Fünfzehntes Capitel - Mohammeds Verheiratung mit Ayescha –
Seiner Tochter Fatima mit Ali – Ihre häuslichen Einrichtungen
Die Familienverhältnisse Mohammeds waren durch die
Feindseligkeit, welche ihm sein Religionseifer zugezogen
hatte, zerrüttet worden. Seine Tochter Rokaia lebte noch mit
ihrem Gatten, Othmann Ibn Affan, als Verbannte in Abyssinien;
seine Tochter Zeinab war mit ihrem Ehemanne Abul Aaß, welcher
ein unbiegsamer Gegner des neuen Glaubens war, in Mekka
zurückgeblieben. Mohammeds Familie in Medina bestand aus dem
kürzlich geehelichten Weibe Sawda, und Fatima und Um Colthum,
den Töchtern seiner verstorbenen Gattin Kadidschah. Er hatte
ein zur Liebe geneigtes und dem weiblichen Einflüsse
unterworfenes Herz, doch niemals hatte er zu Sawda große Liebe
verspürt; obgleich er sie stets mit Freundlichkeit behandelte,
so fühlte er doch den Mangel einer Person, welche die Stelle
der abgeschiedenen Gattin Kadidschah ausfüllen konnte.
»O Omar«! sagte er eines Tages, »das köstlichste Kleinod
eines Mannes ist eine tugendhafte Frau, welche nach Gottes
Befehlen handelt und ihrem Gatten gehorsam und gefällig ist;
er betrachtet ihre leiblichen und geistigen Schönheiten mit
Vergnügen; wenn er ihr befiehlt, Etwas zu thun, so gehorcht
sie ihm; und wenn er abwesend ist, so wacht sie über sein
Recht an Eigenthum und Ehre.«
Jetzt wendete er die Augen auf seine Verlobte Ayescha, die
schöne Tochter Abu Bekers. Zwei Jahre waren vergangen, seitdem
sie versprochen waren, und jetzt erreichte sie das neunte
Jahr; ein Kindesalter mag das zu sein scheinen, obschon der
weibliche Körper in den belebenden Klimaten des Ostens zu
wundervoll frühzeitiger Reife gelangt. Die Hochzeit fand
wenige Monate nach der Ankunft in Medina statt und wurde mit
großer Einfachheit gefeiert; das Hochzeitmahl bestand in Milch
und der Brautschatz in zwölf Unzen Silber.
Die Verlobung der jüngsten Tochter Fatima mit dem treuen
Jünger Ali folgte kurz darauf und die Verheirathung derselben
in einer etwas späteren Zeit. Fatima stand zwischen dem
fünfzehnten und sechzehnten Altersjahre, hatte große Schönheit
und wird als eine der vier vollkommenen Frauen, mit welchen
Allah die Erde gnädig gesegnet hat, von den arabischen
Schriftstellern gepriesen. Ali's Alter betrug ungefähr zwei
und zwanzig Jahre.
Himmel und Erde, sagen die arabischen Schriftsteller,
vereinigten sich, um dieser glücklichen Vermählung Ehre zu
erweisen. Medina wiederhallte von Freude und glänzte von
Illuminationen, und die Luft war von gewürzhaften Gerüchen
geschwängert. Als Mohammed die Tochter dem Bräutigam in der
Hochzeitnacht zuführte, sandte Gott ein himmlisches Heer zu
ihrer Begleitung hinab; zu ihrer Rechten befand sich der
Erzengel Gabriel, zu ihrer Linken Michael, und ein Zug von
siebenzig tausend Engeln, welche die ganze Nacht um die
Wohnung des jungen Paares Wache hielten, folgte derselben.
Das sind die prahlerischen Uebertreibungen, mit welchen
moslemische Schriftsteller jedes Ereigniß in der Geschichte
des Propheten ausschmücken und die wahre Größe seines Lebens,
welche in ihrer Einfachheit besteht, verdecken. Ein
zuverlässigerer Bericht meldet, daß der Hochzeitschmaus in
Datteln und Oliven, das Brautbette aus Schaffellen, das
Heirathsgut der Braut aus zwei Gürteln, einem Kopfputze, zwei
silbernen Armbändern, einem ledernen, mit Palmblättern
gestopften Kissen, einem Becher, d. i. einer Trinkschale,
einer Handmühle, zwei Wasserkrügen und einem Becken bestand.
Alles dies stimmt mit der Einfachheit der arabischen
Haushaltung und den Verhältnissen des verheirateten Paares
überein; Ali soll, um die von ihm geforderte Ausstattung
zusammen zu bringen, mehrere Kameele und einige Panzerhemden
verkauft haben.
Die Lebensweise des Propheten selbst war nicht vorzüglicher
als die seines Schülers. Ayescha, welche in späteren Jahren
davon sprach, bemerkte: »Einen ganzen Monat lang zündeten wir
kein Feuer an, um uns Nahrungsmittel zuzubereiten; unsere
Speise war Nichts als Datteln und Wasser, wenn uns nicht
Jemand Fleisch schickte. Die Leute in dem Haushalte des
Propheten erhielten niemals zwei Tage nach einander Weizenbrod.«
Seine Nahrung bestand im Allgemeinen in Gerstenbrod nebst
Milch und Honig. Er kehrte sein Zimmer aus, zündete sein Feuer
an, besserte seine Kleider aus und war thatsächlich sein
eigener Diener. Für jede seiner zwei Frauen richtete er eine
an die Moschee stoßende Wohnung ein. Er wohnte wechselsweise
bei ihnen, aber Ayescha blieb seine Favoritin (Lieblingsfrau).
Mohammed ist wegen der Keuschheit in seinem früheren Leben
von moslemischen Schriftstellern gepriesen worden, und es ist
merkwürdig,, daß er bei aller Vielweiberei, welche von den
Arabern gestattet wurde, und bei aller jener
temperamentsmäßigen Zärtlichkeit, welche er gegen das andere
Geschlecht an den Tag legte, in der Ergebenheit gegen
Kadidschah allein bis zu deren Sterbetag verblieb, indem er
weder in seinem Hause noch in seinem Herzen ihr eine
Nebenbuhlerin gab. Sogar Ayeschas frische und blühende Reize,
welche bald eine so große Herrschaft über ihn ausübten,
konnten das tiefe, aus Liebe und Dankbarkeit gemischte Gefühl
gegen seine ehemalige Wohlthäterin nicht verwischen. Ayescha
fühlte sich eines Tages verletzt, als sie hörte, wie er den
übertrieben zärtlichen Erinnerungen nachhing. »O Apostel
Gottes«, fragte die jugendliche Schönheit, »war nicht
Kadidschah in den Jahren vorgeschritten? Hat dir Allah an
ihrer Stelle nicht ein besseres Weib gegeben?«
»Niemals!« rief Mohammed mit gerechter Entrüstung aus,
»niemals gab mir Gott eine bessere! Als ich arm war,
bereicherte sie mich; als man mich als Lügner verschrie,
glaubte sie an mich; als mich die ganze Welt anfeindete, blieb
sie mir treu!«