Der Islam im Dialog

Der Islam im Dialog - Aufsätze

Prof. Abdoldjavad Falaturi

Inhaltsverzeichnis

Ansätze zum Dialog im Koran

Es handelt sich um Ansätze, die meinen Ausführungen hier zugrunde liegen: Bedingt durch die Situation, in der Muhammad seine Botschaft verkündete, finden wir im Koran klare Positionen bezüglich der Möglichkeiten und auf die Hermeneutik eines rein religiösen Dialoges.

Wie Abraham befand sich Muhammad in der damaligen Weltsituation zwischen den Anhängern der Vielgötterei (hauptsächlich auf der Arabischen Halbinsel) und den Gläubigen an einen einzigen Gott: Juden, Christen, Zoroastrier (in Byzanz, Iran und zum Teil auf der arabischen Halbinsel). Wie Abraham entschied sich Muhammad in jener Situation eindeutig für den Eingottglauben und wies unmissverständlich die Vielgötterei zurück. Diese abrahamitische religiöse Haltung: Zuwendung zu dem einzigen Gott und Abwendung von allem, was außer diesem angenommen wird, nennt der Koran Islam und Abraham einen „aufrichtigen Muslim" (Sure 3, Vers 67).

Anders als bei Abraham jedoch hatte Muhammad noch drei unterschiedlich geprägte monotheistische oder am Monotheismus orientierte Religionen vor sich. Dazu kam noch die historische Tatsache, dass innerhalb der beiden Fronten (Polytheismus und Monotheismus) Jahrzehnte - wenn nicht Jahrhunderte lang - bis zu Muhammads Zeit, kriegerische Auseinandersetzungen das Leben der Völker bestimmten. Dies gab Muhammad einen besonderen Anlass zum Gespräch sowohl mit Monotheisten wie auch mit Polytheisten.

Die letzteren bildeten die Hauptadressen seiner Botschaft. Dies geschah im Grunde ausschließlich mittels Gesprächen, die er mahnend und verheißend, jedoch kompromisslos, mit ihnen führte. Interessant für die Hermeneutik des Dialogs sind die Fälle, wo die Gespräche mit Anhängern der Vielgötterei in die Sackgasse gerieten. Dort heißt es: „Weder ich werde verehren, was ihr verehrt habt, noch werdet ihr verehren, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe meine Religion." (Koran: Sure 109, Verse 4-6). Noch interessanter ist die Glaubenslehre, die diesen nach Koran zusteht, auch wenn sie sich nach der koranischen Überzeugung auf dem Irrweg befinden. „Es gibt keinen Zwang in der Religion."

Der richtige Wandel unterscheidet sich nunmehr klar vom Irrweg. Wer also die Götzen verleugnet und an Gott glaubt, der hält sich an der festesten Handhabe, bei der es kein Reißen gibt. Und Gott hört und weiß alles." (Koran: Sure 2, Vers 256). Der Dialog mit den Polytheisten bedeutet hier einerseits, nie aufzuhören, diese zu mahnen und für Gottgläubigkeit zu gewinnen und andererseits jedoch, sie als Menschen dulden bzw. gelten lassen. Von größerer Bedeutung ist die Tatsache, dass auch seine an die Polytheisten gerichteten Mahnungen und Verheißungen von Anfang an Abraham orientiert waren. Gerichtet an diese heißt es bereits in den ersten Phasen seiner Verkündung in der Sure al-A3la (Sure 87; wahrscheinlich die vierte offenbarte Sure): „Dies (der verkündete Ein-Gott-Glaube und dessen moralische Folgen) steht in den früheren Blättern, den Blättern von Abraham und Moses." (Koran: Sure 87, Verse 18-19).

Was das Verhältnis Muhammads zu den Monotheisten betrifft, so dürfte es der Realität nach nicht ganz einfach gewesen sein wegen der unterschiedlichen Ausprägung des monotheistischen Grundwertes und wegen der Verflochtenheit der herrschenden Religionen, die mit einer besonderen machtpolitischen Ausrichtung versehen sind.

Doch die abrahamitische Grundhaltung, Islam: Zuwendung zu einem einzigen Gott ist es, die auch hier eine klare Basis für das Verhältnis Muhammads zu den Juden, Christen und anderen Monotheisten in der Theorie und Praxis schaffen sollte, was die Hermeneutik des Dialoges aus der Sicht des Islam, konkret gesagt, aus der Sicht der von Muhammad verkündeten Lehre, bis heute bestimmt: In der spätmedinensischen Sure Al-Ma‘ida (Sure 5) heißt es: „Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Sabäer und die Christen, all die, die an Gott und an den Jüngsten Tag glauben und Gutes tun, haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein." (Koran: Sure 5, Vers 69). Gerichtet speziell an die Schriftbesitzer (Juden und Christen) schon in der mekkanischen Sure al-3Ankabut (Sure 29) legt der Koran die Dialogbasis mit Eingottgläubigen fest: „Und streitet (genauer, führet dialektische Zwiegespräche) mit den Leuten des Buches nur auf die beste Art, mit Ausnahme derer von ihnen, die Unrecht tun. Und sagt: „Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt und zu euch herabgesandt wurde. Unser Gott und euer Gott ist einer. Und wir sind ihm ergeben (muslimun)." (Koran: Sure 29, Vers 46). Festgelegt wird der abrahamitische Inhalt der Zwiegespräche noch deutlicher in der ebenso medinesischen Sure Al-3Imran (Sure 3): „Spricht: Oh ihr Leute des Buches, kommt her zu einem zwischen uns und euch gleich angenommenen Wort, dass wir Gott allein dienen und ihm nichts beigesellen, und dass wir nicht einander zu Herren nehmen neben Gott. Doch wenn sie sich abkehren, dann sagt ihr: „Bezeugt, dass wir gottergeben (muslimun) sind (Koran: Sure 3, Vers 64).

Maßgebend ist - wie unermüdlich im Koran betont wird - der Eingottglaube, der Islam, also die einzig mögliche religiöse Haltung, sofern Gott in der Religion die Rolle spielt „Die Religion bei Gott ist der Islam", (Koran: Sure 3, Vers 19) unterstreicht eindeutig diese Überzeugung mit allen ihren Konsequenzen: demnach gilt der Islam und die Bezeichnung Muslim inhaltlich und phänomenologisch nicht nur für Abraham sondern auch für Moses, Jesu und alle Propheten und Gesandte davor und danach, wie auch ihre Anhänger sofern sie dem Eingottglauben anhängen. Es hatte sogar praktische Konsequenzen für die zeitgenössischen Juden und Christen auf der arabischen Halbinsel.

Diese wurden gelobt und ihre religiöse Lebensweise fand bei Muhammad Anerkennung, sofern sie sich jeweils ganz und gar nach ihren Schriften, Thora und Evangelien richteten. Getadelt und sogar aufs Schärfste verurteilt wurden sie, wenn sie diesen eindeutig zuwider handelten.

Getrübt wurden jedoch die Verhältnisse der Muslime zu den Anderen durch die Machtkämpfe, die zunächst von Polytheisten ausgingen, die aber dann ganz besonders jüdisch-muslimische und in einzelnen Fällen christlich-muslimische Beziehungen belasteten. (Vergleich: Artikel „Toleranz und Friedenstraditionen im Islam" in: Der Islam im Dialog, Köln 1992, S. 75-97). Trotz alledem und trotz der Tatsache, dass Muhammad zweifelsohne gerne hätte, wenn die zeitgenössischen Juden und Christen seine Lehre als vollständigste Prägung der abrahamitischen religiösen Haltung angenommen hätten, bietet der Koran in seinem zuallerletzt verkündeten Vers (Koran: Sure 5, Vers 5) - also nur einige Monate vor Muhammads Tod - Tisch und Ehegemeinschaft mit Juden und Christen. Dies geschieht in einer Zeit, wo die Muslime absolute Oberhand besaßen und keinerlei Abhängigkeit von Juden und Christen, die dazu führen könnten, vorlag.

Diese einmalige, praktisch einseitige, gesellschaftliche Anerkennung der Juden und Christen und nicht das Tolerieren derselben im Sinne, sie zu dulden bzw. gelten zu lassen, kann nie genug geschätzt und betont werden. Das bietet einen uneingeschränkten Ansatz für das Verstehen und Begreifen des Koran in seinem Selbstverständnis und eine uneingeschränkte Möglichkeit für den Dialog mit anderen Religionen.

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