Neuntes Capitel - Spöttische Angriffe auf Mohammed und
dessen Lehren – Verlangen nach Wundern – Verhalten Abu Talebs
– Gewaltthätigkeit der Koreischiten – Mohammeds Tochter Rokaia;
sie flieht mit ihrem Oheim Othman und einer Anzahl Bekenner
nach Abyssinien – Mohammed in dem Hause Orkham's –
Feindseligkeit Abu Jahl's (Dschahl); seine Strafe
Die größte Schwierigkeit, mit welcher Mohammed beim
Antritte der prophetischen Laufbahn zu kämpfen hatte, war der
Hohn der Gegner. Diejenigen, welche ihn seit seiner Kindheit
gekannt, welche ihn als Knaben auf den Straßen Mekkas und
nachher in allen gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens
thätig gesehen hatten, spotteten über seine Annahme des
apostolischen Charakters. Sie zeigten mit höhnischem Blicke
auf ihn, wenn er vorüberging und riefen aus: »Sehet Abd al
Motallebs Enkel, welcher das, was im Himmel vorgeht, zu wissen
behauptet!« Einige, welche bei den geistigen Aufregungen und
Verzückungen gegenwärtig gewesen waren, hielten ihn für
wahnsinnig; Andere erklärten, daß er von einem Teufel besessen
wäre, und Manche bezüchtigten ihn der Zauberei.
Wenn er auf den Straßen ging, war er den Spöttereien,
Schmähungen und Beschimpfungen ausgesetzt, welche der große
Haufe gegen Leute überspannten Wesens und verrückten Geistes
auszusprechen geneigt ist. Versuchte er zu predigen, so wurde
seine Stimme durch abscheulichen Lärm und unzüchtige Lieder
übertäubt; sogar Koth wurde nach ihm geworfen, wenn er in der
Kaaba predigte.
Auch war es nicht der rohe und unwissende Haufe allein,
welcher ihn auf solche Art anfeindete. Einer seiner
fürchterlichsten Gegner war ein Jüngling Namens Amru, und da
er in der Folge eine hervorragende Rolle in der
mohammedanischen Geschichte spielt, so möchten wir die
Lebensverhältnisse und das erste Auftreten desselben dem
Geiste des Lesers einprägen. Er war der Sohn einer
mekkanischen Buhlerin, welche den Phrynen und Aspasien
Griechenlands in bezaubernden Reizen gleichgekommen zu sein
und Einige von den Vornehmsten des Landes unter ihre Liebhaber
gezählt zu haben scheint. Als sie dieses Kind gebar, so nannte
sie Mehrere aus dem Stamme Koreisch, welche gleiche Ansprüche
auf die Vaterschaft hätten. Der Knabe sollte mit Aaß, dem
Ältesten ihrer Anbeter, die meiste Aehnlichkeit haben, weshalb
er durch einen Zusatz zu seinem Namen Amru, die Benennung Ibn
al Aaß, der Sohn des Aaß, erhielt.
Die Natur hatte ihre vorzüglichsten Gaben an diesen
außerehelichen Sprößling verschwendet, um ihn gleichsam für
den Schandfleck seiner Geburt zu entschädigen. Obgleich noch
Jüngling, war er doch schon einer der volksthümlichsten
Dichter Arabiens und in der Schärfe satyrischer Ergießungen
ebenso ausgezeichnet, wie in der fesselnden Anmuth ernster
Lieder.
Als Mohammed seine Sendung zuerst ankündigte, griff ihn
dieser Jüngling mit Schmähschriften und launigen Gedichten an,
und da diese mit dem poetischen Geschmacke der Araber
zusammentrafen, so wurden sie weit verbreitet und erwiesen
sich für das Wachsthum des Islamismus als ein größeres
Hinderniß, denn die heftigste Verfolgung.
Diejenigen, welche im Widerstande ernster verfuhren,
verlangten von Mohammed übernatürliche Beweise für das, was er
behauptete: »Moses und Jesus wie die übrigen Propheten«,
sagten sie, »verrichteten Wunder, um die Göttlichkeit ihrer
Sendung zu beweisen. Wenn du in der That ein Prophet bist,
größer als sie, so thue die gleichen Wunder.«
Die Erwiderung Mohammeds mag aus seinen eigenen Worten im
Koran gefolgert werden. »Was für ein größeres Wunder könnte
man erhalten als den Koran selbst, ein durch Vermittelung
eines ungelehrten Mannes offenbartes Buch, welches so erhaben
in der Sprache, so unbestreitbar dem Inhalte nach ist, daß die
vereinte Geschicklichkeit von Menschen und Teufeln etwas
Aehnliches nicht aufstellen kann. Was für einen größeren
Beweis könnte es geben, daß es von Niemandem als von Gott
selbst kam? Der Koran selbst ist ein Wunder.«
Man verlangte jedoch greifbarere Beweise, Wunder, welche in
die Sinne fielen. Er sollte die Stummen redend, die Tauben
hörend, die Blinden sehend, die Todten lebendig machen; oder
er sollte Veränderungen in der äußeren Natur hervorbringen,
eine Quelle entspringen, einen unfruchtbaren Platz in einen
Garten mit Palmbäumen und Weinstöcken und fließenden Gewässern
sich verwandeln, einen goldenen mit Juwelen und Edelsteinen
gedeckten Palast sich erheben lassen, oder er sollte auf einer
Leiter in ihrer Gegenwart in den Himmel steigen, oder machen,
daß sie den Koran, wenn derselbe, wie er behauptete, wirklich
vom Himmel herniederkäme, herabkommen sähen, oder den Engel,
welcher ihn brächte, erkennen könnten, und dann wollten sie
glauben.
Mohammed antwortete darauf bisweilen mit Gründen, bisweilen
mit Drohungen. Er beanspruchte Nichts weiter denn ein Mensch
zu sein, welchen Gott als Apostel gesandt hätte. Wären Engel
vertraulich auf die Erde gekommen, so wäre ein Engel auch bei
dieser Mission sicherlich geschickt worden; aber traurig würde
die Lage derjenigen gewesen sein, welche, wie in dem
gegenwärtigen Zeitpuncte, das Wort desselben bezweifelt
hätten. Sie würden nicht wie mit mir haben rechten und
streiten und sich Zeit nehmen können, um zur Ueberzeugung zu
gelangen; ihr Untergang würde augenblicklich erfolgt sein.
»Gott,« fügte er hinzu, »bedarf keinen Engel, um meine Sendung
zu bestätigen. Er ist ein gnügender Gewährsmann zwischen euch
und mir. Diejenigen, welche er zur Ueberzeugung bestimmen
wird, werden wahrhaftig glauben; diejenigen, welche nach
seiner Zulassung im Irrthum verbleiben sollen, werden
Niemanden finden, der ihrem Unglauben abhilft. Am
Auferstehungstage werden sie blind und taub und stumm und auf
dem Bauche kriechend erscheinen. Das wird der Lohn ihres
Unglaubens sein. Ihr besteht auf Wundern. Gott gab Moses die
Kraft, Wunder zu verrichten. Was war die Folge? Pharao
mißachtete die Wunder desselben; er suchte ihn und sein Volk
aus dem Lande zu vertreiben; aber Pharao wurde ersäufet und
mit ihm sein ganzes Heer. Wollt ihr Gott zu Wundern reizen und
Pharaos Bestrafung euch aussetzen?«
Von dem arabischen Schriftsteller Al Maalem wird berichtet,
daß einige von Mohammeds Jüngern sich eines Tages mit der
Menge in dem Geschrei nach Wundern vereinigten und ihn
inständig baten, mit einem Male die Göttlichkeit seiner
Sendung dadurch zu beweisen, daß er den Hügel Safa in Gold
verwandele. Auf diese Art schwer bedrängt, nahm er zum Gebete
seine Zuflucht; nach Beendigung desselben versicherte er
seinen Getreuen, daß ihm der Engel Gabriel erschienen wäre und
gesagt hätte, daß, wenn Gott sein Gebet erhören und das
verlangte Wunder wirken sollte, Alle die, welche nicht daran
glaubten, vertilgt werden würden. Daher wolle er aus Mitleid
die Menge, welche ein hartnäckiges Geschlecht zu sein schiene,
nicht dem Verderben Preis geben. So wurde es dem Hügel Safa
gestattet, in seinem zeitherigen Zustande zu verbleiben.
Andere moslemische Schriftsteller versichern, daß Mohammed
von der von ihm selbst aufgestellten Regel abwich und
gelegentliche Wunder verrichtete, wenn er seine Zuhörer
ungewöhnlich träge im Glauben fand. So wird uns erzählt, daß
er einmal in Gegenwart einer Volksmenge einen Stier zu sich
rief und ihm eine Rolle von den Hörnern nahm, welche ein so
eben vom Himmel gesendetes Capitel des Korans enthielt. Zu
einer andern Zeit schwebte, als er öffentlich einen Vortrag
hielt, eine weiße Taube über ihm, und auf seine Schulter sich
niederlassend schien sie ihm Etwas ins Ohr zu flüstern; das
war, wie er sagte, ein Bote der Gottheit. Bei einer andern
Gelegenheit befahl er, die Erde vor ihm zu öffnen; es wurden
zwei Krüge daselbst gefunden, der eine mit Honig, der andere
mit Milch gefüllt; er bezeichnete dieselben als Sinnbilder des
Segens, welcher Allen, die seinem Gesetze folgen würden, vom
Himmel verheißen worden wäre.
Christliche Schriftsteller haben über diese Wunder
gespottet, indem sie angaben, daß die Taube zu ihrer Aufgabe
abgerichtet gewesen und Weizenkörner gesucht hätte, welche sie
in Mohammeds Ohre zu finden gewöhnt worden wäre; daß man im
Voraus die Rolle an die Hörner des Stiers gebunden und die
Gefäße mit Milch und Honig in den Boden gesetzt hätte. Der
richtigere Weg würde sein, diese Wundergeschichten völlig zu
beseitigen als Fabeln, die irrende Schwärmer ersonnen haben,
und als solche sind sie auch von den tüchtigsten unter den
moslemischen Auslegern bezeichnet worden.
Es ist kein Beweis vorhanden, daß sich Mohammed zu irgend
welchen Kunstgriffen der Art herabließ, um seine Lehren zu
bekräftigen oder seine apostolischen Ansprüche zu begründen.
Er scheint sich auf Vernunft und Beredtsamkeit gänzlich
verlassen zu haben und auf dieser ersten und zweifelhaften
Stufe seiner Laufbahn durch religiöse Begeisterung unterstützt
worden zu sein. Seine ernstlichen Angriffe auf die Abgötterei,
welche die ursprüngliche Anbetungsweise in der Kaaba
verfälscht und beseitigt hatte, begannen eine merkliche
Wirkung zu äußern und beunruhigten die Koreischiten. Sie
drangen in Abu Taleb, seinem Neffen Stillschweigen zu gebieten
oder ihn fortzuschicken; da sie jedoch ihre Bitten wirkungslos
fanden, so zeigten sie dem alten Manne an, daß der angebliche
Prophet und seine Anhänger für ihre Ketzereien, wenn sie bei
denselben verharrten, mit dem Leben büßen sollten.
Abu Taleb beeilte sich, Mohammed von diesen Drohungen in
Kenntniß zu setzen, und beschwor ihn, so zahlreiche und
mächtige Feinde nicht wider sich und die Familie
herauszufordern.
Mohammeds enthusiastisches Gemüth entbrannte bei diesen
Worten. »O mein Oheim!« rief er aus, »wenn sie auch die Sonne
wider mich zu meiner rechten Hand und den Mond zu meiner
linken Hand stellen sollten, so wollte ich von meinem Vorhaben
doch nicht ablassen, bis Gott mir es befiehlt oder mich von
hier wegnimmt.«
Mit niedergeschlagenem Gesicht ging er fort, als ihn Abu
Taleb zurückrief. Der hochbetagte Mann war noch nicht bekehrt,
aber mit Bewunderung der furchtlosen Festigkeit seines Neffen
erfüllt, und erklärte, daß er ihn niemals seinen Feinden
ausliefern würde, er möchte predigen, was er wollte. In dem
Bewußtsein, daß er allein nicht hinlänglichen Schutz gewähren
könnte, rief er die andern Nachkommen Haschems und Abd al
Motallebs auf, in der Beschirmung ihres Verwandten gegen die
Verfolgung der übrigen Koreischiten ihm Beistand zu leisten;
und so stark ist unter den Arabern das Familienband, daß sie
Alle, mit Ausnahme seines Oheims Abu Lahab, Hülfe zusagten,
obschon sie ihn in einer Sache vertheidigten, in welcher sie
eine gefährliche Ketzerei erblickten.
Die Erbitterung der Koreischiten wurde immer bösartiger und
stieg bis zu persönlicher Gewaltthätigkeit. Mohammed wurde in
der Kaaba angegriffen und beinahe erwürgt und von Abu Beker,
welcher selbst persönliche Verletzung in dem Handgemenge
erlitt, mit Schwierigkeit befreit. Seine nächsten Angehörigen
wurden Gegenstand des Hasses, besonders seine Tochter Rokaia
und deren Gatte Othman Ibn Affan. Diejenigen von seinen
Anhängern, welche keine mächtigen Freunde zu Beschützern
hatten, standen in Lebensgefahr. Voll ängstlicher Sorge um die
Sicherheit derselben gab ihnen Mohammed den Rath, seine
gefährliche Genossenschaft für jetzt zu verlassen und nach
Abyssinien zu fliehen. Die geringe Breite des rothen Meeres
erleichterte die Erreichung der africanischen Küste. Die
Abyssinier waren nestorianische Christen und zufolge ihrer
Religion über ihre barbarischen Nachbarn erhaben. Der König
derselben stand in dem Rufe der Duldsamkeit und Gerechtigkeit.
Bei ihm würden, wie Mohammed zuversichtlich hoffte, seine
Tochter und seine flüchtigen Anhänger einen Zufluchtsort
finden.
Othman Ibn Affan war der Führer dieser kleinen
Moslemenschaar, welche aus eilf Männern und vier Frauen
bestand. Sie nahmen ihren Weg der Seeküste entlang nach Jodda
(Dschodda), einem ungefähr zwei Tagereisen westlich von Mekka
gelegenen Seehafen. Daselbst fanden sie zwei abyssinische
Fahrzeuge vor Anker, auf denen sie sich einschifften und nach
dem Zufluchtslande segelten.
Diese Begebenheit, welche in dem fünften Jahr von Mohammeds
Sendung sich zutrug, wird die erste Hegira (Hedjra, Hedschra)
oder Flucht genannt, um sie von der zweiten Hedschra, der
Flucht des Propheten selbst von Mekka nach Medina zu
unterscheiden. Die freundliche Behandlung, welche die
Flüchtlinge erfuhren, veranlaßte Andere desselben Glaubens,
dem Beispiele derselben zu folgen, bis die Zahl der
moslemischen Flüchtlinge in Abyssinien sich außer den Kindern
auf dreiundachtzig Männer und achtzehn Frauen belief.
Da die Koreischiten erkannten, daß Mohammed nicht zum
Schweigen zu bringen wäre und täglich Proselyten (Neubekehrte)
machte, so gaben sie ein Gesetz, welches über Alle, die seinen
Glauben annehmen würden, die Verbannung aussprach. Mohammed
zog sich vor dem Sturme zurück und fand auf dem Hügel Safa in
dem Hause seines Jüngers Orkham einen Zufluchtsort. Dieser
Hügel war, wie bereits erwähnt worden ist, in der arabischen
Geschichte als derjenige berühmt, auf welchem Adam und Eva
nach der langen einsamen Wanderung über die Erde, welche der
Vertreibung aus dem Paradiese folgte, noch einmal zusammen
kommen durften. Er war in die Schicksale Hagars und Ismaels
gleicher Weise verflochten.
Einen Monat lang blieb Mohammed in Orkhams Hause, indem er
seine Offenbarungen fortsetzte und aus allen Gegenden Arabiens
Parteigänger an sich zog. Die Feindseligkeit der Koreischiten
folgte ihm in sein Asyl. Abu Zahl (Dschahl), ein Araber dieses
Stammes, machte ihn ausfindig, beleidigte ihn durch
Schimpfreden und mißhandelte ihn sogar persönlich. Diese
Gewaltthätigkeit wurde Hamza, einem Oheime Mohammeds, erzählt,
als er von der Jagd nach Mekka zurückkehrte. Hamza war kein
Bekenner des Islams, aber er war zur Beschützung seines Neffen
verpflichtet. Den abgespannten Bogen in der Hand, begab er
sich in eine Versammlung der Koreischiten, wo Abu Zahl sich
des neuen Triumphes rühmte, und führte einen Schlag auf seinen
Kopf, welcher eine arge Wunde verursachte. Die Verwandten Abu
Jahls stürzten zur Hülfe herbei; aber der Händelsucher hatte
vor Hamzas kräftigem Arme und hitzigem Gemüthe Furcht und
suchte ihn zu beruhigen. »Laßt ihn gehen,« sagte er zu seinen
Verwandten, »ich habe seinen Neffen in Wahrheit sehr roh
behandelt.« Zur Entschuldigung seines Unrechtes führte er
Mohammeds Abfall an; aber Hamza war nicht zu besänftigen.
»Gut!« schrie er wuthentbrannt und höhnisch, »ich glaube an
eure steinernen Götter auch nicht; könnt ihr mich zwingen?«
Der Zorn brachte in seinem Innern zu Stande, was Ueberlegung
vergebens versucht hätte. Er erklärte sich sofort für einen
Bekehrten, leistete dem Propheten den Ergebenheitseid und
wurde einer der eifrigsten und tapfersten Kämpen des neuen
Glaubens.