Einunddreißigstes Capitel - Feindseligkeiten in den Bergen
– Das feindliche Lager in dem Thale Autas – Schlacht am
Engpasse von Honein – Wegnahme des feindlichen Lagers –
Mohammeds Zusammenkunft mit der Pflegerin seiner Kindheit –
Theilung der Beute – Mohammed am Grabe seiner Mutter
Während die kriegerischen Apostel Mohammeds die Lehren
desselben mit der Schärfe des Schwerts verbreiteten, zog sich
in den Bergen ein feindliches Ungewitter zusammen. Zwischen
den Thakefiten, Hawazinen, Joschmiten, (Dschoschmiten),
Saaditen und einigen andern von den kühnen Beduinenstämmen in
den Bergen wurde ein Bund errichtet, um eine Macht
einzuschränken, die ganz Arabien zu unterjochen drohte. Die
hier erwähnten Saaditen oder Beni Sad sind die nämlichen
Hirtenaraber, unter denen Mohammed in seiner Kindheit erzogen
und in deren Thale sein Herz nach der Sage von einem Engel
herausgenommen und gereinigt worden war. Die Thakefiten,
welche die Ersten in dem Bunde waren, waren ein mächtiger
Stamm, der die feste Bergstadt Tayef und das ergiebige Gebiet
derselbe besaß. Sie waren bigotte Götzendiener und
unterhielten in ihrer Hauptstadt den fernhin berühmten Altar
der Göttin Al Lat. Der Leser wird sich an die schmachvolle
Behandlung Mohammeds erinnern, als er in Tayef seine Lehren zu
predigen versuchte; er wurde auf öffentlichem Markte
gesteinigt und schließlich mit Schimpf aus den Thoren
getrieben. Wahrscheinlich war es Furcht vor Rache durch seine
Hände, welche die Thakefiten in der Errichtung eines Bundes
wider ihn so thätig machte.
Malec Ibn Auf, der Häuptling der Thakefiten, führte den
Oberbefehl über den Bund. Das Thal Autas, zwischen Honein und
Tayef, bestimmte er zum Sammel- und Lagerplatze. Da er den
wankelmütigen Charakter der Araber kannte und ihre
Geneigtheit, wegen des geringfügigsten Einfalles nach Hause
zurückzukehren: so befahl er, daß sie ihre Familien und
Habseligkeiten mit sich brächten. Es kamen demnach aus allen
Theilen an viertausend streitbare Männer zusammen; aber das
Lager wurde mit Frauen und Kindern überhäuft und mit Schaf-
und Rinderheerden belastet.
Das Mittel Malec Ibn Aufs, das Zusammenhalten der Krieger
zu sichern, wurde von Doraid, dem Häuptlinge der Joschmiten (Dschoschmiten),
stark gemißbilligt. Das war ein ergrauter Krieger, über
hundert Jahre alt, abgemagert wie ein Skelett, fast blind und
so schwach, daß er in einer Sänfte auf dem Rücken eines
Kameels getragen werden mußte. Noch war er, obgleich unfähig
ins Gefecht sich zu mischen, wegen seiner Kriegserfahrung
vielvermögend im Rathe. Dieser Veteran machte den Vorschlag,
die Frauen und Kinder sofort nach Hause zu schicken und die
Armee von allen unnöthigen Belastungen zu befreien. Dieser
Vorschlag wurde nicht angenommen, und das Thal Autas glich
fortdauernd eher dem Hirtenlager eines Stammes als der
vorübergehenden Aufstellung einer Armee.
Indessen brach Mohammed zufolge der Nachricht, daß sich ein
Ungewitter zusammenziehe, an der Spitze von zwölftausend Mann
sofort auf; seine Truppen waren theils Flüchtlinge aus Mekka,
theils Hülfsvölker aus Medina, theils Araber der Wüste, von
denen einige den Glauben noch nicht angenommen hatten.
Als er ins Feld rückte, trug er einen polirten Harnisch und
Helm und ritt sein weißes Lieblingsmaulthier Daldal, indem er
nicht oft ein Schlachtroß bestieg, weil er selten an dem
wirklichen Gefechte sich betheiligte. Die jüngsten Erfolge und
die Ueberlegenheit an Zahl ließ ihn einen leichten Sieg
erwarten, weshalb er das Gebirge ohne Vorsicht betrat; er
drängte vorwärts nach dem feindlichen Lager bei Mutas und kam
in ein tiefes, düsteres Thal auf den Gränzen von Honein. Die
Truppen marschirten ohne Ordnung durch einen wilden Engpaß,
indem sich jeder seinen eigenen Weg wählte. Plötzlich wurden
sie von einem Hagel von Wurfspießen, Steinen und Pfeilen
angegriffen, welche zwei oder drei Soldaten Mohammeds zu
seinen Füßen todt hinstreckten und mehrere andere verwundeten.
Wirklich hatte Malec mit seinen tüchtigsten Kriegern auf
diesen Höhen, welche die enge Schlucht beherrschten, Stellung
genommen. Jede Klippe und Höhle war mit Bogenschützen und
Schleuderern besetzt, und einige stürzten herab, um auf diesem
eng geschlossenen Raume zu kämpfen.
Von plötzlichem Schrecken ergriffen, wendeten sich die
Moslemen und flohen. Vergebens bat sie Mohammed als ihr
Feldherr; vergebens rief er ihnen zu als der Prophet Gottes.
Jeder dachte nur an seine eigne Rettung und an das Entkommen
aus diesem schrecklichen Thale. Einen Augenblick lang schien
Alles verloren und einige jüngst, aber wider Willen Bekehrte
frohlockten über den vermuthlichen Umschwung in dem Glücke des
Propheten. »Beim Himmel!« rief Abu Sofian, als er den
fliehenden Moslemen nachschaute, »es wird sie Nichts
aufhalten, bis sie die See erreichen.« »Gewiß«, rief ein
anderer aus, »die magische Gewalt Mohammeds ist zu Ende!« Ein
dritter, welcher versteckte Rache wegen des Todes seines
Vaters, der in der Schlacht von Ohod von den Moslemen getödtet
worden war, nährte, würde den Propheten in der Verwirrung
ermordet haben, wenn er nicht von einigen ergebenen Anhängern
umgeben und beschützt worden wäre. Mohammed selbst spornte,
von Verzweiflung getrieben, sein Maulthier wider den Feind;
aber Al Abbas ergriff den Zügel und hielt ihn zurück, daß er
nicht einem gewissen Tode entgegenstürzte, und zur nämlichen
Zeit stieß er ein Geschrei aus, welches in dem engen Thale
widerhallte. Al Abbas war wegen Lungenstärke berühmt und in
diesem Augenblicke war sie die Rettung des Heeres. Die
Moslemen sammelten sich wieder, als sie seine wohlbekannte
Stimme hörten, und da sie erkannten, daß sie nicht verfolgt
würden, so kehrten sie zurück zum Gefecht. Der Feind war von
den Höhen hinabgestiegen und jetzt folgte ein blutiger
Zusammenstoß in dem Engpasse. »Der Ofen glühet,« rief Mohammed
frohlockend, als er das Glänzen der Waffen und das Blitzen der
Wehren sah. Sich aus dem Sattel niederbeugend ergriff er eine
Hand voll Staub und streute ihn gegen die Feinde in die Luft.
»Verwirrung falle auf ihre Gesichter!« rief er; »mag dieser
Staub sie blenden!« Sie wurden demnach geblendet und flohen in
Verwirrung, sagen die moslemischen Schriftsteller, obgleich
eher der moslemischen Ueberlegenheit an Streitkräften und der
Begeisterung, welche ihnen die Ausrufungen des Propheten
einflößte, die Niederlage derselben zugeschrieben werden mag.
Malec und die Thakefiten suchten Zuflucht in der entfernten
Stadt Tayef; die Uebrigen zogen sich in das Lager im Thale
Autas zurück.
Während Mohammed im Thale Honein blieb, schickte er Abu
Amir mit einer starken Streitmacht ab, um das Lager
anzugreifen. Die Hawazinen leisteten tapfern Widerstand. Abu
Amir wurde getödtet; aber sein Neffe Abu Musa übernahm den
Befehl und errang einen vollständigen Sieg, nachdem er viele
Feinde erlegt hatte. Das Lager bot große Beute und viele
Gefangene zufolge der unklugen Maßregel Malec Ibn Auf's, nach
welcher er es mit den Familien und Habseligkeiten, mit dem
kleinen und großen Vieh der Verbündeten anfüllte, und zufolge
der Mißachtung des weisen Rathes, welchen der ergraute Doraid
ertheilte. Das Schicksal dieses hochbetagten Kriegers der
Wüste ist der Erwähnung würdig. Während die moslemischen
Truppen, die durch das Lager sich zerstreut hatten, auf Beute
bedacht waren, so bemerkte der junge Suleimite Rabia Ibn Rafi
eine Sänfte, die ein Kameel auf dem Rücken trug, und verfolgte
sie in der Vermuthung, daß sie irgend ein schönes Frauenzimmer
berge. Als er sie einholte und die Gardine hinwegzog, bemerkte
er die skelettartige Gestalt des greisen Doraid. Verdrießlich
und getäuscht hieb er mit dem Schwerte nach ihm, aber die
Waffe zerbrach in seiner Hand. »Deine Mutter«, sagte der alte
Mann spöttisch, »hat dich mit armseligen Waffen versehen; du
wirst die, welche hinter meinem Sattel hängt, besser finden.«
Der Jüngling ergriff sie; aber da er sie aus der Scheide zog,
bemerkte Doraid, daß es ein Suleimite war, und rief aus: »Sage
deiner Mutter, du habest Doraid Ibn Simma erschlagen, welcher
viele Frauen ihres Stammes am Schlachttage gerettet habe.« Die
Worte waren wirkungslos; der Schädel des Veteranen wurde mit
seinem eigenen Säbel gespalten. Als Rabia bei der Rückkehr
nach Mekka seiner Mutter von der That erzählte, so sagte sie
vorwurfsvoll: »Du hast wirklich einen Wohlthäter unseres
Geschlechtes erschlagen. Drei Weiber deiner Familie hat Doraid
Ibn Simma aus der Gefangenschaft befreit.«
Abu Musa kehrte im Triumphe zu Mohammed zurück, und machte
mit der Beute aus dem Lager von Autas und den Frauen und
Kindern, welche er gefangen genommen, ein großes Gepränge.
Eine der Gefangenen warf sich dem Propheten zu Füßen und
flehte ihn um Barmherzigkeit an, da sie seine Milchschwester
Al Schima, die Tochter Halêmas wäre, welche ihn im
saaditischen Thale aufgezogen hatte. Vergeblich suchte
Mohammed in den verwelkten Zügen die reizende Gespielin seiner
Kindheit zu erkennen, sie aber entblößte den Rücken und zeigte
da eine Narbe, wo er sie bei ihren lustigen Streichen gebissen
hatte. Er zweifelte nicht länger, sondern behandelte sie mit
Freundlichkeit, ihr die Wahl lassend, bei ihm und unter seinem
Schutze zu bleiben, oder in ihre Heimath und zu ihren
Verwandten zurückzukehren.
Eine Bedenklichkeit stieg rücksichtlich der weiblichen
Gefangenen unter den Moslemen auf. Konnten sie von solchen,
welche verheirathet waren, Gebrauch machen, ohne die Sünde des
Ehebruchs zu begehen? Die Offenbarung in einem Spruche des
Korans machte der Schwierigkeit ein Ende. »Ihr sollt nicht
freie Frauenzimmer, welche verehelicht sind, zu Ehegattinnen
nehmen, es sei denn, daß eure rechte Hand sie zu Sclavinnen
gemacht hat.« Diesem gemäß konnten alle im Kriege
weggenommenen Frauenspersonen zu Eheweibern der Gefangennehmer
gemacht werden, wenn schon die früheren Ehemänner derselben
noch am Leben waren. Die Sieger von Honein ermangelten nicht,
unmittelbaren Vortheil aus diesem Gesetze zu ziehen.
Die Gefangenen und die Beute an einem sicheren Platze und
angemessen bewacht zurücklassend, verschritt jetzt Mohammed
zur Verfolgung der Thakefiten, welche sich nach Tayef
geflüchtet hatten. Ein Rachegefühl mischte sich in die fromme
Inbrunst, als er der abgöttischen Stadt, dem Schauplatze
früherer Beleidigung und Beschimpfung nahte, und als er die
Thore erblickte, aus denen er einst schmachvoll
hinausgetrieben worden war. Die Mauern waren jedoch zu stark,
um erstürmt zu werden; auch war ein schützendes Castell
daselbst. Daher nahmen sie zum ersten Male zu Catapulten
(Wurfmaschinen), Sturmböcken und andern bei Belagerungen
gebrauchten, aber in der arabischen Kriegführung unbekannten
Maschinen ihre Zuflucht. Diese wurden unter der Leitung des
moslemischen Persers Salmân errichtet.
Die Belagerten schlugen jedoch jeden Angriff zurück,
ängstigten die Stürmenden mit Wurfspießen und Pfeilen und
gossen geschmolzenes Eisen auf die Schilde aus Ochsenhäuten
nieder, von denen gedeckt sie den Mauern nahten. Mohammed
verwüstete jetzt die Felder, die Obstgärten und Weinberge und
verkündigte allen Sclaven, die aus der Stadt fliehen würden,
die Freiheit. Zwanzig Tage lang setzte er die Belagerung ohne
Ergebniß fort, indem er in der Mitte zwischen den Zelten
seiner Frauen Omm Salama und Zeinab, welchen es durchs Loos
beschieden worden war, ihn auf diesem Feldzuge zu begleiten,
täglich Gebete zu Allah emporschickte. Seine Hoffnungen auf
Erfolg begannen zu ermatten, und durch einen von Abu Beker,
der wegen seiner Geschicklichkeit in der Auslegung von
Nachtgesichten berühmt war, ungünstig gedeuteten Traum wurde
er noch mehr entmuthigt. Er würde die Belagerung aufgehoben
haben, aber die Truppen murrten; hierauf gab er zum Sturm auf
eines der Thore Befehl. Wie gewöhnlich wurde es hartnäckig
vertheidigt; Viele wurden auf beiden Seiten getödtet; Abu
Sofian, welcher bei dieser Gelegenheit mit Tapferkeit kämpfte,
verlor ein Auge, und die Moslemen wurden endlich
zurückgeschlagen.
Mohammed brach jetzt das Lager ab, den Truppen
versprechend, daß er die Belagerung künftig wieder aufnehmen
würde, und begab sich an den Platz, wo die Beute von seinem
Kriegszuge aufgespeichert war. Diese belief sich, wie die
arabischen Schriftsteller sagen, auf vierundzwanzig tausend
Kameele, vierzig tausend Schafe, vier tausend Unzen Silber und
sechs tausend Gefangene.
Kurze Zeit darauf erschien eine Deputation der Hawazinen,
welche die Unterwerfung ihres Stammes erklärte und um die
Rückgabe ihrer Familien und Habseligkeiten bat. Mit ihnen kam
Halêma, die nun in Jahren vorgerückte Pflegemutter Mohammeds.
Die Erinnerungen an seine Kindheit sprachen wiederum zu seinem
Herzen. »Was ist euch das Liebste«, sprach er zu den Hawazinen,
»eure Familien oder eure Güter?« Sie antworteten: »Unsere
Familien.«
»Genug«, fügte er hinzu, »so viel es Al Abbas und mich
betrifft, so sind wir bereit, unsern Antheil an den Gefangenen
herauszugeben; aber es sind noch Andere dazu zu bewegen. Kommt
nach dem Mittagsgebete zu mir und saget: Wir flehen den
Gesandten Gottes an, daß er seine Gläubigen ermahne, uns
unsere Frauen und Kinder zurückzugeben, und wir rufen seine
Gläubigen an, daß sie sich bei ihm zu unseren Gunsten
verwenden.«
Die Abgeschickten thaten, wie er ihnen rieth. Mohammed und
Al Abbas verzichteten sogleich auf ihren Antheil an den
Gefangenen; ihrem Beispiele folgten Alle mit Ausnahme der
Stämme Tamim und Fazara; aber er erlangte ihre Einwilligung
dadurch, daß er ihnen den sechsfachen Antheil an den bei dem
nächsten Kriegszuge gemachten Gefangenen zusicherte. Auf diese
Weise brachte Halêmas Verwendung die Freigebung aller
Gefangenen ihres Stammes zu Stande. Eine altherkömmliche
Anekdote zeigt die Ehrerbietung, mit welcher Mohammed diese
geringe Beschützerin seiner Kindheit behandelte. »Ich saß bei
dem Propheten«, sagte einer seiner Schüler, »als sich auf
einmal ein Weib zeigte, und er aufstand und seinen Mantel für
sie hinbreitete, damit sie sich darauf setzen sollte. Als sie
fortging, wurde bemerkt, dieses Weib hat den Propheten
gesäugt.«
Mohammed schickte nun an Malec, welcher in Tayef
eingeschlossen blieb, einen Gesandten, welcher ihm die
Ausantwortung aller zu Honein ihm abgenommenen Beute und ein
Geschenk von hundert Kameelen anbot, wenn er sich unterwerfen
und den Glauben annehmen wollte. Malec wurde durch dieses
großmüthige Anerbieten besiegt und bekehrt und brachte mehrere
der verbündeten Stämme mit sich zu der Fahne des Propheten.
Sofort wurde er zum Häuptling derselben ernannt und bewies
sich in der Folgezeit in der Glaubensangelegenheit als eine
scharfe Geißel gegen die Thakefiten, seine ehemaligen
Bundesgenossen.
Die Moslemen begannen jetzt zu fürchten, daß Mohammed bei
diesen hochherzigen Beweggründen den gesammten Ertrag ihrer
jüngsten Kämpfe verschleudern möchte. Daher drängten sie sich
um ihn und schrieen nach Vertheilung der Beute und der
Gefangenen. Unwillig blickte er sie an und sagte: »Habt ihr
mich jemals geizig oder unredlich oder ungesetzlich erfunden?«
Hierauf riß er ein Haar aus dem Rücken eines Kameels, erhob
seine Stimme und rief: »Bei Allah! Ich habe von der
gemeinsamen Beute niemals den Werth dieses Kameelhaares mehr
genommen als ein Fünftheil, und dieses Fünftheil ist immer zu
eurem Besten verwendet worden.«
Hierauf vertheilte er die Beute, wie es herkömmlich war.
Vier Fünftel erhielten die Truppen, aber sein eigenes Fünftel
spendete er unter die aus, deren Treue er sich zu sichern
wünschte. Die Koreischiten hielt er für unsichere Verbündete;
vielleicht war ihm das Frohlocken einiger von ihnen, welche
seine Niederlage im Geiste vorauszusehen glaubten, zu Ohren
gekommen; diese suchte er jetzt durch Geschenke an sich zu
ketten. Abu Sofian gab er hundert Kameele und vierzig Unzen
Silber zur Entschädigung für das Auge, welches er beim
Angriffe auf das Thor von Tayef verloren hatte. Akrema Ibn Abu
Jahl und Andern gleichen Ranges gab er in angemessenem
Verhältnisse, und zwar Alles von seinem Antheile. Unter den
lauen, auf diese Weise begünstigten Neubekehrten befand sich
der Dichter Abbas Ibn Mardas. Er war mit seinem Theile
unzufrieden und ließ seinen Unmuth in satyrischen Versen aus.
Mohammed hatte ihn belauscht. »Nehmt diesen Mann von hier
weg«, sagte er, »und schneidet ihm die Zunge aus.« Omar, zu
harten Maßregeln stets bereit, würde den Befehl buchstäblich
ausgeführt haben, und das auf der Stelle; aber Andere, welche
von des Propheten Meinung besser unterrichtet waren, führten
Abbas, der am ganzen Leibe zitterte, auf den öffentlichen
Platz, wo das erbeutete Vieh zusammen aufgestellt war, und
baten ihn, sich davon das, was ihm gefiele, auszuwählen.
»Wie!« rief der Dichter fröhlich und von dem Schrecken vor
Verstümmelung befreit, »ist das die Art, auf welche der
Prophet meine Zunge zum Schweigen bringen wollte? Bei Allah!
ich will Nichts nehmen.« Mohammed bestand jedoch auf seiner
staatsklugen Großmuth und schickte ihm sechzig Kameele. Von
dieser Zeit an wurde der Dichter niemals müde, die
Freigebigkeit des Propheten zu besingen.
Während Mohammed auf diese Weise den guten Willen der lauen
Neubekehrten aus Mekka reizte, erregte er das Murren der
Hülfsvölker Medinas. »Sehet,« sagten sie, »wie er an die
verrätherischen Koreischiten Geschenke verschwendet, während
wir, die wir ihm in allen Gefahren treu gewesen sind, Nichts
als unsern nackten Antheil empfangen. Was haben wir gethan,
daß wir also in den Hintergrund gestellt werden sollen?«
Mohammed wurde von diesem Murren unterrichtet und forderte die
Führer in sein Zelt. »Höret mich an, ihr Männer von Medina,«
sagte er; »waret ihr nicht in Zwietracht unter euch selbst,
und habe ich euch nicht zur Eintracht geführt? Waret ihr nicht
im Irrthume, und habe ich euch nicht auf den Pfad der Wahrheit
geleitet? Waret ihr nicht arm, und habe ich euch nicht reich
gemacht?« Sie erkannten die Wahrheit dieser Worte an. »Sehet!«
fuhr er fort, »ich kam zu euch als Lügner gebrandmarkt, doch
ihr glaubtet an mich; als ein Verfolgter, doch ihr beschütztet
mich; als ein Flüchtling, doch ihr nahmet mich auf; als ein
Hülfloser, doch ihr unterstütztet mich. Denkt ihr denn, ich
fühle dies nicht? Denkt ihr denn, ich könne undankbar sein?
Ihr beklagt euch, daß ich an diese Leute Geschenke vertheile
und euch keine gebe. Zwar gebe ich ihnen irdisches Gut, aber
es geschieht, um ihre irdisch gesinnten Herzen zu gewinnen.
Euch, die ihr aufrichtig gewesen seid, euch gebe ich mich
selbst! Sie kehren mit Schafen und Kameelen heim; ihr kehrt
mit dem Propheten Gottes unter euch zurück: Denn bei dem, in
dessen Händen Mohammeds Seele ist, ich würde bei euch bleiben,
obschon die ganze Welt den einen, und ihr den andern Weg
ginget! Wem von euch habe ich nun am meisten vergolten?«
Die Hülfsvölker wurden durch diese Ansprache sogar bis zu
Thränen gerührt. »O Prophet Gottes,« riefen sie aus, »wir sind
mit unserm Loose zufrieden!«
Nach Vertheilung der Beute zog Mohammed nach Mekka, nicht
mit dem Gepränge und dem Frohlocken eines Eroberers, sondern
im Pilgerkleide, um die Gebräuche seiner Wallfahrt zu
erfüllen. Als diese alle gewissenhaft vollbracht waren, so
bestimmte er Moad Ibn Jabal (Dschabal) zum Iman oder
Oberpriester, um das Volk in den Lehren des Islams zu
unterweisen, und legte die Regierung der Stadt in die Hände
Otab's, eines nur achtzehnjährigen Jünglings; hierauf sagte er
seiner Geburtsstadt Lebewohl und brach mit seinen Truppen zur
Rückkehr nach Medina auf.
Bei dem Dorfe Al Abwa, wo seine Mutter begraben lag,
ankommend, sehnte sich sein Herz, ihrem Andenken den
kindlichen Tribut zu zahlen; aber sein eigenes geoffenbartes
Gesetz verbot jegliche Rücksicht auf das Grab derjenigen,
welche im Unglauben verstorben war. In der heftigen Aufregung
seiner Empfindungen erflehte er vom Himmel eine Milderung
dieses Gesetzes. Wenn es bei einer Gelegenheit dieser Art
irgend eine Täuschung gab, so würde man annehmen, daß es eine
Selbsttäuschung gewesen sein müßte, und daß er an eine
eingebildete Weisung vom Himmel, welche das Gesetz theilweise
und in dem gegenwärtigen Falle milderte und ihm gestattete,
das Grab zu besuchen, wirklich glaubte. Er brach in Thränen
aus, als er der Stätte nahte, wo die zartesten Gefühle eines
Kindes sich erproben; aber Thränen waren der gesammte Tribut,
welchen er darbringen konnte. »Ich bat Gott um Erlaubniß«,
sagte er traurig, »das Grab meiner Mutter besuchen zu dürfen,
und sie wurde mir gewährt; als ich aber um die Erlaubniß bat,
für sie beten zu dürfen, so wurde sie mir verweigert.«