäuscht aus
der Tagespolitik zurückzuziehen. Zwei Jahre später legte er den Parteivorsitz nieder.
Bis zu seinem Ableben widmete er sich nur noch seinen theologischen Publikationen. Am 22.
September 1979 starb er in der Nähe New Yorks, wo sein Sohn als Arzt lebte, an einem
Herzleiden.
Im Zuge der islamischen Revolution (Anfang 1979) hat er sich derart eng mit
Imam Chomeini und seinen Ideen verbündet und derart "auffällige" Reden
gehalten, dass manche Muslime glaubten, dass er möglicherweise insgeheim mit der
Schia
sympathisiert, obwohl er aus einer
sunnitischen Familie stammt. Daher sind auch seine
Aktivitäten, Reden und Schriften aus der Zeit nach der islamischen Revolution kaum
bekannt, obwohl es die jüngsten seiner Reden sind. Auch sein plötzliches Ableben am 22.
September 1979 wurde dann mit einiger "Überraschung" betrauert und einige
Kreise gingen dabei nicht von einem "natürlichen" Ableben aus, obwohl
er bereits 76 Jahre alt war.