Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

An Bord des »Jean Bart«.

In See, 17. Juni 1870.

Die Zeit, da die Sonne unter dem 85sten östlichen Längengrad und dem 2ten südlichen Breitengrad unterging, verbrachte ich damit, die berauschenden Herrlichkeiten dieses äquatorialen Himmels zu betrachten. Meine Schildkröte Suleima erging sich vor mir im vollen goldenen Licht und mein Affe Zoio, der sich auf einer von der Decke niederhängenden Ananas wiegte, schnitt einem alten Seidenaffen Grimassen, der auf einen Wasserkrug gestiegen war.

Einer meiner Kameraden ließ die Bemerkung fallen, daß die arme Suleima, einst so gehütet, nun ganz vergessen sei, daß selbst ihre Erziehung völlig vernachlässigt werde, seitdem Zoio, diese wichtige Persönlichkeit, sich hier eingedrängt hätte. Indessen, setzte er in prophetischem Ton hinzu, »auch Suleimas Zeit wird wiederkehren, denn unsere ersten Fröste werden den armen Zoio zu seinen Vätern einberufen, während die Schildkröte sich in Ihrem Garten in Frankreich bald heimisch fühlen und noch in hundert bis hundertzwanzig Jahren dort lebendig und gesund sein wird. Dann werden Ihre Urgroßneffen es ihren Kindern erzählen, daß ein Urgroßonkel, der Seemann war, dies Tier aus Algerien brachte«.

Hier wurde mein Kamerad von dem Geschrei seines Papageis unterbrochen. Der Vogel mußte sich gegen einen heftigen Angriff des alten Seidenaffen wehren, der von seinem Wasserkrug herabgestiegen war. Ich aber nahm den Faden jener Gedanken auf und spann ihn allein weiter.

Die kleinen unbekannten Wesen, die da eben heraufbeschworen worden waren, die noch ungeboren sind, und die weiß Gott in welchen Winkel Frankreichs leben werden, sie werden in phantastischen bunten Farben das Bild jenes Seemanns, ihres Urgroßonkels leuchten sehen. Sie werden sich ihn bestimmt so vorstellen, wie ich in meiner Kindheit an diesen oder jenen Märchenonkel dachte. Sie werden mich in der Tracht vergangener Tage erblicken, wie ich Suleima fange im fernen Land, und das alles wird ihnen vom unbestimmten Licht der Träume umflossen sein ...

Dies zwang mich, traurig der Zukunft zu gedenken und bestimmte mich, für jene Urgroßneffen die ausführliche Geschichte aller jener Begebnisse aufzuschreiben, die den Fang meiner Schildkröte eingeleitet haben.Diese Geschichte, die P. L. viel später erst schrieb, wurde in »Fleurs d'amour« veröffentlicht.

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