Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Die Rolle von Friedrich Diez

Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm IL erreichte Diez nur insofern einen Fortschritt, als er auf sein Nachsuchen hin zum außerordentlichen Gesandten mit entsprechender Gehaltserhöhung ernannt wurde, wozu der König als besonderes Zeichen seines Wohlwollens das Adelsdiplom fügte. Wohl aus dem Wunsche heraus, dadurch, eine politische Annäherung herbeiführen zu können, erbot sich jetzt die Pforte unter dem Vorwande, ihre Glückwünsche zur Thronbesteigung darbringen zu lassen, zu einer außerordentlichen Gesandtschaft an den preußischen Hof. In Berlin wünschte man dies jedoch teils aus finanziellen Gründen abzulehnen, wobei man noch besonders hervorhob, dass die Pforte ja doch keine Gesandtschaften an Staaten schicke, die nicht ihre Grenznachbarn sind, und eben deshalb würden die anderen Höfe, die nie dergleichen erhalten hätten, um so mehr Anstoß daran nehmen. Bereitwilligst erwiderte Diez, dem eine solche Gesandtschaft wohl kaum erwünscht gewesen wäre, am 9. Dezember 1786:

«J'espere de Vempecher sans que cela fasse une mauvaise impression sur Vesprit des Turcs. Je saurai profiter de la confiance, quon marque ici pour moi.»'

Einige Monate später wollte diese Gesandtschaft jedoch dem Staats- und Kabinettsminister Hertzberg wieder günstiger erscheinen. In einem chiffrierten Brief an Diez vom 13. Februar 1787 schrieb er:

«Ayant parle hier au roi je lui demandai s'il voulait avoir ici un Ministre Türe et que je croiois que cela serait un bon effet pour nous en Europe comme la mission d' Achmed Effendi et que on imposerait ä plus d'une puissance quon pouvait alleguer pour motif que cetait pour feliciter Sa Majeste sur son avenement au tröne et pour reciproquer vötre nomination au caractere d'Envoye. Le Roi goüta cette idee et dit que je pouvais diriger les choses pour qu'un Ministre Türe vienne ici^ mais qu'il fait dire que les Turcs y insistaient beaucoup et quon Vadmettait pour complaisance pour la porte Ottomane. Vous pouvez donc entamer cela en consequence mais il ne faut pas faire remarquer dans vos depiches que je vous ai suggerc cette idee parceque personne ne le soit ici que le Roi et moi et que d'autres desapprouvent ici cette inission craignant d'effaroucher la Russie ce que moi je ne crains pas. Si la Porte envoit donc un ministre il faut que vous sachiez de faire choisir un komme qui ait de la tete et du jugement avec lequel on puisse faire quelque chose, qui ne soit pas trop entete ni trop avare. II serait bon aussi quil sait quelque langue Europeenne quand ce ne serait que Vitalienne que j'entends. En tout cas il faudrait que vous Vinstruisiez un peu avant son depart et que vous lui donniez un compagnon de voyage qui dans le long chemin lui apprenne ä entendre du moins quelque chose de quelque langue Europeenne afin que du moins moi je puisse converser avec lui pour lequel effet l'Italien serait le meilleur que j'entends seul ici. Voila des choses qui doivent rester absolument secretes entre nous deux et que vous chiffrerez vous meme.»

Da aber Diez die Pforte davon abzubringen wusste, ließ auch Hertzberg, hauptsächlich Russlands wegen, den Gedanken wieder fallen. So schrieb er Diez am 24. April 1787: «Vous ferez aussi bien de detourner par les memes raisons (Rücksicht auf Rußland, Österreich und Frankreich) l'ambassade Turque. Elle nous coüterait trop et l'argent n'est plus si en abondance chez nous que dans les temps passes.» Darauf erwiderte Diez am 9. Juni: «Pour l'ambassade Turque je la detournerai bien, j'espere, mais je laisse reposer la chose jusqu'ä ce que le Reis Effendi men parier a de nouveau.»

Man wollte in Berlin nichts unternehmen, was die Beziehungen zu Russland trüben konnte. Dazu war man sehr durch die holländische Verwicklung in Anspruch genommen. Deshalb beschränkte man sich gegen die Pforte nur auf allgemeine Ratschläge ohne weitere Verpflichtung.

Aber die Türkei, zum Teil durch Diez in der Hoffnung bestärkt, an der Vermittlung Preußens eine zureichende Hilfe zu finden, ließ sich im Herbst 1787 durch die offensive Haltung Katharinas gereizt zur Kriegserklärung an Russland hinreißen. Zunächst war Diez jetzt zwar noch immer zu einer Neutralität und Untätigkeit gezwungen, die er nur mit Widerstreben ertrug. Doch als Hertzberg nach glücklicher Erledigung der holländischen Angelegenheit nun den Türkenkrieg „zu einer Verherrlichung seines Ministeriums" auszunutzen gedachte und glaubte, durch kluge Ausbeutung der Lage, ohne Preußen in den Krieg zu verwickeln, eine erwünschte Arrondierung für Preußen zu erlangen, da schlug auch für Diez die Stunde zu lebhafterer diplomatischer Betätigung, allerdings nicht im Sinne seiner aggressiven Politik. Denn durch einen geheimen Unterhändler des Königs, den Oberstleutnant von Götze, der versuchen sollte ins Hauptquartier der türkischen Armee zu gelangen, erhielt Diez nur die allgemeine Instruktion, die Pforte an einer paix precipitee ohne Preußens Teilnahme oder Vermittlung zu hindern und sie, falls sie Erfolg hätte, in kriegerischer Stimmung zu erhalten; im übrigen aber einem Verlangen der Türkei nach einem Bündnis immer geschickt auszuweichen.

Hertzberg hielt eine schwere Niederlage der Türkei für sicher, zumal auch Osterreich die Feindseligkeiten gegen die Türkei begonnen hatte Sein grand object, das des Königs ganze Zustimmung fand, war deshalb, als Friedensvermittler die Türkei zur Abtretung der Moldau und Walachei an Österreich und der Krim, Oczakows und Bessarabiens an Russland zu bestimmen, wofür er dann von Osterreich die Rückgabe Galiziens an Polen fordern wollte und letzteres Danzig, Thorn und die Palatinate Posen und Kaiisch Preußen überlassen sollte.

Indessen gestaltete der Krieg sich nicht so, dass man der Pforte von Gebietsabtretungen hätte reden können. Diez, der sich unumwunden gegen Hertzbergs Pläne ausgesprochen hatte, ließ deshalb seinen Wunsch auf eine sofortige Offensivallianz mit der Pforte wieder deutlicher werden Er wollte durch eine energische Kraftentwicklung gegen Russland und Osterreich, im Bunde mit der Türkei, Polen, Schweden und den Seemächten das Übergewicht Preußens auf dem Kontinente dauernd feststellen.« Mit Recht verwarf Hertzberg solche Phantasien als "unausführbare Ideen" und wollte noch immer jede Verbindung mit der Pforte vermieden wissen. Ihre Meinungsverschiedenheiten führten sie fast zu offener Entzweiung.

Als aber im Herbst 1788 die Lage der Russen und Österreicher sich immer schlechter gestaltete und zur selben Zeit auch Gustav III. von Schweden eine Diversion zu Gunsten der Türken machte,  gewann selbst Hertzberg eine günstigere Meinung von den Türken. Nun wurde Diez angewiesen, die Türken zu kraftvoller Fortsetzung des Krieges zu ermutigen, um auf diese Weise Österreich zur Abtretung Galiziens zu zwingen. Ja Diez sollte sogar der Pforte Hoffnung auf eine Offensivallianz machen, ohne sich jedoch durch bestimmte Zusagen zu binden. Mittlerweile aber hatte sich das Kriegsglück schon wieder gewendet.

Schon in den letzten Monaten des Jahres 1788 war mit der Berufung Laudons zum Oberbefehlshaber ein Umschwung in der österreichischen Kriegsführung eingetreten. Nun sollte Diez wieder den Abtretungsplan der Pforte vorhalten mit der Drohung einer Diversion Preußens zu den Gegnern der Pforte.

Diez hingegen hielt die Zeit hierfür noch nicht gekommen und blieb bei seiner Überzeugung, dass nur ein tatkräftiges Bündnis mit der Türkei zum Ziele führen werde.

Dieser Zwiespalt und das Schwanken in der politischen Haltung Preußens wurden in ihrer ungünstigen Wirkung auf die Verhandlungen noch verstärkt durch die schwierige Depeschenverbindung infolge der räumlichen Entfernung zumal seit der Kriegserklärung des Kaisers. Denn wenn sie sonst auf dem gewöhnlichen Wege über Wien und Warschau in Monatsfrist bewirkt wurde, erforderte sie jetzt über Venedig, Ancona oder Marseille mindestens 2 Monate und war noch unsicherer. So klagt Diez in einem Brief an Hertzberg im Januar 1789: Ce qui est vraiment affligeant c'est que notve communication est ci extremement longue qu'il faut quatve mois pour recevoir reponse et que par dessus tout il faut encore craindve que les lettres ne se pevdissent dans la route qu'elles doivent pevcouvir.

Zu diesen Schwierigkeiten kam nun noch das persönliche Missverhältnis, in dem Diez sich sowohl zum Reis Efendi wie auch zu dem geschickten britischen Gesandten Ainslie, dem Vertreter der nächstverbündeten Macht, befand ; derart, dass oft England allein zwischen Österreich und der Pforte vermittelte.

Überhaupt war in der Zeit vom Abschluss des preußisch-englischen Bündnisses (1788) bis zur Reichenbacher Konvention (1790) die diplomatische Führung in der orientalischen Frage von Preußen auf England hinübergeglitten.

Im Herbst 1788 bemühte sich der kranke Kaiser Joseph II. heimlich durch den französischen Botschafter mit nicht unbilligen Forderungen sehr um einen Separatfrieden, während auch Sultan Abdul-Hamid selbst zum Frieden geneigt war. Deshalb wurde Diez von Hertzberg instruiert: ,,Wir haben nichts so sehr zu fürchten als einen Separatfrieden zwischen der Pforte und einem der kaiserlichen Höfe. Sie müssen also dies auf jede mögliche Weise verhindern."

Hierin hatte Diez zwar Erfolg, doch wollte es ihm nicht gelingen, die Pforte zu der verlangten schriftliehen Erklärung über die Annahme der ausschlißlichen Vermittlung des Friedens durch Preußen zu bewegen. Als ihm schließlich im Februar 1789 hierfür eine Konferenz anberaumt wurde, da trieb der schlaue Reis Efendi den armen Diez durch geschickte Fragen Stellung und die Forderung einer alliance formelle so sehr in die Enge, dass er ihm sogar die mündliche Versicherung entreißen konnte, der König werde einer Restitution der Krim und sämtlicher Eroberungen der Russen und Österreicher, sowie einer Erstattung der Kriegskosten von Seiten des Kaisers nicht abgeneigt sein. Hierdurch kühn gemacht, stellte der Reis Efendi als erste Verhandlungsbasis die Forderung auf, dass der König sofort an beide Kaiserhöfe den Krieg erkläre. Diez weigerte sich dessen, worauf die Pforte nun wieder einlenkte. Doch es trat schließlich klar zu Tage, dass sie nicht auf eine obligatorische, sondern nur auf eine fakultative Friedensvermittlung Preußens eingehen wollte.

Während Diez nun völlig von der Unmöglichkeit überzeugt war, den beabsichtigten Pacifications- und Teilungsplan Hertzbergs zur Ausführung zu bringen, war man in Berlin noch immer in dem Wahn befangen, dass das Dasein des osmanischen Reiches in Europa allein von Preußen abhänge. Den Hauptgrund, warum man da nichts erreiche, fand man fortwährend, dass Diez ebenso von seinen Vorurteilen für Türken besessen, als für die ihm erteilten Instruktionen ungelehrig sei.

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