Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

An Bord des »Espadon«

Senegal, Mai 1874.

Am 2. Mai habe ich den »Petrel« verlassen. Man bemannte die Ehrenbarke für mich, wie es Brauch ist, wenn ein Offizier scheidet. Von vier Fähnrichen begleitet, brachte sie mich an Bord des »Archimède«, der mich wiederum nach Dakar führen sollte, zu meinem neuen Schiff, dem »Espadon«. Der »Archimède« war ein alter Kasten der afrikanischen Küste, den man eilig wieder instandgesetzt hatte, nachdem er einige Jahre lang in den Gewässern des Senegal eingesumpft gewesen war. An diesem Tage war er von Passagieren beiderlei Geschlechtes überfüllt, – viel arme Frauen gab es da, die ihren Gatten in die Kolonien gefolgt waren und nun krank nach Frankreich zurückkehrten. Und wie gewöhnlich vor der Abfahrt gab es ein großes Getümmel von Besuchern und Abschiednehmenden.

Um fünf Uhr nachmittags lichteten wir die Anker. Die Sonne sank, und wir fuhren rasch den gelben Fluß stromabwärts. Im Vorbeifahren grüßten mich zum letztenmal meine Freunde vom »Petrel«, und das Herz tat mir weh, sie alle verlassen zu müssen. Dann wich hinter mir Saint-Louis, die öde weiße Stadt inmitten dürftiger gelber Palmen und gelbem Sand, immer mehr zurück. Und meinem Blick entschwand dieser Winkel Afrikas, wo ich so heiß geliebt, so schwer gelitten hatte. (P. L. hat einen großen Teil seiner Aufzeichnungen aus dieser Zeit vernichtet.)

Hart war die Nacht zur See auf dem alten Schiff, – nichts zu essen, großes Getöse. Ich war wie zerschlagen infolge der vielen aufregenden Ereignisse, die sich in wenigen Tagen in meinem Leben gefolgt waren.

Am 26. Mai um ein Uhr ankerte der »Archimède« in der Bucht von Dakar, die ich voll Herzensfreude wiedersah.

An Bord des »Espadon« fand ich einige gute Freunde wieder. Das Schiff hingegen war mir nicht sympathisch. Es war der vollendete Typus der alten Schiffe aus dem Senegal. Von der Decke seiner Kajüten baumelten eine Menge getrockneter und ausgestopfter durchweg alberner Tiere nieder, lauter Andenken an viele Reisen nach Galam. Für mich war die Ruhe an Bord niederdrückend nach den vielen schweren Erregungen der letzten Tage in Saint-Louis.

Der Anblick des für mich bestimmten Zimmers war nicht gerade erfreulich, besonders wenn ich an das Zimmer des »Petrel« dachte, das ich eben verlassen hatte. Es war ein großer, alter kahler Raum. Der Fußboden war von Alter und Hitze auseinandergetrieben und ein Tummelplatz ganzer Krabbenfamilien geworden. An meinem Bett öffnete sich eine breite Stückpforte, zwei Finger von der grünen Flut entfernt, und während der langweiligen Siestastunden sah ich, wie Fische und Haifische sich draußen überschlugen und sah Negerknaben in ihren Piroguen vorüber gleiten.

In den Phasen des Lebens, in welchen das Herz in heißer Leidenschaft glüht, graben sich die geringsten Kleinigkeiten ganz merkwürdig in den Sinn, und die Zeit, die alles verweht, läßt nur die Erinnerung bestehen.

So wird jenes große Zimmer auf dem »Espadon« mir lang noch gegenwärtig bleiben. –

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