Dreizehntes Capitel - Mohammed gewinnt Bekenner unter den
Pilgern aus Medina – Er entschließt sich in diese Stadt zu
fliehen – Ein Mordanschlag gegen ihn – Sein wunderbares
Entkommen – Seine Hedschra oder Flucht – Seine Aufnahme in
Medina
Das Geschick Mohammeds wurde in seiner Geburtsstadt trüber
und trüber. Kadidschah, seine ursprüngliche Wohlthäterin, die
ergebene Genossin seiner Einsamkeit und Zurückgezogenheit, die
eifrige Bekennerin seiner Lehren, lag im Grabe; dort war auch
Abu Taleb, ehedem sein treuer und wirksamer Beschützer.
Beraubt der beschirmenden Macht des Letzteren, war Mohammed
gewissermaßen ein Geächteter in Mekka geworden; er war
gezwungen, sich zu verbergen und eine Last für die
Gastfreundlichkeit derjenigen zu bleiben, welche seine eigene
Lehre in Verfolgung verwickelt hatte. Wenn weltlicher Vortheil
sein Strebeziel gewesen wäre, wie wäre es erreicht worden?
Ueber zehn Jahre waren vergangen, seitdem er seine
prophetische Sendung zuerst angekündigt hatte, zehn lange
Jahre von Feindschaft, Unruhe und Mißgeschick. Dennoch harrte
er aus, und jetzt, in einem Lebensalter, wo man vielmehr die
Frucht der Vergangenheit in Ruhe zu genießen sucht, als in
neuen Plänen für die Zukunft Alles aufs Spiel zu setzen,
jetzt, nachdem er Gemächlichkeit, Vermögen und Freunde
aufgeopfert hatte, finden wir ihn bereit, lieber Heimath und
Vaterland als seinen religiösen Glauben aufzugeben.
Sobald als die bevorrechtete Zeit der Wallfahrt eintrat,
ging er noch einmal aus der Verborgenheit hervor und mischte
sich unter die aus allen Theilen Arabiens zusammengeströmte
Menge. Sein eifrigster Wunsch ging darauf, irgend einen
mächtigen Stamm oder die Bewohner irgend einer bedeutenden
Stadt zu finden, welche fähig und willig wäre, ihn als Gast
aufzunehmen und ihn in dem Genusse und der Verbreitung seines
Glaubens zu beschützen.
Sein Suchen war eine Zeit lang erfolglos. Diejenigen,
welche zur Anbetung in der Kaaba gekommen waren, zogen sich
vor einem Manne zurück, welchen man als einen Abtrünnigen
gebrandmarkt hatte; die weltlich Gesinnten waren abgeneigt,
sich mit einem von den Machthabern seiner Heimathsstadt
Geächteten zu befreunden.
Als er jedoch auf dem ein wenig nördlich von Mekka
gelegenen Hügel Al Akaba eines Tages predigte, zog er endlich
die Aufmerksamkeit gewisser Pilger aus der Stadt Yathreb auf
sich. Diese Stadt, seitdem Medina genannt, lag ungefähr
sechzig Meilen nördlich von Mekka. Viele ihrer Bewohner waren
Juden und sectirerische Christen. Die in Rede stehenden Pilger
waren reine Araber des alten und mächtigen Stammes der
Khazraditen und standen aus Gewohnheit in freundlichem Verkehr
mit den Keneediten und Naderiten, zwei jüdischen in Mekka
wohnenden Stämmen, welche von der priesterlichen Familie
Aarons abzustammen sich rühmten. Die Pilger hatten oft
zugehört, wenn ihre jüdischen Freunde die Geheimnisse ihres
Glaubens darlegten und von einem zu erwartenden Messias
sprachen. Sie wurden durch Mohammeds Beredtsamkeit gerührt und
von der Aehnlichkeit seiner Lehren mit denen des jüdischen
Gesetzes ergriffen, so daß sie, als sie vernahmen, wie er sich
als einen vom Himmel zur Wiederherstellung des alten Glaubens
gesendeten Propheten ankündigte, zu einander sagten: »Dieser
muß gewiß der verheißene Messias sein, von welchem man uns
gesagt hat.« Je mehr sie aufmerkten, desto fester wurde ihre
Ueberzeugung von der Thatsache, bis sie am Ende dieselbe
öffentlich aussprachen und ein entscheidendes Bekenntniß des
Glaubens ablegten.
Da die Khazraditen einem der mächtigsten Stämme von Yathreb
angehörten, so suchte sich Mohammed den Schutz derselben zu
sichern und schlug vor, sie bei ihrer Heimkehr zu begleiten;
aber sie berichteten ihn, daß sie in einer tödtlichen Fehde
mit den Awsiten, einem andern mächtigen Stamme jener Stadt,
begriffen wären, und riethen ihm, sein Kommen zu verschieben,
bis sie in Frieden sein würden. Er war damit einverstanden;
aber bei der Heimkehr der Pilger schickte er Musab Ibn Omeir,
einen der kenntnißreichsten und fähigsten unter seinen
Schülern, mit ihnen und gab ihm den Auftrag, sie in dem
Glauben zu stärken und ihn auch den Landsleuten derselben zu
predigen. Auf diese Weise wurden die Saamenkörner des Islams
zuerst in der Stadt Medina ausgestreut. Mit der Zeit gediehen
sie, wenn auch langsam. Musab wurde von den Götzendienern
angefeindet und sein Leben bedroht; aber er beharrte in seinen
Anstrengungen, und allmälig gewann er unter den vornehmen
Bewohnern Bekenner. Unter diesen waren Saad Ibn Maads, ein
Fürst oder Häuptling der Awsiten, und Osaid Ibn Hodheir, ein
Mann von großem Ansehen in der Stadt. Schaaren mekkanischer
Moslemen, durch Verfolgung vertrieben, suchten ebenfalls in
Medina einen Zufluchtsort und halfen bei der Verbreitung des
neuen Glaubens unter den Einwohnern, bis er fast in jede
Familie Eingang fand.
Da man sich jetzt gesichert fühlte, Mohammed ein Asyl in
der Stadt geben zu können: so zogen über siebenzig
Neubekehrte, von Musab Ibn Omeir geführt, in dem heiligen
Monat des vierzehnten Jahrs »der Sendung« mit den Pilgern von
Medina nach Mekka, um ihn einzuladen, seinen Wohnsitz in ihrer
Stadt aufzuzuschlagen. Mohammed gab ihnen auf dem Hügel Al
Akaba ein Nachtessen. Sein Oheim Al Abbas, welcher, wie der
abgeschiedene Abu Taleb, herzlichen Antheil an seinem
Wohlergehen nahm, obschon er kein Bekenner seiner Lehren war,
begleitete ihn zu dieser geheimen Unterhandlung, weil er
fürchtete, daß sie ihn in Gefahr stürzen könnte. Dringend bat
er die Pilger von Medina, seinen Neffen nicht eher in ihre
Stadt zu verlocken, als bis sie zu seiner Beschützung
gerüsteter wären, indem er sie erinnerte, daß ihre offene
Annahme des neuen Glaubens ganz Arabien gegen sie in die
Waffen bringen würde. Seine Ermahnungen und Bitten waren
umsonst; ein feierlicher Vertrag wurde zwischen den Parteien
abgeschlossen. Mohammed verlangte, daß sie die Abgötterei
abschwören und den Einen wahren Gott öffentlich und furchtlos
anbeten sollten. Für sich verlangte er Gehorsam in Glück und
Unglück; für die Gläubigen, welche ihn begleiten würden,
Schutz, sogar solchen, welchen sie ihren eigenen Frauen und
Kindern gewährten. Auf diese Bedingungen hin erbot er sich zu
der Verbindlichkeit, bei ihnen zu bleiben, der Freund ihrer
Freunde, der Feind ihrer Feinde zu sein. »Aber wenn wir in
deiner Sache den Tod finden, was wird unser Lohn sein?«
fragten sie. »Das Paradies«, antwortete Mohammed.
Die Bedingungen wurden angenommen; die Abgesandten aus
Medina legten die Hände in Mohammeds Hände und schwuren, daß
sie in diesem Vertrage verbleiben wollten. Letzterer sonderte
unter ihnen zwölf aus, welche er als seine Apostel
bezeichnete, darin, wie angenommen wird, das Beispiel unsers
Erlösers nachahmend. Gerade da wurde vom Gipfel des Berges her
eine Stimme gehört, welche sie des Abfalls anklagte und ihnen
Strafe drohte. Das Ertönen dieser Stimme, in der Finsterniß
der Nacht gehört, versetzte sie in zeitweilige Furcht. »Es ist
die Stimme des Feindes Iblis,« sagte Mohammed geringschätzig;
»er ist der Feind Gottes, fürchtet ihn nicht.« Wahrscheinlich
war es die Stimme eines Kundschafters oder Horchers der
Koreischiten; denn schon am nächsten Morgen zeigten sie
Kenntniß von dem, was in der Nacht stattgefunden hatte, und
behandelten die neuen Verbündeten bei ihrer Abreise mit großer
Barschheit.
Dieser frühe Zuwachs des Glaubens, diese Mohammed und
seinen Bekennern zeitig angebotene und später geleistete Hülfe
war es, was den Moslemen von Medina die Benennung Ansaren oder
Hülfsvölker verschaffte, durch welche sie nachher
ausgezeichnet wurden.
Nach der Abreise der Ansaren und Ablauf des heiligen Monats
wurden die Verfolgungen der Moslemen mit gesteigertem Ingrimm
wieder aufgenommen, so daß Mohammed, welcher sah, daß eine
Entscheidung auf der Hand lag, und entschlossen war, die Stadt
zu verlassen, seinen Anhängern den allgemeinen Rath gab, für
ihre Sicherheit Sorge zu tragen. Was ihn betrifft, so
verweilte er mit wenigen ergebenen Gläubigen noch in Mekka.
Abu Sofian, sein unversöhnlicher Feind, war zu dieser Zeit
Befehlshaber der Stadt. Er war über das sich ausbreitende
Wachsthum des neuen Glaubens ebenso erzürnt als beunruhigt und
berief eine Versammlung der vornehmsten Koreischiten, um
Mittel ausfindig zu machen, demselben einen wirksamen Einhalt
entgegenzustellen. Einige riethen, Mohammed aus der Stadt zu
verbannen; aber es wurde dagegen eingeworfen, daß er andere
Stämme oder die Bevölkerung Medinas für sein Interesse
gewinnen und an ihrer Spitze zurückkehren könnte, um Rache zu
nehmen. Andere schlugen vor, ihn in einen Kerker
einzuschließen und ihn mit Nahrung zu versorgen bis er stürbe;
aber es tauchte die Bedenklichkeit auf, daß die Freunde sein
Entkommen bewerkstelligen möchten. Alle diese Einwürfe wurden
von einem gewaltthätigen und verschmitzten Greise, einem
Fremden aus der Provinz Nedscha, erhoben; das war, wie die
moslemischen Schriftsteller sagen, kein Anderer als der
verkleidete Teufel, welcher seinen bösen Geist den Anwesenden
einhauchte. Endlich erklärte Abu Jahl, daß das allein wirksame
Mittel wider das wachsende Uebel wäre, wenn man Mohammed dem
Tode überlieferte. Dem stimmten Alle bei. Um das Gehässige der
That zu theilen und der Rache, welche sie unter den Verwandten
des Schlachtopfers hervorrufen würde, zu widerstehen, wurde
angeordnet, daß ein Glied aus jeder Familie das Schwert in den
Leib Mohammeds stoßen sollte.
Auf diese Verschwörung ist in der achten Sure des Korans
Bezug genommen. »Erinnere dich, wie die Ungläubigen den Plan
faßten, entweder in Fesseln dich zu schlagen, oder dem Tode
dich zu weihen, oder aus der Stadt dich zu verjagen; aber Gott
richtete einen Anschlag wider sie; und Gott ist der beste
Urheber aller Anschläge.«
In der That wurde Mohammed zur Zeit, wo die Mörder vor
seiner Wohnung ankamen, von der bevorstehenden Gefahr
unterrichtet. Wie gewöhnlich wird diese Warnung dem Engel
Gabriel zugetheilt; aber es ist wahrscheinlich, daß sie ihm
durch einen weniger blutdürstigen Koreischiten, als die andern
Verbündeten waren, zukam. Sie traf gerade zu rechter Zeit ein,
um Mohammed aus den Händen seiner Feinde zu retten. Sie
hielten an seiner Thüre, aber sie zögerten einzutreten. Durch
eine Ritze blickend glaubten sie zu sehen, daß Mohammed, in
seinen grünen Mantel gehüllt, auf seinem Bette läge und
schliefe. Sie warteten einige Zeit und berathschlagten, ob sie
während des Schlafes über ihn herfallen oder warten sollten,
bis er herausgehen würde. Endlich brachen sie die Thür auf und
stürzten nach dem Lager. Der Schläfer fuhr auf; aber anstatt
Mohammeds stand Ali vor ihnen. Erstaunt und beschämt fragten
sie: »Wo ist Mohammed?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Ali
mit verdrießlicher Miene und ging fort; sie machten auch
keinen Versuch, ihn zu beunruhigen. Wüthend jedoch über die
Entweichung ihres Schlachtopfers versprachen die Koreischiten
Jedem, welcher ihnen Mohammed todt oder lebendig bringen
würde, eine Belohnung von hundert Kameelen.
Man hat verschiedene Erzählungen über die Art und Weise,
auf welche Mohammed die Entweichung aus dem Hause
bewerkstelligte, nachdem der treue Ali sich in den Mantel
desselben gehüllt und seine Stelle auf dem Lager eingenommen
hatte. Die wunderbarste Erzählung ist die, daß er die Thüre
schweigend öffnete, als die Koreischiten vor derselben
standen, und auf sie, indem er eine Hand voll Staub in die
Luft streute, eine solche Blindheit fallen ließ, daß er mitten
durch sie hindurchging, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Das
wird, fügt man hinzu, durch den Vers der dreißigsten Sure des
Korans bestätigt: »Wir haben Blindheit auf sie geworfen, daß
sie nicht sehen sollen.«
Am wahrscheinlichsten ist die Erzählung, daß er mit Hülfe
eines Dieners, welcher ihn auf seinen Rücken treten ließ, im
Hintergrunde des Hauses über die Mauer kletterte.
Er begab sich unmittelbar in Abu Bekers Haus, und daselbst
trafen sie Anordnung für die augenblickliche Flucht. Es wurde
beschlossen, in eine Höhle des Berges Thor, ungefähr eine
Stunde von Mekka entfernt, zu fliehen und daselbst so lange zu
warten, bis sie sicher nach Medina reisen könnten; während
dieser Zeit sollten Abu Bekers Kinder ihnen Nahrung im
Geheimen dahin bringen. Sie verließen Mekka, als es noch
finster war, legten den Weg beim Scheine der Sterne zurück und
bei der Dämmerung des Tages befanden sie sich am Fuße des
Berges Thor. Kaum waren sie in die Höhle hinein, als sie den
Lärm der Verfolgung hörten. Abu Beker, obgleich ein tapfrer
Mann, zitterte vor Furcht. »Unsre Verfolger«, sagte er, »sind
zahlreich und wir sind nur zwei.« »Nein«, entgegnete Mohammed,
»es giebt noch einen Dritten; Gott ist mit uns!« Und hier
erzählen die moslemischen Schriftsteller ein Wunder, welches
den Herzen aller wahren Gläubigen theuer ist. Zu der Zeit, als
die Koreischiten, sagen sie, den Eingang der Höhle erreichten,
war eine Akazie vor demselben aufgewachsen, in deren
ausgebreitete Aeste eine Taube ihr Nest gebaut und Eier
hineingelegt hatte, und über dem Ganzen hatte eine Spinne ihr
Netz gewoben. Als die Koreischiten diese Zeichen ungestörter
Ruhe erblickten, so schlossen sie, daß diese Höhle neulich
Niemand betreten haben könnte; daher wendeten sie sich hinweg
und verfolgten die Nachforschung in einer andern Richtung.
Ob durch ein Wunder beschützt oder nicht, die Flüchtlinge
blieben drei Tage unentdeckt in der Höhle, und Asama, die
Tochter Abu Bekers, brachte ihnen in der Abenddämmerung
Nahrung. Am vierten Tage wagten sich die Flüchtlinge hervor,
da sie vermutheten, daß sich die Verfolgungswuth gelegt hätte,
und reisten auf Kameelen, die ihnen ein Diener Abu Bekers in
der Nacht gebracht hatte, nach Medina ab. Die Hauptstraße,
welche gewöhnlich von den Karavanen eingeschlagen wurde,
vermeidend, nahmen sie ihren Weg näher an der Küste des rothen
Meeres. Sie waren jedoch nicht weit vorgerückt, als sie von
einer Reiterschaar, Soraka Ibn Malek an ihrer Spitze,
eingeholt wurden. Abu Beker war wegen der Anzahl ihrer
Verfolger wiederum in Furcht; aber Mohammed wiederholte die
Versicherung: »Sei nicht ängstlich, Allah ist mit uns.« Soraka
war ein grimmiger Krieger mit langzottigen grauen Locken und
nackten, sehnigen, behaarten Armen. Als er Mohammed einholte,
bäumte sein Pferd und er stürzte mit demselben. Sein
abergläubisches Gemüth wurde davon wie von einem bösen
Vorzeichen betroffen. Mohammed erkannte den Zustand seiner
Gefühle und wirkte durch einen beredten Zuruf dergestalt auf
ihn ein, daß Soraka ihn ehrfurchtsvoll um Verzeihung bat, sich
mit seiner Schaar rückwärts wendete und ihn ohne Belästigung
seinen Weg gehen ließ.
Die Flüchtlinge setzten die Reise ohne weitere
Unterbrechung fort, bis sie in Koba, einem Flecken ungefähr
zwei Meilen von Medina entfernt, ankamen. Es war ein beliebter
Versammlungsort der Stadtbewohner und ein Platz, an welchen
sie die Kranken und Siechen schickten, denn die Luft war rein
und gesund. Von da wurde auch die Stadt mit Obst versorgt,
denn der Flecken und dessen Umgebung war mit Weinbergen, mit
Dattel- und Lotuswäldchen und mit Gärten bedeckt, welche
Citronen, Orangen, Granatäpfel, Feigen, Pfirsiche und
Aprikosen trugen und von klaren Bächen bewässert wurden.
Bei der Ankunft an diesem fruchtbaren Orte duckte sich Al
Kaswa, Mohammeds Kameel, auf die Knie nieder und wollte nicht
weiter gehen. Der Prophet erklärte dies für ein günstiges
Zeichen und beschloß, in Koba zu bleiben und sich zum Einzug
in die Stadt vorzubereiten. Die Stelle, wo das Kameel
niederkniete, wird von frommen Moslemen noch gezeigt, indem
eine Moschee, Al Takwa, d. i. Tempel der Frömmigkeit, genannt,
daselbst erbaut worden ist, um den Vorfall im Andenken zu
bewahren. Einige versichern, daß sie sogleich von dem
Propheten gegründet worden sei. Auch wird ein tiefer Brunnen
in der Nachbarschaft gezeigt, an welchem Mohammed im Schatten
der Bäume ausruhte, und in welchen er seinen Siegelring fallen
ließ. Man glaubt, daß er sich noch darin befindet; er hat dem
Brunnen Heiligkeit verliehen; das Wasser desselben wird durch
unterirdische Kanäle nach Medina geleitet. In Koba blieb er
vier Tage und wohnte in dem Hause eines Awsiten, Namens
Colthum Ibn Hadem. Mittlerweile vereinigte sich in diesem
Dorfe mit ihm ein hervorragender Häuptling, Boreida Ibn Hoseib,
nebst siebenzig Genossen, sämmtlich dem Stamme Saham
angehörig. Diese legten das Glaubenskenntniß in Mohammeds
Hände ab.
Ein anderer berühmter Bekenner des Islams, welcher in
diesem Flecken zu dem Propheten kam, war Salman al Parsi (oder
der Perser). Es wird erzählt, daß er aus einem kleinen Orte
bei Ispahan gebürtig gewesen sei, und daß er, als er eines
Tages bei einer christlichen Kirche vorbei ging, von der
Andacht dieser Leute und von der Feierlichkeit der Anbetung so
sehr ergriffen wurde, daß er vor dem abgöttischen Glauben, in
welchem er erzogen worden war, einen Ekel bekam. Hierauf zog
er gegen Osten, von Stadt zu Stadt, von Kloster zu Kloster, um
eine Religion aufzusuchen, bis ihm ein ehemaliger Mönch, von
Jahren und Schwachheit niedergebeugt, von einem Propheten
erzählte, welcher in Arabien aufstehen würde, um den reinen
Glauben Abrahams wieder herzustellen.
Dieser Salman erhob sich in spätem Jahren zu Macht und
Ansehen und wurde von den Ungläubigen Mekkas für den gehalten,
welcher Mohammed in der Zusammenstellung seiner Lehren
Beistand geleistet hätte. Darauf wird in der sechzehnten Sure
des Korans hingewiesen. »Wahrlich, sagen die Götzendiener, ein
gewisser Mann unterstützte ihn bei der Abfassung des Korans;
aber die Sprache dieses Mannes ist Ajami (oder persisch), der
Koran jedoch ist in der reinen arabischen Sprache
niedergeschrieben.«
Als die Moslemen Mekkas, welche einige Zeit vorher in
Medina eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, hörten, daß
Mohammed in der Nähe wäre, so kamen sie heraus, um ihn in Koba
aufzusuchen. Unter ihnen befand sich auch der neulich bekehrte
Talha und Zobeir, Kadidschahs Neffe. Diese sahen, daß
Mohammeds und Abu Bekers Kleider von der Reise befleckt waren,
und gaben ihnen weiße Mäntel, damit sie in denselben den
Einzug in Medina hielten. Viele Ansaren oder Hülfsvölker
Medinas, welche im vorigen Jahre einen Vertrag mit Mohammed
geschlossen hatten, beeilten sich jetzt, das Gelübde der Treue
zu erneuern.
Von diesen erfuhr er, daß die Zahl der Gläubigen in der
Stadt reißend schnell wüchse, und daß es allgemeine Stimmung
wäre, ihn günstig aufzunehmen. Daher bestimmte er den Freitag,
den moslemischen Sabbath, den sechzehnten Tag des Monats Rabi,
zu seinem öffentlichen Einzuge.
Demnach versammelte er am Morgen dieses Tages alle seine
Anhänger zum Gebet; nach einer Predigt, in welcher er die
Hauptlehren seines Glaubens auseinander setzte, bestieg er
sein Kameel Al Kaswa und brach nach der Stadt auf, welche in
den nachfolgenden Zeitaltern als seine Zufluchtsstadt berühmt
werden sollte.
Boreida Ibn al Hoseib nebst siebenzig Reitern von dem
Stamme Saham begleitete ihn als Leibwache; einige seiner
Schüler machten es sich zum Geschäft, einen Baldachin von
Palmblättern über seinem Haupte zu halten; an seiner Seite
ritt Abu Beker. »O Apostel Gottes!« rief Boreida, »ohne
Standarte darfst du in Medina nicht einziehen.« Bei diesen
Worten breitete er seinen Turban auseinander, band das eine
Ende desselben an die Spitze seiner Lanze und trug sie hoch
erhebend vor dem Propheten her.
Die Stadt Medina machte in der Nähe einen günstigen
Eindruck, da sie wegen der Schönheit der Lage, der Heilsamkeit
des Klimas, der Fruchtbarkeit des Bodens, der Ueppigkeit der
Palmbäume, des Wohlgeruchs der Sträucher und Blumen gepriesen
wurde. In einer kleinen Entfernung von der Stadt kam ein Haufe
neuer Bekenner des Glaubens in Sonnenhitze und Staub einher,
um sich der einziehenden Schaar anzuschließen. Die Meisten von
ihnen hatten Mohammed niemals gesehen und bezeigten Abu Beker
aus Irrthum ihre Ehrfurcht; der Letztere jedoch beugte den
Schirm von Palmblättern seitwärts und zeigte ihnen die
wirkliche Person der Verehrung, welche mit lauten Zurufen
willkommen geheißen wurde.
In dieser Weise hielt Mohammed, der neulich aus seiner
Vaterstadt geflohen war und auf dessen Kopf man einen Preis
gesetzt hatte, seinen Einzug in Medina eher wie ein Eroberer
im Triumph, als wie ein Verbannter, welcher ein Asyl sucht. In
dem Hause des Khazraditen Abu Ayub stieg er ab; dieser war ein
frommer Moslem und außerdem stand er mit ihm in entfernter
Verwandtschaft; hier wurde er gastfreundlich aufgenommen und
schlug seine Wohnung im untern Stockwerke auf.
Kurz nach seiner Ankunft traf der treue Ali bei ihm ein.
Dieser war aus Mekka geflohen und hatte die Reise zu Fuß
gemacht; am Tage hatte er sich verborgen und war nur des
Nachts gereist, um nicht den Koreischiten in die Hände zu
fallen. Müde und abgemattet kam er an, seine Füße bluteten von
der Rauhigkeit des Weges.
Wenige Tage nachher kam Ayescha an und die übrige Familie
Abu Bekers sammt Mohammeds Familie, geführt von seinem treuen
Freigelassenen Zeid und von Abu Bekers Diener Abdallah.
Das ist die Geschichte der merkwürdigen Hedschra (Hegira)
oder »Flucht des Propheten;« – die Aera (Zeitrechnung) des
arabischen Kalenders, nach welchem alle gläubigen Moslemen
rechnen; sie entspricht dem 15. Juli im 622. Jahr der
christlichen Zeitrechnung.