Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Joinville, 30. April 1875.

Unsere »Golobande« hält treue Freundschaft mit den Organisatoren der Turnschule. Das sind teils Feldwebel, teils Quartiermeister, brave Jungen mit rechtschaffenen Herzen, offenen intelligenten Gesichtern und all der sorglosen Fröhlichkeit, die gesunder Jugend eigen ist.

An jedem Abend ist Rendezvous beim »Springenden Kaninchen«, einer Soldatenkneipe tief in einem Garten, der von Rosen und Syringen duftet. Erst aber ordnet sich der Zug bei mir: Man kostümiert sich, tauscht die Kleider, und so entstehen neue Feldwebel, andere Matrosen, aber auch Lumpensammler, lustige Figuren, Zirkusclowns und Kunstreiter, ganz unwirkliche Verkleidungen einer Schar wirklicher Menschen ...

Mit den trefflichen Boxerregeln, die wir alle innehaben, und mit der Herkuleskraft unserer Turner dringen wir überall durch, sind überall gefürchtet, überall Herren und Meister.

Unser Bundeslied ist eine frohe Weise, und allabendlich klingt sie auf, wenn die Turner über die blühenden Wiesen hinauf zur Festung ziehen.

Oft werde ich sie zurückwünschen, diese Zeit voll Jugend und Lebenskraft, und all die frohe Heiterkeit, die wie ein Taumel auf mir liegt, – selbst unserer kindlichen Spiele im Wald von Vincennes werde ich denken, wo die Pariser uns leichtem zwanglosen Völkchen zugejubelt haben. Und stets werde ich mir unsere braven Turner vor Augen halten, die zu jedem meiner abgeschmackten Scherze zu haben sind, und die, gleich mir, beim geringsten Anlaß Freude empfinden, wie sie ähnlich sonst nur Kindern eigen ist.

Das »Spiel in vier Winkeln« beispielsweise, das meinem Erfindergeist sein Dasein verdankt, ist ganz besonders gelungen. Um es zu inszenieren, rotten wir uns am Sonntag in zahlreiche Gruppen, mindestens zwölf an der Zahl. Doch muß man für dieses Spiel einen Platz zu finden wissen, an dem bereits zahlreiche Krämerfamilien ihr ländliches Frühstück verzehren. Denn dann das durch uns verursachte tolle Durcheinander dieser Leutchen zu sehen, wirkt ungeheuer belustigend.

Jeden Sonntagabend erneut sich das gleiche heitere Schauspiel: Die Ausflügler aus Paris stürzen zur Bahn, um den Zug nicht zu versäumen und dadurch nicht gezwungen zu sein, in Joinville zu übernachten. Von unserem Balkon aus, dem Bahnhof gegenüber, können wir uns herrlich über sie lustig machen. Es freut uns sogar zuweilen, die letzten Nachzügler mit den Resten unseres Abendbrotes zu bewerfen, das sind Spargelstümpfe, Eierschalen und dergleichen liebliche Dinge mehr. Die Leutchen ärgern sich zuweilen, und, im Zweifel darüber, ob Rache hier wichtiger ist als das Erreichen des Zuges, wenden sie sich, drohen mit der Faust, und laufen dann nur um so schneller, was unsere Freude noch größer macht.

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