Fünftes Capitel - Kaufmännische Beschäftigungen Mohammeds
- Seine Heirath mit Kadijah (Khadidschah)
Mohammed wurde nun in das thätige Leben vollständig
eingeführt, indem er seine Oheime bei verschiedenen
Unternehmungen begleitete. Einmal finden wir ihn, als er
ungefähr sechzehn Jahre alt war, bei seinem Oheim Zobier auf
einer Reise mit der Karavane nach Yemen, ein anderes Mal als
Waffenträger desselben Oheims, welcher einen Kriegszug der
Koreischiten zur Unterstützung der Kenaniten gegen den Stamm
Hawazan leitete. Dies wird als Mohammeds erster Versuch in den
Waffen angeführt, obschon er kaum Anderes that, als daß er
seinen Oheim mit Pfeilen in der Hitze des Gefechts versorgte
und ihn vor den Wurfspießen der Feinde beschirmte. Dieser
Krieg wird von den arabischen Schriftstellern als al Fadjar (Faddschar)
oder der verruchte Krieg gebrandmarkt, weil er während der
heiligen Monate der Wallfahrt fortgeführt worden war.
Als Mohammed in den Jahren vorschritt, wurde er von
verschiedenen Personen bei den Karavanenreisen nach Syrien,
Yemen und anderswohin als Handelsagent oder Geschäftsführer
verwendet, und dies Alles diente zur Erweiterung seines
Beobachtungskreises und verschaffte ihm vollständige Einsicht
in den Character und Kenntniß der menschlichen
Angelegenheiten. Er war auch ein fleißiger Besucher der
Märkte, welche in Arabien nicht immer bloße Zusammenkünfte des
Handels wegen waren, sondern gelegentlich Schauplätze
poetischer Wettstreite zwischen den verschiedenen Stämmen, wo
Preise den Siegern zuerkannt wurden, und die Preisgedichte
derselben legte man in die fürstlichen Archive. Solches war
besonders mit dem Markte von Ocadh der Fall, und sieben der
Gedichte, welche dort den Preis erhalten hatten, wurden in der
Kaaba als Siegeszeichen aufgehängt. Auf diesen Märkten wurden
auch die volksthümlichen Überlieferungen der Araber
vorgetragen und die mannichfaltigen religiösen Ansichten,
welche in Arabien gangbar waren, eingeprägt. Aus mündlichen
Quellen der Art sammelte Mohammed viel von jener
mannichfaltigen Kenntniß der Glaubensbekenntnisse und Lehren,
welche er später an den Tag legte.
In dieser Zeit wohnte in Mekka eine Wittwe, Namens Kadijah
(Khadidschah), aus dem Stamme Koreisch. Sie war zweimal
verheirathet gewesen. Ihr letzter Gatte, ein wohlhabender
Kaufmann, war kürzlich gestorben, und die ausgedehnten
Geschäfte des Hauses bedurften einen Vorsteher. Ein Neffe der
Wittwe, Namens Chuzima, war mit Mohammed im Laufe der
Handelsreisen bekannt geworden und hatte die Gewandtheit und
Redlichkeit, mit welcher er sich bei allen Gelegenheiten
benahm, kennen gelernt. Er bezeichnete ihn seiner Tante als
eine zu ihrem Geschäftsführer trefflich geeignete Person. Die
persönliche Erscheinung Mohammeds mag diese Empfehlung kräftig
unterstützt haben; denn er war jetzt in dem Alter von ungefähr
25 Jahren und wird von den arabischen Schriftstellern wegen
seiner männlichen Schönheit und einnehmenden Sitten gepriesen.
So begierig war Khadidschah sich seiner Dienste zu versichern,
daß sie ihm für die Führung einer Karavane, welche sie nach
Syrien abzusenden im Begriffe stand, doppelten Gehalt anbot.
Mohammed befragte seinen Oheim Abu Taleb und auf dessen Rath
nahm er das Anerbieten an. Auf dieser Expedition wurde er von
dem Neffen der Wittwe, sowie von ihrem Diener Maïsara
begleitet und unterstützt, und Khadidschah war mit der Art, in
welcher er sich seiner Verbindlichkeiten entledigte, in so
hohem Grade zufrieden, daß sie ihm bei seiner Rückkehr den
doppelten Betrag des festgesetzten Gehaltes auszahlte. Nachher
sendete sie ihn nach den südlichen Theilen Arabiens bei
ähnlichen Expeditionen, bei welchen allen er sich gleiche
Zufriedenheit erwarb.
Khadidschah stand jetzt in dem vierzigsten Lebensjahre und
war eine Frau von Verstand und Erfahrung. Mohammeds geistige
Eigenschaften stiegen mehr und mehr in ihrer Achtung, und ihr
Herz begann nach dem frischen und gesitteten Jüngling sich zu
sehnen. Laut der arabischen Sagen ereignete sich ganz gelegen
ein Wunder, die Innigkeit ihrer Neigungen zu bestärken und zu
heiligen. Sie befand sich eines Tages mit ihren Dienerinnen
zur Mittagsstunde auf dem Altan ihres Hauses, indem sie die
Ankunft einer von Mohammed geführten Karavane erwartete. Als
er nahete, sahe sie mit Erstaunen, daß ihn zwei Engel, um ihn
vor der Sonne zu schützen, mit ihren Flügeln überschatteten.
Sich mit bewegtem Gemüthe an ihre Dienerinnen wendend sagte
sie: Sehet den Geliebten Allah's, welcher zwei Engel sendet,
ihn zu behüten.
Ob die Dienerinnen mit denselben Augen der Ergebenheit wie
ihre Herrin vorwärts blickten und ebenfalls die Engel
unterschieden, oder nicht, deß thut die Sage keine Erwähnung.
Es genügt zu sagen, daß die Wittwe mit lebhaftem Glauben an
die übermenschlichen Verdienste ihres jugendlichen
Geschäftsführers erfüllt wurde und ihren treuen Sclaven
Maïsara beauftragte, ihm ihre Hand anzubieten. Die
Unterhandlung wird mit einfacher Kürze berichtet: »Mohammed«,
fragte Maïsara, »warum heirathest du nicht?« »Ich habe nicht
die Mittel dazu,« erwiderte Mohammed. »Gut, aber wenn dir eine
reiche Frau ihre Hand anbieten würde, eine sogar, welche
hübsch und von hoher Geburt ist?« »Und wer ist sie?« »Khadidschah!«
»Wie ist dies möglich?« »Laß mich es abmachen.« Maïsara kehrte
zu seiner Herrin zurück und erzählte, was geschehen war. Es
wurde eine Stunde zu einer Zusammenkunft bestimmt, und die
Angelegenheit wurde mit der Gewandtheit und dem Scharfsinne,
welcher Mohammed bei allen seinen Geschäften mit der Wittwe
ausgezeichnet hatte, zur befriedigenden Erledigung gebracht.
Khadidschahs Vater erhob wegen Mohammeds Armuth gegen die
Partie einigen Widerspruch, weil er der gewöhnlichen Ansicht
folgte, daß Reichthum zu Reichthum gefügt werden müßte; aber
die Wittwe betrachtete weislich ihren Reichthum allein als das
Mittel, welches sie in den Stand setzte, der gebieterischen
Neigung ihres Herzens zu folgen. Sie gab ein großes Fest, zu
welchem ihr Vater und ihre übrigen Verwandten, sowie Mohammeds
Oheime, Abu Taleb und Hamza, nebst etlichen andern
Koreischiten eingeladen waren. Bei diesem Gastmahle wurde Wein
in Ueberfluß aufgetragen und bald herrschte frohe Laune rings
um die Tafel. Die Einwürfe gegen Mohammeds Armuth wurden
vergessen; Reden wurden von Abu Taleb auf der einen, und von
Waraka, einem Verwandten Khadidschahs, auf der andern Seite
zum Preise der beabsichtigten Verheirathung gehalten; die
Ausstattung wurde ins Reine gebracht und das Ehebündniß
förmlich geschlossen.
Mohammed ließ vor seiner Thüre ein Kameel schlachten und
das Fleisch unter die Armen vertheilen. Das Haus stand allen
Ankommenden offen; die Sclavinnen Khadidschah's tanzten nach
dem Schalle der Pauken, und Alles war Heiterkeit und Freude.
Abu Taleb, sein Alter und seine gewöhnliche Schwermuth
vergessend, machte sich bei der Gelegenheit lustig. Aus seiner
Börse erlegte er baar zwölf und eine halbe Unze Gold zum
Brautgeschenk als Aequivalent für zwanzig junge Kameele.
Halema, welche Mohammed in seiner Kindheit aufgezogen hatte,
wurde geladen, sich bei dieser Vermählung zu freuen, und wurde
mit einer Heerde von vierzig Schafen beschenkt, mit welchen
sie, bereichert und zufrieden, in ihr heimathliches Thal in
der Wüste der Saaditen zurückkehrte.