Zustand des Militärs
Der preußische Staat hat ein geordnetes Militär von mehr
als 220000 Mann, die erforderlichenfalls von ihrem jeweiligen
Ort in 3 Tagen nach ihrer kommandierten Stelle gelangen
können. Von ihnen sind mehr als die Hälfte Einheimische und
die übrigen Fremde. Es sind 130000 Mann Infanterie,
60000 Reiter und 12000 Artilleristen. In Friedenszeiten bildet
das Militär aus Einheimischen 3 Gruppen.
Jeder Gruppe pflegt man im Jahre 9 Monate Urlaub zu geben,
damit sie nach Haus und in die Heimat gelangen, um dort
Landwirtschaft und Ackerbau zu betreiben, oder wer ein
Handwerk hat, diesem nachzugehen. Darum wird ihre in diesem
Zeitraum verdiente Löhnung nicht ausgezahlt, sondern eine
Hälfte davon kommt der königlichen Schatzkammer zu, und die
andere Hälfte verbleibt mit Wissen des Königs dem Oberst, dem
Major, dem Hauptmann sowie den Offizialen. Wenn die 9 Monate
herum sind, kehrt diese Gruppe zum Regiment zurück, und die
nächste Gruppe geht
Dies Militär wohnt in den Festungen und Städten. Das in
Berlin liegende zieht täglich regimentweise der Reihe nach
frühmorgens mit dem General und den übrigen Offizieren im
Sommer wie im Winter auf den Übungsplatz (te'allum mejdany).
Nach 2 bis 3 Stunden Kriegsübungen wird von dort Gruppe für
Gruppe auf Patrouille sowie auf Wache an einige zu bewachende
Orte geschickt.
Wenn die, welche Wache gehabt haben, an ihren Platz
zurückkehren, ziehen sie ihre besondere Uniform aus und ein
älteres Zeug an, um darin allerhand grobe Arbeitsdienste zu
verrichten. Kommt dann das Regiment wieder an die Reihe zu
üben, so wird wieder die Uniform angelegt und mit dem Regiment
hinausgezogen auf den Übungsplatz, wo man KriegsÜbungen macht.
Für die Mannschaft dieses Militärs ist täglich 4 Para
Löhnung und Okka Brot bestimmt, dazu in Kriegszeit an drei
Tagen der Woche Rindfleisch. Auch bekommt die Mannschaft im
Jahr Kopfbedeckung und 2 vollständige Anzüge bis auf den
Strumpf und das Hemd. Zu Beginn des Sommers kommen alle
Truppen, soviel ihrer in der Umgebung der Residenzstadt des
Königs vorhanden sind, mit Zelten vor die Stadt Berlin. Sowie
alle vollzählig sind, wird ihnen ihre Sommerkleidung
ausgehändigt und dann allen bekannt gegeben, dass an einem
gewissen Tage Revue, d. h. Musterung, sein wird. Dazu ziehen
auch die Truppen in der Stadt 3 Tage weit hinaus und
vereinigen sich mit den aus der Umgegend kommenden Truppen.
Auf dem besonderen Musterungsfelde nehmen sie kriegsmäßige
Aufstellung. Jedes Regiment hat seine Geschütze vor sich. So
stehen sie in geschlossenen Reihen. Nachdem sie dann etwas
Geschütz- und Gewehrübungen gemacht haben, ziehen sie alle
regimentweise an dem König vorbei, wobei sie ihrer Stellung
und ihrem Range nach von ihrem Herrscher einer Gunstbezeugung
teilhaftig werden. Das wunderbarste von allem ist, dass,
während auf der erwähnten Ebene an Militär und Zuschauern über
100000 Menschen versammelt sind, außer den Kommandostimmen der
Befehlshaber für die Bewegung der Soldaten keine Stimme gehört
wird; so stumm und still stehen alle.
Die Truppen in den anderen Provinzen geht entweder auch der
König selbst zu mustern, oder die Generale jener Gegend
mustern sie. Dabei wird auch diesen Mannschaften
Sommerbekleidung gegeben. Bei solcher Musterung kann nun auch,
falls sich ein Kranker oder für den Krieg Untauglicher findet,
mit einem Bericht seiner Krankheit ein Bittgesuch an den König
gerichtet werden. Stimmt darin die Aussage mit dem Sachverhalt
überein, so erhält der Mann seine tägliche Pension und wird
aus dem Soldatenstand entlassen. In seine Stellung lässt man
einen aus dem Ersatz rücken.
Neben dieser Musterung wird auch noch in der Herbstzeit
alle in Berlin und den Orten rings um Berlin, auf 20 bis 30
Stunden Entfernung liegende Infanterie und Reiterei in der
Stadt Potsdam, der Erholungsstätte des Königs, gesammelt. Dann
werden alle dort vorhandenen Truppen in 2 Gruppen geteilt,
wovon eine der König selbst und die andere einer seiner
hervorragenderen Generale befehligt. Auf der außerhalb der
genannten Stadt gelegenen, weit ausgedehnten Ebene führt man
dann kriegsmäßig Geschütz- und Gewehrkämpfe aus.
Das Kriegswesen gilt in Europa gemeinhin für eine Kunst.
Deshalb wird jeder König, der geschicktere Truppen hat,
meistens seinen Feind besiegen. Da es nun unter allen Völkern
zugestanden wird, dass heutzutage die überlegene
Geschicklichkeit des preußischen Militärs in der Kriegskunst
vor allen anderen evident ist, so kommen zu den erwähnten
Manövern aus Holland, England, Frankreich, Italien, Schweden,
Sachsen und Dänemark Majore, Hauptleute und Offiziale, um dem
Schauspiel der Gefechtsweise beizuwohnen und Kenntnisse von
ihr zu nehmen und zu erlangen.
Damit die Truppenteile, welche mit der Bewachung der
Festungen und Grenzen beauftragt sind, an den ihrer Bewachung
überlassenen, befestigten Orten sich nicht zu sehr an die Ruhe
gewöhnen und verweichlichen, lässt man sie nicht dauernd an
einem Ort, sondern kommandiert sie von Zeit zu Zeit von einem
Waches Kommando auf ein anderes. Durch diesen Wechsel sind die
Truppen nie ohne Bewegung. Darum wird zur Löhnungszeit jedem
von den Einkünften der Provinz, in der er sich gerade
befindet, seine Löhnung gegeben. Später rechnen dann die
Finanzverwalter der Provinzen miteinander ab. Da für einen im
Kampf gefallenen oder sonstwie durch das Schicksal zu Tode
gekommenen Soldaten ein Ersatz notwendig ist, so ist für die
dazu nötige Anmusterung für jedes Regiment eine Provinz
bestimmt.
Da also festgesetzt ist, dass der Ersatz der fehlenden
Soldaten aus diesen Bezirken erfolgen soll, so begeben sich
jedes Jahr die Offiziale desjenigen Regiments, dem Soldaten
fehlen, in den ihren Regimentern bestimmten Bezirk und nehmen
von den Familien, die drei Söhne haben, einen. So mustern sie
aus den Familien soviel Soldaten an, wie sie nötig haben.
Nachdem diese in die Rekrutenschar eingestellt sind, werden
von den im Kriegshandwerk ausgebildeten Rekruten so viele
genommen, wie zur Ergänzung der im Regiment fehlenden Zahl
nötig sind.