Leben Mohammeds

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten

deutsche Übersetzung des englischen Buches "Mahomet and His Successors"

von

Washington Irving

Inhaltsverzeichnis

Neuntes Capitel - Spöttische Angriffe auf Mohammed und dessen Lehren – Verlangen nach Wundern – Verhalten Abu Talebs – Gewaltthätigkeit der Koreischiten – Mohammeds Tochter Rokaia; sie flieht mit ihrem Oheim Othman und einer Anzahl Bekenner nach Abyssinien – Mohammed in dem Hause Orkham's – Feindseligkeit Abu Jahl's (Dschahl); seine Strafe

Die größte Schwierigkeit, mit welcher Mohammed beim Antritte der prophetischen Laufbahn zu kämpfen hatte, war der Hohn der Gegner. Diejenigen, welche ihn seit seiner Kindheit gekannt, welche ihn als Knaben auf den Straßen Mekkas und nachher in allen gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens thätig gesehen hatten, spotteten über seine Annahme des apostolischen Charakters. Sie zeigten mit höhnischem Blicke auf ihn, wenn er vorüberging und riefen aus: »Sehet Abd al Motallebs Enkel, welcher das, was im Himmel vorgeht, zu wissen behauptet!« Einige, welche bei den geistigen Aufregungen und Verzückungen gegenwärtig gewesen waren, hielten ihn für wahnsinnig; Andere erklärten, daß er von einem Teufel besessen wäre, und Manche bezüchtigten ihn der Zauberei.

Wenn er auf den Straßen ging, war er den Spöttereien, Schmähungen und Beschimpfungen ausgesetzt, welche der große Haufe gegen Leute überspannten Wesens und verrückten Geistes auszusprechen geneigt ist. Versuchte er zu predigen, so wurde seine Stimme durch abscheulichen Lärm und unzüchtige Lieder übertäubt; sogar Koth wurde nach ihm geworfen, wenn er in der Kaaba predigte.

Auch war es nicht der rohe und unwissende Haufe allein, welcher ihn auf solche Art anfeindete. Einer seiner fürchterlichsten Gegner war ein Jüngling Namens Amru, und da er in der Folge eine hervorragende Rolle in der mohammedanischen Geschichte spielt, so möchten wir die Lebensverhältnisse und das erste Auftreten desselben dem Geiste des Lesers einprägen. Er war der Sohn einer mekkanischen Buhlerin, welche den Phrynen und Aspasien Griechenlands in bezaubernden Reizen gleichgekommen zu sein und Einige von den Vornehmsten des Landes unter ihre Liebhaber gezählt zu haben scheint. Als sie dieses Kind gebar, so nannte sie Mehrere aus dem Stamme Koreisch, welche gleiche Ansprüche auf die Vaterschaft hätten. Der Knabe sollte mit Aaß, dem Ältesten ihrer Anbeter, die meiste Aehnlichkeit haben, weshalb er durch einen Zusatz zu seinem Namen Amru, die Benennung Ibn al Aaß, der Sohn des Aaß, erhielt.

Die Natur hatte ihre vorzüglichsten Gaben an diesen außerehelichen Sprößling verschwendet, um ihn gleichsam für den Schandfleck seiner Geburt zu entschädigen. Obgleich noch Jüngling, war er doch schon einer der volksthümlichsten Dichter Arabiens und in der Schärfe satyrischer Ergießungen ebenso ausgezeichnet, wie in der fesselnden Anmuth ernster Lieder.

Als Mohammed seine Sendung zuerst ankündigte, griff ihn dieser Jüngling mit Schmähschriften und launigen Gedichten an, und da diese mit dem poetischen Geschmacke der Araber zusammentrafen, so wurden sie weit verbreitet und erwiesen sich für das Wachsthum des Islamismus als ein größeres Hinderniß, denn die heftigste Verfolgung.

Diejenigen, welche im Widerstande ernster verfuhren, verlangten von Mohammed übernatürliche Beweise für das, was er behauptete: »Moses und Jesus wie die übrigen Propheten«, sagten sie, »verrichteten Wunder, um die Göttlichkeit ihrer Sendung zu beweisen. Wenn du in der That ein Prophet bist, größer als sie, so thue die gleichen Wunder.«

Die Erwiderung Mohammeds mag aus seinen eigenen Worten im Koran gefolgert werden. »Was für ein größeres Wunder könnte man erhalten als den Koran selbst, ein durch Vermittelung eines ungelehrten Mannes offenbartes Buch, welches so erhaben in der Sprache, so unbestreitbar dem Inhalte nach ist, daß die vereinte Geschicklichkeit von Menschen und Teufeln etwas Aehnliches nicht aufstellen kann. Was für einen größeren Beweis könnte es geben, daß es von Niemandem als von Gott selbst kam? Der Koran selbst ist ein Wunder.«

Man verlangte jedoch greifbarere Beweise, Wunder, welche in die Sinne fielen. Er sollte die Stummen redend, die Tauben hörend, die Blinden sehend, die Todten lebendig machen; oder er sollte Veränderungen in der äußeren Natur hervorbringen, eine Quelle entspringen, einen unfruchtbaren Platz in einen Garten mit Palmbäumen und Weinstöcken und fließenden Gewässern sich verwandeln, einen goldenen mit Juwelen und Edelsteinen gedeckten Palast sich erheben lassen, oder er sollte auf einer Leiter in ihrer Gegenwart in den Himmel steigen, oder machen, daß sie den Koran, wenn derselbe, wie er behauptete, wirklich vom Himmel herniederkäme, herabkommen sähen, oder den Engel, welcher ihn brächte, erkennen könnten, und dann wollten sie glauben.

Mohammed antwortete darauf bisweilen mit Gründen, bisweilen mit Drohungen. Er beanspruchte Nichts weiter denn ein Mensch zu sein, welchen Gott als Apostel gesandt hätte. Wären Engel vertraulich auf die Erde gekommen, so wäre ein Engel auch bei dieser Mission sicherlich geschickt worden; aber traurig würde die Lage derjenigen gewesen sein, welche, wie in dem gegenwärtigen Zeitpuncte, das Wort desselben bezweifelt hätten. Sie würden nicht wie mit mir haben rechten und streiten und sich Zeit nehmen können, um zur Ueberzeugung zu gelangen; ihr Untergang würde augenblicklich erfolgt sein. »Gott,« fügte er hinzu, »bedarf keinen Engel, um meine Sendung zu bestätigen. Er ist ein gnügender Gewährsmann zwischen euch und mir. Diejenigen, welche er zur Ueberzeugung bestimmen wird, werden wahrhaftig glauben; diejenigen, welche nach seiner Zulassung im Irrthum verbleiben sollen, werden Niemanden finden, der ihrem Unglauben abhilft. Am Auferstehungstage werden sie blind und taub und stumm und auf dem Bauche kriechend erscheinen. Das wird der Lohn ihres Unglaubens sein. Ihr besteht auf Wundern. Gott gab Moses die Kraft, Wunder zu verrichten. Was war die Folge? Pharao mißachtete die Wunder desselben; er suchte ihn und sein Volk aus dem Lande zu vertreiben; aber Pharao wurde ersäufet und mit ihm sein ganzes Heer. Wollt ihr Gott zu Wundern reizen und Pharaos Bestrafung euch aussetzen?«

Von dem arabischen Schriftsteller Al Maalem wird berichtet, daß einige von Mohammeds Jüngern sich eines Tages mit der Menge in dem Geschrei nach Wundern vereinigten und ihn inständig baten, mit einem Male die Göttlichkeit seiner Sendung dadurch zu beweisen, daß er den Hügel Safa in Gold verwandele. Auf diese Art schwer bedrängt, nahm er zum Gebete seine Zuflucht; nach Beendigung desselben versicherte er seinen Getreuen, daß ihm der Engel Gabriel erschienen wäre und gesagt hätte, daß, wenn Gott sein Gebet erhören und das verlangte Wunder wirken sollte, Alle die, welche nicht daran glaubten, vertilgt werden würden. Daher wolle er aus Mitleid die Menge, welche ein hartnäckiges Geschlecht zu sein schiene, nicht dem Verderben Preis geben. So wurde es dem Hügel Safa gestattet, in seinem zeitherigen Zustande zu verbleiben.

Andere moslemische Schriftsteller versichern, daß Mohammed von der von ihm selbst aufgestellten Regel abwich und gelegentliche Wunder verrichtete, wenn er seine Zuhörer ungewöhnlich träge im Glauben fand. So wird uns erzählt, daß er einmal in Gegenwart einer Volksmenge einen Stier zu sich rief und ihm eine Rolle von den Hörnern nahm, welche ein so eben vom Himmel gesendetes Capitel des Korans enthielt. Zu einer andern Zeit schwebte, als er öffentlich einen Vortrag hielt, eine weiße Taube über ihm, und auf seine Schulter sich niederlassend schien sie ihm Etwas ins Ohr zu flüstern; das war, wie er sagte, ein Bote der Gottheit. Bei einer andern Gelegenheit befahl er, die Erde vor ihm zu öffnen; es wurden zwei Krüge daselbst gefunden, der eine mit Honig, der andere mit Milch gefüllt; er bezeichnete dieselben als Sinnbilder des Segens, welcher Allen, die seinem Gesetze folgen würden, vom Himmel verheißen worden wäre.

Christliche Schriftsteller haben über diese Wunder gespottet, indem sie angaben, daß die Taube zu ihrer Aufgabe abgerichtet gewesen und Weizenkörner gesucht hätte, welche sie in Mohammeds Ohre zu finden gewöhnt worden wäre; daß man im Voraus die Rolle an die Hörner des Stiers gebunden und die Gefäße mit Milch und Honig in den Boden gesetzt hätte. Der richtigere Weg würde sein, diese Wundergeschichten völlig zu beseitigen als Fabeln, die irrende Schwärmer ersonnen haben, und als solche sind sie auch von den tüchtigsten unter den moslemischen Auslegern bezeichnet worden.

Es ist kein Beweis vorhanden, daß sich Mohammed zu irgend welchen Kunstgriffen der Art herabließ, um seine Lehren zu bekräftigen oder seine apostolischen Ansprüche zu begründen. Er scheint sich auf Vernunft und Beredtsamkeit gänzlich verlassen zu haben und auf dieser ersten und zweifelhaften Stufe seiner Laufbahn durch religiöse Begeisterung unterstützt worden zu sein. Seine ernstlichen Angriffe auf die Abgötterei, welche die ursprüngliche Anbetungsweise in der Kaaba verfälscht und beseitigt hatte, begannen eine merkliche Wirkung zu äußern und beunruhigten die Koreischiten. Sie drangen in Abu Taleb, seinem Neffen Stillschweigen zu gebieten oder ihn fortzuschicken; da sie jedoch ihre Bitten wirkungslos fanden, so zeigten sie dem alten Manne an, daß der angebliche Prophet und seine Anhänger für ihre Ketzereien, wenn sie bei denselben verharrten, mit dem Leben büßen sollten.

Abu Taleb beeilte sich, Mohammed von diesen Drohungen in Kenntniß zu setzen, und beschwor ihn, so zahlreiche und mächtige Feinde nicht wider sich und die Familie herauszufordern.

Mohammeds enthusiastisches Gemüth entbrannte bei diesen Worten. »O mein Oheim!« rief er aus, »wenn sie auch die Sonne wider mich zu meiner rechten Hand und den Mond zu meiner linken Hand stellen sollten, so wollte ich von meinem Vorhaben doch nicht ablassen, bis Gott mir es befiehlt oder mich von hier wegnimmt.«

Mit niedergeschlagenem Gesicht ging er fort, als ihn Abu Taleb zurückrief. Der hochbetagte Mann war noch nicht bekehrt, aber mit Bewunderung der furchtlosen Festigkeit seines Neffen erfüllt, und erklärte, daß er ihn niemals seinen Feinden ausliefern würde, er möchte predigen, was er wollte. In dem Bewußtsein, daß er allein nicht hinlänglichen Schutz gewähren könnte, rief er die andern Nachkommen Haschems und Abd al Motallebs auf, in der Beschirmung ihres Verwandten gegen die Verfolgung der übrigen Koreischiten ihm Beistand zu leisten; und so stark ist unter den Arabern das Familienband, daß sie Alle, mit Ausnahme seines Oheims Abu Lahab, Hülfe zusagten, obschon sie ihn in einer Sache vertheidigten, in welcher sie eine gefährliche Ketzerei erblickten.

Die Erbitterung der Koreischiten wurde immer bösartiger und stieg bis zu persönlicher Gewaltthätigkeit. Mohammed wurde in der Kaaba angegriffen und beinahe erwürgt und von Abu Beker, welcher selbst persönliche Verletzung in dem Handgemenge erlitt, mit Schwierigkeit befreit. Seine nächsten Angehörigen wurden Gegenstand des Hasses, besonders seine Tochter Rokaia und deren Gatte Othman Ibn Affan. Diejenigen von seinen Anhängern, welche keine mächtigen Freunde zu Beschützern hatten, standen in Lebensgefahr. Voll ängstlicher Sorge um die Sicherheit derselben gab ihnen Mohammed den Rath, seine gefährliche Genossenschaft für jetzt zu verlassen und nach Abyssinien zu fliehen. Die geringe Breite des rothen Meeres erleichterte die Erreichung der africanischen Küste. Die Abyssinier waren nestorianische Christen und zufolge ihrer Religion über ihre barbarischen Nachbarn erhaben. Der König derselben stand in dem Rufe der Duldsamkeit und Gerechtigkeit. Bei ihm würden, wie Mohammed zuversichtlich hoffte, seine Tochter und seine flüchtigen Anhänger einen Zufluchtsort finden.

Othman Ibn Affan war der Führer dieser kleinen Moslemenschaar, welche aus eilf Männern und vier Frauen bestand. Sie nahmen ihren Weg der Seeküste entlang nach Jodda (Dschodda), einem ungefähr zwei Tagereisen westlich von Mekka gelegenen Seehafen. Daselbst fanden sie zwei abyssinische Fahrzeuge vor Anker, auf denen sie sich einschifften und nach dem Zufluchtslande segelten.

Diese Begebenheit, welche in dem fünften Jahr von Mohammeds Sendung sich zutrug, wird die erste Hegira (Hedjra, Hedschra) oder Flucht genannt, um sie von der zweiten Hedschra, der Flucht des Propheten selbst von Mekka nach Medina zu unterscheiden. Die freundliche Behandlung, welche die Flüchtlinge erfuhren, veranlaßte Andere desselben Glaubens, dem Beispiele derselben zu folgen, bis die Zahl der moslemischen Flüchtlinge in Abyssinien sich außer den Kindern auf dreiundachtzig Männer und achtzehn Frauen belief.

Da die Koreischiten erkannten, daß Mohammed nicht zum Schweigen zu bringen wäre und täglich Proselyten (Neubekehrte) machte, so gaben sie ein Gesetz, welches über Alle, die seinen Glauben annehmen würden, die Verbannung aussprach. Mohammed zog sich vor dem Sturme zurück und fand auf dem Hügel Safa in dem Hause seines Jüngers Orkham einen Zufluchtsort. Dieser Hügel war, wie bereits erwähnt worden ist, in der arabischen Geschichte als derjenige berühmt, auf welchem Adam und Eva nach der langen einsamen Wanderung über die Erde, welche der Vertreibung aus dem Paradiese folgte, noch einmal zusammen kommen durften. Er war in die Schicksale Hagars und Ismaels gleicher Weise verflochten.

Einen Monat lang blieb Mohammed in Orkhams Hause, indem er seine Offenbarungen fortsetzte und aus allen Gegenden Arabiens Parteigänger an sich zog. Die Feindseligkeit der Koreischiten folgte ihm in sein Asyl. Abu Zahl (Dschahl), ein Araber dieses Stammes, machte ihn ausfindig, beleidigte ihn durch Schimpfreden und mißhandelte ihn sogar persönlich. Diese Gewaltthätigkeit wurde Hamza, einem Oheime Mohammeds, erzählt, als er von der Jagd nach Mekka zurückkehrte. Hamza war kein Bekenner des Islams, aber er war zur Beschützung seines Neffen verpflichtet. Den abgespannten Bogen in der Hand, begab er sich in eine Versammlung der Koreischiten, wo Abu Zahl sich des neuen Triumphes rühmte, und führte einen Schlag auf seinen Kopf, welcher eine arge Wunde verursachte. Die Verwandten Abu Jahls stürzten zur Hülfe herbei; aber der Händelsucher hatte vor Hamzas kräftigem Arme und hitzigem Gemüthe Furcht und suchte ihn zu beruhigen. »Laßt ihn gehen,« sagte er zu seinen Verwandten, »ich habe seinen Neffen in Wahrheit sehr roh behandelt.« Zur Entschuldigung seines Unrechtes führte er Mohammeds Abfall an; aber Hamza war nicht zu besänftigen. »Gut!« schrie er wuthentbrannt und höhnisch, »ich glaube an eure steinernen Götter auch nicht; könnt ihr mich zwingen?« Der Zorn brachte in seinem Innern zu Stande, was Ueberlegung vergebens versucht hätte. Er erklärte sich sofort für einen Bekehrten, leistete dem Propheten den Ergebenheitseid und wurde einer der eifrigsten und tapfersten Kämpen des neuen Glaubens.

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