Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Einreise nach Berlin

Da von unserem erlauchten Herrscher seit dreißig Jahren kein Gesandter nach Berlin gekommen war, so konnte die Bevölkerung Berlins unsere Ankunft in der Stadt nicht abwarten. Winter und Schnee nicht achtend, kamen sie, Männer und Weiber, in Wagen, zu Pferde und zu Fuß, um uns zu sehen und mit Verwunderung zu betrachten, und kehrten dann wieder nach Berlin zurück.

Nachdem wir so einige Tage in Cöpenick verbracht hatten, brachen wir an dem genannten Tage des erwähnten Monats wieder auf. Als wir das eine Stunde vor Berlin gelegene Landgut Rummelsburg erreichten, empfing uns dort Herr Diez, der vordem als Gesandter in Konstantinopel gewesen war, mit 7 oder 8 Kutschen, sowie mit Lakaien [itschoglanlar] des Königs und einer Anzahl Reiter. Wir nahmen Kaffee und Kuchen zu uns, danach ließ man uns in dem König eigene und, um die Hohe Pforte zu ehren, herbeigebrachte sechsspännige Kutschen steigen und im Zuge mitten durch die Stadt Berlin ziehen. So geleitete er uns in die hergerichtete Herberge.

Schon von Cöpenick bis Berlin waren die Wege auf beiden Seiten dicht gedrängt voll Zuschauer, und nun erst diese Menschenmenge in der Stadt! Wo unser Weg hindurchführte, waren die Straßen und die Fenster der Häuser in solchem Maße von Leuten gefüllt, dass man einige Male tatsächlich sah, wie die Pferde des Wagens, in dem wir saßen, wegen der Menschenmenge nicht vorwärts konnten und stehen blieben.

Nachdem für den dritten Tag unserer Ankunft in Berlin eine Audienz bei dem ersten Staatsminister und für den fünften beim König bestimmt war, wobei ein kaiserliches Schreiben und ein Brief seiner Exzellenz des Kaim-mekams überreicht werden sollten, lud uns einen Tag vor der offiziellen Audienz bei dem ersten Staatsminister der zweite Staatsminister inoffiziell in sein Haus ein. Als der übliche Kaffee mit Kuchen genossen war, gaben wir auf seine Frage nach unserer Mission folgenden Bescheid: "Unsere Mission ist darzulegen, dass von dem osmanischen Reich betreffs der Verpflichtungen des zwischen der Hohen, Ewigswährenden Pforte und dem preußischen Staate geschlossenen schönen Bündnisses nichts unterlassen werden wird, um dadurch seiner Majestät dem König Zuversicht zu erwecken und ihn gemäß den Bündnispflichten zur Teilnahme am Kriege zwischen der Hohen Pforte und den sie bekämpfenden Ländern anzuregen und anzutreiben. Alsdann kehrten wir wieder in unsere Wohnung zurück. Wie bereits geschrieben, sollte an dem genannten Tage die Audienz bei dem ersten Staatsminister und dabei die Übergäbe des Briefes seiner Exzellenz des Kaim-mekams stattfinden. Dazu kam zur Mittagszeit ein Einlader des Staatsministers mit einer dem Minister selbst eigenen Kutsche und einigen Kutschen für unser Gefolge. Mit den Worten: "Der Staatsminister erwartet Sie!" geleitete er uns in den Wagen und brachte uns nach dem Palais des Staatsministers.

Bei unserer Ankunft daselbst empfingen uns zwei, Räte genannte, angesehene Herren am Fuß der Treppe und führten uns in das Gemach, in dem der Staatsminister war. Indem wir, während er stand, auf ihn zugingen und ihm jetzt mit den Worten: „Dieser hohe Brief wird von dem jetzigen Kaim-mekam der Hohen Pforte, seiner Exzellenz unserem hochansehnlichen und glückseligen Herrn Mustafa, gesandt zur Bekräftigung der Zuneigung und Freundschaft, die ihn mit Euch, V22 seinem Freund, dem geschätzten und würdevollen Staatsminister des preußischen Staates, verbindet", den Brief seiner Exzellenz des Kaim-mekams eigenhändig überreichten, erklärte er: „Diese Mission eines Gesandten mit einem kaiserlichen Schreiben zur Begründüng der Freundschaft, die die Hohe Pforte speziell für den König von Preußen bekundet, wird diesem König in allen Staaten Ruhm und Ehre einbringen." Danach setzten wir uns auf zwei bereitgestellte Stühle einander gegenüber und unterhielten uns ein wenig über die Reise; frischten erfreut die gemeinsamen Bekanntschaften aus dem Jahre 76 wieder auf und sprachen befriedigt von unserer Gesandtschaft und Mission. Alsdann kehrten wir so, wie wir gekommen waren, wieder in unsere Wohnung zurück.

Am Tage nach unserer Audienz bei dem ersten Staatsminister veranstaltete der zweite Staatsminister Hertzberg ein Fest, wozu er uns in sein Haus einlud. Wir nahmen seine Einladung an und wurden bei unserer Ankunft in seinem Palais im Audienzsaal empfangen und in sein Zimmer geleitet. Sobald dann mit einigen formellen Reden voll Freundschaftsbezeugungen die nötige Bekanntschaft und Ungezwungenheit hergestellt war, führte er uns mit den anderen eingeladenen leitenden Männern des Volkes zusammen an die festlich gedeckte und zugerichtete Tafel. Indem er uns nun mit einigen nach unserem Geschmack bereiteten Speisen bewirtete, bezeigte er uns die größte Liebenswürdigkeit und Ehrung.

Am folgenden Tage kam der oben erwähnte Herr Diez, um uns zu feierlicher Übergabe des kaiserlichen Schreibens in das königliche Schloss einzuladen. Dazu kam ein Stallmeister mit einer sechsspännigen Hofequipage, sowie ein Hauptmann mit einigen königlichen Kammerdienern und 40 bis 50 Soldaten. Sie geleiteten voll Hochachtung vor dem kaiserlichen Schreiben unseren Diwan **** und unseren ****, der die kaiserlichen Geschenke mit sich führte, in eine der Equipagen und uns gleichfalls mit unserem Dolmetscher in die andere. Indem nun der Wagen mit dem kaiserlichen Schreiben vorausfuhr und wir hinterher, brachte man uns nach dem königlichen Schloss.

Daselbst eilte unser Mihmändär, Major Roeder, mit einem anderen Major aus dem Schlosstor auf uns zu, und sie geleiteten uns ihrerseits in ein Vorzimmer, das neben dem Saal lag, in dem sich der König befand. Nachdem wir eine Viertelstunde gewartet hatten, kam ein Hofmarschall (teschvifatdschi) genannter Mann und öffnete die Tür des Saales, in dem sich der König befand. Nun traten wir mit einigen ausgewählten Leuten unseres Gefolges sowie unserem Dolmetscher ein.

Am anderen Ende des Saales stand der König auf einer etwa eine halbe Elle (zira) hohen, mit persischem Teppich bedeckten, viereckigen Erhöhung vor seinem Thron. Wir näherten uns dieser Erhöhung mit den Worten: „Der jetzige Herrscher aus osmanischem Stamm, der majestätische, Ehrfurcht gebietende, starke und stolze, der König der Könige, der perlengekrönte Monarch, Sultan Selim Chan, unser Herr, sendet Eurer allerhöchsten, würdevollsten Majestät, dem König von Preußen dies kaiserliche Schreiben und diese, seine Gunst bezeugenden Geschenke

Aus den Händen unseres Divankatibi nahmen wir dann das kaiserliche Schreiben und aus denen unseres Kahja die von Wohlwollen zeugenden Geschenke, küssten sie und überreichten sie nacheinander; worauf der König von seinem Thron einige Schritte vorwärts kam, eine Bewegung wie zum Empfang bezeigte und dann dem Staatsminister ein Zeichen gab. Darauf nahm man die Geschenke entgegen, zählte sie auf und legte sie auf den erhöhten Thronsitz.

Alsdann gab der König dem Staatsminister wiederum ein Zeichen, worauf dieser im Namen des Königs erklärte: Die von seiner Majestät, dem großmütigen und edlen Padischah, dem dschemschedgleichen Fürsten, unserem Herrn, Seiner königlichen Majestät in reinster Freundschaft erwiesene Festigkeit und Beständigkeit erkenne er dankbarst an. Indem der Padischah durch einen besonderen Gesandten dem genannten König kaiserliche Geschenke sendet, bezeige er offensichtlichst seine überaus geschätzte Liebe und Zuneigung. Auch er werde diese Freundschaft, soviel an ihm liege, zu erhalten und zu bewahren sich mit allen Kräften bemühen. Dass er dies voll Wahrheit behaupten könne, gehe aus seinen bisherigen Handlungen hervor.

Möchten wir an unserer Mission freudige Zufriedenheit gewinnen! Damit fand die Audienz ein Ende, und wir kehrten in demselben Aufzuge, wie wir gekommen waren, wieder in unsere Wohnung zurück.

Obwohl von Seiten des Königs für die nach Berlin kommenden Gesandten anderer Länder keine besonderen Festlichkeiten veranstaltet zu werden pflegen, wurde doch an jenem Tage zu Ehren der Hohen Pforte im Auftrage des Königs in unserem Quartier ein großes Fest arrangiert, wozu einige der ersten Staatsmänner geladen waren, damit wir uns bekannt machen und in nähere Beziehungen zueinander treten konnten. So speisten wir nach unserer Rückkehr aus dem Schloss des Königs mit ihnen zusammen. Dann kehrte jeder wieder in sein Haus zurück.

Am folgenden Tage wurden wir auf nicht offizielle Weise in das Palais des ältesten Sohnes, des Kronprinzen, und der übrigen Söhne des Königs geladen. Bei unserer Ankunft in ihrem Palais empfingen uns ihre Erzieher (lala) und führten uns in das Zimmer der Prinzen. Da wir diese stehend antrafen, blieben auch wir stehen und führten so etwas Unterhaltung. Darauf kehrten wir wieder in unsere Wohnung zurück.

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