Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

An Bord des »Petrel«.

Dakar, Dezember 1873.

In diesem Moment entdecke ich, daß wir mitten in der Weihnachtsnacht sind. Bei unserem Seemannshandwerk ist es nicht ganz leicht, Monate und Tage auseinanderzuhalten.

Aber diese Weihnacht kann mich nicht tiefer ergreifen. Kein Vergleich zwischen ihr und den schönen frostig-klaren heiligen Nächten der Heimat. Die Luft ist lau, der Himmel bewölkt, aber ein wenig Mondsichel ist trotzdem zu sehen. Der »Petrel« nähert sich mit vollen Segeln dem Kap Verd, und die reisenden Negerinnen auf Deck sind jede mit ihrem Schurz bekleidet.

Durchsichtige Finsternis lagert über dem stillen Meer, heiße Feuchtigkeit dringt in die Lungen, gemischt mit dem exotischen Duft, der den Negerinnen eigen ist ...

... Ich erinnere mich, daß ich vor einem Jahr zur gleichen Stunde Mutter und Tante Claire zur Kirche von Rochefort begleitete. Wir wollten dort den Weihnachtsbaum betrachten in Erinnerung an meine Kinderzeit. Und plötzlich hörte ich die stillen Straßen entlang ein singendes Rufen wie in alter Zeit: »Frische Kuchen, noch ganz warm!« So lebte sie also noch, die Kuchenfrau, die mir schon uralt erschienen war zur Zeit frühester Jugendtage. O wie trug da dies unveränderte Lied all mein Denken weit, weit zurück! Es schien, als erwachten mit ihm alle Winterabende im Kinderland, im warmen Zimmer rund um den Kamin ...

Morgen werden wir zu Dakar erwachen. Dort harren unser unsere Hütten, breite Landflächen und blattlose Riesenbäume, auf denen Geier nisten ...

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