Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Rückreise über Dresden und Prag

Da bis dahin von der Hohen Pforte noch niemand nach Sachsen gekommen war, so stürmten mit einem mal Männer und Frauen, um uns zu sehen, nach dem Ort, wo wir waren, und fielen uns dermaßen zur Last, dass wir beschlossen, den uns zu unserem Schutz vom Herzog zugeteilten Hauptmann die Kommenden und Gehenden uns abwechselnd der Reihe nach zuführen zu lassen. Sie hörten dabei aber nicht auf den Hauptmann, sondern drängten mit Gewalt die an der Tür stehenden Soldaten zurück und kamen und gingen nach Herzenslust.

Nachdem man so drei Tage in Dresden verbracht hatte, wurde weitergereist und die Festung Prag, die Flauptstadt der Österreich zugehörigen Provinz Böhmen, erreicht. Diese Festung ist ein an der Moldau gelegenes, starkes Bollwerk, wobei sie mit ihren vielen Wein* und Blumengärten auch eine anmutige Stadt ist. Dazu ist etwas der über den genannten Fluss gespannten Steinbrücke Ähnliches in Europa sehr selten anzutreffen.

Im Kriege Preußens mit Österreich im Jahre 71 [1757] hatten die Preußen die Provinz Sachsen vernichtet und kamen, nachdem sie den größten Teil der erwähnten Stadt Dresden eingeäschert hatten, auch nach Prag. Die von den Preußen während ihrer Belagerung abgeschossenen Kanonenkugeln kann man mit eigenen Augen bis zu diesem Tage in den Mauern der Festung und einiger Häuser stecken sehen.

Wir hatten ernstlich beabsichtigt, in Prag einen Tag zur Ruhe zu verweilen Bei unserer Ankunft in dem Postgebäude war jedoch der ihm gegenüberliegende, große Platz in fünf bis zehn Minuten gedrängt voll von Männern und Frauen. Da es nun offenbar war, dass, falls man bliebe, es keine Ruhe gäbe, vielmehr viel Belästigung zu ertragen wäre, so blieben wir nur 1 bis 2 Stunden in dem Raum des Postgebäudes und ließen dann, ohne dass jemand davon wusste, die Postpferde herbeischaffen. So entkamen wir nach dem 4 Stunden weiter von Prag gelegenen Flecken Bechowitz. Daselbst wurde übernachtet und am nächsten Tage die Provinz Böhmen durchreist, bis man nach der Festung Wien, der Residenz des römischen Kaisers kam.

Weil nach Sülejman Bej, einem Enkel des Kabakulak, der bei der Thronbesteigung des ehemaligen Herrschers, Seiner Majestät, des hochseligen Großherrn Sultan Abdul-Hamids, mit einer Botschaft nach Wien ging, von Seiten des erhabenen Sultanats kein Gesandter mehr nach Wien kam, und da auch der jetzige, für Osterreich bestimmte Ratib Ebubekir Efendi noch nicht in Wien angekommen war, so waren wir überzeugt, dass, falls man notwendigerweise in der Stadt bleiben müßte, man wegen des zahlreichen Menschenandranges keine Ruhe finden würde. Deshalb betraten wir die Stadt nicht, sondern zogen weiter nach dem 2 Stunden von der Stadt entfernten Flecken Schwechat.

Dort wurde 1 bis 2 Tage Ruhe und Rast gehalten. Nachdem einige der notwendigsten Reisebedürfnisse vervollständigt waren, wurde auch von dort wieder aufgebrochen und nach Passieren der Festungen Budin und Temeswar das unwegsame Siebenbürgen sowie der transsilvanische Pass (Eiserne Torpaß) durchwandert und überschritten. So kam man nach der 4 Stunden von der Grenze der Walachei entfernten Stadt Hermannsstadt, die auch Szeben heißt und zu den größeren Städten Siebenbürgens gehört. Nach einem eintägigen Aufenthalt wurde die Grenze der Walachei überschritten und in 3 bis 4 Tagen Bukarest und von Bukarest in 3 Tagen das Ufer der Donau erreicht. Nach Überfahrt über die Donau in „unbedeckten Schiffen" und nach Passieren der Flecken Tutrakan, Razgrad und Schumla, sowie Karnabat, Kyrk Kilisse, Burgas, Tschorlu und Siliwri langten wir am Freitag, dem 7. Schaban Umu azzam [3). März] wohlbehalten an der Glückseligkeit bergenden Schwelle [d. i. Konstantinopel] an und stiegen durch Gottes des höchsten Gnade und Güte glücklich in unserem Hause ab.

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