Der Sieg des Islam

Der Sieg des Islam

von Edward Gibbon

 
bullet Inhaltsverzeichnis

Sechstes Kapitel - Die Eroberungszüge der Araber

(Anmerkung der Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der Westlichen Welt auf den Islam geblickt worden ist.)

Eroberung von Persien, Syrien, Ägypten, Afrika und Spanien durch die Araber oder Sarazenen. – Reich der Kalifen oder Nachfolger Mohammeds. – Zustand der Christen unter ihrer Regierung

Die Umwälzungen, die in Arabien vor sich gegangen waren, hatten den Charakter der Araber nicht geändert; der Tod Mohammeds war das Zeichen zum Beginn der Unabhängigkeitsbewegung, und der schnell vor sich gegangene Bau seiner Macht sowie der seiner Religion wurde stark erschüttert. Eine kleine und treue Schar seiner ersten Jünger hatte seiner Beredsamkeit Gehör geschenkt und seine Not geteilt. Sie waren mit dem Propheten vor den Verfolgungen aus Mekka entflohen oder hatten den Flüchtling in Medina aufgenommen. Die immer mehr zunehmende Menge, die Mohammed als ihren König und Propheten anerkannte, war von seinen Waffen bezwungen oder durch sein Glück angelockt worden. Die einfache Idee eines einzigen und unsichtbaren Gottes verwirrte die Polytheisten; der Stolz der Christen und Juden jedoch wollte sich nicht unter das Joch eines sterblichen und derselben Zeit angehörigen Gesetzgebers beugen. Ihr Glauben und ihr Gehorsam waren noch nicht hinreichend fest, und viele der Neubekehrten sehnten sich nach dem ehrwürdigen, alten mosaischen Gesetz, nach dem Ritus und den Mysterien der katholischen Kirche oder nach den Götzen, Opfern und fröhlichen Festen ihrer Vorfahren zurück. Die widerstreitenden Interessen und Erbfehden der arabischen Stämme hatten ein einheitliches System noch nicht ermöglicht. Die Barbaren haßten die mildesten und nützlichsten Gesetze, die ihre Leidenschaften zügelten oder ihre Gewohnheiten verletzten. Sie unterwarfen sich mit Widerstreben den religiösen Vorschriften des Korans, z. B. dem Verbot des Weintrinkens, dem Fasten des Ramadan, der täglichen Wiederholung von fünf Gebeten. Die Almosen und Zehnten, die für den Schatz von Medina gesammelt wurden, unterschieden sich nur durch den Namen von einem dauernden und schimpflichen Tribut. Das Beispiel Mohammeds hatte Schwärmerei oder Betrügerei geweckt. Mehrere Nebenbuhler wagten es, die Handlungsweise des noch lebenden Propheten nachzuahmen und seiner Macht zu trotzen. Der erste Kalif war an der Spitze der Flüchtlinge und Verbündeten auf die Städte Mekka, Medina und Tayef beschränkt, und vielleicht würden die Koreischiten die Götzen der Kaaba wieder aufgestellt haben, wenn nicht ein rechtzeitiger Vorwurf diese Absicht vereitelt hätte. »Ihr Männer von Mekka, werdet ihr die letzten sein, welche die Religion des Islams bekennen und die ersten, die sie verlassen?« Nachdem Abubeker die Muselmanen ermahnt hatte, auf die Hilfe Gottes und seines Propheten zu vertrauen, beschloß er durch einen kräftigen Angriff der Vereinigung der Rebellen zuvorzukommen. Die Weiber und Kinder wurden in den Höhlen der Gebirge in Sicherheit gebracht. Die unter elf Fahnen ziehenden Krieger verbreiteten den Schrecken ihrer Waffen, und ihr Erscheinen belebte und kräftigte die Treue der Gläubigen wieder. Die unbeständigen Stämme unterwarfen sich in demütiger Reue den Pflichten des Gebetes, dem Fasten und dem Almosengeben. Selbst die Kühnsten der Abtrünnigen beugten sich nach einigen Siegen und Bestrafungen dem Schwerte des Herrn und Kaleds. In der fruchtbaren Provinz Yemanah, zwischen dem Roten Meere und dem persischen Meerbusen, in einer Medina kaum nachstehenden Stadt, hatte ein mächtiger Häuptling, Moseilama, den Charakter eines Propheten angenommen, und der Stamm Hanifa schenkte seiner Stimme Gehör. Eine Prophetin wurde von seinem Ruf angezogen. Diese beiden Auserwählten des Himmels verachteten Züchtigkeit in Worten und Handlungen und verbrachten mehrere Tage in mystischem Liebesverkehr. Ein dunkler Satz seines Korans ist noch erhalten; Moseilama, im Stolz seiner Sendung, ließ sich herab, eine Teilung der Erde anzubieten. Der Vorschlag wurde von Mohammed mit Verachtung verworfen, aber die reißenden Fortschritte des Betrügers erweckten die Besorgnisse seines Nachfolgers. Vierzigtausend Muselmanen versammelten sich unter der Fahne Kaleds und setzten ihren Glauben in einer entscheidenden Schlacht aufs Spiel. Im ersten Gefecht wurden sie nach dem Verlust von zwölfhundert Mann zurückgetrieben; aber durch die Geschicklichkeit und Beharrlichkeit ihres Anführers trugen sie endlich den Sieg davon. Ihre erste Niederlage wurde mit der Niedermetzelung von zehntausend Ungläubigen gerächt und Moseilama selbst von einem äthiopischen Sklaven mit demselben Wurfspieße durchbohrt, der den Oheim des Propheten tödlich verwundet hatte. Die verschiedenen Rebellen Arabiens, die ohne Führer und ohne gemeinsames Ziel handelten, wurden durch die machtvolle, geordnete Monarchie bald unterdrückt, und die ganze Nation bekannte sich wieder zur Religion des Korans und beharrte bei ihr mit Festigkeit. Durch den Ehrgeiz der Kalifen war für unmittelbare Beschäftigung der unruhigen Sarazenen gesorgt; sie wurden zur Führung eines heiligen Krieges vereinigt und ihr Enthusiasmus wurde ebenso durch den Widerstand des Gegners wie durch Siege über ihn gestärkt.

Die schnellen Eroberungen der Sarazenen werden die ganz natürliche Vermutung erwecken, daß die Kalifen in Person die Heere der Gläubigen befehligten und in den vordersten Reihen während der Schlacht die Krone des Märtyrertums suchten. Der Mut Aubekers, Omars und Othmans war allerdings bei der Verfolgung und in den Kriegen des Propheten erprobt worden, und die Gewißheit, nach ihrem Tode in das Paradies zu kommen, muß sie die Freuden und Gefahren dieser Welt verachten gelehrt haben. Aber sie bestiegen den Thron in spätem oder wenigstens vorgeschrittenem Alter und hielten die Sorge für die Religion und die Wahrung des Rechtes für die wichtigsten Pflichten eines Souveräns. Ihre längsten Züge waren, mit Ausnahme Omars Zug zur Eroberung von Jerusalem, Wallfahrten von Medina nach Mekka. Die Botschaften von Siegen empfingen sie, während sie am Grabe des Propheten beteten oder predigten. Ihre strenge und mäßige Lebensweise war durch Tugend oder Gewohnheit bewirkt, und in Stolz und Einfachheit sprachen sie dem eitlen Prunke der übrigen Könige der Erde Hohn. Als Abubeker das Kalifat übernahm, gebot er seiner Tochter Ayescha, genaue Rechnung über sein Privateigentum zu führen, damit es sich zeige, ob er durch den Staatsdienst ärmer oder reicher geworden sei. Er hielt sich zu einem Gehalte von drei Goldstücken und zum Halten eines schwarzen Sklaven und eines Kamels für berechtigt. Am Freitag jeder Woche verteilte er den Rest seines eigenen und des öffentlichen Geldes zuerst an die würdigsten und dann an die ärmsten Muselmanen. Der Rest seines Reichtums, ein grobes Gewand und fünf Goldstücke, wurden seinem Nachfolger übergeben, der mit einem Seufzer beklagte, daß er ein so bewunderungswürdiges Muster nicht erreichen könne. Indessen stand Omars Enthaltsamkeit und Demut den Tugenden seines Vorfahren nicht nach; seine Nahrung bestand aus Gerstenbrot oder Datteln, er trank nur Wasser und predigte in einem an zwölf Stellen zerrissenen oder geflickten Gewand. Ein persischer Satrap, der dem Eroberer seine Huldigung darbringen wollte, fand ihn unter den Bettlern der Moschee von Medina eingeschlafen. Sparsamkeit ist die erste Quelle der Freigebigkeit, und die Zunahme seines Einkommens ermöglichte es Omar, eine gerechte und dauernde Belohnung für vergangene und gegenwärtige Dienste den Gläubigen zu gewähren. Unbekümmert um seinen eigenen Anteil, wies er Abbas, dem Oheim des Propheten, den größten Jahresgehalt von fünfundzwanzigtausend Drachmen oder Silberstücken an. Fünftausend teilte er jedem der greisen Krieger, die aus dem Feldzug von Beder übrig waren, zu, und der letzte und geringste der Gefährten Mohammeds wurde durch eine jährliche Belohnung von dreitausend Silberstücken ausgezeichnet. Tausend Silberstücke im Jahre erhielten die Veteranen, die in den ersten Kriegen gegen die Perser und Griechen gefochten hatten, und je nach dem Alter und Verdienste der Soldaten Omars war der absteigende Sold bemessen. Unter seiner und seines Vorgängers Regierung waren die Eroberer des Ostens die gewissenhaften Diener Gottes und des Volkes; der Hauptteil der öffentlichen Gelder blieb für die Ausgaben des Krieges und Friedens reserviert. Die Mischung von Klugheit, Gerechtigkeit und Güte des Souveräns ermöglichte es, die Zucht der Sarazenen zu bewahren, und das Oberhaupt des Staates vereinigte durch ein seltenes Glück die Kraft und Entschlußkraft des Despoten mit der Gemäßigtheit einer republikanischen Regierung. Der Heldenmut Alis, die vollendete Klugheit Moawijahs weckte den Wetteifer ihrer Untertanen, und die Talente, die in bürgerlicher Zwietracht ausgebildet worden waren, wurden mit größerem Nutzen zur Ausbreitung des Glaubens und der Herrschaft des Propheten verwendet. In der Atmosphäre der Eitelkeit und Faulheit des Palastes von Damaskus fehlte es den späteren Fürsten des Hauses Ommijah ebensosehr an den Eigenschaften von Staatsmännern, wie an denen von Heiligen. Dennoch wurde die Beute unbekannter Nationen fortwährend zu Füßen ihres Thrones niedergelegt, und das stete Wachstum des arabischen Reiches muß mehr dem Geiste der Nation, als den Fähigkeiten ihrer Anführer zugeschrieben werden. Man muß aber diesbezüglich die große Schwäche ihrer Feinde in Betracht ziehen. Die Geburt Mohammeds fiel glücklicherweise in die Zeit, in der die Perser, die Römer und die Barbaren Europas am meisten entartet und zerrüttet waren. Das Reich Trajans, ja auch nur das Konstantins oder Karls des Großen würde dem Angriff der nackten Sarazenen standgehalten haben, und der Strom des Fanatismus wäre in Dunkelheit in Arabien versiegt.

In den siegreichen Tagen der römischen Republik war es die Politik des Senats, ihre Konsuln und Legionen einem einzigen Feind entgegenzustellen und diesen erst völlig zu schlagen und zu unterdrücken, bevor sie die Feindseligkeiten eines zweiten herausforderten. Die hochherzigen oder schwärmerischen arabischen Kalifen verschmähten diese bewährten Grundsätze. Sie bekriegten gleichzeitig mit Erfolg die Nachfolger des Augustus und des Artaxerxes, und diese beiden rivalisierenden Monarchien wurden fast im gleichen Augenblick die Beute eines Feindes, den sie so lange verachtet hatten. In den zehn Regierungsjahren Omars unterwarfen die Araber sechsunddreißigtausend Städte und Schlösser, zerstörten viertausend Kirchen oder Tempel der Ungläubigen und bauten vierzehnhundert Moscheen. Hundert Jahre nach der Flucht Mohammeds aus Mekka dehnte sich die Herrschaft seiner Nachfolger von Indien bis an den Atlantischen Ozean über verschiedene und entlegene Provinzen aus. Man kann darunter Persien (I.), Syrien (IL), Ägypten (III.), Afrika (IV.) und Spanien (V.) verstehen. Ich schreite nun, nach dieser allgemein gehaltenen Einteilung zur Schilderung dieser denkwürdigen Ereignisse, indem ich die minder interessanten Eroberungen im fernen Orient kurz erwähne und eine ausführliche Darstellung jener Länder gebe, die zum römischen Reiche gehörten. Ich muß jedoch die Mängel meiner Wiedergabe durch die Blindheit und Unzulänglichkeit meiner Führer entschuldigen. Die Griechen, so redselig in Religionsstreitigkeiten, waren nicht sehr bemüht, die Triumphe ihrer Feinde zu feiern. Nach hundert Jahren, die in Unwissenheit vergangen waren, wurden Berichte aus mündlicher Überlieferung zusammengetragen. Aus den zahlreichen Erzeugnissen der arabischen und persischen Literatur haben unsere Übersetzer die unvollständigen Skizzen eines späteren Zeitalters gewählt. Die Kunst und der Geist der Geschichtsschreibung waren den Asiaten fremd, sie verstehen die Gesetze der Kritik nicht; unsere Mönchschroniken aus derselben Zeit lassen sich mit ihren beliebtesten Werken vergleichen, die niemals vom Geiste der Philosophie oder der Freiheit belebt werden. Die orientalische Bibliothek eines Franzosen würde den gelehrtesten Mufti unterrichten können, und vielleicht finden die Araber bei keinem einzigen ihrer Geschichtschreiber eine so klare und umfassende Darstellung ihrer eigenen Taten, wie sie in den folgenden Blättern gegeben ist.

I. Im ersten Regierungsjahre des ersten Kalifen rückte sein Unterfeldherr Kaled, das Schwert Gottes und die Geißel der Ungläubigen, gegen den Euphrat vor und bezwang die Städte Anbar und Hira. Westlich von den Ruinen von Babylon hatte sich ein Stamm nichtnomadisierender Araber am Rande der Wüste niedergelassen. Hira war der Sitz eines Königsgeschlechtes, das sich zum Christentum bekannt hatte und das unter dem Schatten des persischen Thrones sechshundert Jahre regiert hatte. Der letzte der Mondaren wurde von Kaled geschlagen und getötet, sein Sohn als Gefangener nach Medina gesandt; seine Edlen beugten sich vor dem Nachfolger des Propheten, und das Volk wurde durch das Beispiel und Glück seiner Landsleute verführt. Der Kalif erhielt, als die erste Frucht auswärtiger Eroberungen, einen jährlichen Tribut von siebzigtausend Goldstücken. Die Sieger, ja sogar deren Geschichtschreiber, staunten über ihre beginnende Größe. »In demselben Jahre«, sagt Elmacin, »schlug Kaled mehrere entscheidende Schlachten, eine unermeßliche Menge von Ungläubigen wurde niedergemetzelt und unermeßlich reiche Beute von den siegreichen Muselmanen gemacht.« Der unbezwingliche Kaled wurde bald nach Syrien gesandt; minder tätige oder kluge Befehlshaber leiteten den Angriff auf die persische Grenze. Die Sarazenen wurden, als sie den Übergang über den Euphrat versuchten, mit Verlust zurückgeschlagen. Obwohl sie die übermütig gewordenen Magier während der Verfolgung züchtigten, blieben ihre restlichen Streitkräfte auf die Wüste von Babylon beschränkt.

Die Entrüstung und Besorgnisse der Perser bewirkten auf kurze Zeit die Aufhebung der inneren Streitigkeiten. Durch einstimmiges Urteil der Priester und Großen wurde ihre Königin Arzema abgesetzt, die sechste jener kurz regierenden Usurpatoren, die in den drei oder vier Jahren seit Chosroes Tod und Heraklius Rückzug aufgetaucht und verschwunden waren. Ihre Tiara wurde auf das Haupt Yezdidschirds, des Enkels Chosroes, gesetzt. Der junge und unerfahrene, erst fünfzehnjährige Fürst wich einem gefährlichen Zusammentreffen aus. Die königliche Fahne wurde seinem Feldherrn Rustam anvertraut und der Rest von dreißigtausend Mann regulärer Truppen angeblich auf hundertzwanzigtausend Soldaten, die aus Untertanen oder Bundesgenossen ausgewählt wurden, gebracht. Die Muselmanen, deren Zahl von zwölftausend auf dreißigtausend erhöht worden war, hatten ihr Lager in der Ebene von Cadesia aufgeschlagen. Sie hatten, wenn auch weniger Menschen, so doch mehr Krieger als die Schar der ihnen gegenüberstehenden Ungläubigen. Ich bemerke hier, was ich oft wiederholen muß, daß der Angriff der Araber, nicht wie jener der Griechen und Römer, ein Vorstoß des dichtmarschierenden Fußvolkes war; ihre Streitmacht bestand hauptsächlich aus Reitern und Bogenschützen, und das Gefecht konnte daher, durch Zweikämpfe und kleine Scharmützel oft unterbrochen, ohne irgendein entscheidendes Ereignis mehrere Tage dauern. Die einzelnen Abschnitte der Schlacht von Cadesia sind durch besondere Namen ausgezeichnet. Der erste wurde wegen des rechtzeitigen Erscheinens von sechstausend syrischen Brüdern der Tag der Hilfe genannt. Der Tag der Erschütterung bezeichnete vielleicht die Unordnung eines oder beider kämpfenden Heere. Der dritte Abschnitt, in dem sich ein nächtlicher Tumult ereignete, erhielt den sonderbaren Namen Nacht des Geheuls von dem Geschrei, das mit den unartikulierten Lauten der wildesten Tiere verglichen wurde. Der Morgen des folgenden Tages entschied das Schicksal Persiens. Ein zur rechten Zeit sich erhebender Wirbelwind trieb den Sand gegen die Ungläubigen. Das Gedröhn des Kampfes drang bis in das Zelt Rustams, der, sehr unähnlich dem alten Helden desselben Namens, nachlässig in dem kühlen Schatten des Gepäcks seines Lagers ruhte, wo die Maultiere und das Gold und Silber lagen. Bei den Anzeichen der Gefahr fuhr er von seinem Lager auf; ein tapferer Araber holte ihn auf der Flucht ein, faßte ihn beim Fuß, hieb seinen Kopf ab und spießte diesen auf eine Lanze. Mit dieser kehrte er unverzüglich mach dem Schlachtfelde zurück und trug Tod und Schrecken in die dichtesten Reihen der Perser. Die Sarazenen gestehen einen Verlust von siebentausend Mann ein, und die Schlacht von Cadesia wird mit Recht als erbittert und mitleidslos beschrieben. Die Standarte der Monarchie wurde gestürzt und auf dem Schlachtfelde erbeutet: es war die lederne Schürze eines Grobschmieds, der in alten Zeiten als Befreier Persiens erschienen war. Dieses alte Wahrzeichen des Heroismus und der Armut war jedoch verschwenderisch von einer großen Menge von Juwelen bedeckt und fast unsichtbar. Nach diesem Siege (636) unterwarf sich die reiche Provinz Irak oder Assyrien dem Kalifen, und seine Eroberung wurde durch die bald darauf erfolgende Gründung von Bassora gesichert, ein Platz, der für immer den Handel und die Schiffahrt der Perser beherrscht. Achtzig Meilen vom Meerbusen vereinigt sich der Euphrat mit dem Tigris zu einem breiten und geradlinigen Strom, der mit Recht der Fluß der Araber heißt. In der Mitte zwischen der Vereinigung und der Mündung dieser berühmten Ströme wurde die neue Niederlassung an dem westlichen Ufer gegründet. Die erste Kolonie bestand aus achthundert Muselmanen, aber durch die günstige Lage wurde sie bald zu einer blühenden und volkreichen Hauptstadt. Die Temperatur ist zwar sehr hoch, die Luft aber rein und gesund. Die Fluren sind mit Palmbäumen und Herden bedeckt, und eines der naheliegenden Täler ist als eines der vier Paradiese oder Gärten Asiens gepriesen worden. Unter den ersten Kalifen wurde die Gerichtsbarkeit dieser arabischen Stadt über die südlichen Provinzen von Persien ausgedehnt. Die Stadt ist durch die Gräber von Märtyrern geheiligt worden, und die europäischen Schiffe besuchen noch immer den Hafen von Bassora als einen bequemen Unterbrechungs- und Durchgangspunkt für den indischen Handel.

Nach der Niederlage von Cadesia hätte ein von Flüssen und Kanälen durchzogenes Land der siegreichen Reiterei unübersteigliche Hindernisse in den Weg gestellt, und die Mauern von Ktesiphon oder Madain, die den Sturmwiddern der Römer widerstanden hatten, wären durch die Pfeile der Sarazenen nicht zum Einsturz gebracht worden. Aber die fliehenden Perser waren in dem Glauben befangen, daß der letzte Tag ihres Reiches und ihrer Religion gekommen sei. Die stärksten Plätze wurden aus Feigheit preisgegeben oder durch Verrat genommen. Der König entwich mit einem Teile seiner Familie und Schätze nach Holwan am Fuße der Medischen Gebirge. Im dritten Monat nach der Schlacht ging Said, Omars Unterbefehlshaber, ohne Widerstand zu finden, über den Tigris. Die Hauptstadt wurde im Sturm genommen, und der ungeordnete Widerstand des Volkes reizte mehr und mehr die Muselmanen, die mit religiösem Entzücken riefen: »Das ist der weiße Palast des Chosroes, das ist die Verheißung des Apostels Gottes!« Die nackten Räuber der Wüste erhielten plötzlich solche Reichtümer, wie sie sich niemals erhofft, von denen sie nicht einmal Kunde gehabt hauen. Jedes Gemach enthüllte einen neuen Schatz, der zur Schau gestellt wurde. Die Menge des Goldes und Silbers, der verschiedenen Gewänder und der kostbare Schmuck übertrafen (sagt Abulfeda) die kühnste Phantasie. Ein anderer Geschichtschreiber schildert die riesige, fast unglaubliche Masse der Beute, indem er sie auf drei Millionen Goldstücke schätzt. Einige kleine, aber interessante Einzelheiten zeigen den Gegensatz zwischen den Reichtümern der Besiegten und der Unwissenheit und Armut der Sieger. Von den fernen Inseln des Indischen Ozeans war ein großer Vorrat Kampfer eingeführt worden, der mit einer Beimischung von Wachs zur Erleuchtung der Paläste des Orients verwendet wurde. Unbekannt mit dem Namen und den Eigenschaften dieses wohlriechenden Gummis, hielten die Sarazenen dieses für Salz, streuten es auf ihr Brot und staunten über den bitteren Geschmack. Eines der Gemächer des Palastes war mit einem seidenen, sechzig Ellen langen und ebenso breiten Teppich geschmückt; ein Paradies oder Garten war darauf gemalt, Blumen, Früchte und Gesträuche waren durch Goldstickerei und Edelsteine nachgeahmt und das große Viereck von einem bunten Kranz umwoben. Der arabische Feldherr beredete seine Soldaten, ihren berechtigten Anspruch auf den Teppich in der Hoffnung aufzugeben, daß dieses kostbare Meisterwerk dem Kalifen große Freude bereiten würde. Ohne Rücksicht auf Kunstwert oder königlichen Prunk zu nehmen, teilte der gerechte Omar die Beute unter seine Brüder von Medina. Das Kunstwerk wurde zerstört. Aber der bloße Wert der verschiedenen Materialien war so groß, daß der Anteil Alis allein für zwanzigtausend Drachmen Silber verkauft wurde. Ein Maultier, das die Tiara, den Harnisch, den Gürtel und die Armbänder Chosroes trug, wurde von den Verfolgern eingeholt. Das glänzende Siegeszeichen wurde dem Beherrscher der Gläubigen überbracht. Die ernstesten seiner Gefährten ließen sich zu einem Lächeln herab, als sie die ungeschlachte Gestalt des Veteranen erblickten, der mit den Zeichen des großen Königs bekleidet war. Auf die Plünderung von Ktesiphon folgte dessen Verödung und allmählicher Verfall. Den Sarazenen mißfiel die Lage und das Klima des Platzes, und Omar erhielt von seinem Feldherrn den Rat, den Sitz der Regierung auf das westliche Ufer des Euphrat zu verlegen. In jedem Jahrhundert war die Gründung der assyrischen Städte leicht, sowie deren Verfall schnell vor sich ging. Es fehlt dem Lande an Steinen und Bauholz, und die festesten Gebäude bestehen nur aus an der Sonne getrockneten Ziegeln, die durch Kitt aus einheimischem Erdpech verbunden sind. Das Wort Kufa bezeichnet eine Behausung aus Rohr und Erde. Aber die Wichtigkeit der neuen Hauptstadt wurde durch die Zahl, den Reichtum und Mut einer Kolonie von Veteranen unterstützt, deren Zügellosigkeit die weisesten Kalifen duldeten, weil sie fürchten mußten, hunderttausend schwertbewaffnete Männer zur Empörung zu reizen. »Ihr Männer von Kufa«, sagte Ali, der sich um ihren Beistand bewarb, »ihr habt stets durch eure Tapferkeit geleuchtet. Ihr habt den persischen König besiegt und seine Truppen zerstreut und von seinem Erbe Besitz ergriffen.« Diese wichtige Eroberung wurde durch die Schlachten von Jalula und Nehawend vollendet. Nach dem Verluste der ersteren floh Yezdidschird aus Holwan und verbarg sich in Schmach und Verzweiflung in den Gebirgen von Farsistan, von denen Cyrus mit seinen tapferen Gefährten herniedergestiegen war. Der Mut der Nation überdauerte den ihres Monarchen. Zwischen den Bergen, südlich von Ekbatana oder Hamadan hielten hundertfünfzigtausend Perser zum dritten und letzten Male den Feinden ihrer Religion und ihres Vaterlandes stand. Der Ausgang der entscheidenden Schlacht von Nehawed wird von den Arabern der Sieg der Siege genannt. Wenn es wahr ist, daß der fliehende Feldherr der Perser von Maultieren und Kamelen, die mit Honig beladen waren, aufgehalten und dadurch eingeholt wurde, so beweist dieser Umstand, wie groß die Üppigkeit einer orientalischen Armee war und wie sehr sie durch diese behindert wurde.

In der Geographie von Persien waren die Griechen und Römer nicht sehr bewandert. Dessen berühmtesten Städte sind aber offenbar älter als der Einbruch der Sarazenen. Mit der Bezwingung von Hamadan und Ispahan, von Kasbin, Tauris und Rei näherten sie sich den Gestaden des Kaspischen Meeres. Die Redner von Mekka priesen den Mut der Gläubigen, die bereits den nördlichen Bär aus den Augen verloren und fast die Grenzen der bewohnten Welt überschritten hätten. Sich abermals gegen Westen und das römische Reich wendend, überschritten sie den Tigris auf der Brücke von Mosul und umarmten in den bezwungenen Provinzen Armenien und Mesopotamien ihre siegreichen Brüder des syrischen Heeres. Vom Palaste von Madain aus nach Osten machten sie nicht minder große und schnelle Fortschritte. Sie rückten am Tigris und am Meerbusen vor, drangen über die Gebirgspässe in das Tal von Istachar oder Persepolis und entweihten das letzte Heiligtum des Reiches der Magier. Der Enkel des Chosroes wäre, unter den stürzenden Säulen und verstümmelten Statuen, die ein düsteres Bild des vergangenen und gegenwärtigen Schicksals Persiens gaben, fast überrumpelt worden. Er floh schleunigst durch die Wüste von Kirma, flehte die kriegerischen Segestaner um Hilfe an und suchte am Rande des türkischen und chinesischen Reiches Zuflucht. Aber ein siegreiches Heer fühlt keine Ermattung. Die Araber teilten ihre Streitkräfte zur Verfolgung eines furchtsamen Feindes, und der Kalif Othman versprach die Statthalterschaft von Chorasan dem ersten Anführer, der in dieses große und volkreiche Land, das Reich der alten Baktrier, eindringen würde. Die Bedingungen wurden angenommen, der Lohn erworben und die Fahne Mohammeds auf den Wällen von Herat, Meru und Balch aufgepflanzt. Der siegreiche Anführer gönnte sich weder Rast noch Ruhe, bis seine schaumbedeckte Reiterei aus dem Wasser des Oxus getrunken hatte. Bei der bestehenden Anarchie erlangten die Statthalter der Städte und Schlösser besondere Kapitulationsbedingungen. Diese wurden von dem jeweiligen Sieger vorgeschrieben, der sich durch Hochachtung, Klugheit oder Mitleid hiebei leiten ließ. Zwischen Bruder und Sklaven bestand nichts als ein Glaubensunterschied. Nach einer mutigen Verteidigung mußte Harmozan, der Fürst oder Satrap von Susa, sich und sein Land dem Kalifen auf Gnade oder Ungnade ergeben. Ihre Zusammenkunft liefert ein lebendiges Bild der arabischen Sitten. In Gegenwart und auf Befehl Omars wurde der glänzend gekleidete Barbar seiner mit Gold gestickten Seidengewänder und seiner mit Rubinen und Smaragden geschmückten Tiara beraubt. »Fühlst du nun«, sprach der Sieger zu seinem nackten Gefangenen, »fühlst du nun das Gericht Gottes und den Unterschied in der Belohnung für Untreue und Gehorsam?« »Ach, nur zu tief!« erwiderte Harmozan. »In den Tagen unserer gemeinsamen Unwissenheit fochten wir mit den Waffen des Fleisches und unser Volk war überlegen. Gott war damals neutral. Seitdem er im Kampfe eure Partei ergriffen hat, habt ihr unser Königreich und unsere Religion gestürzt.« Niedergedrückt von diesem peinlichen Gespräch, klagte der Perser über unerträglichen Durst, ließ aber die Besorgnis laut werden, getötet zu werden, während er den Becher mit Wasser leere. »Sei guten Mutes«, sprach der Kalif, »dein Leben ist sicher, bis du dieses Wasser ausgetrunken hast.« Der schlaue Satrap vertraute der Zusicherung und zerschmetterte das Gefäß sofort auf dem Boden. Omar wollte die List rächen, aber seine Gefährten stellten ihm die Heiligkeit des Eides vor, und Harmozans schleunige Bekehrung brachte ihm nicht nur völlige Begnadigung, sondern auch ein Jahresgehalt von zweitausend Goldstücken. Die Verwaltung des Volkes wurde nach einer wirklichen Zählung des Volkes, Viehes und der Erdfrüchte geregelt. Diese Handlungsweise, welche die Fähigkeit des Kalifen beweist, hätte die Philosophen jedes Jahrhunderts belehren können.

Die Flucht Yezdidschirds hatte ihn über den Oxus bis an den Jaxartes geführt, zwei in alter und neuer Zeit berühmte Ströme, die von den Gebirgen Indiens dem Kaspischen Meer zufließen. Er wurde von Tarkhan, dem Fürsten von Fargana, einer fruchtbaren Provinz am Jaxartes, gastfreundlich aufgenommen. Der König von Samarkand und die türkischen Stämme von Sogdiana und Skythien wurden durch die Klagen des gestürzten Monarchen, der mit Versprechungen nicht sparte, gerührt. Er bewarb sich durch eine Bittgesandtschaft um die Freundschaft des mächtigen Kaisers von China. Der tugendhafte Taitsong, der erste Kaiser der Dynastie Tang, kann mit Recht den Antoinen von Rom verglichen werden. Sein Volk lebte in Wohlstand und Frieden, und seine Herrschaft wurde von vierundvierzig Barbarenhorden der Tartarei anerkannt. Seine fernsten Besatzungen von Kaschgar und Khoten unterhielten einen ziemlich regelmäßigen Verkehr mit ihren Nachbarn am Jaxartes und Oxus. Erst vor kurzem war durch eine persische Kolonie in China die Astronomie der Magier eingeführt worden, und Taitsong fühlte wohl über die schnellen Fortschritte und die gefährliche Nachbarschaft der Araber Besorgnis. Der Einfluß und vielleicht die Hilfsgelder Chinas belebten die Hoffnungen Yezdidschirds und der Feueranbeter von neuem, und er kehrte mit einem Türkenheere zurück, um das Erbe seiner Väter wieder zu erobern. Die glücklichen Muselmanen waren, ohne auch nur das Schwert aus der Scheide zu ziehen, Zeugen seines Unterganges und Todes. Der Enkel des Chosroes wurde von seinen Sklaven verraten, von den aufrührerischen Bewohnern von Meru beschimpft, von seinen barbarischen Bundesgenossen gedrängt, geschlagen und verfolgt. Er erreichte das Ufer eines Flusses und bot seine Ringe und Armbänder einem Müller, damit ihn dieser übersetze. Unbekannt mit der Not des Königs oder gefühllos für sie, antwortete dieser, daß vier Drachmen der tägliche Ertrag seiner Mühle seien und er seine Arbeit erst einstellen wolle, bis ihm sein Verlust vergütet würde. In diesem Augenblick wurde der letzte König aus dem Geschlechte der Sassaniden durch die entstandene Verzögerung von der türkischen Reiterei eingeholt und getötet.

Seine unglückliche Regierung hatte neunzehn Jahre gedauert. Sein Sohn Firuz, ein Schützling des chinesischen Kaisers, nahm die Stelle eines Hauptmanns seiner Leibwache an. Der Gottesdienst der Magier wurde von einer Anzahl treuer Flüchtlinge in der Provinz Bucharei lange ausgeübt. Sein Enkel erbte den königlichen Titel, kehrte aber nach einer mißlungenen Unternehmung nach China zurück und beendete seine Tage im Palast von Sigan. Der Mannesstamm der Sassaniden war erloschen; die weiblichen Gefangenen aber, die Töchter Persiens, wurden von den Siegern in Knechtschaft oder zur Ehe genommen und so das Geschlecht der Kalifen und Imame durch das Blut ihrer königlichen Mütter veredelt.

Nach dem Sturz des persischen Königreiches war der Oxus die Grenze zwischen den Gebieten der Türken und der Sarazenen. Diese Grenze wurde von den mutigen Arabern bald überschritten. Die Statthalter von Chorasan dehnten nach und nach ihre Streifzüge immer weiter aus und brachten einst im Triumphe den Halbstiefel einer türkischen Königin, die ihn auf der Flucht über die Berge von Buchara verloren hatte, heim. Die endgültige Eroberung jedoch von Transoxiana so wie von Spanien war dem untätigen Walid und seiner ruhmvollen Regierung vorbehalten. Der Name Katibah oder Kameltreiber deutet auf die Herkunft und die Verdienste seines siegreichen Unterfeldherrn. Während einer seiner Kollegen die mohammedanische Fahne an den Ufern des Indus entfaltete, wurden die umfangreichen Länder zwischen dem Oxus, Jaxartes und dem Kaspischen Meere durch Katibah unterworfen, und die Bewohner gelobten dem Propheten und den Kalifen Gehorsam. Ein Tribut von zwei Millionen Goldstücken wurde den Ungläubigen auferlegt, ihre Götzenbilder wurden verbrannt oder zerbrochen, und der Anführer der Muselmanen hielt in der neuen Moschee von Karism eine Predigt. Nach mehreren Schlachten wurden die türkischen Horden in die Wüste zurückgetrieben, und die Kaiser von China bewarben sich um die Freundschaft der siegreichen Araber. Ihrem Fleiß kann der Wohlstand der Provinz, des Sogdanian der Alten, zum größten Teil zugeschrieben werden, aber die Fruchtbarkeit des Bodens und das günstige Klima war schon seit der Herrschaft der makedonischen Könige erkannt und ausgenützt worden. Vor dem Einbruch der Sarazenen waren Karism, Bochera und Samarkand, unter dem Joche der nördlichen Hirten stehend, wohlhabend und volkreich gewesen. Diese Städte waren mit einer doppelten Mauer umgeben; die äußere Befestigung von großem Umfang, schloß die benachbarten Felder und Gärten ein. Der Warenaustausch zwischen Indien und Europa wurde von den sogdianischen Kaufleuten durchgeführt, und die unschätzbare Kunst, Leinwand in Papier zu verwandeln, hat sich von der Fabrik in Samarkand über die abendländische Welt verbreitet.

II. Kaum hatte Abubeker die Einheit des Glaubens und der Regierung hergestellt, als er ein Rundschreiben an die arabischen Stämme sandte: »Im Namen des barmherzigsten Gottes an alle wahren Gläubigen. Heil und Glück und die Gnade und der Segen Gottes sei mit euch. Ich preise den höchsten Gott und bete für seinen Propheten Mohammed. Dies soll euch benachrichtigen, daß ich die echten Gläubigen nach Syrien senden will, um dieses aus den Händen der Ungläubigen zu befreien. Und ich tue euch kund, daß für die Religion kämpfen, eine Handlung des Gehorsams gegen Gott ist.« Seine Boten kehrten mit Berichten über den frommen und kriegerischen Eifer zurück, den sie in jeder Provinz wachgerufen hatten. Das Lager von Medina füllte sich nach und nach mit Scharen von unerschrockenen Sarazenen, die nach Kampf lechzten, über die Hitze und über Mangel an Lebensmitteln klagten und ungeduldig über das Zögern des Kalifen murrten. Sobald ihre Zahl groß genug war, bestieg Abubeker den Berg, hielt Heerschau über Menschen, Pferde und Waffen und sprach ein inbrünstiges Gebet für den Erfolg ihres Unternehmens. Er begleitete sie zu Fuß auf den ersten Marschtagen, und als die Anführer schamrot von den Pferden steigen wollten, beseitigte der Kalif ihre Scham durch die Erklärung, daß es gleich verdienstvoll sei, für die Religion zu reiten wie zu gehen. Seine Befehle für die Anführer der syrischen Armee waren von jenem kriegerischen Fanatismus eingegeben, der die Gegenstände irdischen Ehrgeizes erobern will, die er zu verachten scheint. »Gedenket«, sagte der Nachfolger des Propheten, »daß ihr stets in Gottes Gegenwart, am Rande des Grabes, in der Gewißheit des Gerichtes und in der Hoffnung des Paradieses seid. Vermeidet Ungerechtigkeit und Unterdrückung, ratschlaget mit euren Brüdern und strebt, die Liebe und das Vertrauen eurer Truppen zu bewahren. Wenn ihr die Schlachten des Herrn kämpfet, so zeiget euch als Männer, ohne dem Feind den Rücken zu kehren; aber euer Sieg werde nicht mit dein Blut von Weibern und Kindern befleckt. Vernichtet keine Palmbäume und verbrennet keine Kornfelder. Hauet keine Fruchtbäume nieder und tötet kein Vieh, es sei denn zu eurer Nahrung. Wenn ihr einen Vertrag schließet oder Bedingungen annehmt, so beharret dabei und haltet euer Wort. Wenn ihr weiterziehet werdet ihr fromme Personen treffen, die zurückgezogen in Klöstern leben und sich vorgenommen haben, Gott auf diese Weise zu dienen. Diese lasset in Frieden, tötet sie weder, noch zerstöret ihre Klöster. Ferner werdet ihr eine andere Art Volkes finden, die der Synagoge des Satans angehören und geschorene Häupter haben. Denen spaltet den Schädel und gebet ihnen keine Gnade, bis sie entweder Muselmanen werden oder Tribut zahlen.« Alle eitlen und leichtfertigen Gespräche, jede gefährliche Erinnerung an alte Streitigkeiten war unter den Arabern streng verboten. Ihre Religionsübungen wurden mitten im Lager eifrigst vorgenommen und die Pausen zwischen den Gefechten zum Gebet und zum Studium des Korans verwendet. Geringfügiger oder übermäßiger Weingenuß wurde mit achtzig Streichen auf die Fußsohlen bestraft. Die Muselmanen jener frühen Zeit waren mit solcher Inbrunst erfüllt, daß sie viele geheime Sünden und Fehltritte freiwillig offenbarten und um Strafe baten. Nach einigem Zögern wurde der Oberbefehl über das syrische Heer dem Abu Obeidah, einem Flüchtling aus Mekka und Gefährten des Propheten, übertragen, dessen Eifer und Andacht mit Milde und Güte gepaart war. Aber bei jeder Schwierigkeit während des Krieges verlangten die Soldaten nach dem überlegenen Genie Kaleds. Die Wahl des Fürsten, mochte sie ausfallen, wie sie wolle, änderte nichts daran, daß dem Ruhme nach das Schwert Gones immer der erste Anführer der Sarazenen war. Er gehorchte ohne Widerstreben, er wurde ohne Eifersucht zu Rate gezogen, und Kaled, oder besser seine Zeit, war so beschaffen, daß er seine Bereitwilligkeit erklärte, unter der Fahne des Glaubens zu dienen, selbst wenn sie sich in der Hand eines Feindes oder Kindes befände. Ruhm, Reichtum und Herrschaft waren allerdings dem siegreichen Muselman verheißen; aber man prägte ihm sorgfältigst ein, daß, wenn die Güter des Lebens sein einziger Ansporn wären, sie auch seine einzige Belohnung bleiben würden.

Eine der fünfzehn Provinzen von Syrien, das bebaute Land östlich vom Jordan, war von den Römern in ihrer Eitelkeit mit dem Namen Arabien geschmückt worden, und die ersten Waffentaten der Sarazenen wurden durch den Schein eines Nationalrechtes gerechtfertigt. Das Land war durch viele Handelsvorteile ausgezeichnet, die Kaiser hatten es mit einer Reihe von festen Plätzen versehen und die volkreichen Städte Gerasa, Philadelphia und Bosra waren durch starke Mauern wenigstens vor einem Handstreich geschützt. Die letzte dieser Städte war die achtzehnte Station von Medina. Der Weg war den Karawanen von Hedschas und Irak wohlbekannt, die jährlich den reichen Markt der Provinz und Wüste besuchten. Durch die beständige Eifersucht der Araber waren die Bewohner im Gebrauch der Waffen geübt, und Bosra, was in syrischer Sprache starker Turm der Verteidigung bedeutet, konnte zwölftausend Reiter entsenden. Durch ihren ersten Erfolg gegen die Städte und die streifenden Parteien an der Grenze ermutigt, wagte eine Heeresabteilung von viertausend Mann die Festung anzugreifen. Sie wurde von der Übermacht der Syrer bedrängt und durch die Ankunft Kaleds mit fünfzehnhundert Reitern gerettet. Er tadelte das Wagnis, stellte die Schlacht wieder her und befreite seinen Freund, den ehrwürdigen Serdschabil, der vergeblich Gott und den Apostel angerufen hatte. Nach kurzer Ruhe vollzogen die Muselmanen ihre Waschungen mit Sand an Stelle von Wasser, und das Morgengebet wurde von Kaled gesprochen, bevor er zu Pferde stieg. Im Vertrauen auf ihre Stärke öffnete die Bevölkerung von Bosra die Tore, sandte ihre Streitkräfte in die Ebene und schwur, bei der Verteidigung ihrer Religion zu sterben. Aber eine Religion des Friedens war nicht imstande, den fanatisch schreienden Scharen der Sarazenen, die »Kämpfet, kämpfet! Paradies, Paradies!« riefen, zu widerstehen. Das Geheul der Priester und Mönche, der Lärm in der Stadt, das Geläute der Glocken vermehrte das Entsetzen und die Unordnung der Christen. Die Araber blieben mit einem Verluste von zweihundertdreißig Mann Herren des Feldes, und die Wälle von Bosra waren in Erwartung menschlicher oder göttlicher Hilfe mit heiligen Kreuzen und geweihten Fahnen bedeckt. Der Statthalter Romanus hatte frühzeitig zur Unterwerfung geraten. Verachtet vom Volke und seines Amtes entsetzt, behielt er Mittel zur Rache. Bei einer nächtlichen Unterredung zeigte er dem Feinde einen unterirdischen Gang, der unter den Mauern der Stadt zu seinem Hause führte. Der Sohn des Kalifen und hundert Freiwillige vertrauten der Treue dieses neuen Bundesgenossen, und ihre Unerschrockenheit wurde vom Erfolg gekrönt: sie konnten ihren Gefährten ohne große Mühe Einlaß gewähren. Nachdem Kaled den Tribut und die sonstigen Bedingungen vorgeschrieben hatte, bekannte der Abtrünnige oder Bekehrte vor dem versammelten Volke seinen verdienstlichen Verrat. »Ich entsage eurer Gemeinschaft«, sagte Romanus, »sowohl in dieser als in jener Welt. Und ich verleugne Ihn, der gekreuzigt wurde und jeden, der Ihn verehrt. Ich wähle Gott zu meinem Herrn, den Islam zu meinem Glauben, Mekka zu meinem Tempel, die Muselmanen zu meinen Brüdern und Mohammed zu meinem Propheten, der gesandt wurde, uns auf die rechte Bahn zu führen und die wahre Religion denjenigen zum Trotz zu erhöhen, die neben Gott noch andere Götzen haben.«

Die Eroberung von Bosra, eine Tagesreise von Damaskus gelegen, ermutigte die Eroberer zur Belagerung der alten Hauptstadt von Syrien. In einiger Entfernung von den Mauern lagerten sie in den Hainen dieses blühenden Bezirkes. Wie gewöhnlich wurde den mutigen Bürgern, die kürzlich eine Verstärkung von fünftausend Griechen erhalten hatten, die Wahl zwischen dem mohammedanischen Glauben, Tribut oder Krieg überlassen. Während der Kindheit sowie des Verfalles der Kriegskunst wurde eine Herausforderung den Feinden häufig von den Feldherren gesendet oder von diesen angenommen. Manche Lanze zersplitterte auf der Ebene von Damaskus, und Kaled zeichnete sich durch persönliche Tapferkeit bei dem ersten Ausfalle der Belagerten aus. Nach hartnäckigem Kampfe hatte er einen der christlichen Anführer, einen starken, seiner würdigen Gegner zu Boden geworfen und gefangengenommen. Er bestieg sogleich ein frisches Pferd, ein Geschenk des Statthalters von Palmyra, und stürmte in die vorderste Reihe der Kämpfenden. »Ruhe einen Augenblick«, sagte sein Freund Derar, »und laß mich deinen Platz einnehmen, du bist von dem Kampfe mit diesem Hunde ermüdet.« »O Derar!« erwiderte der unermüdliche Sarazene, »wir werden in jener Welt ausruhen. Wer heute arbeitet, wird morgen ruhen.« Mit gleichem Feuer und unermüdet bekämpfte und besiegte Kaled einen zweiten Krieger. Die Häupter seiner Gefangenen, die sich weigerten, ihre Religion zu verleugnen, wurden in die Stadt geworfen. Der Ausgang einiger allgemeiner oder Einzelgefechte nötigte die Damaszener zu einer stärkeren Verteidigung. Ein Bote, den sie von der Mauer herabgelassen hatten, kehrte jedoch mit der Botschaft zurück, daß sie mächtige Hilfe baldigst erhalten würden. In ihrer Freude teilten sie diese Nachricht lärmend den Arabern mit. Nach einer Beratung wurde von den Feldherren beschlossen, die Belagerung von Damaskus aufzuheben oder vielmehr aufzuschieben, bis sie die Streitkräfte des Kaisers geschlagen haben würden. Beim Rückzuge wollte Kaled bei der Nachhut, der gefährlichsten Stelle, bleiben, fügte sich jedoch bescheiden den Wünschen Abu Obeidahs. Aber in der Stunde der Gefahr eilte er zu seinen Gefährten, die durch sechstausend Reiter und zehntausend Mann zu Fuß, welche einen Ausfall machten, hart bedrängt wurden. Nur wenige von den Christen konnten in Damaskus die Ursachen ihrer Niederlage erzählen. Die Bedeutung des Kampfes erforderte die Vereinigung der Sarazenen, die an den Grenzen von Syrien und Palästina zerstreut waren. Ich schreibe hier eines ihrer Kreisschreiben ab, das an Amru, den künftigen Eroberer von Ägypten, gerichtet war. »Im Namen des barmherzigsten Gottes, Kaled dem Amru Heil und Glück. Wisse, daß Deine Brüder, die Muselmanen, gegen Aiznadin ziehen, wo ein Heer von siebzigtausend Griechen steht, die gekommen sind, um das Licht Gottes mit ihrem Mund auszulöschen; aber Gott bewahret sein Licht den Ungläubigen zum Trotz. Sobald daher dieser mein Brief Deinen Händen überliefert ist, komme mit denen, die Du bei Dir hast, nach Aiznadin, wo Du uns finden wirst, so es Gott, dem Höchsten, gefällt.« Diese Aufforderung fand Freude und Gehorsam, und die fünfundvierzigtausend Muselmanen, die an demselben Tage zusammentrafen, schrieben die Wirkungen ihrer Tätigkeit und ihres Eifers der Vorsehung zu.

Ungefähr vier Jahre nach dem Triumphe im persischen Kriege wurde die Ruhe des Heraklius und des Reiches durch einen neuen Feind gestört, dessen Religion die Christen de« Ostens weniger gut verstanden, als dessen Macht, die sie zu fühlen bekamen. Er wurde in seinem Palaste zu Konstantinopel und Antiochia durch den Einbruch in Syrien, den Verlust von Bosra und das gefährdete Damaskus geweckt. Eine Armee von siebzigtausend, teils alten, teils neu ausgehobenen Truppen sammelten sich zu Hems oder Emesa unter dem Befehl seines Unterfeldherrn Werdan. Diese Truppen, hauptsächlich Reiterei, konnten entweder als Syrer, Griechen oder Römer bezeichnet werden: Syrer nach ihrem Vaterlande oder dem Kriegsschauplatz, Griechen nach der Religion und Sprache ihres Herrschers, Römer nach dem erhabenen Namen, der von den Nachfolgern Konstantins dauernd entweiht wurde. Als Werdan auf der Ebene von Aiznadin auf einem weißen, mit goldenen Ketten geschmückten Maultiere, von Fahnen und Bannern umgeben, dahinritt, wurde er plötzlich eines nackten grimmigen Kriegers gewahr, der sich so nahe herangewagt hatte, um den Feind auszukundschaften. Die Kühnheit und Tapferkeit Derars war durch die Schwärmerei seines Zeitalters und Vaterlandes bedingt und ist vielleicht durch diese ausgeschmückt worden. Christenhaß, Beutedurst und Verachtung der Gefahr waren die vorherrschenden Leidenschaften des verwegenen Sarazenen. Die Aussicht, einen frühen Tod zu erleiden, konnte weder jemals seine religiöse Zuversicht erschüttern noch seine Entschlüsse stören. Sogar seine gute Laune konnte dadurch keine Einbuße erleiden. Bei der hoffnungslosesten Unternehmung war dieser Sarazene kühn, klug und glücklich. Nach unzähligen bestandenen Gefahren, nachdem er dreimal Gefangener der Ungläubigen gewesen war, lebte er, um die Taten bei der Eroberung Syriens zu erzählen und um die Reichtümer, den Lohn seiner Taten, zu genießen. Diesmal hielt er mit seiner Lanze dreißig Römer in Schach, die von Werdan entsendet worden waren. Nachdem Deran siebzehn von ihnen getötet oder aus dem Sattel gehoben hatte, kehrte er wohlbehalten zu seinen jubelnden Brüdern zurück. Als der Feldherr seine Verwegenheit milde tadelte, entschuldigte er sich wie ein einfältiger Soldat. »Ich fing ja nicht zuerst mit dem Kampfe an«, sagte Derar, »sie kamen, um mich zu fangen und da ich fürchtete, daß Gott meine Flucht sehen würde, focht ich mit aller Kraft Ohne Zweifel ist mir Gott beigestanden, und die Feinde werden in unsere Hände fallen.« Angesichts beider Heere trat ein ehrwürdiger Grieche aus der Schlachtreihe und näherte sich seinen Feinden mit freigebig gemachten Friedensanerbietungen: der Abzug der Sarazenen sollte mit einem Turban, einem Gewand, einem Goldstück für jeden Soldaten, mit zehn Gewändern und hundert Goldstücken für den Anführer, hundert Gewändern und tausend Goldstücken für den Kalifen erkauft werden. Mit Lachen und Entrüstung wies Kaled das Anerbieten zurück. »Ihr Christenhunde, ihr kennet die Wahl: Koran, Tribut oder Schwert! Wir sind ein Volk, das am Kriege mehr Freude findet als am Frieden. Wir verachten euer armseliges Almosen, denn wir werden baldigst Herren eurer Reichtümer, eurer Familien und eurer selbst sein.« Trotz dieser zur Schau getragenen Verachtung, war er sich der Gefahr bewußt. Selbst diejenigen, die in Persien gewesen waren und die Heere des Chosroes gesehen hatten, gaben zu, daß sie nie eine größere Heeresmacht erblickt hätten. Der schlaue Sarazene verwendet die Übermacht des Feindes, um seine Scharen aufzustacheln: »Ihr seht die vereinte Macht der Römer vor euch«, sagte er, »Hoffnung zu entkommen besteht keine. Wohl aber könnt ihr, wenn ihr tapfer seid, Syrien in einem Tage erobern. Der Ausgang hängt von der Ordnung ab, die ihr bewahrt und von eurer Geduld. Entfaltet eure Tapferkeit erst am Abend. Am Abend pflegt der Prophet zu siegen.« In zwei darauffolgenden Gefechten ertrug er mit großer Ruhe die Angriffe des Feindes und das Murren seiner Truppen. Endlich, als die Kräfte der Gegner erschöpft und deren Köcher fast leer waren, gab Kalef das Zeichen zum Angriff und siegte. Die Reste des kaiserlichen Heeres flohen nach Antiochia, Cäsarea oder Damaskus. Über den Tod von vierhundertsiebzig Muselmanen trösteten sich deren Brüder mit dem Glauben, daß sie mehr als fünftausend Ungläubige zur Hölle gesandt hatten. Die Beute war unschätzbar; viele Banner und Kreuze aus Gold und Silber, Edelsteine, silberne und goldene Ketten, zahllose Rüstungen und Gewänder aus den kostbarsten Stoffen. Die Verteilung wurde bis zur Einnahme von Damaskus verschoben, nur die Waffen der Besiegten dienten zur Bekämpfung der Damaszener. Die glorreiche Kunde wurde dem Kalifen überbracht. Auch jene Araberstämme, die sich bisher am ablehnendsten und feindseligsten gegen die Lehre des Propheten verhalten hatten, waren begierig, die Beute Syriens zu teilen.

Die traurige Nachricht gelangte mit Schnelligkeit unter Schmerz und Entsetzen nach Damaskus. Dessen Bewohner sahen von ihren Mauern die Rückkehr der Helden von Aiznadin. Amru führte die Vorhut von neuntausend Reitern, dann folgten die schreckenerregenden Scharen der Sarazenen. Die Nachhut befehligte Kaled selbst, in der die Standarte des schwarzen Adlers mitgeführt wurde. Derar wurde beauftragt, mit zweitausend Reitern die Runde um die Stadt zu machen, die Ebene von Feinden zu säubern und alle Zufuhr für die Stadt abzuschneiden. Die anderen arabischen Häuptlinge nahmen die ihnen angewiesenen Stellungen vor den Toren von Damaskus ein. Die Belagerung wurde mit frischer Kraft und Zuversicht erneuert. Selten verwendeten die primitiveren Sarazenen die Kriegsmaschinen der Griechen oder Römer, noch gaben sie sich mit Kunst oder feineren Arbeiten ab. Trotzdem waren ihre Unternehmungen meist glücklich. Sie schlossen Städte meist ein, ohne Gräben zu ziehen, wiesen die Ausfälle der Belagerten zurück, versuchten Erfolge durch Kriegslist oder Sturm zu erreichen und begnügten sich im übrigen, die Wirkungen des Hungers oder von Streitigkeiten abzuwarten. Damaskus hätte sich nach dem Siege von Aiznadin gefügt, wenn der Mut der Bewohner nicht durch den angesehenen und beispielgebenden Thomas, einen edlen Griechen, belebt worden wäre. Während der Nacht taten Lärm und Beleuchtung in der Stadt kund, daß am folgenden Morgen ein Ausfall beabsichtigt sei. Der christliche Held, der Verachtung gegen die Schwärmerei der Araber zeigte, griff jedoch gleichfalls zum Glauben als Hilfsmittel. Am Haupttore wurde im Angesicht beider Heere ein großes Kruzifix errichtet, der Bischof und die Geistlichkeit begleitete den Zug und legten einen Band des Neuen Testaments zu Füßen Jesu nieder. Die gegnerischen Parteien wurden durch Gebete, die den Schutz Gottes erflehten, erbaut oder geärgert. Die Schlacht wurde mit erbitterter Wut geführt. Thomas, ein unvergleichlicher Bogenschütze, wurde den kühnsten Sarazenen gefährlich; er wurde jedoch durch eine sarazenische Heldin verletzt. Die Gattin Abans, die ihm in den heiligen Krieg gefolgt war, umarmte ihren sterbenden Gemahl. »Glücklich«, sagte sie »glücklich bist du, mein Teurer, du bist zu deinem Gott gegangen, der uns erst vereinigte, dann trennte. Ich will deinen Tod rächen und alles, was in meiner Macht steht, tun, um an den Ort zu gelangen, wo du bist, denn ich liebe dich. Kein Mann soll mich mehr berühren, denn ich habe mich dem Dienste Gottes geweiht.« Ohne Seufzer, ohne Tränen wusch sie die Leiche ihres Gemahls und begrub sie mit den üblichen Zeremonien. Dann griff Abans unerschrockene Witwe zu den Waffen, die sie schon früher geführt hatte und suchte die Stelle im Gewühle, wo der Sieger über ihren Gatten kämpfte. Ihr erster Pfeil durchbohrte die Hand seines Fahnenträgers, ihr zweiter verwundete Thomas am Auge. Die ermatteten Christen sahen die Standarte ihres Führers sinken. Aber der hochherzige Verteidiger von Damaskus weigerte sich, in seinen Palast zurückzukehren. Er ließ seine Wunde auf dem Walle verbinden. Der Kampf dauerte bis zum Abend, und die Syrer ruhten auf ihren Waffen. Mitten in der Nacht wurde durch einen Schlag auf eine Glocke das Zeichen zum Angriff gegeben, die Tore öffneten sich, und aus jedem brach eine gewaltige Heeressäule gegen die Lager der schlafenden Sarazenen vor. Kaled war der erste, der sich ihnen gewaffnet entgegenstellte. An der Spitze von vierhundert Reitern begab er sich eilends an die Stelle der Gefahr, und Tränen rollten über seine Wangen, als er mit Inbrunst ausrief: »O Gott, der du niemals schläfst, sieh herab auf deine Diener und überliefere sie nicht den Händen der Ungläubigen!« Das Schwert Gottes gebot dem tapferen und siegreichen Thomas Einhalt. Die Muselmanen stellten, als sie die Gefahr überblickten, die Ordnung in ihren Reihen wieder her und griffen die Angreifenden ihrerseits in Flanken und Rücken an. Nach dem Verlust vieler Tausende zog sich der christliche Feldherr in Verzweiflung in die Stadt zurück, von deren auf den Wällen stehenden Kriegsmaschinen die Verfolgung der Sarazenen gehemmt wurde.

Nach siebzigtägiger Belagerung war die Geduld und waren vielleicht die Vorräte der Damaszener erschöpft. Die tapfersten Anführer unterwarfen sich dem Gebot der Notwendigkeit. Sie hatten während des Krieges gelernt, die Wildheit Kaleds zu fürchten und die Milde Abu Obeidahs zu verehren. Um Mitternacht wurden hundert auserlesene Abgeordnete der Geistlichkeit und des Volkes in das Zelt dieses ehrwürdigen Befehlshabers geführt. Er empfing und entließ sie mit Wohlwollen. Sie kehrten mit einem schriftlichen Vertrage eines der Gefährten Mohammeds zurück, in dem gesagt war, daß alle Feindseligkeiten aufhören, freiwillig Fortziehende so viel Habe, als sie tragen konnten, mitnehmen durften und die als zinspflichtigen Untertanen des Kalifen Verbleibenden ihre Ländereien und Häuser sowie ihre sieben Kirchen behalten sollten. Auf Grund dieser Bedingungen wurden ihm die vornehmsten Bürger als Geiseln überliefert und das dem Lager nächste Tor geöffnet. Die Soldaten unterwarfen sich den Bestimmungen ihres Anführers und befleißigten sich derselben Mäßigkeit. Abu Obeidah erwarb sich mit seinen milden Bedingungen die Dankbarkeit des Volkes, das er vor dem Verderben bewahrt hatte. Der Erfolg der Gesandtschaft hatte jedoch die Wachsamkeit der Damaszener vermindert. Im gleichen Augenblick wurde das auf der anderen Seite liegende Stadtviertel durch Verrat im Sturm genommen. Eine Abteilung von hundert Arabern hatte das östliche Tor einem unerbittlichen Feinde geöffnet. »Keine Gnade!« schrie der raubgierige und blutdürstige Kaled, »keine Gnade den Feinden des Herrn!« Seine Trompeten bliesen, und ein Strom von Christenblut ergoß sich in die Straßen von Damaskus. Als er die Kirche der heiligen Maria erreichte, wurde er durch seine ihm entgegentretenden friedlichen Gefährten in Wut versetzt. Deren Schwerter ruhten in den Scheiden; sie waren von einer Schar von Mönchen und Priestern umgeben. Abu Obeidah begrüßte den Feldherrn und sprach: »Gott hat die Stadt durch deren Übergabe in meine Hände geliefert und den Gläubigen die Mühen des Kampfes erspart.« »Und bin ich nicht«, erwiderte Kaled mit Entrüstung, »bin ich nicht der Stellvertreter des Beherrschers der Gläubigen? Die Ungläubigen sollen durch das Schwert umkommen. Los auf sie!« Die hungrigen und grausamen Araber wären dem Befehle nachgekommen, und Damaskus wäre verloren gewesen, wenn Obeidah durch seine Festigkeit nicht in anerkennenswertester Weise diese gerettet hätte. Er warf sich zwischen die zitternden Bürger und die gierigsten der Barbaren, beschwor sie im Namen Gottes, sein Versprechen nicht zu brechen, ihre Wut zu zügeln und den Beschluß ihrer Anführer abzuwarten. Diese Anführer zogen sich in die Kirche der heiligen Maria zurück. Nach heftigem Widerstreben unterwarf sich Kaled seinem einsichtigen und angesehenen Kollegen, der die Heiligkeit des Eides, die Ehre sowie den Vorteil, den die Muselmanen aus der pünktlichen Erfüllung ihres Wortes ziehen würden, ins Treffen führte. Er machte ferner aufmerksam, daß sie im Falle eines Wortbruches von den anderen syrischen Städten eine besonders hartnäckige Verteidigung zu gewärtigen hätten. Man kam überein, den Kampf ruhen zu lassen. Jener Teil von Damaskus, der sich Obeidah ergeben hatte, sollte sogleich gemäß dem Vertrage behandelt werden, und die endgültige Entscheidung wurde dem weisen und gerechten Kalifen anheimgegeben. Eine große Anzahl der Damaszener entschied sich zur Unterwerfung und Tributzahlung. Damaskus wird noch jetzt von zwanzigtausend Christen bewohnt. Der tapfere Thomas aber und die freigeborenen Patrioten, die unter seiner Fahne gefochten hatten, zogen Armut und Verbannung vor. Auf den benachbarten Feldern wurde ein großes Lager von Priestern, Laien, Soldaten, Bürgern, Frauen und Kindern aufgeschlagen. Sie sammelten eiligst und geängstigt ihre wertvollsten Habseligkeiten und verließen unter lautem Wehklagen oder in stummem Schmerze ihre Heimat und die lieblichen Ufer des Pharphar. Der unbeugsame Kaled wurde durch ihre sichtliche Not nicht gerührt. Er machte den Damaszenern ein Kommagazin streitig, bemühte sich, die Besatzung der Wohltaten des Vertrages nicht teilhaftig werden zu lassen und willigte nur mit Widerstreben ein, daß jeder Flüchtling sich mit einem Schwert oder einer Lanze oder einem Bogen bewaffnete. Er erklärte finster, daß sie nach Ablauf von drei Tagen als Feinde der Muselmanen behandelt und verfolgt werden würden.

Die Leidenschaft eines syrischen Jünglings trug Schuld an dem Verderben der Flüchtlinge von Damaskus. Ein Edelmann der Stadt, namens Jonas, war mit einer reichen Jungfrau verlobt. Deren Eltern aber verschoben die Hochzeit und sie ließ sich bereden, mit dem Mann ihrer Wahl zu entfliehen. Sie bestachen des Nachts die Wache am Tore von Kaisan. Der vorangehende Liebhaber wurde von den Arabern umzingelt. Seins Ausruf in griechischer Sprache: »Der Vogel ist gefangen!« warnte die Geliebte, die in die Stadt zurückfloh. In Gegenwart Kaleds und angesichts des Todes bekannte sich Jonas zum Glauben des Propheten, dem er bis zu seinem Märtyrertod treu blieb. Nach Einnahme der Stadt eilte er zu dem Kloster, in das sich Eudokia geflüchtet hatte; aber der Liebhaber war vergessen, der Abtrünnige wurde verachtet. Eudokia bekannte sich zu ihrer Religion, wenn sie auch deshalb ihr Vaterland verlieren mußte. Kaled, obwohl ohne Mitleid, verweigerte jedoch die gewaltsame Zurückhaltung irgendeines Bewohners von Damaskus. Vier Tage wurde der Feldherr in der Stadt durch wichtige Verpflichtungen zurückgehalten. Sein Blutdurst und seine Beutegier wären mit der Zeit schwächer geworden und erloschen. Jonas jedoch drängte ihn zur Verfolgung und versicherte, daß die ermatteten Flüchtlinge noch eingeholt werden könnten. An der Spitze von viertausend, als christliche Reiter verkleideten Arabern ging Kaled an die Verfolgung. Sie unterbrachen ihren Ritt nur für Augenblicke, in denen gebetet wurde. Der Führer war mit dem Lande völlig vertraut. Lange Zeit war die Fährte der Damaszener deutlich sichtbar, plötzlich aber verschwand sie. Die Verfolger waren jedoch gewiß, daß die Flüchtlinge ins Gebirge gezogen waren und bald von ihnen eingeholt werden mußten. Beim Überschreiten der Bergketten des Libanon ertrugen sie unglaubliche Beschwerden. Der sinkende Mut der fanatischen Veteranen wurde durch den eifrigen Liebhaber aufgefrischt und befeuert. Von einem Bauer erfuhren sie, daß der Kaiser den Flüchtlingen den Befehl gesandt hatte, die Küstenstraße nach Konstantinopel einzuschlagen, da er wahrscheinlich fürchtete, daß die Soldaten und Einwohner Antiochias durch ihren Anblick und die Geschichte ihrer Leiden entmutigt werden könnten. Die Sarazenen wurden, vorsichtig den Städten sich fernhaltend, durch die Gebiete von Gabala und Laodikea geführt. Es regnete unaufhörlich, die Nacht war finster, ein einziger Berg trennte sie von der römischen Armee, und Kaled, stets besorgt um seine Brüder, erzählte ihnen einen unheilkündenden Traum, den er gehabt hatte.

Mit Anbruch des Tages besserte sich das Wetter, und sie erblickten in einem schönen Tale die Zelte der Damaszener. Nach einer kurzen Ruhe und nach dem Gebete teilte Kaled seine Reiterei in drei Geschwader. Das erste vertraute er seinem treuen Derar an, er selbst behielt das dritte. Sie stürzten auf die wirre Menge, die schlecht mit Waffen versehen war und besiegten sie, die bereits ermüdet und vom Gram geschwächt war. Die Araber glaubten, daß, mit Ausnahme eines Gefangenen, der begnadigt und entlassen worden war, kein Christ ihrem Schwerte entgangen war. Gold und Silber war über das Lager verstreut, und eine königliche Garderobe, bestehend aus dreihundert Lasten Seide, war den Barbaren hoch willkommen. Im Getümmel der Schlacht suchte und fand Jonas die, die er verfolgte. Eudokia war jedoch durch diese neuerliche treulose Handlung seinerseits gegen ihn ergrimmt, und gegen seine verhaßte Umarmung kämpfend, stieß sie sich einen Dolch ins Herz. Eine andere Frau, die Witwe des Thomas und die wirkliche oder angebliche Tochter des Heraklius, wurde ohne Lösegeld verschont und entlassen. Der Großmut Kaleds war durch seine Verachtung hervorgerufen worden. Der übermütige Sarazene beschimpfte durch eine trotzige Botschaft den Cäsar. Kaled war über hundertfünfzig Meilen in das Herz der römischen Provinz eingedrungen. Er kehrte mit derselben Schnelligkeit und in aller Stille nach Damaskus zurück. Bei der Thronbesteigung Omars wurde das Schwert Gottes des Oberbefehles entsetzt; aber der Kalif mußte, obwohl er die Verwegenheit des Unternehmens tadelte, doch die Kraft und Geschicklichkeit loben, womit es ausgeführt worden war.

Ein anderer Streifzug der Eroberer von Damaskus wird in gleichem Maße deren Habsucht, wie ihre Verachtung der Reichtümer dieser Welt zeigen. Sie erfuhren, daß die Produkte und Fabrikate des Landes alljährlich auf der Messe von Abyla ungefähr dreißig Meilen von der Stadt zur Schau gestellt wurden. Gleichzeitig besuchten Scharen von Pilgern die Zelle eines frommen Einsiedlers. Es war auch beabsichtigt, während dieses Festes die Vermählung der Tochter des Statthalters von Tripolis zu feiern. Abdallah, der Sohn Giafars, eines ruhmgekrönten und heiligen Märtyrers, übernahm mit einem Geschwader von fünfhundert Reitern den Auftrag, die Ungläubigen zu berauben. Als er sich der Messe von Abyla näherte, erhielt er Nachricht, daß nahezu zehntausend Menschen, Christen und Juden, Griechen und Armenier, Eingeborene Syriens und Fremde aus Ägypten, nebst einer Leibwache von fünftausend Reitern, welche die Braut begleiteten, dort zusammengeströmt waren. Die Sarazenen hielten an. »Was mich betrifft«, sagte Abdallah, »wage ich nicht umzukehren. Die Feinde sind zahlreich, die Gefahr ist groß, aber der Lohn wird glänzend sein und ist uns sicher, entweder in dieser oder jener Welt. Jeder kann handeln, wie es ihm beliebt, zurückkehren oder mit mir vorgehen.« Kein einziger Muselman verließ seine Fahne. »Zeige den Weg«, sagte er zu seinem christlichen Führer, »und du wirst sehen, was die Streiter des Propheten vermögen.« Sie griffen in fünf Geschwadern an, aber nach der ersten Überraschung wurden sie von der Menge der Feinde umzingelt und fast erdrückt. Zur Zeit des Sonnenunterganges, als die Waffen ihren Händen zu entsinken begannen und sie dem Tode nahe waren, gewahrten sie eine sich nähernde Staubwolke, hörten das ihnen willkommene Geschrei Tekbir! Bald darauf erblickten sie die Fahne Kaleds, der ihnen mit großer Schnelligkeit zu Hilfe eilte. Die Christen wurden durch seinen Angriff niedergeworfen und auf ihrer Flucht zum Flusse Tripolis niedergemetzelt. Die aufgestapelten Reichtümer der Messe blieben zurück: die zum Verkauf ausgestellten Waren, das zum Kauf mitgebrachte Geld, der für das Vermählungsfest bereitstehende Schmuck und die Juwelen der Tochter des Statthalters von Tripolis und vierzig Frauen ihres Gefolges. Die Früchte, Mundvorräte, der Hausrat, das Gold, Silbergeschirre und die Juwelen wurden schnell auf Pferde, Esel und Kamele geladen und die Räuber kehrten im Triumph nach Damaskus zurück. Den Einsiedler, der auf Märtyrerruhm nicht bedacht war, ließ man nach einem kurzen Wortwechsel auf demn blutigen und verwüsteten Platz einsam zurück, ohne ihm das Leben zu nehmen.

Syrien, eines jener Länder, die durch eine frühe Kultur veredelt worden sind, war dieses Vorzuges nicht unwürdig. Die Hitze wird durch die Nähe des Meeres und der Gebirge und durch den Reichtum an Wald und Wasser erträglich gemacht. Der Boden liefert reichlich Früchte für den Unterhalt der Menschen. Die Tiere vermehren sich rasch. Vom Zeitalter des David bis zu jenem des Heraklius war das Land mit alten und blühenden Städten bedeckt. Die Einwohner waren zahlreich und wohlhabend. Selbst nach den Verheerungen der Despoten und dem Persischen Kriege vermochte Syrien noch immer die räuberischen Stämme der Wüste anzulocken und deren Gier zu befriedigen. Eine zehn Tagesreisen große Ebene, von Damaskus nach Aleppo und Antiochia, wird im Westen von dem sich windenden Orontes bewässert. Die Gebirge des Libanon und Antilibanon ziehen sich von Norden nach Süden zwischen dem Orontes und dem Mittelmeere hin. Das von den beiden Rücken der schneebedeckten Berge eingeschlossene Tal erhielt den Beinamen hohl (Cölesyrien). Unter den Städten mit griechischen oder orientalischen Namen, die bei der Eroberung von Syrien aufgezählt werden, sind auch Emesa oder Hems, die Metropole der Ebene und Heliopolis oder Baalbek, die Hauptstadt dieses Tales erwähnt. Unter den letzten Cäsaren waren sie stark und volkreich. Die Türme glänzten weithin, ein großer Raum war mit öffentlichen und Privatgebäuden bedeckt, und die Bürger zeichneten sich durch ihren Mut oder Stolz, durch ihre Reichtümer oder ihr üppiges Leben aus. In den Zeiten des Heidentums waren die Einwohner sowohl Enmesas als auch Heliopolis' Verehrer des Baal oder der Sonne. Nach dem Untergang dieser Religionen und ihres Glanzes zeigte sich in ihrem Glücke eine besondere Verschiedenheit. Keine Spur ist von dem Tempel von Emesa übrig, dessen Spitze in den Elaboraten der Dichter die Gipfel des Libanon erreichte. Die von den Schriftstellern des Altertums nicht erwähnten Ruinen von Baalbek hingegen erwecken noch heute die Neugierde und das Erstaunen der europäischen Reisenden. Der Tempel maß zweihundert Fuß in der Länge und hundert in der Breite. Die Vorderseite ist mit einem doppelten Portikus von acht Säulen .geschmückt, vierzehn befinden sich auf jeder Seite. Jede Säule ist fünfundvierzig Fuß hoch und besteht aus drei massiven Blöcken aus Stein oder Marmor. Der Stil ist korinthisch. Da jedoch Baalbek nie der Sitz eines Monarchen gewesen ist, so vermögen wir nicht zu erklären, wie die Ausgabe für so prachtvolle Gebäude allein durch die Spenden von Privatpersonen aufgebracht werden konnte. Nach der Eroberung von Damaskus drangen die Sarazenen nach Heliopolis und Emesa vor. Ich vermeide aber die Beschreibung der Ausfälle und Kämpfe, da eine solche bereits in größerem Maßstabe gegeben wurde. Bei der Fortsetzung des Krieges waren ihr Schwert und ihre Politik gleicherweise wirksam. Durch kurze, einzelnen Truppenteilen des Feindes gewährte Waffenstillstände wurde dieser geschwächt, die Syrer konnten zwischen der Freundschaft und Feindschaft mit den Sarazenen Vergleiche ziehen. Sie machten sie mit ihrer Sprache, Religion und Sitten vertraut und leerten durch heimlich erfolgende Käufe die Magazine und Waffenhäuser der Städte, zu deren Belagerung sie später zurückkehrten. Sie verlangten von den reicheren und hartnäckigeren Städten höheres Lösegeld. Chalcis allein mußte fünftausend Unzen Gold, fünftausend Unzen Silber, zweitausend seidene Gewänder und so viel Feigen und Oliven zahlen, als fünftausend Esel fortschleppen konnten. Die Bedingungen des Waffenstillstandes oder der Übergabe wurden jedoch treulich gehalten, und der Stellvertreter des Kalifen, der versprochen hatte, das übergebene Baalbek nicht zu betreten, blieb in seinem Zelte, bis die streitenden Parteien seine Gegenwart verlangten. Die Eroberung der Ebene und des Tales von Syrien wurde in weniger als zwei Jahren vollendet. Dennoch tadelte der Beherrscher der Gläubigen diese wegen ihrer langsamen Fortschritte, und die Sarazenen forderten, ihren Fehler reue- und wuterfüllt beweinend, ihre Anführer auf, sie vorwärts in die Schlachten des Herrn zu führen. Bei einem Kampfe vor den Mauern von Emesa hörte man einen Jüngling, den Vetter Kaleds, laut ausrufen: »Mir däucht, ich sehe die schwarzhaarigen Jungfrauen auf mich herniederblicken; wenn eine einzige von ihnen auf dieser Welt erschiene, würde die ganze Welt aus Liebe zu ihr sterben. Ich sehe ferner in der Hand der einen ein Tuch aus grüner Seide und in der anderen einen Helm aus Edelsteinen, und sie winkt mir und ruft: Komm schnell, denn ich liebe dich.« Mit diesen Worten stürzte er sich auf die Christen und trug den Tod in ihre Reihen, bis er endlich von dem Befehlshaber von Emesa gestellt und mit einem Wurfspieß getötet wurde.

Die Sarazenen waren genötigt, ihre ganze Tapferkeit und ihren Enthusiasmus gegen die Streitkräfte des Kaisers zu entfalten, der aus den beiden Niederlagen erkannt hatte, daß die Räuber der Wüste einen regelrechten Feldzug unternommen hatten, die eroberten Länder in der Hand behalten wollten und nahe daran waren, diese Eroberungen zu vollenden. Aus den Provinzen Europas und Asiens wurden achtzigtausend Soldaten zu Land und Wasser nach Antiochia und Cäsarea gesandt. Die leichten Truppen des Heeres bestanden aus sechzigtausend christlichen Arabern vom Stamme Gassan. Unter der Fahne Jabalahs, des letzten ihrer Fürsten, bildeten sie die Vorhut, denn es war Maxime bei den Christen, daß man einen Diamant am besten mit Diamanten schneidet. Heraklius entzog sich den Gefahren des Feldes, aber Zuversicht oder vielleicht Kleinmütigkeit bewog ihn, den strikten Befehl zu erteilen, daß das Schicksal der Provinz durch eine einzige Schlacht entschieden werden solle. Die Syrer folgten der Fahne Roms und hingen dem Kreuze an. Sie wurden aber, ob Edle, Bauern oder Bürger, durch die Grausamkeit und Zügellosigkeit einer Schar kaiserlicher Truppen erbittert, die sie als Untertanen behandelte, unterdrückte und als Fremde verachtete. Das Gerücht von den gewaltigen Rüstungen gelangte in das Lager der Sarazenen von Emesa. Die Häuptlinge, obschon zum Kampfe entschlossen, beriefen einen Kriegsrat. Abu Obeidah würde im Vertrauen auf seinen Glauben am gleichen Flecke geblieben sein und den Märtyrertod erlitten haben. Der kluge Kaled aber riet zu einem ehrenvollen Rückzuge nach den Grenzen Palästinas und Arabiens, wo sie die Hilfe ihrer Vaterlandsgenossen und den Angriff der Ungläubigen erwarten konnten. Ein schnellfüßiger Bote kehrte bald aus Medina mit dem Segen Omars und Alis, mit Versprechungen der Fürbitte der Witwe des Propheten zurück. Auf ihrem Wege rollten sie eine Heeresabteilung der Griechen auf, und als sie sich im Lager zu Yenmak mit ihren Brüdern vereinigten, erhielten sie die erfreuliche Nachricht, daß Kaled die christlichen Araber des Stammes Gassan bereits angegriffen und zerstreut habe. In der Nähe von Bosra ergießen sich die Quellen des Berges Hermon in einem Bache in die Ebene Dekapolis oder der zehn Städte: Hieromar ist sein Name, der später zu Yermuk verunstaltet wurde. Er verliert sich nach kurzem Laufe im See Tiberias. Dieser kleine Fluß wurde durch einen langen und blutigen Kampf berühmt. Bei dieser Veranlassung gab der bescheidene Abu Obeidah auf allgemeinen Wunsch dem verdienstvollsten aller Muselmanen den Oberbefehl zurück. Kaled stellte sich vor die Front, sein Amtsgenosse bei der Nachhut auf, damit eventuell Unordnung machende Flüchtlinge durch seine ehrwürdige Person und die gelbe Fahne, welche Mohammed vor den Mauern Chaibars entfaltet hatte, aufgehalten würden. In der letzten Linie befand sich Derars Schwester, eine jener Araberinnen, die sich dem heiligen Krieg angeschlossen hatten und die den Bogen und die Lanze zu handhaben gewohnt waren. Die Ermahnung des Feldherrn war kurz und eindringlich: »Vor euch ist das Paradies, hinter euch der Teufel und das höllische Feuer.« Der Anprall der römischen Reiterei war jedoch so stark, daß der rechte Flügel der Araber durchbrochen und vom Hauptheer getrennt wurde. Dreimal zogen sie sich in Unordnung zurück, und dreimal wurden sie durch die Vorwürfe und Schläge der Weiber zum Angriff vorgetrieben. In den Pausen des Gefechtes besuchte Abu Obeidah die Zelte seiner Brüder, verlängerte ihre Ruhe, indem er die Gebete zweier verschiedener Stunden sprach, verband eigenhändig ihre Wunden und gab ihnen die tröstende Versicherung, daß die Ungläubigen ihre Leiden teilten, ohne an ihrem Lohne teilzuhaben. Viertausenddreißig Muselmanen wurden auf dem Schlachtfeld begraben und siebenhundert rühmten sich, bei dem Kampfe durch die geschickten armenischen Bogenschützen ein Auge verloren zu haben. Die Veteranen des syrischen Heeres gestanden, daß es der härteste Kampf gewesen sei, den sie erlebt hatten, und daß der Ausgang sehr zweifelhaft gewesen wäre. Aber dieser Tag war auch der entscheidendste. Mehrere tausend Griechen und Syrer fielen durch das Schwert der Araber, viele wurden nach der Schlacht in den Wäldern und Gebirgen niedergemetzelt, viele ertranken in den Fluten des Yermuk, weil sie die Furt verfehlten. Obwohl die Verluste vergrößert worden sein mögen, beweinen und bekennen doch die christlichen Schriftsteller die blutige Strafe ihrer Sünden. Der römische Feldherr Manuel wurde entweder in Damaskus getötet oder er hatte Zuflucht in dem Kloster des Berges Sinai gefunden. Jabalah trauerte als Verbannter am byzantinischen Hofe um Arabien und beweinte den unseligen Vorzug, den er der Sache der Christen gegeben hatte. Einst hatte er zum Islam geneigt, aber auf einer Wallfahrt nach Mekka, hatte er, gereizt, einen seiner Brüder verwundet und war vor dem Gericht des strengen Kalifen geflohen. Die siegreichen Sarazenen verbrachten einen Monat in Damaskus und pflegten der Ruhe. Die Beute wurde von dem klugen Abu Obeidah geteilt, der einem Krieger den gleichen Anteil zusprach wie seinem Pferde; für die edlen Renner von arabischer Zucht wurde ein doppelter Anteil vorbehalten.

Nach der Schlacht von Yermuk zeigte sich die römische Armee nicht mehr im Felde, und die Sarazenen konnten frei unter den syrischen Städten jene wählen, die sie angreifen wollten. Sie fragten bei dem Kalifen an, ob sie gegen Jerusalem oder Cäsarea marschieren sollten. Nach dem Rat Alis wurde unverzüglich zur Belagerung der letzteren geschritten. Ein profanes Auge sah in Jerusalem nur die erste oder zweite Hauptstadt Palästinas. Dem frommen Muselman erschien es jedoch als Tempel des heiligen Landes, der durch die Offenbarungen Moses und Johannes geweiht worden war, und es wurde nach Mekka und Medina verehrt und besucht. Der Sohn Abu Sophians wurde mit fünftausend Arabern entsandt, um den Versuch einer Überrumpelung zu machen oder einen Vertrag zu schließen. Am elften Tage aber wurde die Stadt von Obeidahs sämtlichen Truppen eingeschlossen. Er ließ den Befehlshaber und das Volk von Älia (der profane Name der Stadt Jerusalem) folgendermaßen zur Übergabe auffordern: »Heil und Glück denjenigen, die auf dem rechten, Weg wandeln! Wir verlangen von euch, daß ihr bezeugt, daß es nur einen Gott gibt, und daß Mohammed sein Prophet ist. Wenn ihr euch dessen weigert, so williget ein, Tribut zu zahlen und uns künftig Untertan zu sein. Sonst werde ich Männer gegen euch schicken, die den Tod mehr lieben, als ihr das Weintrinken und Schweinefleischessen. Ich werde nicht eher von dannen ziehen, bis ich, so es Gott gefällt, diejenigen, die für euch fechten, vernichtet und eure Kinder zu Sklaven gemacht habe.« Die Stadt war jedoch von allen Seiten von steilen Bergen und tiefen Tälern umgeben. Seit dem Einfall in Syrien waren die Mauern und Türme sorgfältig ausgebessert worden. Die tapfersten der Flüchtlinge aus Yermuk hatten sich in den nächsten Zufluchtsort geworfen, und bei der Verteidigung des Grabes Christi fühlten wohl Eingeborene und Fremde einen Funken jenes Enthusiasmus, der in den Herzen der Muselmanen glühte. Die Belagerung von Jerusalem dauerte vier Monate. Kein Tag verging ohne Ausfall oder Sturm, die Kriegsmaschinen auf den Wällen waren unaufhörlich tätig und, noch weit unangenehmer und verheerender wirkte auf die Araber der strenge Winter. Die Christen wichen endlich ihren beharrlichen Belagerern. Der Patriarch Sophronius erschien auf den Wällen und verlangte durch einen Dolmetsch eine Unterredung. Nach dem vergeblichen Versuche, den Stellvertreter des Kalifen von seinem gottlosen Unternehmen abzubringen, schlug er im Namen des Volkes eine alle Teile zufriedenstellende Kapitulation vor, verlangte jedoch, daß die Vertragschließung in Anwesenheit des Kalifen und durch ihn selbst vorgenommen werden solle. Die Frage wurde im Rate von Medina erörtert. Die Heiligkeit des Ortes und der Rat Alis bewogen den Kalifen, dem Wunsche seiner Soldaten und Feinde zu willfahren. Die Einfachheit seines Reisezuges verschaffte ihm mehr Ruhm als königlicher Prunk und Eitelkeit. Der Eroberer von Persien und Syrien ritt auf einem roten Kamel, das außer ihm einen Sack mit Korn, einen Sack mit Datteln und einen ledernen Schlauch mit Wasser trug. Wo er anhielt, wurde seine Begleitung, ohne auf Standesunterschiede zu achten, eingeladen, sein geringes Mahl zu teilen, das durch die Gebete und Ermahnungen des Beherrschers der Gläubigen geheiligt wurde. Bei diesem Feldzuge oder vielmehr bei dieser Wallfahrt sprach er Recht, stellte die zügellose Vielweiberei der Araber ab, befreite die Zinspflichtigen von Erpressern und verbot grausame Handlungen gegen sie, strafte die in Üppigkeit lebenden Sarazenen, indem er sie ihrer reichen seidenen Gewänder beraubte und diese in den Kot werfen ließ. Als der Kalif Jerusalems ansichtig wurde, rief er mit lauter Stimme: »Gott ist siegreich! 0 Herr, verleihe uns eine leichte Eroberung!« Hierauf schlug er sein grobhärenes Zelt auf und setzte sich auf den Erdboden. Nach Unterzeichnung der Kapitulation ritt er furchtlos und ohne Vorsichtsmaßregeln zu treffen, in die Stadt und unterhielt sich mit dem Patriarchen über altertümliche Reliquien. Sophronius beugte sich vor seinem neuen Gebieter und murmelte heimlich Daniels Worte: »Abscheuliche Verwüstung traf die geheiligte Stätte. «Als die Stunde des Gebetes gekommen war, standen sie miteinander in der Auferstehungskirche; aber der Kalif weigerte sich, seine Andacht zu verrichten und begnügte sich, auf den Stufen der Kirche Konstantins zu beten. Dem Patriarchen teilte er seinen von Klugheit und der Ehre diktierten Beweggrund mit. »Wenn ich deiner Bitte nachgegeben hätte«, sagte Omar, »würden die Muselmanen in Zukunft, unter dem Vorwande, mein Beispiel nachzuahmen, den Vertrag gebrochen haben.« Auf seinen Befehl wurde der Ort, wo Salomons Tempel gestanden war, für den Bau einer Moschee in Bereitschaft gesetzt. Er ordnete während seines zehntägigen Aufenthaltes die Verwaltung der eroberten syrischen Gebiete. Die Bewohner von Medina waren vielleicht eifersüchtig gewesen, als sie der Kalif verließ oder hatten gefürchtet, daß sich dieser von der Heiligkeit Jerusalems oder der Schönheit Damaskus fesseln lassen würde. Ihre Besorgnisse wurde jedoch bald durch seine schnelle und freiwillig erfolgende Rückkehr zum Grabe des Apostels behoben.

Um den syrischen Krieg zu beenden, hatte der Kalif zwei besondere Heere gebildet. Eine auserlesene Schar unter Amru und Gesid blieb im Lager von Palästina, während die größere Truppenmenge unter den Fahnen Abu Obeidahs und Kaleds gegen Antiochia und Aleppo zog. Letztere Stadt, das Beröa der Griechen, war noch nicht als Hauptstadt einer Provinz oder eines Königreiches berühmt, und den Einwohnern, die sich rechtzeitig unterwarfen und große Armut vorschützten, wurde nur ein mäßiges Lösegeld auferlegt. Aber das Schloß von Aleppo, gesondert von der Stadt, das sich nicht ergeben hatte, stand auf einem hohen künstlichen Hügel, dessen Abhänge steil waren und der an den Ecken mit Quadersteinen versehen war. Der breite Graben, der das Schloß umgab, konnte aus den benachbarten Quellen mit Wasser gefüllt werden. Nach dem Verluste von dreitausend Mann konnte sich die Besatzung noch immer gegen die Angriffe verteidigen. Yukina, ihr tapferer Anführer, hatte seinen Bruder, einen frommen Mönch, ermordet, weil er es gewagt hatte, das Wort Frieden auszusprechen. Während einer vier- bis fünfmonatlichen Belagerung, der schwierigsten des syrischen Krieges, wurde eine große Anzahl Sarazenen getötet oder verwundet. Selbst ihr Abzug bis auf eine Meile Entfernung konnte den wachsamen Yukina nicht täuschen; auch die Hinrichtung von dreihundert Gefangenen, die vor den Mauern des Schlosses enthauptet wurden, konnte die Christen nicht erschrecken. Durch das Schweigen und später die Klagen Abu Obeidahs wurde der Kalif davon in Kenntnis gesetzt, daß die Geduld der Sarazenen am Fuße dieser uneinnehmbaren Feste erschöpft wäre. »Ich bin über euren Mißerfolg erstaunt«, erwiderte Omar, »aber ich verlange, daß die Belagerung der Feste unter keinen Umständen aufgehoben wird. Euer Rückzug würde unseren Ruhm vermindern und die Ungläubigen ermuntern, von allen Seiten über euch herzufallen. Bleibet vor Aleppo, bis Gott den Ausgang entschieden hat und fouragiert mit euren Pferden in der umliegenden Gegend.« Der Befehl des Beherrschers der Gläubigen erhielt durch die Entsendung von Freiwilligen aus allen arabischen Stämmen Nachdruck, die bald im Lager auf Pferden und Kamelen eintrafen. Unter diesen befand sich Dames, von niederer Herkunft aber riesenhaftem Wuchs, der große Unerschrockenheit und Entschlossenheit besaß. Am siebenundvierzigsten Tage schlug er vor, einen Angriff auf das Schloß zu wagen, wobei er nur dreißig Gefährten mitnehmen wollte. Der erfahrene Kaled unterstützte sein Anerbieten und Abu Obeidah ermahnte seine Brüder, die niedere Herkunft des Dames nicht zu verachten. Er sagte, daß er selbst, wenn er den ihm anvertrauten Posten verlassen dürfte, freudig unter dem Banner des Sklaven dienen würde. Dessen Plan wurde durch einen fingierten Rückzug unterstützt, und die Sarazenen schlugen ihr Lager ungefähr eine Stunde von Aleppo auf. Die dreißig Abenteurer lagen am Fuße des Berges im Hinterhalt. Dames stellte mit seinen griechischen Gefangenen Verhöre an, deren Unwissenheit ihn erzürnte, hatte jedoch damit endlich Erfolg. »Gottes Fluch über diese Hunde«, sagte der ungebildete Araber, »was für eine abscheuliche, barbarische Sprache sie reden!« Um die finsterste Stunde der Nacht bestieg er die zugänglichste Höhe, die er sorgfältig ausgekundschaftet hatte. An dieser Stelle waren die Steine entweder zerbröckelt oder die Wache minder aufmerksam. Sieben der stärksten Sarazenen stiegen einer auf des anderen Schulter und das gesamte Gewicht dieser Menschensäule wurde von den breiten Schultern des riesigen Sklaven getragen. Die Vordersten konnten den untersten Teil der Zinne erfassen und erklettern. Sie erdolchten in aller Stille die Schildwachen und warfen sie in den Abgrund. Die dreißig Brüder wurden mit dem Ausrufe: »O Apostel Gottes, hilf und befreie uns!« nacheinander an ihren langen Turbanen emporgezogen. Kühn, aber vorsichtig erforschte Dames den Palast des Befehlshabers, der in einem lärmenden Gelage die Befreiung feierte. Dann kehrte er zu seinen Gefährten zurück und griff die andere Seite des Eingangs der Festung an. Sie überwältigten die Wache, entriegelten das Tor, ließen die Zugbrücke nieder und verteidigten den engen Paß, bis bei Tagesanbruch Kaled sie aus der Gefahr befreite und die Eroberung sicherte. Yukina, ein furchtbarer Feind, wurde ein tätiger und eifriger Proselyt. Der Feldherr der Sarazenen bekundete seine Hochachtung für den geringen Sklaven, indem er solange mit dem Heere in Aleppo blieb, bis die Wunden Dames' geheilt waren. Die Hauptstadt von Syrien war noch immer von dem Schloß Aasaz und der eisernen Brücke über den Orontes beschirmt. Nach dem Verlust dieses wichtigen Postens und der Niederlage der letzten römischen Heere zitterte das üppige Antiochia und unterwarf sich. Es erkaufte seine Rettung mit dreihunderttausend Goldstücken; aber der Ort, an dem der Thron der Nachfolger Alexanders stand und der Sitz der römischen Regierung im Osten gewesen war, den Cäsar mit den Attributen »frei, heilig und unverletzlich« geschmückt hatte, wurde unter den Kalifen zu einer untergeordneten Provinzstadt gemacht.

Der Ruhm des Heraklius, den er im persischen Kriege gewonnen hat, wird durch die Schmach und Schwäche, die er in früheren und späteren Tagen zeigte, verringert. Als die Nachfolger Mohammeds den Religionskrieg begannen, war er über die große Mühe und Gefahr, die ihn erwartete, bestürzt. Von Natur aus träge, konnte der alte und schwache Kaiser zu einer zweiten Anstrengung nicht entflammt werden. Sein Schamgefühl und das Drängen der Syrer veranlaßten eine Verzögerung seiner schleunigen Entfernung vom Schauplatze des Krieges. Sein Heldentum war erloschen, und der Verlust von Damaskus und Jerusalem, die blutigen Felder von Aiznadin und Yermuk müssen bis zu einem gewissen Grade seiner Abwesenheit oder seinem unrichtigen Verhalten zugeschrieben werden. Statt das Grab Christi zu verteidigen, verwickelte er Kirche und Staat in einen mystischen Streit über die Einheit seines Willens. Während Heraklius die Sprößlinge aus seiner zweiten Ehe krönte, ließ er zahm den wertvollsten Teil ihrer Erbschaft rauben. In der Kathedrale von Antiochia beweinte er in Gegenwart der Bischöfe am Fuße des Kreuzes seine und die Sünden des Volkes; aber sein Geständnis zeigte der Welt, daß es vergeblich, ja vielleicht ruchlos ist, dem Gerichte Gottes zu widerstreben. Die Sarazenen waren in der Tat unbesiegbar, weil sie dies glaubten. Der Abfall Yukinas, seine scheinbare Reue und wiederholte Treulosigkeit konnten den Argwohn des Kaisers rechtfertigen, daß er von Verrätern und Abtrünnigen umgeben sei, die sich verschworen hätten, ihn und ihr Vaterland an die Feinde Christi zu verraten. In der Stunde des Unglücks wurde er, abergläubisch wie er war, durch Vorzeichen und einen Traum, in dem eine fallende Krone vorkam, beunruhigt. Nachdem er Syrien auf ewig Lebewohl gesagt hatte, schiffte er sich mit wenigen Begleitern ein und löste dadurch seine Untertanen vom Eid der Treue. Sein ältester Sohn Konstantin stand mit vierzigtausend Mann bei Cäsarea, dem Sitze der Regierung der drei Provinzen von Palästina. Private Interessen riefen ihn aber an den byzantinischen Hof zurück. Er fühlte sich nach der Flucht des Vaters einem Kampfe gegen die vereinte Macht des Kalifen auch nicht gewachsen. Seine Vorhut wurde dreist von dreihundert Arabern und tausend schwarzen Sklaven angegriffen, die im tiefen Winter die schneebedeckten Berge des Libanon überschritten hatten und denen Kaled selbst mit seinen siegreichen Geschwadern nachfolgte. Von Norden und Süden, von Antiochia und Jerusalem, rückten die Truppen längs der Meeresküste vor, bis sie sich unter den Mauern der phönizischen Städte vereinigten. Tripolis und Tyrus wurden verraten. Eine Flotte von fünfzig Transportschiffen, die ohne Verdacht in die nun feindlichen Häfen einlief, brachte den Sarazenen rechtzeitige Zufuhr an Lebensmitteln und Waffen. Ihre Anstrengungen wurden unerwartet durch die Übergabe von Cäsarea beendigt. Der römische Fürst hatte sich in der Nacht eingeschifft, und die wehrlosen Bürger erkauften die Begnadigung mit zweimalhunderttausend Goldstücken. Die noch nicht unterworfenen Städte Ramiah, Ptolemais oder Akre, Sichern oder Neapolis, Gaza, Askalon, Berytus, Sidon, Gabala, Laodikea, Hierapolis, Apanema wagten es nicht länger sich den Sarazenen zu widersetzen. Syrien beugte sich unter das Zepter des Kalifen siebenhundert Jahre nachdem Pompejus den letzten der mazedonischen Könige der Herrschaft beraubt hatte.

Die Schlachten und Belagerungen von sechs Feldzügen hatten viele tausend Mohammedaner hingerafft. Sie starben freudig und als Märtyrer. Ihre Einfalt und ihr Glauben zeigt sich in den Worten eines arabischen Jünglings, der, als er Mutter und Schwester zum letzten Male umarmte, sagte: »Es sind nicht die Wonnen, die Syrien geben kann, nicht die vergänglichen Freuden dieser Welt, die mich antreiben, mein Leben der Sache der Religion zu weihen. Ich suche die Gunst Gottes und seines Propheten, denn ich habe von einem der Gefährten des letzteren gehört, daß die Geister der Märtyrer in den Kröpfen grüner Vögel wohnen werden, die die Früchte des Paradieses fressen und aus seinen Strömen trinken. Lebt wohl, wir werden uns in den Hainen und bei den Brunnen wiedersehen, die Gott für seine Auserwählten bestimmt hat.« Die gefangenen Gläubigen mußten auch unter schwierigen Verhältnissen Entschlossenheit zeigen und Leiden ertragen können. Ein Vetter Mohammeds wird gepriesen, weil er nach dreitägigem Hungern den Wein und das Schweinefleisch verschmähte, das ihm als einzige Nahrung zu einer Qual gereicht wurde. Die Schwäche einiger nicht so starker Brüder erbitterte den unversöhnlichen und fanatischen Mann. Der Vater Amers beklagte in schmerzlichen Worten die Abtrünnigkeit seines deshalb verdammten Sohnes, der den Verheißungen Gottes und den Fürbitten des Propheten entsagt hatte, um mit Priestern und Diakonen die unterste Hölle zu bewohnen. Die glücklichen Araber, die den Krieg überlebten und im Glauben beharrten, wurden von ihren enthaltsamen Anführern davon abgebracht, das Glück zu mißbrauchen. Nachdem Abu Obeidah seinen Truppen eine dreitägige Erholung in Antiochia gegönnt hatte, führte er sie aus der Atmosphäre der Üppigkeit wieder hinweg und versicherte dem Kalifen, daß ihre Religion und Tugend nur durch harte Zucht, Armut und Beschwerlichkeiten erhalten werden könne. Der tugendhafte Omar war jedoch, wenn auch strenge gegen sich selbst, gütig und freigebig gegen seine Brüder. Nachdem er gerechterweise Lob und Dank ausgesprochen hatte, weinte er aus Mitleid. Seine Antwort, in der er die Strenge seines Stellvertreters milde tadelte, lautete: »Gott hat den Genuß der Annehmlichkeiten dieser Erde treuen Gläubigen und denen, die gute Werke verrichtet haben, nicht verboten. Du hättest ihnen daher erlauben sollen auszuruhen und die Freuden, die das Land bietet, reichlich zu genießen. Wenn einer der Sarazenen in Arabien keine Familie hat, mag er sich in Syrien vermählen, und wem es an Sklavinnen fehlt, der mag so viele kaufen, als er braucht.« Die Sieger schickten sich an, von dieser gnädigen Erlaubnis Gebrauch zu machen oder sie zu mißbrauchen. In dem Jahr, in dem sie triumphiert hatten, starben jedoch viele Menschen und Tiere, und fünfundzwanzigtausend Sarazenen wurden in Syrien hinweggerafft. Der Tod Abu Obeidahs wurde von den Christen beklagt, aber auch seine Brüder dachten daran, daß er einer der zehn Auserwählten war, welche der Prophet zu Erben des Paradieses gemacht hatte. Kaled überlebte seine Brüder ungefähr drei Jahre. Das Grab des Schwertes Gottes wird in der Nähe von Emesa gezeigt. Er hatte mit großer Tapferkeit in Arabien und Syrien das Reich der Kalifen gegründet. Er wurde durch seinen Glauben, daß er unter dem besonderen Schutz der Vorsehung stehe, gestärkt. Er hielt sich, solange er einen Helm trug, der von Mohammed gesegnet worden war, selbst mitten unter den Ungläubigen, für unverwundbar.

An die Stelle der ersten Eroberer traten ihre Kinder und ein neues Geschlecht ihrer Landsleute. Syrien war der Sitz und die Stütze des Hauses Ommijah, und die Einkünfte, Soldaten und Schiffe dieses mächtigen Königreiches wurden verwendet, um das Reich der Kalifen nach allen Seiten zu erweitern. Die Sarazenen verachten großen Ruhm und ihre Geschichtschreiber lassen sich daher kaum herbei, die weniger wichtigen Eroberungen anzuführen, deren Andenken während der siegreichen und glanzvollen Laufbahn verloren gegangen ist. Im Norden von Syrien gingen die Sarazenen über das Taurusgebirge und unterwarfen die Provinz Zilikien mit ihrer Hauptstadt Tarsus, dein alten Denkmal der assyrischen Könige. Auch während eines zweiten Zuges über dasselbe Gebirge zu den Gestaden des Schwarzen Meeres und in die Nähe Konstantinopels verwüsteten sie mehr die Ländereien, als daß sie den Bewohnern ihre Religion brachten. Gegen Osten drangen sie an die Ufer und Quellen des Euphrat und Tigris vor. Die langumstrittene Grenze zwischen dem römischen Reich und Persien wurde ausgelöscht. Die Mauern von Edessa und Amida, von Dara und Nisibis, welche Städte den Heeren und Kriegsmaschinen Sapors und Nushirwans widerstanden hatten, wurden dem Erdboden gleichgemacht, und die heilige Stadt Abgarus hielt wohl vergeblich den ungläubigen Eroberern das Schreiben und das Bild Christi entgegen. Gegen Westen wird das Königreich Syrien vom Meere begrenzt. Der Ruin von Axadus, einer kleinen Halbinsel oder Insel an der Küste, wurde zehn Jahre hinausgeschoben. Die Berge des Libanon hatten Überfluß an Bauholz, Phönizien einen solchen an Seeleuten. Die Eingeborenen der Wüste rüsteten endlich eine Flotte von siebzehnhundert Booten aus und bemannten sie. Die kaiserliche Flotte der Römer floh vor ihnen vom pamphylischen Felsen zum Hellespont; denn der Mut des Kaisers, eines Enkel des Heraklius, war vor dem Kampfe durch einen Traum und durch ein Wortspiel gebrochen worden. Die Sarazenen waren Herren der See, und die Inseln Cypern und Rhodus, wie die Cykladen waren ihren räuberischen Besuchen preisgegeben. Dreihundert Jahre vor der christlichen Zeitrechnung hatte die denkwürdige aber vergebliche Belagerung von Rhodus durch Demetrius die Einwohner instandgesetzt mit den eroberten Materialien eine Trophäe zu errichten. Ein gigantisches Standbild des Apollo oder der Sonne, siebzig Ellen hoch, wurde am Eingange des Hafens als Denkmal der Freiheit und der Künste Griechenlands aufgestellt. Nachdem der Koloß von Rhodus sechsundfünfzig Jahre gestanden war, wurde er durch ein Erdbeben zum Einsturz gebracht, aber der riesige Rumpf und die ungeheuren Bruchstücke lagen acht Jahrhunderte zerstreut auf dem Boden und werden häufig als eines der Wunder der alten Welt beschrieben. Sie wurden durch die emsigen Sarazenen gesammelt und an einen jüdischen Kaufmann von Edessa verhandelt, der neunhundert Kamele mit den Erzen beladen haben soll. Dies war eine ungeheure Last, auch wenn wir die hundert kolossalen Figuren und die dreitausend Statuen einschließen, welche die Stadt der Sonne geschmückt hatten.

 

III. Die Eroberung, von Ägypten kann durch den Charakter des führenden Sarazenen, einem der ersten seines Volkes, erklärt werden, der in einem Zeitalter lebte, in dem der geringste seiner Brüder den Mut des Schwärmers besaß und über die Natur triumphierte. Amru war zugleich niedrig und hoch geboren: seine Mutter, eine bekannte Buhlerin, konnte nicht entscheiden, welcher von fünf Koreischiten sein Vater war, aber die Ähnlichkeit des Amru mit ihrem ältesten Geliebten Aasi sprach dafür, daß er dessen Sohn sei. In seiner Jugend stand Amru unter dem Einfluß seiner leidenschaftlichen und vorurteilsbehafteten Verwandten. Er verwendete seine dichterische Begabung dazu, um satyrische Verse gegen Mohammed und dessen Lehre zu machen, und die herrschende Partei gebrauchte ihn zur Verfolgung der wegen ihrer Religion verbannten Flüchtlinge, die am Hofe des Königs von Äthiopien Zuflucht gesucht hatten. Aber er kam von dieser Reise als geheimer Proselyt zurück. Verstand und Interesse bewogen ihn, dem Götzendienste zu entsagen. Er entfloh mit seinem Freunde Kaled aus Mekka, und der Prophet konnte die beiden treuesten Verfechter seiner Sache gleichzeitig umarmen. Die Ungeduld Amrus, die Heere der Gläubigen anzuführen, wurde durch den Propheten gezügelt, der ihn tadelte und ihm riet, nicht nach Herrschaft und Macht zu streben, weil, wer heute Untertan ist, morgen Fürst sein könne. Aber die beiden Nachfolger Mohammeds verkannten seine großen Eigenschaften nicht; sie verdankten ihm die Eroberung von Palästina. Er vereinte in allen Schlachten und bei Belagerungen in Syrien, die Mäßigung eines Anführers mit der Tapferkeit eines Soldaten. Bei einem Besuche in Medina wünschte der Kalif sein Schwert zu sehen, mit dem so viele christliche Krieger getötet worden waren. Der Sohn Aasis zeigte einen kurzen und gewöhnlichen Säbel, und als er das Erstaunen Omars gewahrte, sagte der bescheidene Sarazene: »Ach, das Schwert ist ohne den Arm seines Herrn weder schärfer noch gewichtiger als das Schwert des Dichters Pharezdak.« Nach der Eroberung von Ägypten wurde er von dem eifersüchtigen Kalifen Othman zurückgerufen. In den darauffolgenden Unruhen tauchte der ehrgeizige Krieger, Staatsmann und Redner aus dem Privatstande auf. Seine mächtige Hilfe im Felde wie im Rate ermöglichte es, den Thron der Ommijaden zu begründen. Die Herrschaft und Gelder von Ägypten wurden von dem dankbaren Moawijah, einem getreuen Freunde, zurückgegeben, der sich selbst über den Rang eines Untertanen erhoben hatte, und Amru endete seine Tage in dem Palaste und in der Stadt, die er an den Ufern des Nils gegründet hatte. Auf dem Sterbebette hielt er an seine Kinder eine Ansprache, die von den Arabern als Muster der Beredsamkeit und Weisheit gepriesen wird. Er beklagte die Irrtümer seiner Jugend, übertrieb aber das Gift, das in seinen Erzeugnissen enthalten war und das Unheil, das dieses angerichtet hatte, weil der Büßende die Eitelkeit des Poeten hatte.

Die Erlaubnis zum Einbruche in Ägypten hatte Amru aus seinem Lager in Palästina von dem Kalifen durch Überraschung erzwungen oder war ihr zuvorgekommen. Der hochherzige Chosroes vertraute auf Gott und sein Schwert, das die Throne Chosroes' und Cäsars erschüttert hatte; als er aber die Größe des Unternehmens mit der geringen Macht der Muselmanen verglich, verdammte er seine eigene Verwegenheit und schenkte seinen schüchternen Gefährten Gehör. Den Lesern des Korans war der Stolz und die Größe Pharaos wohl bekannt. Zehnfache Wunder hatten kaum hingereicht, nicht den Sieg, sondern die Flucht von sechsmalhunderttausend Israeliten zu sichern. Ägypten hatte zahlreiche, stark bevölkerte Städte, die stark und fest gebaut waren. Der Nil mit seinen zahlreichen Armen bildete allein eine fast unübersteigliche Schranke, und es war anzunehmen, daß die Kornkammer der kaiserlichen Stadt von den römischen Streitkräften mit Hartnäckigkeit verteidigt werden würde. In seiner Verlegenheit überließ der Beherrscher der Gläubigen die Entscheidung dem Zufall oder, seiner Meinung nach, der Vorsicht. Der unerschrockene Amru war an der Spitze von viertausend Arabern von seinem Posten Gaza aufgebrochen, als er von den Boten Omars eingeholt wurde. »Wenn Du noch in Syrien bist«, sagte der zweideutige Befehl, »so kehre ohne Verzug um; hast Du aber bei Empfang dieses Briefes bereits die Grenzen von Ägypten erreicht, so rücke mit Vertrauen vor, und verlaß Dich auf den Beistand Gottes und Deiner Brüder.« Erfahrung, vielleicht geheime Kunde hatten Amru Verdacht gegen die Festigkeit der Entscheidungen der Höfe eingeflößt. Er setzte seinen Marsch fort, bis es keinem Zweifel mehr unterlag, daß seine Zelte auf ägyptischem Boden aufgeschlagen waren. Nun versammelte er seine Offiziere und brach das Siegel, las das Schreiben, fragte erst feierlich um Namen und Zugehörigkeit des Ortes und erklärte dann, den Befehlen des Kalifen vollen Gehorsam leisten zu wollen. Nach dreißigtägiger Belagerung nahm er von Farmah oder Pelusium Besitz. Dieser Schlüssel von Ägypten; wie die Stadt mit Recht genannt wurde, erschloß dieses bis zu den Ruinen von Heliopolis und die Gegend des jetzigen Kairo.

Am westlichen Ufer des Nil, in geringer Entfernung östlich von den Pyramiden und südlich vom Delta, prangte Memphis. Es besaß einen Umfang von achtzehn Meilen und war mit der Pracht der alten Könige geschmückt. Unter der Herrschaft der Ptolomäer und Cäsaren war der Sitz der Regierung an die Meeresküste verlegt und die alte Hauptstadt durch die Künste und den Reichtum von Alexandria verdunkelt worden. Die Paläste und die Tempel verfielen und gingen der Vernichtung entgegen. Während der Herrschaft des Augustus, ja noch zu Zeiten Konstantins, wurde Memphis zu den größten und volkreichsten Provinzstädten gerechnet. Die Ufer des Nils, der an dieser Stelle dreitausend Fuß breit ist, waren durch zwei Schiffsbrücken von sechzig und dreißig Booten, die zu der mit Gärten und Häusern bedeckten Insel Ruda inmitten des Stromes führten, verbunden. Am östlichen Ende der Brücke stand die Stadt Babylon und befand sich das Lager einer römischen Legion, die den Übergang über den Fluß und die zweite Hauptstadt Ägyptens zu verteidigen hatte. Diese wichtige Festung, die mit Recht ein Teil von Memphis oder Misrah genannt werden kann, wurde von den Truppen des Stellvertreters Omars eingeschlossen. Bald langten in seinem Lager viertausend Sarazenen als Verstärkung an, und die Kriegsmaschinen, die mit ihren Geschossen die Mauern erschütterten, stammten wohl von seinen kunstfertigen syrischen Bundesgenossen. Die Belagerung dehnte sich jedoch sieben Monate aus, und die verwegenen Eindringlinge wurden von den aus den Ufern tretenden Wassern des Nils eingeschlossen und bedroht. Ihr letzter Sturm war kühn und von Glück begleitet; sie setzten über den Graben, obwohl er mit eisernen Speichen verbarrikadiert war, legten die Sturmleitern an, drangen mit dem Ruf: »Gott ist siegreich!« in die Festung und trieben den Rest der Griechen zu ihren Booten und auf die Insel Ruda. Der Platz gefiel dem Eroberer wegen der guten Verbindung mit dem Golfe und der Halbinsel von Arabien. Die Ruinen von Memphis wurden verlassen, die Zelte der Araber in Wohnungen zu ständigem Aufenthalt verwandelt, und die erste Moschee wurde in Anwesenheit von achtzig Gefährten Mohammeds eingesegnet. In ihrem Lager am östlichen Ufer des Nils erhob sich eine neue Stadt, und die benachbarten Viertel von Babylon und Fostat werden jetzt, verfallen wie sie sind, Altmisrah oder Kairo genannt. Kairo, Stadt des Sieges, heißt eigentlich die neue Hauptstadt, die im zehnten Jahrhundert von den fatimitischen Kalifen gegründet wurde. Sie ist allmählich verschwunden, läßt sich aber von dem aufmerksamen Beobachter von den Denkmälern des Sesostnis bis zu jenen des Saladin erkennen.

Die Araber hätten indes nach einem ruhmvollen und einträglichen Unternehmen in die Wüste zurückgehen müssen, wenn sie nicht im Herzen des Landes einen mächtigen Bundesgenossen gefunden hätten. Die schnelle Eroberung Alexanders war durch den Aberglauben und den Aufstand der Eingeborenen ermöglicht worden. Diese verabscheuten ihre persischen Unterdrücker, die Schüler der Magier, welche die Tempel der Ägypter verbrannt und mit frevelhafter Gier von dem Fleische ihres Gottes Apis gegessen hatten. Nach einem Zeitraum von zehn Jahrhunderten wiederholte sich eine ähnliche Umwälzung aus einer ähnlichen Ursache. Der Eifer der koptischen Christen, ihr Glaubensbekenntnis zu verteidigen, war ebenso groß, wie jener der Apisanbeter. Ich habe bereits den Ursprung und den Verlauf des monophysitischen Streites und die Verfolgung der Kaiser geschildert, die eine Sekte in eine Nation verwandelte und Ägypten ihrer Religion und Regierung entfremdete. Die Sarazenen wurden als Befreier der jakobitischen Kirche empfangen. Während der Belagerung von Memphis wurde heimlich ein Vertrag zwischen den Siegern und den ägyptischen Sklaven geschlossen. Ein reicher und edler Ägypter namens Mocawcas hatte seinen Glauben verheimlicht, um Verwalter der Provinz zu werden. Er hatte während der durch den persischen Krieg hervorgerufenen Unordnung nach Unabhängigkeit gestrebt, und die Gesandtschaft Mohammeds zählte ihn zu den Fürsten und versuchte ihn durch reiche Geschenke und zweideutige Artigkeiten zu ihrem Glauben zu bekehren, was jedoch nicht gelang. Durch den Mißbrauch seines Amtes hatte er die Bestrafung durch Heraklius zu fürchten, er verzögerte aus Stolz und Furcht seine Unterwerfung, und Eigennutz bestimmte ihn, sich die Gunst der Nation zu sichern und sich in die Arme der Sarazenen zu werfen. Bei seiner ersten Unterredung mit Amru wurde ihm die übliche Wahl gestellt: Koran, Tribut oder Schwert, was er ohne Entrüstung vernahm. »Die Griechen«, erwiderte Mocawcas, »sind entschlossen, das Schwert zu wählen; aber mit Griechen will ich keine Gemeinschaft, weder in dieser noch in jener Welt. Ich schwöre für immer dem byzantinischen Tyrannen, seiner Synode von Chalcedon und seinen melchitischen Sklaven ab. Ich selbst und meine Brüder sind entschlossen, im Glauben zum Evangelium und der Einheit Christi zu leben und zu sterben. Es ist uns unmöglich, die Offenbarung eures Propheten anzunehmen, aber wir sehnen uns nach Frieden und wollen gerne Tribut zahlen und den Nachfolgern des Propheten gehorchen.« Als Tribut wurden zwei Goldstücke für jeden Christen festgesetzt. Greise, Mönche, Frauen und Kinder unter sechzehn Jahren waren von dieser Kopfsteuer ausgenommen. Die Kopten oberhalb und unterhalb Memphis schwuren dem Kalifen Treue und versprachen, jeden Muselman, der durch ihr Land reisen würde, gastfrei zu bewirten. Durch dieses Abkommen wurde die geistliche und weltliche Tyrannei der Melchiten zerbrochen. Die Bannflüche Cyrills wurden von jeder Kanzel aus verkündet. Die heiligen Gebäude samt dem Eigentum der Kirchen wurden der Jakobitengemeinde zurückgegeben, die, ohne Mäßigung zu zeigen, den Augenblick des Triumphes und der Rache genoß. Auf die dringende Aufforderung Amrus kam der Patriarch Benjamin aus der Wüste, und der Araber erklärte, noch nie mit einem christlichen Priester mit reineren Sitten und ehrwürdigerem Aussehen gesprochen zu haben. Bei dein Zuge von Memphis nach Alexandria vertraute sich der Stellvertreter Omars den eifrigen und dankbaren Ägyptern an. Die Straßen und Brücken wurden emsig ausgebessert, und während seines ganzen Zuges konnte er sich darauf verlassen, mit Nahrungsmitteln und Nachrichten versorgt zu werden. Die Griechen von Ägypten, die kaum ein Zehntel der Eingeborenen betrugen, wurden in diesem allgemeinen Abfall überwältigt. Sie waren von jeher gehaßt worden und wurden nun nicht länger gefürchtet. Der Richter floh von seinem Tribunale, der Bischof von seinem Altar, und entferntere Besatzungen wurden umzingelt, überrumpelt oder ausgehungert. Wenn der Nil nicht eine sichere und schnelle Verbindung mit dem Meere gebildet hätte, wäre kein einziger, der durch Geburt, Sprache, Amt oder Religion zu den Griechen gehörte, entkommen.

Durch den Abzug der Griechen aus dem Provinzen von Oberägypten hatten sich beträchtliche Streitkräfte auf der Insel des Deltas gesammelt. Die natürlichen und künstlichen Kanäle des Nils bildeten eine starke Schranke, und die Straße nach Alexandria wurde in zwanzigtägigen Gefechten durch den Sieg der Sarazenen mühsam gereinigt. Die Belagerung von Alexandria ist in den Annalen ihrer Eroberung die vielleicht schwierigste und wichtigste Unternehmung. Die erste Handelsstadt der Welt war mit Mundvorräten und Verteidigungsmitteln im Überfluß versehen. Ihre zahlreichen Einwohner kämpften für Religion und Eigentum, und waren durch die Feindschaft der Eingeborenen von sonst geübter Duldung und vom Frieden ausgeschlossen. Der Zugang zur See war niemals gesperrt, und wenn Heraklius Augen für die öffentliche Not gehabt hätte, hätten dauernd frische Heere von Römern und Barbaren im Hafen ausgeschifft werden können, um die zweite Hauptstadt des Reiches zu retten. Wäre eine Linie von zehn Meilen zu besetzen gewesen, würden die Streitkräfte der Griechen längs dieser zerstreut worden sein, und ein tätiger Feind hätte zur Ausführung von Listen Gelegenheit gehabt. Aber zwei Seiten der ein längliches Viereck bildenden Stadt waren von dem Meere und dem See Maräotis gedeckt, und die beiden anderen Seiten waren nur je eine Meile lang. Die Anstrengungen der Araber waren der Schwierigkeit des Unternehmens und der Größe des Lohnes nicht unangemessen. Omar richtete von seinem Throne in Medina die Aufmerksamkeit auf das Lager und die Stadt. Er rief die arabischen Stämme und die Veteranen des syrischen Krieges zu den Waffen, und das Verdienst in den heiligen Krieg zu ziehen, wurde durch Ägyptens Ruhm und seine Fruchtbarkeit gesteigert. Voll Sehnsucht, ihre Tyrannen zu vertreiben oder zu vernichten, widmeten die treuen Eingeborenen ihre Dienste Amru; einige Funken kriegerischen Geistes wurden bei ihnen vielleicht durch das Beispiel ihrer Bundesgenossen entflammt, und der sanguinische Mocawcas hatte bestimmt, daß seine Gebeine in der heiligen Kirche des heiligen Johannes von Alexandria ruhen sollten. Der Patriarch Eutychius bemerkt, daß die Sarazenen mit Löwenmut kämpften. Sie schlugen die häufigen und fast täglichen Ausfälle der Belagerten zurück und griffen bald ihrerseits die Mauern und Türme der Stadt an. Bei jedem Angriffe war Amrus Schwert und Fahne in der vordersten Reihe der Angreifer zu erblicken. An einem denkwürdigen Tage verriet er sich jedoch durch seine unkluge Tapferkeit. Seine Begleiter, die in die Zitadelle eingedrungen waren, wurden zurückgetrieben, und der Feldherr blieb mit einem Freunde und einem Sklaven als Gefangener in den Händen der Christen. Als Amru vor den Präfekten geführt wurde, gedachte er seiner Würde und vergaß seine Lage. Er benahm sich stolz und sprach entschlossen wie es sich für den Stellvertreter des Kalifen geziemt, und schon war die Streitaxt eines Soldaten erhoben, um dem verwegenen Gefangenen den Kopf zu spalten. Sein Leben wurde durch einen geistesgegenwärtigen Sklaven gerettet, der seinen Gebieter unverweilt ins Antlitz schlug und ihm mit zornigem Ton gebot, in Gegenwart seines Vorgesetzten zu schweigen. Der leichtgläubige Grieche ließ sich täuschen; er war über den vorgeschlagenen Friedensvertrag erfreut und entließ seinen Gefangenen in der Hoffnung, bald eine ehrenvolle Gesandtschaft zu empfangen. Die laute Freude im Lager über die Rückkehr des Feldherrn, der Hohn mit dem er überschüttet wurde, ließ ihn seinen Irrtum erkennen. Endlich, nach vierzehnmonatlicher Belagerung und dem Verluste von dreiundvierzigtausend Mann, gewannen die Sarazenen die Oberhand. Die an Zahl verminderten und entmutigten Griechen schifften sich ein, und die Fahne Mohammeds wehte auf den Mauern der Hauptstadt von Ägypten. »Ich habe«, meldet Amru dem Kalifen, »die große Stadt des Westens eingenommen. Es ist mir unmöglich, ihre Reichtümer und Schönheit zu beschreiben, ihre Mannigfaltigkeit zu erklären. Ich begnüge mich damit zu sagen, daß sie viertausend Paläste, viertausend Bäder, vierhundert Theater oder Belustigungsplätze, zwölftausend Buden zum Verkaufe von Gemüse hat und daß vierzigtausend zinspflichtige Juden in ihr wohnen. Die Stadt ist durch Waffengewalt und nicht durch Kapitulation oder einen Vertrag eingenommen worden, und die Muselmanen dürsten, die Früchte ihres Sieges zu ernten.« Der Beherrscher der Gläubigen verbat mit Festigkeit die Plünderung und befahl seinem Stellvertreter, den Reichtum und die Einkünfte von Alexandria zum allgemeinen Besten zu bewahren und zur Verbreitung des Glaubens zu verwenden. Die Einwohner wurden gezählt, ihnen ein Tribut auferlegt, der Glaubenseifer und die Rachegelüste der Jakobiten gezügelt, und den Melchiten, die sich den Arabern willig unterwarfen, die ruhige Ausübung ihres Gottesdienstes gestattet. Die Nachricht von diesem schimpflichen und unglücklichen Ereignisse übte Einfluß auf die Gesundheit des Kaisers Heraklius aus, der sieben Wochen nach dem Verluste von Alexandria an der Wassersucht starb. Das Geschrei des seines täglichen Unterhaltes beraubten Volkes zwang den Hof von Byzanz, während der Minderjährigkeit von Heraklius' Enkel die Wiedereroberung der Hauptstadt von Ägypten zu versuchen. Innerhalb vier Jahren wurde der Hafen und die Festungswerke von Alexandria zweimal von einer römischen Flotte und Armee besetzt. Zweimal mußten die Römer dem tapferen Amru weichen, der wegen dieser Gefahr aus den fernen Kriegen von Tripolis und Nubien zurückgerufen wurde. Aber die Leichtigkeit mit der die Versuche gelangen, der wiederholte Schimpf und der hartnäckige Widerstand reizten ihn zu dem Schwure, daß er, wenn er die Ungläubigen ein drittesmal in das Meer treiben müsse, Alexandria von allen Seiten so zugänglich machen würde, wie das Haus einer Buhlerin. Treu seinem Versprechen, ließ er später einen Teil der Mauern und Türme abtragen. Das Volk wurde jedoch bei der Züchtigung der Stadt verschont und die Moschee der Barmherzigkeit auf dem Platze errichtet, wo der Feldherr seinen wütenden Truppen Einhalt geboten hatte.

Ich würde den erwartungsvollen Leser täuschen, wenn ich das Schicksal der alexandrinischen Bibliothek, wie es von dem gelehrten Abulpharagius geschildert wird, mit Stillschweigen überginge. Amru war wißbegieriger und gebildeter als seine Brüder, und der arabische Feldherr liebte es, in seinen Mußestunden mit Johann zu sprechen, dem letzten Schüler des Ammonius, Philoponus genannt, wegen seines anstrengenden Studiums der Grammatik der Philosophie. Durch den vertraulichen Umgang ermutigt, wagte es Philoponus, um ein Geschenk, seiner Meinung nach unschätzbar, verächtlich in jener der Barbaren, zu bitten. Es war die Bibliothek, die als einziges Beutestück nicht das Siegel des Eroberers trug und von diesem nicht mit Beschlag belegt worden war. Amru war geneigt, dem Wunsche des Grammatikers zu willfahren, aber in seiner Redlichkeit weigerte er sich, ohne die Einwilligung des Kalifen das geringste zu verschenken. Omars Antwort war die eines unwissenden Schwärmers. »Wenn diese Schriften der Griechen mit dem Buche Gottes übereinstimmen, sind sie überflüssig und brauchen nicht aufbewahrt zu werden; wenn sie mit ihm nicht übereinstimmen, sind sie gefährlich und müssen vernichtet werden.« Dieses Urteil wurde in blindem Gehorsam vollzogen: die Papyrus- und Pergamentrollen wurden auf die viertausend Bäder der Stadt verteilt, und ihre Zahl war so groß, daß sechs Monate mit ihnen geheizt wurde. Seitdem die Dynastienbeschreibungen des Abulpharagius der Welt in einer lateinischen Übersetzung wiedergegeben worden sind, hat man diese Geschichte wiederholt abgeschrieben, und jeder Gelehrte hat mit frommer Entrüstung den unwiederbringlichen Verlust der Gelehrsamkeit, Künste und des Geistes des Altertums beklagt. Was mich betrifft, so bin ich sehr versucht, sowohl die Tatsache, als die Folgen in Abrede zu stellen. Die Tatsache ist fürwahr wunderbar: »Lies und staune«, sagt der Geschichtschreiber selbst. Der einzige diesbezügliche Bericht eines Fremden, der nach sechshundert Jahren an Mediens Grenze schrieb, wird durch das Schweigen von zwei Annalenschreibern früherer Zeiten Lügen gestraft, die beide Christen und geborene Ägypter waren. Der ältere, der Patriarch Eutychius, hat die Eroberung von Alexandria eingehend beschrieben. Die strenge Entscheidung Omars widerspricht den vernünftigen und orthodoxen Vorschriften der mohammedanischen Kasuisten. Sie erklären ausdrücklich, daß die im Kriege eroberten Religionsbücher der Juden und Christen niemals verbrannt werden durften, und daß die profanen Werke der Geschichtschreiber oder Dichter, Ärzte oder Philosophen berechtigterweise zum Nutzen der Gläubigen verwendet werden sollen. Die ersten Nachfolger Mohammeds scheinen allerdings eifrige Zerstörer gewesen zu sein; in diesem Falle aber würde der Brand aus Mangel an Material bald erloschen sein. Ich werde die Unfälle der alexandrinischen Bibliothek nicht wiederholt aufzählen; die Feuersbrunst, die Cäsar zu seiner Verteidigung entzündete, der Glaubenseifer der Christen, die die Denkmäler des Götzendienstes zu zerstören trachteten. Wenn wir aber vom Zeitalter der Antonine bis zu dem des Theodosius nachforschen, so erfahren wir von einer Anzahl von Zeugen, daß der königliche Palast und der Tempel des Serapis die vier- oder gar siebenhunderttausend Bände nicht mehr enthielten, welche die wißbegierigen und freigebigen Ptolomäer gesammelt hatten. Vielleicht war der Sitz und die Kirche des Patriarchen durch eine Büchersammlung bereichert worden, wenn jedoch die zahlreichen Bücher über den arianischen und monophysitischen Streit in den öffentlichen Bädern verbrannt worden wären, könnte ein Philosoph lächelnd zugeben, daß sie doch zuletzt der Menschheit etwas genützt haben. Ich bedaure es aufrichtig, daß wertvollere Büchersammlungen durch den Sturz des römischen Reiches vernichtet wurden. Wenn ich aber die jahrhundertelange Verschwendung aus Unwissenheit und Kriegsursachen bedenke, staune ich weit mehr über die erhalten gebliebenen Schätze, als über die Verluste. Viele merkwürdige und interessante Tatsachen sind in Vergessenheit geraten; die Werke der drei großen Geschichtschreiber Roms sind nur verstümmelt erhalten, und es fehlen und wir entbehren viele Werke der lyrischen, jambischen und dramatischen Poesie der Griechen. Aber wir sollten uns erinnern, daß die klassischen Werke, denen das Altertum den ersten Rang an Genie und Ruhm angewiesen hat, auf uns gekommen sind und den Zerstörungen durch die Zeit und den Zufall getrotzt haben. Die Lehrer frühen Wissens, deren Werke noch erhalten sind, haben die Schriften ihrer Vorgänger gelesen und miteinander verglichen, und es läßt sich nicht mit Grund behaupten, daß die Kenntnis irgendwelcher früher bekannten Dinge aus der Natur und Kunstwelt uns entzogen worden ist.

Bei der Verwaltung von Ägypten ließ Amru die Grundsätze der Gerechtigkeit und die Forderungen der Politik sprechen. Bei den wiederholten Tumulten der Eroberung und Befreiung wütete das Schwert der Araber und die Zunge der Kopten am meisten gegen die Provinz. Den Kopten erklärte Amru, daß Zwietracht säen und Lügen verbreiten doppelt an den Anklägern gestraft werden würde, die er als seine persönlichen Feinde verachten werde, und daß ihre unschuldigen Brüder, die sie kränken und ausstechen wollten, befördert werden würden. Die Araber munterte er auf, empfahl ihnen, ihre Würde, Religion und ihren Charakter zu bewahren und sich durch gemäßigtes Benehmen Gott und dem Kalifen angenehm zu machen. Ferner forderte er sie auf, ein Volk, das ihrem Worte getraut hat, zu schonen und zu beschützen und sich mit den zugeteilten, rechtmäßigen Belohnungen für den Sieg zu begnügen. Er verwarf bei der Tributerhebung die einfache, aber drückende Methode einer Kopfsteuer und zog mit Recht Abgaben vor, die verhältnismäßig nach den Gewinnen beim Handel und Ackerbau bestimmt wurden. Der dritte Teil dieser Abgaben wurde zur Ausbesserung der für alle so wichtigen Deiche und Dämme verwendet. Unter seiner Verwaltung versorgte das fruchtbare Ägypten das unfruchtbare Arabien. Kamelkarawanen, die Korn und Lebensmittel transportierten, bewegten sich ohne Unterbrechung auf der langen Straße von Memphis nach Medina. Der geniale Amru machte es jedoch bald möglich, die Waren zu Wasser zu transportieren. Von den Pharaonen, den Ptolomäern, den Cäsaren war ein Werk begonnen oder beendet worden, das von ihm neuerlich instand gesetzt wurde. Ein mindestens sechzig Meilen langer Kanal wurde vom Nil zum Roten Meere gegraben. Dieser Wasserweg, der das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbunden hätte, wurde jedoch bald wieder aufgegeben. Der Thron ward von Medina nach Damaskus verlegt, und die griechischen Flotten hätten einen Weg nach den heiligen Städten von Arabien gehabt.

Der Kalif Omar hatte von seiner neuen Eroberung nur eine sehr unvollständige Kenntnis, die ihm durch den Koran und durch Nachrichten vermittelt worden war. Er verlangte, daß ihm sein Stellvertreter das Reich Pharaos und der Amalekiter beschreibe, und die Antwort Amrus gibt eine lebendige und nicht ungetreue Schilderung dieses Landes. »O Beherrscher der Gläubigen, Ägypten ist ein Gemengsel von schwarzer Erde und grünen Pflanzen, von pulverisiertem Gebirge und rotem Sande. Die Entfernung von Syene bis zum Meer beträgt eine Monatsreise für einen Reiter. Das Tal entlang fließt ein Strom, auf dem der Segen des Allerhöchsten am Abend und am Morgen ruht und der je nach dem Stand der Sonne und des Mondes steigt und fällt. Wenn durch die Gnade der Vorsehung jährlich die Brunnen und Quellen zu fließen beginnen, so führt der Nil seine anschwellenden Gewässer durch das Königreich Ägypten; die Felder werden von der Flut bedeckt, und die Städte verkehren miteinander mittels bemalter Barken. Bei Rückgang der Überschwemmung bleibt ein befruchtender Schlamm zurück; die Landwirte, die sich über das Land ergießen, können mit einem Schwarm fleißiger Ameisen verglichen werden. Ihre angeborene Trägheit wird durch die Geißel des Zuchtmeisters und die Hoffnung auf reiche Ernte an Blumen und Früchten vermindert. In ihrer Hoffnung werden sie nur selten getäuscht; aber die Reichtümer, die sie aus Weizen, Gerste, Reis, Hülsenfrüchten, Obstbäumen und Vieh gewinnen, sind ungleichmäßig zwischen denjenigen verteilt, die arbeiten und jenen, die besitzen. Je nach der Jahreszeit sieht das Land wie eine silberne Woge oder ein grüner Smaragd aus oder leuchtet vor der kommenden Ernte.« Diese Ordnung wird jedoch bisweilen unterbrochen und das lange Ausbleiben der Wässer und das plötzliche Anschwellen des Flusses im ersten Jahre nach der Eroberung gab einer erbaulichen Fabel einen Schein von Wahrheit. Omar soll die jährliche Opferung einer Jungfrau untersagt haben; daraufhin schmollte der Nil und blieb untätig in seinem seichten Bette, bis der schriftliche Befehl des Kalifen, der in den gehorsamen Strom geworfen wurde, diesen dazu brachte, in einer einzigen Nacht sechzig Ellen anzuschwellen. Die Bewunderung der Araber für ihre neue Eroberung steigerte ihren Hang zur Romantik. Wir können bei den ernstesten Schriftstellern lesen, daß Ägypten zwanzigtausend große und kleine Städte besaß; daß, ohne die Griechen und die Araber, bei Registrierung der Steuerpflichtigen die Kopten allein sechs Millionen zinspflichtige Untertanen oder zwanzig Millionen jedes Geschlechtes und Alters zählten; ferner, daß dreihundert Millionen in Gold und Silber aus Ägypten jährlich in den Schatz des Kalifen flossen. Vernünftigerweise glauben wir diese ausschweifenden Behauptungen nicht, die um so unglaubhafter werden, wenn wir den Umfang und Flächeninhalt des bewohnten Striches betrachten: ein Tal, das vom Wendekreis bis Memphis reichte und selten breiter war als zwölf Meilen, ferner das Delta, das mit zweitausendeinhundert Quadratstunden den zwölften Teil des Flächeninhaltes Frankreichs besitzt. Eine genaue Nachforschung rechtfertigt eine vernünftigere Schätzung. Die durch den Irrtum eines Schreibers entstandenen dreihundert Millionen vermindern sich zu der noch immer ansehnlichen Summe von vier Millionen dreihunderttausend Goldstücken, wovon neunhunderttausend zum Sold der Truppen verwendet wurden. Zwei authentische Listen aus dem neunzehnten und zwölften Jahrhundert geben die Zahl der kleineren und größeren Städte mit zweitausendsiebenhundert an. Ein französischer Konsul hat, nach langem Aufenthalte in Ägypten, die Zahl der Mohammedaner, Christen und Juden mit vier Millionen anzugeben gewagt.

IV. Die Eroberung von Afrika vom Nil bis zum Atlantischen Ozean wurde zuerst durch die Heere des Kalifen Othman versucht. Der fromme Plan wurde von Gefährten Mohameds und den Häuptern der Stämme gebilligt, und zwanzigtausend Araber zogen von Medina mit den Geschenken und dem Segen des Beherrschers der Gläubigen aus. Im Lager von Memphis stießen zwanzigtausend ihrer Landsleute zu ihnen. Die Leitung des Krieges wurde Abdallah, dem Sohne Saids und Milchbruder des Kalifen, anvertraut, der kürzlich an die Stelle des Eroberers und Statthalters von Ägypten gekommen war. Aber weder die Gunst des Fürsten, noch das Verdienst des Günstlings vermochte die Schuld der Abtrünnigkeit auszulöschen. Abdallah empfahl sich für das wichtige Amt, den Koran abzuschreiben, durch seine frühe Bekehrung und seine geschickte Feder. Er täuschte das in ihn gesetzte Vertrauen, veränderte den Text, verlachte die Vorwürfe über die Fehler, die er gemacht hatte und floh nach Mekka, um dem Grimme des Apostels zu entgehen und dessen Unwissenheit zu verkünden. Nach der Eroberung von Mekka stürzte er sich Mohamed zu Füßen; seine Tränen und die Bitten Othmans erpreßten eine ungern gewährte Begnadigung, aber der Prophet erklärte, daß er so lange gezögert hätte, um irgendeinem eifrigen Jüngling Zeit zu geben, seine Unbilden durch das Blut des Abtrünnigen zu rächen. Mit scheinbarer Treue und wirklichen Leistungen diente er nun der Religion, die zu verlassen nicht länger in seinem Interesse lag; durch seine Geburt und seine Verdienste erhielt er einen ehrenvollen Rang unter den Koreischiten, und Abdallah war bei einer Reiternation als der kühnste und geschickteste Reiter Arabiens berühmt. An der Spitze von vierzigtausend Muselmanen drang er aus Ägypten nach den unbekannten Ländern des Westens vor. Die Sandflächen von Barca mochten für eine römische Legion undurchdringlich sein; aber die Araber hatten ihre treuen Kamele mit, und sie sahen, Eingeborene der Wüste, einen Boden und ein Klima, womit sie längst vertraut waren. Nach einem beschwerlichen Marsch schlugen sie ihre Zelte vor den Mauern von Tripolis auf, eine Seestadt, auf die sich der Name, der Reichtum und die Bewohner der Provinz allmählich konzentriert hatten und die jetzt den dritten Rang unter den Barbareskenstaaten einnimmt. Eine Abteilung Griechen, welche die Besatzung verstärken sollte, wurde an der Küste überrumpelt und niedergehauen; aber die Festungswerke von Tripolis widerstanden den ersten Angriffen, und die Sarazenen ließen sich durch die Annäherung des Präfekten Gregorius verleiten, die Belagerung aufzugeben und eine entscheidende Schlacht zu wagen. Wenn seiner Fahne wirklich hundertzwanzigtausend Mann folgten, müssen sich die regulären Truppen des Reiches in dem ordnungslosen Haufen der Afrikaner und Neger verloren haben, der seine Heerschar bildete. Er verwarf mit Entrüstung den Vorschlag, zwischen Koran und Tribut zu wählen, und mehrere Tage hindurch fochten die beiden Heere grimmig von der Morgendämmerung bis Mittag, zu welcher Zeit sie die Ermüdung und außerordentliche Hitze zwangen, in ihren Zelten Obdach und Erfrischung zu suchen. Die Tochter Gregors, eine Jungfrau von unvergleichlicher Schönheit und Unerschrockenheit, soll an seiner Seite gefochten haben; von frühester Jugend an, war sie gewöhnt zu reiten, mit dem Bogen zu schießen und den Säbel zu handhaben, und ihre reichen Waffen und ihr Anzug leuchteten in den vordersten Reihen der Schlacht. Ihre Hand und hunderttausend Goldstücke wurden für das Haupt des arabischen Feldherrn geboten, und die Jünglinge Afrikas durch den reichen Preis angefeuert. Auf die dringenden Bitten seiner Brüder mied Abdallah das Schlachtfeld, aber die Sarazenen wurden durch die Abwesenheit ihres Führers und durch wiederholte unentschiedene oder verlorene Gefechte entmutigt.

Ein edler Araber, später Alis Gegner und Vater eines Kalifen, hatte sich durch Tapferkeit in Ägypten ausgezeichnet. Zobeir war der erste gewesen, der die Sturmleitern an die Mauern von Babylon legte. In dem afrikanischen Kriege war er der Fahne Abdallahs fern. Auf die Kunde von der Schlacht schlug sich Zobeir mit zwölf Gefährten durch das Lager der Griechen und stürmte, ohne sich Ruhe zu gönnen und Nahrung zu genießen, vorwärts, um an den Gefahren seiner Brüder teilzunehmen. Seine Blicke flogen über das Schlachtfeld: »Wo ist unser Feldherr?« fragte er. »In seinem Zelte.« »Ist das Zelt ein Posten für den Feldherrn der Muselmanen?« Abdallah stellte mit Erröten die Wichtigkeit seines eigenen Lebens dar und wies auf die Ankündigung des römischen Präfekten hin. »Vergilt den Ungläubigen ihr kleinmütiges Benehmen«, antwortete Zobeir. »Verkünde, daß das Haupt Gregors mit seiner Tochter und der gleichen Summe bezahlt werden solle.« Dem einsichtigen und mutigen Zobeir vertraute der Stellvertreter des Kalifen die Ausführung der von jenem entworfenen Kriegslist an, welche die Entscheidung zugunsten der Sarazenen mit sich brachte. Durch Tätigkeit und Schlauheit die mangelnde Zahl ersetzend, lag ein Teil ihrer Streitkräfte still im Lager, während der Rest den Feind in unregelmäßigen Gefechten hinhielt, bis die Sonne am höchsten stand. Auf beiden Seiten zog man sich ermattet zurück; die Pferde wurde abgezäumt, die Rüstungen beiseitegelegt, und die Gegner bereiteten sich vor oder schienen sich für das morgige Gefecht vorzubereiten und die Erfrischungen des Abends zu sich zu nehmen. Plötzlich wurde zum Angriff geblasen, aus dem Lager der Araber ergoß sich ein Schwarm frischer und unerschrockener Krieger; die Griechen und Afrikaner wurden durch die neuen Geschwader der Gläubigen, die fanatischen Augen als eine vom Himmel herabgekommene Schar von Engeln erscheinen mochte, in Bestürzung gesetzt. Mit dem Angriff wurden ihre Reihen durchbrochen; der Präfekt selbst fiel von der Hand Zobeirs, seine Tochter, die Rache und Tod suchte, wurde umzingelt und gefangen. Die Flüchtlinge verwickelten die Stadt Sufetula in ihr Unglück, wohin sie vor den Sarazenen geflohen waren. Sufetula lag hundertfünfzig Meilen südlich von Karthago. Ein sanfter Abhang wurde von einem Strome bewässert und von einem Hain von Wacholderbäumen beschattet. Die Ruinen eines Triumphbogens, eines Porticus und dreier Tempel korinthischen Stils lassen uns noch heute die Großartigkeit der Römer bewundern. Nach dem Falle dieser reichen Stadt flehten die Provinzbewohner und Barbaren von allen Seiten den Eroberer um Gnade an. Die Tributanerbietungen oder die Versicherungen, seinen Glauben zu bekennen, mögen dem eitlen oder religionseifrigen Feldherrn geschmeichelt haben, aber seine Verluste, die Ermattung der Truppen und das Fortschreiten einer epidemischen Seuche verhinderten die Gründung einer festen Ansiedlung, und die Sarazenen kehrten nach fünfzehnmonatlichem Feldzuge an Ägyptens Grenzen mit Gefangenen und Reichtümern aus dem afrikanischen Feldzug zurück. Das dem Kalifen gehörige Fünftel der Beute wurde einem Günstling auf die nominelle Bezahlung von fünfhunderttausend Goldstücken überlassen, aber der Staat wurde durch diesen betrügerischen Vorgang doppelt geschädigt, wenn in Wirklichkeit bei der Teilung des Raubes jeder Fußsoldat tausend und jeder Reiter dreitausend Goldstücke erhielt. Man erwartete, daß der Besieger Gregors von der Beute den köstlichsten Teil fordern würde. Er meldete sich jedoch nicht und man vermutete deshalb, daß er gefallen wäre. Erst als die Tochter des Präfekten bei seinem Anblick zu weinen begann, offenbarte sich die Bescheidenheit dieses edlen Kriegers. Die unglückliche Jungfrau wurde dem Mörder ihres Vaters angeboten und von ihm als Sklavin verworfen, indem er erklärte, daß sein Schwert dem Dienste der Religion geweiht sei, und daß er für einen weit erhabeneren Lohn arbeite, als die Reize irdischer Schönheit oder die Reichtümer dieses vergänglichen Lebens. Eine seinem Charakter angemessenere Belohnung war der ehrenvolle Auftrag, dem Kalifen Othman den Erfolg seiner Waffen zu verkünden. Die Gefährten Mohammeds, die Häuptlinge und das Volk waren in der Moschee von Medina versammelt, um die interessante Erzählung Zobeirs zu hören, und da der Redner nichts vergaß, als die Erzählung seiner eigenen Taten und Ratschläge, stellten die Araber Abdallah den Helden Kaled und Amru zur Seite.

Die westlichen Eroberungen der Sarazenen unterblieben fast zwanzig Jahre, bis ihre Spaltungen durch die feste Gründung des Hauses Ommijah beigelegt worden waren; ja der Kalif Moawijah wurde durch die Afrikaner selbst in ihr Land eingeladen. Die Nachfolger des Heraklius hatten von dem Tribut Kunde bekommen, den diese gezwungen waren, den Arabern zu bezahlen; statt aber Mitleid zu haben und ihrer Not abzuhelfen, legten sie ihnen einen zweiten Tribut in gleicher Höhe auf. Ihre byzantinischen Minister waren ihren Klagen wegen ihrer Armut und ihres Ruins gegenüber taub. Ihre Verzweiflung brachte sie dahin, die Herrschaft eines einzigen Gebieters vorzuziehen, und die Erpressungen des Patriarchen von Karthago, der die Zivil- und Militärgewalt in Händen hatte, reizten die Sektierer, ja sogar die Katholiken der römischen Provinz, sich sowohl von der Religion ihres Tyrannen abzuwenden, als seine Herrschaft zu fliehen. Der erste Statthalter Moawijah erwarb wohlverdienten Ruhm, unterwarf eine wichtige Stadt, schlug ein Heer von dreißigtausend Griechen, schleppte achtzigtausend Gefangene mit sich fort und bereicherte mit der Beute die kühnen Abenteurer aus Syrien und Ägypten. Aber der Titel eines Eroberers von Afrika gebührt mit mehr Recht seinem Nachfolger Akbah. Er zog von Damaskus an der Spitze von zehntausend der tapfersten Araber aus, und die Streitmacht der Muselmanen wurde durch viele tausend bekehrte Barbaren vergrößert, die zweifelhafte Hilfskräfte darstellten. Es wäre ebenso schwer wie unnötig, den Weg und die Fortschritte Akbahs genau zu verfolgen. Die inneren Gegenden Ägyptens sind von den Orientalen mit erdichteten Heeren bevölkert und mit Schlössern besetzt worden. In der kriegerischen Provinz Zab oder Numidien mochten sich achtzigtausend Eingeborene in Waffen versammelt haben; aber die angegebene Zahl von dreihundertsechzig Städten ist unvereinbar mit dem Verfalle der Landwirtschaft, und der angebliche Umfang von drei Stunden wird durch die Ruinen von Erbe oder Lambesa, der alten Hauptstadt des Binnenlandes, nicht gerechtfertigt. Wenn wir uns der Seeküste nähern, bestimmen die wohlbekannten Städte Bugia und Tanger die Siegesgrenzen der Sarazenen genauer. Ein Rest des früheren Handels hat sich in Bugia mit seinem bequemen Hafen erhalten, das in einer glücklicheren Zeit zwanzigtausend Häuser gehabt haben soll. Der Reichtum an Eisen, das in den benachbarten Bergen gewonnen wird, hätte einem tapferen Volk die Möglichkeit geboten, sich Verteidigungswerkzeuge zu machen. Tingi oder Tanger ist wegen seiner großen Entfernung und seines Alters mit griechischen und arabischen Fabeln geschmückt worden; aber die bildlichen Ausdrücke der letzteren, wonach die Mauern aus Erz gebaut und die Dächer mit Gold und Silber gedeckt gewesen wären, müssen als Sinnbilder des Reichtums und der Stärke ausgelegt werden. Die Provinz Mauritania Tingitana, die von der Hauptstadt den Namen führte, ist von den Römern teilweise entdeckt und unvollständig besiedelt worden. Die fünf Kolonien waren auf einen kleinen Bereich beschränkt, und die südlicheren Teile wurden selten besucht, außer von Elfenbeinjägern, Zitronenholzsuchern und Leuten, die am Strand nach Purpurmuscheln suchten. Der furchtlose Akbah drang in das Herz des Landes vor, durchzog die Wildnis, in der seine Nachfolger die glänzenden Städte Fez und Marokko errichtet haben, und drang endlich bis zum Atlantischen Ozean und zur Wüste vor. Der Fluß Sus entströmt den westlichen Abhängen des Atlasgebirges, befruchtet, gleich dem Nil, die Umgebung und ergießt sich in mäßiger Entfernung von den Kanarischen oder Glücklichen Inseln ins Meer. Seine Ufer waren von Negern bewohnt, einem wilden Volke, ohne Gesetz, Zucht und Religion; sie staunten über die ihnen unbekannten Waffen der Orientalen, denen sie nicht widerstehen konnten, und da sie weder Gold noch Silber besaßen, war die erstrebteste Beute die schönen Weiber, von denen manche später für tausend Goldstücke verkauft wurden. Akbah wurde bei seinem Vordringen, nicht in seinem Eifer, durch den Ozean gehemmt. Er trieb sein Pferd in die Wogen, erhob sein Gesicht gegen Himmel und rief im Tone eines Schwärmers aus: »Großer Gott, wenn mein Vordringen nicht durch dieses Meer aufgehalten worden wäre, könnte ich vorwärts dringen zu den unbekannten Reichen des Westens, um die Einheit deines heiligen Namens zu predigen und die rebellischen Nationen, die andere Götter als dich verehren, mit dem Schwerte auszurotten.« Aber dieser mohammedanische Alexander, der nach neuen Welten seufzte, war nicht imstande, seine gemachten Eroberungen zu behaupten. Durch den allgemeinen Abfall der Griechen und Afrikaner wurde er von den Gestaden des Atlantischen Ozeans zurückgerufen, und die ihm umzingelnden Heerscharen ließen ihm nur den Ausweg eines ehrenvollen Todes. Die letzte Szene zeigt noch ein Beispiel der Nationaltugend. Ein ehrgeiziger Anführer, der den Oberbefehl an sich reißen wollte, aber an diesem Unternehmen scheiterte, wurde als Gefangener der Araber mitgeführt. Die Aufrührer hatten auf seine Unzufriedenheit und Rachegelüste gerechnet; er verwarf ihre Anträge und offenbarte ihre Pläne. In der Stunde der Gefahr löste der dankbare Akbah seine Fesseln und riet ihm, zu fliehen; er zog es aber vor, unter dem Kommando seines Nebenbuhlers zu sterben. Sie umarmten sich als Freunde und Märtyrer, zogen ihre Säbel, zerbrachen die Scheiden und kämpften lange und hartnäckig, bis sie nebeneinander auf die letzten ihrer niedergemetzelten Vaterlandsgenossen sanken. Der dritte Feldherr oder Statthalter von Afrika, Zuheir, rächte das Schicksal seines Vorgängers, erlitt es schließlich aber selbst. Er besiegte die Eingeborenen in vielen Schlachten, wurde aber von einem mächtigen Heer geschlagen, das Konstantinopel Karthago zu Hilfe gesandt hatte.

Es war häufig die Gewohnheit der Negerstämme, sich mit den Angreifenden zu vereinigen, die Beute zu teilen, den Glauben der Muselmanen zu bekennen und, sobald diese abgezogen waren oder ins Unglück gerieten, sich zu empören und zu ihrer früheren Unabhängigkeit und Götzendienerei zurückzukehren. Der kluge Akbah hatte vorgeschlagen, eine arabische Kolonie im Herzen von Afrika zu gründen, eine Festung zu errichten, von der aus die wankelmütigen Barbaren gezähmt werden konnten, die gleichzeitig ein Zufluchtsort sein könne, der während der Wechselfälle des Krieges die Sarazenen und ihren Reichtum schützen würde. Er gründete diese Kolonie, die er bescheiden Karawanenstation nannte, im fünfzigsten Jahre der Hegira. Kairoan nimmt auch heute noch, trotz des Verfalles, die zweite Stelle im Königreiche Tunis ein, von welcher Stadt es fünfzig Meilen südlich liegt. Die Binnenlage der Stadt, zwölf Meilen westlich vom Meere, bewahrte sie vor der Flotte der Griechen und Sizilianer. Nachdem die reißenden Tiere und Schlangen vertilgt, der Wald gerodet worden war, entdeckte man in einer sandigen Ebene die Spuren einer römischen Stadt. Das Gemüse für Kairoan muß weit hergebracht werden, und der Mangel an Brunnen zwingt die Einwohner, Regenwasser in Zisternen und Behältern aufzubewahren. Diese Hindernisse wurden durch den tätigen Akbah beseitigt, und er errichtete eine Ziegelmauer von dreitausendsechshundert Schritten Länge. Nach Ablauf von fünf Jahren war der Palast des Statthalters mit einer hinreichenden Anzahl von Privathäusern umgeben, eine Moschee wurde von fünfhundert Säulen aus Granit, Porphyr und numidischem Marmor getragen, und Kairoan wurde der Sitz der Gelehrsamkeit wie der Regierung. Aber dieser Glanz wurde erst in einem späteren Zeitalter erreicht; die neue Kolonie wurde durch Akbahs und Zuheirs Niederlagen erschüttert, und die Unternehmungen gegen den Westen wurden durch bürgerliche Zwietracht innerhalb der arabischen Monarchie wieder unterbrochen. Der Sohn des tapferen Zobeir führte einen siebenjährigen Krieg gegen das Haus Ommijah und hielt eine siebenmonatliche Belagerung aus. Man sagte von Abdallah, daß er den Mut eines Löwen mit der Schlauheit eines Fuchses vereinige; aber er hatte nur den Mut, nicht die Hochherzigkeit seines Vaters geerbt.

Die Herstellung des inneren Friedens erlaubte es dem Kalifen Abdalmalek, die Eroberung von Afrika wieder aufzunehmen. Die Fahne wurde dem Statthalter von Ägypten, Hassan, übergeben, und das Einkommen dieses Königreiches nebst einem Heere von vierzigtausend Mann für dieses Unternehmen bestimmt. Während des Krieges waren die Binnenprovinzen von den Sarazenen bald erobert, bald verloren worden. Die Seeküste blieb jedoch dauernd in den Händen der Griechen; die Vorgänger Hassans hatten den Ruf und die Befestigungen Karthagos gescheut, und die Zahl ihrer Verteidiger war durch die Flüchtlinge von Cabes und Tripolis verstärkt worden. Hassan war kühner und glücklicher; er bezwang und plünderte die Hauptstadt von Afrika. Die Erwähnung von Sturmleitern scheint anzudeuten, daß er durch einen unerwarteten Angriff einer langen, regelmäßigen Belagerung auswich. Aber die Freude der Sieger wurde bald durch das Erscheinen christlicher Heere gestört. Der Präfekt und Patrizier Johann, ein Feldherr von Ruf und Erfahrung, schiffte sich in Konstantinopel mit den Streitkräften des morgenländischen Reiches ein; die Schiffe und Soldaten Siziliens stießen zu ihm, und der spanische Monarch sandte aus Furcht oder Religiosität eine große Schar Goten zur Verstärkung. Die verbündete Flotte durchbrach die Kette, die den Eingang des Hafens schützen sollte. Die Araber zogen sich nach Kairoan oder Tripolis zurück, die Christen landeten, und die Bürger empfingen das Kreuz mit Freudengeschrei. Der Winter verging in müßigen Träumen von Siegen und Befreiung. Aber Afrika war unwiederbringlich verloren. Der eifrige und grimmige Kalif rüstete im nächsten Frühjahr zahlreiche Streiter zu Lande und Wasser aus, und der Patrizier war nun seinerseits gezwungen, den Hafen und die Festungswerke von Karthago zu räumen. Eine zweite Schlacht wurde in der Nähe von Utika geschlagen; die Griechen und Goten erlitten abermals eine Niederlage, und nur durch eilige Einschiffung retteten sie sich vor Hassans Scharen, die bereits ihr Lager, das von einem schwachen und unzulänglichen Walle umgeben war, eingeschlossen hatten. Was noch von Karthago übrig war, wurde von den Flammen verzehrt, und die Kolonie der Dido und Cäsars lag über zweihundert Jahre öde, bis ein Teil, vielleicht ein Zwanzigstel der früheren Stadt, von dem ersten der fatimitischen Kalifen wieder besiedelt wurde. Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts bestand die zweite Hauptstadt des Westens aus einer Moschee, einem Kollegium ohne Studierende und fünfundzwanzig bis dreißig Hütten, die von fünfhundert Bauern bewohnt waren, die in ihrer Armut den Stolz punischer Senatoren an den Tag legten. Aber selbst dieses elende Dorf wurde von den Spaniern, die Karl V. in die Festung Goletta gelegt hatte, zerstört. Die Ruinen von Karthago sind vernichtet, und selbst ihr Platz würde unbekannt sein, wenn nicht einige zerbrochene Bogen einer Wasserleitung den wißbegierigen Reisenden leiteten.

Die Griechen waren vertrieben, aber die Araber dadurch noch nicht Herren des Landes. In den inneren Provinzen widerstanden die Mauren oder Berber, so schwach unter den ersten Kaisern, so furchtbar unter den byzantinischen Fürsten, der Religion und Macht der Nachfolger Mohammeds. Unter der Fahne ihrer Königin Kahina erreichten die unabhängigen Stämme einige Einigkeit und Zucht, und da die Mauren in ihren Frauen Prophetinnen ehrten, griffen sie die Eindringlinge mit einem dem ihrigen ähnlichen Enthusiasmus an. Die kampferprobten Scharen Hassans waren den Verteidigern von Afrika nicht gewachsen; die Eroberungen eines Jahrhunderts gingen an einem einzigen Tage verloren. Der Anführer zog sich mit seinem Heer an die Grenzen Ägyptens zurück und harrte da fünf Jahre der verheißenen Verstärkung des Kalifen. Nach dem Rückzuge der Sarazenen versammelte die siegreiche Prophetin die maurischen Häuptlinge und empfahl ihnen eine seltsame und wilde Politik. »Unsere Städte«, sagte sie, »und das Geld und Silber, das sie enthalten, locken beständig die Araber an. Diese elenden Metalle sind nicht der Gegenstand unseres Ehrgeizes, wir begnügen uns mit den Früchten der Erde. Lasset uns diese Städte zerstören, lasset uns diese verderblichen Schätze unter ihren Ruinen begraben, und wenn es unseren Feinden an Versuchung fehlt, werden sie vielleicht aufhören, die Ruhe eines kriegerischen Volkes zu stören!« Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Von Tanger bis Tripolis wurden die Gebäude oder wenigstens die Festungswerke zerstört, die Fruchtbäume niedergehauen, die Mittel zum Unterhalt vernichtet, ein fruchtbarer und volkreicher Garten in eine Einöde verwandelt, und die Geschichtschreiber späterer Zeiten konnten oft Spuren des Wohlstandes und der Verwüstung entdecken. So lautet die Erzählung der neueren Araber. Aber ich vermute, daß die Unkenntnis im Altertum, Liebe zum Wunderbaren und die Mode, die Philosophie der Barbaren zu preisen, sie verleitet haben, das als eine freiwillige Handlung zu preisen, was innerhalb von drei Jahrhunderten seit den wütenden Donatisten und Vandalen vor sich ging. Während der Empörung hatte Kahina wahrscheinlich zur Zerstörung beigetragen, und die Furcht vor einer allgemeinen Verheerung mochte die Städte, die sich widerstrebend der unwürdigen Führerin gefügt hatten, erschrecken und ihr entfremden. Die Wiederkehr ihrer byzantinischen Beherrscher hofften und wünschten sie vielleicht nicht mehr. In ihrer gegenwärtigen Knechtschaft jedoch lebten sie ohne Ordnung und Gerechtigkeit, und auch der eifrigste Katholik mußte die halben Wahrheiten des Korans dem blinden Götzendienst der Mauren vorziehen. Der Feldherr der Sarazenen wurde abermals als der Retter der Provinz empfangen; die Freunde der bürgerlichen Gesellschaft verschworen sich gegen die Wilden des Landes. Die königliche Prophetin wurde in der ersten Schlacht getötet, die den jeder Grundlage entbehrenden Bau ihres Reiches und Aberglaubens stürzte. Ihr Geist lebte unter Hassans Nachfolgern wieder auf; er wurde endlich durch die Tätigkeit Musas und seiner beiden Söhne gebrochen. Auf die Anzahl der Rebellen läßt sich aus der Zahl von dreihunderttausend Gefangenen schließen, von denen sechzigtausend, das Fünftel des Kalifen, zum Besten des Staatsschatzes verkauft wurden. Dreißigtausend barbarische Jünglinge wurden unter die Truppen gesteckt, und die Bestrebungen Musas, ihnen die Kenntnis des Korans und die Befolgung seiner Lehren beizubringen, gewöhnten die Afrikaner an Gehorsam gegen den Propheten und den Beherrscher der Muselmanen, Bezüglich der Art der Regierung, der Nahrung und Wohnung gleichen die wandernden Mauren den Beduinen der Wüste, mit denen sie auch das Klima gemeinsam haben. Mit Annahme der Religion der Araber setzen sie ihren Stolz darein, deren Sprache, Namen und Ursprung anzunehmen. Das Blut der Fremden und Eingeborenen vermengte sich allmählich, und vom Euphrat bis zum Atlantischen Meere schien ein und dieselbe Nation über die Sandebenen von Asien und Afrika ausgebreitet zu sein. Ich will jedoch keineswegs in Abrede stellen, daß fünfzigtausend Zelte reiner Araber mit ihren Bewohnern jenseits des Nils durch die Lybische Wüste zerstreut worden sein mögen, und ich weiß wohl, daß fünf maurische Stämme unter dem Namen weiße Afrikaner ihr barbarisches Idiom beibehalten haben.

V. Während der Fortschritte bei der Eroberung trafen die Goten und Sarazenen von Norden und Süden an der Grenze zwischen Europa und Afrika aufeinander. Nach dem Glauben der letzteren ist Verschiedenheit der Religion ein vernünftiger Grund zur Feindschaft und zum Krieg. Schon zur Zeit Othmans hatten ihre Seeräubergeschwader die Küsten von Andalusien verheert; auch war die Hilfe nicht vergessen, die die Goten Karthago geleistet hatten. Die Festung Ceuta gehörte damals wie jetzt den Spaniern, eine der Säulen des Herkules, die durch eine schmale Meerenge von der anderen Säule, der Spitze Europas, getrennt ist. Ein kleiner Teil von Mauretanien fehlte noch zur Eroberung von Afrika. Musa wurde aber bei seinem Angriff auf Ceuta durch den tapferen und mutigen gotischen Heerführer, den Grafen Julian, zurückgeschlagen. Aus dieser Widerwärtigkeit und Klemme befreite ihn die unerwartete Botschaft des christlichen Anführers, der die Übergabe des Platzes, sich selbst und sein Schwert den Nachfolgern Mohammeds anbot und um die schimpfliche Ehre bat, sie in das Herz Spaniens führen zu dürfen. Wenn man nach der Ursache seines Verrates fragt, so wiederholen die Spanier die zur Volkslegende gewordene Erzählung von seiner Tochter Cava, einer Jungfrau, die von ihrem Souverän verführt und genotzüchtigt worden war, und von einem Vater, der seine Religion und sein Vaterland der Rache opferte. Die Leidenschaften der Fürsten sind oft zügellos und verderblich gewesen, aber diese wohlbekannte romantische Geschichte wird nur sehr wenig durch äußere Zeugnisse gestützt, und die spanische Geschichte zeigt genügend politische und eigennützige Beweggründe, die für einen ergrimmten Staatsmann mehr Bedeutung haben. Nach dem Tode oder der Absetzung des Witiza wurden seine beiden Söhne durch Roderich, einen edlen Goten, dessen Vater Herzog oder Statthalter einer Provinz als Opfer der früheren Tyrannen gefallen war, ausgestochen. Die Monarchie war dauernd ein Wahlreich, aber die am Hofe erzogenen Söhne des Witiza ertrugen nur widerwillig ihren privaten Stand. Ihre Rache war um so gefährlicher, als sie durch die gewöhnlich geübte Verstellung an den Höfen verschleiert wurde; ihre Anhänger wurden durch das Andenken an empfangene Gunstbezeigungen und die Hoffnung auf eine Umwälzung aufgestachelt, und ihr Oheim Oppas, Erzbischof von Toledo und Sevilla, war die erste Person in der Kirche und die zweite im Staate. Es ist wahrscheinlich, daß Julian mit einer erfolglosen Partei in Ungnade fiel, daß er von der neuen Regierung wenig zu hoffen und viel zu fürchten hatte, und daß der unkluge König das Verhalten Julians und seiner Familie nicht vergessen oder verzeihen konnte. Die Verdienste und der Einfluß des Grafen machten ihn zu einem nützlichen und gefährlichen Untertanen; seine Besitzungen waren groß, seine Anhänger kühn und zahlreich, und es erwies sich als verderblich, daß er durch den Oberbefehl in Andalusien und Mauritanien die Schlüssel der spanischen Monarchie in Händen hatte. Zu schwach aber, um seinem Souverän in Waffen entgegenzutreten, bewarb er sich um den Beistand einer auswärtigen Macht, und seine übereilte Einladung an die Mauren und Araber veranlaßte während acht Jahrhunderten große Drangsale. In Briefen oder bei einer persönlichen Unterredung offenbarte er den Reichtum und die Schwäche seines Vaterlandes, die Unbeliebtheit seines Fürsten und die Entartung des verweichlichten Volkes. Die Goten waren nicht mehr jene siegreichen Barbaren, die das stolze Rom gedemütigt, die Königin der Nationen beraubt hatten und von der Donau bis zum Atlantischen Ozean vorgedrungen waren. Von der Welt durch die Gebirge der Pyrenäen abgeschnitten, hatten die Nachfolger Alarichs in Ruhe geschlummert; die Mauern der Städte waren in Staub zerfallen, die Jugend hatte die Waffenübungen aufgegeben, und der aus früheren Zeiten stammende Ruhm und Übermut mußte sie dem ersten Angriffe der Feinde preisgeben. Der ehrgeizige Sarazene wurde durch die Leichtigkeit des Unternehmens und die Wichtigkeit der spanischen Länder angefeuert, verschob aber jede Handlung bis er die Willensäußerung des Kalifen eingeholt hatte. Sein Bote kam bald mit Walids Erlaubnis zurück, die unbekannten Königreiche des Westens zu unterwerfen und ihnen die Religion des Propheten zu bringen. Musa setzte aus seiner Residenz Tanger die Unterhandlungen fort, die er völlig geheim hielt und beschleunigte seine Rüstungen. Die Gewissensbisse der Verschworenen schaffte er mit der lügnerischen Behauptung aus der Welt, daß er sich mit dem Ruhme und der Beute begnügen werde, ohne darnach zu streben, die Muselmanen jenseits des Meeres, das Afrika von Europa trennt, seßhaft zu machen.

Bevor Musa ein Heer von Gläubigen den Verrätern und Ungläubigen eines fremden Landes anvertraute, stellte er ihre Stärke und Wehrhaftigkeit auf eine Probe. Hundert Araber und vierhundert Afrikaner setzten in vier Schiffen von Tanger oder Ceuta über; der Ort, an dem sie landeten, erhielt den Namen ihres Anführers Tarik. Das Datum dieses denkwürdigen Ereignisses ist der Monat Ramadan des einundneunzigsten Jahres der Hegira, Monat Juli, siebenhundertachtundvierzig Jahre nach der spanischen Zeitrechnung Cäsars, siebenhundertzehn nach Christi Geburt. Von ihrer Landungsstelle marschierten sie achtzehn Meilen durch ein hügeliges Land bis zum Schlosse und der Stadt Julians, der sie den Namen (Algesiras, sie heißt noch so) der grünen Insel, nach einem von Grün bedeckten Vorgebirge, gaben, das in die See hinausragt. Ihre gastfreundliche Aufnahme, die Christen, die zu ihrer Fahne stießen, ihr Einfall in eine fruchtbare und unverteidigte Provinz, die Größe der Beute und die Sicherheit in der sie zurückkehren konnten, bewies ihren Brüdern, daß der Zug nach Spanien von Sieg begleitet sein würde. Im folgenden Frühling schifften sich fünftausend Veteranen und Freiwillige unter dem Befehle Tariks ein. Dieser war ein unerschrockener, mit Glück begabter Krieger, der die Erwartungen seines Oberfeldherrn übertraf. Die notwendigen Fahrzeuge waren durch ihren nur zu emsigen Bundesgenossen geliefert worden; die Sarazenen landeten an der Küste Europas. Der verballhornte, allgemein bekannte Name Gibraltar (Gebel al Tarik) bedeutet Berg des Tarik. Die Schanzen seines Lagers bildeten erstmalig die Umrisse jener Befestigungen, in denen die Engländer dem Hause Bourbon widerstanden haben. Die Statthalter der umliegenden Provinzen setzten den Hof von Toledo von der Landung und den Fortschritten der Araber in Kenntnis. Die Niederlage des Feldherrn Edeko, den Roderich entsandt hatte, die Fremdlinge zu schlagen und in Fesseln zu legen, zeigte diesem die Größe der Gefahr. Auf des Königs Gebot sammelten sich die Herzöge, Grafen, Bischöfe und Edlen der gotischen Monarchie mit ihren Mannen. Der Titel König der Römer, den ein arabischer Geschichtschreiber Roderich gab, kann durch die Religion, Sitten und Sprache der Nationen Spaniens erklärt werden. Die Armee bestand aus neunzig- bis hunderttausend Mann, eine furchtbare Macht, wenn Treue und Zucht im Verhältnis zur Zahl gestanden hätte. Die Truppen Tariks waren auf zwölftausend Sarazenen erhöht worden; aber die christlichen Unzufriedenen wurden durch Julians Einfluß angelockt, und eine Schar Afrikaner strebte nach den zeitlichen Segnungen des Korans. Die Stadt Xeres in der Nähe von Cadix ist durch einen Kampf berühmt geworden, der das Schicksal des Königreiches entschied. Der Fluß Guadelete, der sich in die Bucht ergießt, trennte die beiden Lager. An seinen Ufern fanden in drei aufeinanderfolgenden Tagen blutige Gefechte statt. Am vierten Tage ließen sich die beiden Heere in einen ernsteren und entscheidenderen Kampf ein. Alarich wäre beim Anblick seines unwürdigen Nachfolgers errötet, der auf dem Haupte ein Diadem aus Perlen, ferner fliegende Gewänder mit Gold und Seide bestickt trug und in einer Sänfte oder einem Wagen aus Elfenbein ruhte, den zwei weiße Maultiere zogen. Die Sarazenen wären trotz ihrer Tapferkeit der Überzahl beinahe unterlegen. Die Ebene von Xeres war mit sechzehntausend Sarazenenleichen bedeckt. »Meine Brüder«, sagte Tarik zu seinen überlebenden Gefährten, »der Feind ist vor, das Meer ist hinter euch: wohin wollet ihr fliehen? Folgt eurem Anführer; ich bin entschlossen, entweder zu sterben oder meinen Fuß auf den Nacken des gestürzten Königs der Römer zu setzen.« Außer auf den Mut und die Verzweiflung der Muselmanen baute er auf die geheimen, nächtlichen Zusammenkünfte des Grafen Julian mit den Söhnen und Brüdern des Witiza. Die beiden Fürsten und der Erzbischof von Toledo hatten die wichtigsten Posten inne; ihr rechtzeitiger Abfall zerbrach die Reihen der Christen; Furcht und Argwohn beschlich die Krieger, die jeder für sein eigenes Heil zu sorgen begannen. Die Reste des gotischen Heeres wurden in den folgenden drei Tagen auf der Flucht zerstreut oder vernichtet. Mitten in der allgemeinen Unordnung sprang Roderich aus seinem Wagen, bestieg Orelia, das flüchtigste seiner Rosse. Aber er entging dem Tode eines Kriegers nur, um einen schmählicheren Tod in den Gewässern des Bätis oder Guadalquivir zu finden. Sein Diadem, Gewand und Pferd wurden an den Ufern gefunden; da aber die Leiche des Gotenfürsten von den Wellen fortgerissen worden war, mußte der stolze und unwissende Kalif durch das Haupt eines geringeren Mannes, das ihm zugesendet wurde, getäuscht werden. Dieses wurde im Triumph vor dem Palaste von Damaskus aufgesteckt. »Das ist«, fährt der tapfere Geschichtschreiber der Araber fort, »das Schicksal jener Könige, die von einem Schlachtfelde fliehen.«

Graf Julian hatte sich so tief in Schuld und Schmach gestürzt, daß seine einzige Hoffnung auf dem Verderben seines Vaterlandes beruhte. Nach der Schlacht bei Xeres empfahl er den Sarazenen die wirksamsten Maßregeln. »Der König der Goten ist tot, ihre Fürsten sind vor dir geflohen, die Armee ist aufgelöst, die Nation in Bestürzung. Bemächtige dich, indem du entsprechende Truppen absendest, der Städte von Bätica; du selbst aber ziehe ohne Verzug gegen die königliche Stadt Toledo und gönne den Christen weder Zeit noch Ruhe, eine zweite Wahl vorzunehmen.« Tarik hörte auf den Rat. Ein gefangener Römer und Proselyt, der vom Kalifen selbst freigelassen worden war, griff Cordova mit siebenhundert Reitern an; er schwamm über den Fluß, überrumpelte die Stadt und trieb die Christen in die große Kirche, wo sie sich über drei Monate verteidigten. Eine andere Abteilung unterwarf die Küste von Bätica, die während der letzten Zeit der maurischen Macht von dem volkreichen Königreiche Granada eingenommen wurde. Der Zug Tariks von Bätica nach Tagus ging über die Sierra Morena, die Andalusien von Kastilien trennt, bis er in Waffen vor den Mauern von Toledo erschien. Die eifrigsten Katholiken waren mit ihren Reliquien entflohen, und wenn die Tore verschlossen blieben, so geschah dies nur solange, bis der Sieger billigen und vernünftigen Übergabebedingungen zugestimmt hatte. Die freiwillig Auswandernden durften mit ihrer Habe abziehen; sieben Kirchen blieben dem christlichen Gottesdienste vorbehalten, der Erzbischof und die Geistlichkeit hatte das Recht, ihre Ämter weiter auszuüben, die Mönche durften ihre Bußübungen halten oder vernachlässigen, und die Goten und Römer behielten ihre Gerichtsbarkeit. Wenn aber der gerechte Tarik die Christen beschützte, belohnte er politisch und dankbar die Juden, denen er für ihren geheimen und offenen Beistand bei den wichtigsten Eroberungen zu Dank verpflichtet war. Von den Königen und Synoden von Spanien verfolgt, die ihnen häufig nur die Wahl zwischen Taufe und Auswanderung gelassen hatten, benutzte dieses vertriebene Volk den Augenblick zur Rache; ihre Treue wurde durch den Vergleich ihres früheren und jetzigen Zustande gesichert, und der Bund zwischen den Jüngern Moses und Mohammeds wurde in den Zeiten ihrer gemeinsamen Verbannung aufrechterhalten. Von dem Königssitze zu Toledo setzte der arabische Heerführer seine Eroberungen im Norden mit den Königreichen Kastilien und Leon fort; es wäre aber überflüssig, die Städte aufzuzählen, die sich ihm ergaben oder die Smaragdtafel zu beschreiben, die von den Römern aus dem Osten gebracht, von den Goten bei der Beutemachung in Rom erworben und von den Arabern an ihren Kalifen in Damaskus gesandt worden war. Jenseits der asturischen Gebirge war die Seestadt Gijon das Ziel des Unterfeldherrn Musas, der mit der Schnelligkeit eines Reisenden seinen Siegeszug über siebenhundert Meilen, vom Felsen von Gibraltar bis zur Bai von Biskaya, durchgeführt hatte. Er machte erst am Meeresufer halt, und wurde bald darauf nach Toledo zurückgerufen, um seine Kühnheit zu entschuldigen, mit der er in Abwesenheit seines Oberfeldherrn ein Königreich erobert hatte. Spanien, das früher in ungeordneterem Zustand den Römern zweihundert Jahre widerstanden hatte, wurde in wenigen Monaten von den Sarazenen überwältigt. So leicht unterwarfen sich die Einwohner und schlossen Verträge, daß der Statthalter von Cordova als einziger genannt wird, der ohne irgendwelche Bedingungen im Kampfe gefangen genommen wurde. Die Sache der Goten war bei Xeres unwiderruflich entschieden worden, und die noch freien Männer der Nation wichen einem Kampfe mit einer Macht aus, die ihre Hauptstreitmacht besiegt hatte. Die Kraft der spanischen Nation war durch zwei aufeinanderfolgende Epochen der Hungersnot und Pest gebrochen worden, und die Statthalter, die sich nach Übergabe sehnten, konnten die Schwierigkeiten ins Treffen führen, die sich bei der Beschaffung genügender Lebensmittel für eine belagerte Festung ergeben würden. Auch der Aberglaube trug dazu bei, Schrecken zu verbreiten und die Christen zu entwaffnen: der schlaue Araber begünstigte die Verbreitung von Träumen, Zeichen, Prophezeiungen und jener Bilder, die man in einem geschlossenen Gemach des königlichen Palastes, das aufgebrochen wurde, fand, und die die vom Schicksal zur Eroberung Spaniens Auserkorenen zeigten. Der Widerstand war jedoch nicht gänzlich erloschen; einige Flüchtlinge zogen ein Leben der Armut und Freiheit in den Tälern von Asturien vor; die kühnen Bergbewohner trieben die Sklaven des Kalifen zurück, und das Schwert des Pelagius ist zum Zepter der katholischen Könige geworden.

Die Nachricht von diesem schnell erzielten Erfolge veranlaßte, daß Musas Neid erwachte, nachdem er zuerst Beifall gespendet hatte. Er begann, nicht zu klagen, aber zu fürchten, daß Tarik ihm nichts zu erobern übriggelassen habe. An der Spitze von zehntausend Afrikanern und Arabern setzte er von Mauritanien nach Spanien über. Seine vornehmsten Begleiter waren die Edelsten des Stammes Koreisch. Seinen ältesten Sohn ließ er zurück, um in Afrika den Oberbefehl zu führen, und seine drei jüngeren Söhne hatten das Alter und den Mut, ihren Vater in den kühnsten Unternehmungen beizustehen. Bei seiner Landung in Algesiras wurde er von dem Grafen Julian ehrfurchtsvoll empfangen, welcher seine innere Reue erstickte und durch Worte und Taten bezeugte, daß der Sieg der Araber seine Anhänglichkeit an ihre Sache nicht vermindert hätte. Die Bekämpfung einiger Feinde blieb Musa noch vorbehalten. In später Reue hatten die Goten ihre Anzahl mit der ihrer Feinde verglichen; die Städte, die Tarik auf seinem Marsche nicht berührt hatte, hielten sich für uneinnehmbar. Die tapfersten Patrioten verteidigten Sevilla und Merida. Sie wurden nacheinander von Musa belagert und bezwungen, der sein Lager vom Bätis zum Anas, vom Guadalquivir an die Guadiana verlegte. Als er die Wahrzeichen römischer Größe, die Brücke, die Wasserleitungen, die Triumphbogen und das Theater der alten Hauptstadt von Lusitanien sah, sagte er zu seinen vier Gefährten: »Ich muß glauben, daß das Menschengeschlecht seine Kunst und Macht zum Baue dieser Stadt vereinigt habe; glücklich der Mann, der ihr Gebieter wird!« Er strebte nach diesem Glücke, aber die Emeritaner behaupteten bei dieser Gelegenheit, daß sie von den Veteranen des Augustus abstammen. Der Einsperrung in ihre Mauern zuvorkommend, lieferten sie den Arabern eine Schlacht in der Ebene; aber in einem Steinbruch oder einer Ruine in den Hinterhalt gelegte Truppen brachen plötzlich hervor, schlugen sie und schnitten ihnen den Rückweg ab. Die hölzernen Sturmtürme wurden an den Wall gerollt, die Verteidiger wehrten sich lange und hartnäckig, und das Schloß der Märtyrer gibt Zeugnis von den Verlusten der Muselmanen. Die standhaften Verteidiger wurden endlich durch Hungersnot gezwungen zu kapitulieren. Der kluge Sieger verschleierte seinen Unmut, indem er Milde walten ließ und ihnen Achtung bezeigte. Es wurde ihnen gestattet, Tributzahlung oder Auswanderung zu wählen, die Hälfte der Kirchen wurden den Katholiken belassen und die Besitztümer derjenigen, die entweder bei der Belagerung gefallen waren oder sich nach Gallicien zurückgezogen hatten, als Belohnung für die Gläubigen eingezogen. Auf der Straße zwischen Merida und Toledo begrüßte der Unterfeldherr Musas den Statthalter des Kalifen und führte ihn in den Palast der gotischen Könige. Bei dem ersten Zusammentreffen waren sie kalt und steif, strenge Rechenschaft wurde über die Schätze von Spanien verlangt, Tarik wurde beargwöhnt und erhielt Vorwürfe, und der Held wurde eingekerkert, geschmäht und schimpflich auf Befehl Musas (oder von diesem selbst) gegeißelt. So strenge war jedoch die Zucht, so rein oder zahm die ersten Muselmanen, daß Tarik nach dieser öffentlichen Anprangerung bei der Bezwingung der tarragonesischen Provinz wieder mitkämpfen durfte und Vertrauen erhielt. In Saragossa konnte mittels der freigebigen Spenden der Koreischiten eine Moschee errichtet werden. Der Hafen von Barcelona wurde den syrischen Schiffen geöffnet, und die Goten wurden über die pyrenäischen Gebirge hinaus bis in die gallische Provinz Septimanien oder Languedoc verfolgt. In der Kirche der heiligen Maria zu Carcassone fand Musa sieben Reiterstatuen aus massivem Silber, die er wahrscheinlich nicht dort beließ. Er kehrte von der Grenze oder der Säule von Narbonne auf demselben Wege nach dem gallicischen und lusitanischen Gestade des Ozeans zurück. Während der Abwesenheit des Vaters züchtigte sein Sohn Abdelaziz die Aufrührer von Sevilla und bezwang die Bewohner der Seeküste des Mittelmeeres von Malaga bis Valencia. Sein Vertrag mit dem klugen und tapferen Theodemir diene zur Veranschaulichung der Sitten und Politik jener Zeiten. »Friedensbedingungen, abgeschlossen und beschworen von Abdelaziz, dem Sohn Musas, des Sohnes Nasirs, und von Theodemir, Fürsten der Goten. Im Namen des barmherzigsten Gottes gewährt Abdelaziz Frieden unter folgenden Bedingungen: Theodemir soll in seinem Fürstentume nicht beunruhigt, noch dem Leben oder Eigentume, den Weibern und Kindern, der Religion und den Tempeln der Christen Unbilden zugefügt werden; Theodemir soll ohne Weigerung seine sieben Städte, Orihuela, Valentola, Alicante, Mola, Vacasora, Bigerra (jetzt Bejar), Ora (oder Opta) und Lorca übergeben; er soll den Feinden des Kalifen weder beistehen, noch Schutz gewähren, sondern Kunde von ihren feindlichen Plänen getreulich mitteilen; er selbst und jeder der gotischen Edlen soll jährlich ein Goldstück, ein Maß Weizen, ebensoviel Gerste und eine gewisse Menge Öl, Honig und Essig entrichten und jeder ihrer Vasallen die Hälfte dieser Abgaben leisten. Gegeben am vierten Regeb, im Jahre der Hegira vierundneunzig und unterschrieben mit den Namen vier muselmanischer Zeugen.« Theodemir und seine Untertanen wurden mit ungewöhnlicher Milde behandelt; die Höhe des Tributs jedoch scheint zwischen einem Fünftel und einem Zehntel, je nach der Hartnäckigkeit der Christen und der Schnelligkeit, mit der sie sich unterwarfen, geschwankt zu haben. Bei dieser Umwälzung wurde von den leidenschaftlichen Schwärmern manches Unheil gestiftet; einige Kirchen wurden durch die Sarazenen entweiht, einige Reliquien oder Bilder mit Götzen verwechselt, die Rebellen niedergehauen und eine Stadt (ein unbedeutender Ort zwischen Cordova und Sevilla) dem Erdboden gleichgemacht. Wenn wir jedoch den Einbruch der Goten in Spanien oder dessen Wiedereroberung durch die Könige von Castilien und Arragonien mit der arabischen Invasion vergleichen, können wir der Mäßigung und Zucht der arabischen Eroberer unseren Beifall nicht versagen.

Die Taten Musas wurden von ihm im späten Alter vollbracht, obschon er sich bemühte, dieses geheimzuhalten, indem er seinen weißen Bart mit rotem Pulver färbte. Aber in seiner Brust flammte bezüglich seiner Liebe zur Tätigkeit und zum Ruhme noch das Feuer der Jugend, und die Eroberung Spaniens war für ihn nur der erste Schritt zur Gründung einer europäischen Monarchie. Er rüstete eine große Heeresmacht zu Wasser und Land aus und wollte wieder über die Pyrenäen gehen, in Gallien und Italien die verfallenden Reiche der Franken und Langobarden erobern und die Einheit Gottes vor dem Altare im Vatikan predigen. Von da beabsichtigte er, nach Unterjochung der Barbaren von Deutschland, der Donau von ihrer Quelle bis zum Schwarzen Meere zu folgen, das griechische und römische Reich zu stürzen und, aus Europa und Asien zurückkehrend, seine neuen Besitzungen mit Antiochia und den syrischen Provinzen zu vereinigen. Aber diese ungeheure, vielleicht leicht auszuführende Unternehmung, mußte gewöhnlichen Menschen ausschweifend erscheinen. Der träumende Eroberer wurde bald an seine Abhängigkeit und Knechtschaft erinnert. Die Freunde Tariks hatten seine Verdienste und Leiden mit Erfolg erzählt; man tadelte am Hofe von Damaskus das Vorgehen Musas, beargwohnte seine Absichten und verurteilte sein Zögern, der ersten Einladung zu gehorchen, indem man ihm einen heftigen und gemessenen Befehl sandte. Ein unerschrockener Bote betrat sein Lager zu Lugo in Gallicien und fiel in Gegenwart der Sarazenen und Christen seinem Pferde in die Zügel. Seine eigene Treue oder die Treue seiner Truppen veranlaßte ihn, gehorsam zu sein. Die Ungnade, die ihm zuteil wurde, wurde durch die Erlaubnis gemildert, seine zwei Söhne, Abdallah und Abdelaziz, zu Statthaltern zu machen. Sein langer Triumphzug von Ceuta nach Damaskus zeigte die Beute Afrikas und die Reichtümer Spaniens: vierhundert gotische Edle mit goldenen Kronen und Gürteln befanden sich unter seinem Gefolge, und die Zahl seiner Gefangenen beiderlei Geschlechtes, die wegen ihrer Geburt oder großen Schönheit ausgewählt worden waren, betrug achtzehn-, nach manchen Angaben sogar dreißigtausend. Als er Tiberias in Palästina erreichte, benachrichtigte ihn Soliman, des Kalifen Bruder und sein mutmaßlicher Erbe, geheim von der Krankheit und Todesgefahr des Kalifen, da Soliman das Schauspiel des Triumphes sich selbst vorbehalten wollte. Wenn Walid genesen wäre, wäre das Zögern Musas ein Verbrechen gewesen: er setzte seinen Zug fort und fand einen Feind auf dem Throne. In seinem Prozeß vor einem parteiischen Richter und gegen einen volksbeliebten Gegner wurde er der Prahlerei und Falschheit überführt und ihm eine Buße von zweihunderttausend Goldstücken auferlegt, deren Bezahlung ihn entweder arm machte oder seine Raubabsicht bewies. Die unwürdige Behandlung Tariks wurde durch eine gleiche gerächt. Der greise Feldherr mußte, nachdem er öffentlich gepeitscht worden war, einen Tag in der Sonne vor dem Tore des Palastes stehen, bis er in die Verbannung nach Mekka gesandt wurde, mit der Angabe, daß dies eine Wallfahrt sei. Der Grimm des Kalifen hätte sich nach dem Sturze Musas legen können, aber er verlangte besorgt die Ausrottung einer mächtigen und gekränkten Familie. Ein geheimes Todesurteil wurde schleunigst an die treuen Diener des Thrones in Afrika und Spanien gesandt, und jeder Gerechtigkeit bei der Vollziehung Hohn gesprochen. Abdelaziz fiel in der Moschee oder dem Palaste von Cordova durch die Schwerter der Verschworenen; sie klagten ihren Statthalter an, sich königliche Ehren anzumaßen, und seine Heirat mit Roderichs Witwe Egilona verletzte die Vorurteile sowohl der Christen als der Muselmanen. Mit ausgesuchter Grausamkeit wurde das Haupt des Sohnes dem Vater mit der Frage vorgelegt, ob er die Züge des Rebellen erkenne. »Ich kenne seine Züge«, rief er mit Entrüstung aus, »ich behaupte, daß er unschuldig ist und flehe zu Gott, die Urheber dieser Untat in gleicher Weise zu strafen.« Das Alter und die Verzweiflung Musas entrückten ihn der Macht des Königs, er starb zu Mekka mit gebrochenem Herzen. Sein Nebenbuhler wurde gnädiger behandelt; man verzieh Tarik seine Dienste und erlaubte ihm, sich unter die Scharen der übrigen Sklaven zu mischen. Ich weiß nicht, ob Julian die Todesstrafe erlitt, die er, wenn auch nicht von den Sarazenen, verdient hatte, aber die Mär von ihrer Undankbarkeit gegen die Söhne des Witiza wird durch unverwerfliche Zeugnisse entkräftigt. Die zwei fürstlichen Jünglinge erhielten das Privateigentum ihres Vaters; aber nach dem Tode Ebas, des Älteren, wurde seine Tochter durch ihren gewalttätigen Oheim Sigebut ungerechterweise ihres Anteils beraubt. Die gotische Frau führte ihren Sohn vor den Kalifen Hascheim und erhielt ihr Erbe wieder, wurde aber einem edlen Araber zur Ehe gegeben. Ihre beiden Söhne Isaak und Ibrahim fanden in Spanien den achtungsvollen Empfang, der ihnen durch Herkunft und Reichtum gebührte.

Eine Provinz wird mit dem siegreichen Staat durch die Ansiedlung von Untertanen und den Nachahmungstrieb der Eingeborenen verschmolzen. Spanien, das nacheinander punisches, römisches und gotisches Blut in sich aufgenommen hatte, nahm in wenigen Generationen die Art und Sitten der Araber an. Die ersten Eroberer und die darauffolgenden zwanzig Statthalter der Kalifen waren von einem zahlreichen bürgerlichen und militärischen Gefolge begleitet, die das Glück im fernen Lande der Dürftigkeit daheim vorzogen. Das öffentliche und Privatinteresse wurde durch die Gründung treuer Kolonien gefördert, und die spanischen Städte rühmten sich stolz ihrer orientalischen Abstammung. Die siegreichen, obwohl bunten Scharen Tariks und Musas nahmen die ursprünglichen Rechte der Eroberer in Anspruch, indem sie sich Spanier nannten, gestatteten aber ihren Brüdern von Ägypten, sich ebenfalls in Murcia und Lissabon anzusiedeln. Die königliche Legion von Damaskus schlug ihren Sitz zu Cordova auf, die von Emesa zu Sevilla, die von Kinnisrin oder Chalcis zu Jaen, die von Palästina zu Algesiras und Medina Sidonia. Die Eingeborenen von Yemen und Persien waren um Toledo und im Innern des Landes zerstreut. Die fruchtbaren Ländereien von Granada wurden zehntausend Reitern aus Syrien und dem Irak, den Abkömmlingen der reinsten und edelsten der arabischen Stämme, verliehen. Diese verschiedenen Parteien wetteiferten häufig, zuweilen in wohltätiger, zuweilen in gefährlicher Weise miteinander. Zehn Jahre nach der Eroberung wurde dem Kalifen eine Karte der Provinz vorgelegt: Meere, Flüsse und Häfen, Einwohner und Städte, Klima, Boden und die mineralischen Produkte waren darauf verzeichnet. Im Laufe von zwei Jahrhunderten wurden die Gaben der Natur durch Ackerbau, Industrie und Handel durch ein emsiges Volk vermehrt. Die Ergebnisse ihrer Tätigkeit wurden durch die Phantasie vergrößert. Der erste Ommijade, der in Spanien herrschte, bat um die Unterstützung der Christen und begnügte sich in seinem Edikte, in dem er Schutz und Frieden versprach, mit der mäßigen Auflage von zehntausend Unzen Goldes, zehntausend Pfund Silbers, zehntausend Pferden, zehntausend Maultieren, tausend Brustharnischen und tausend Helmen und Lanzen. Der mächtigste seiner Nachfolger bezog aus demselben Königreiche ein jährliches Einkommen von zwölf Millionen fünfundvierzigtausend Dinaren oder Goldstücken, d. s. ungefähr sechs Millionen Pfund Sterling, eine Summe, die im zehnten Jahrhundert höchstwahrscheinlich das gesamte Einkommen aller christlichen Monarchen überstieg. Sein Königssitz Cordova hatte sechshundert Moscheen, neunhundert Bäder und zweihunderttausend Häuser; er gab achtzig Städten ersten, dreihundert zweiten und dritten Ranges Gesetze. Die fruchtbaren Ufer des Guadalquivir waren mit zwölftausend Dörfern und Weilern geschmückt. Die Araber mochten die Wahrheit übertreiben; aber sie schufen die gesegnetste Epoche Spaniens, in Bezug auf Reichtümer, Kultur und Bevölkerung.

Der Prophet hatte die Kriege der Muselmanen geheiligt. Unter den Vorschriften und Beispielen, die er während seines Lebens gab, wählten die Kalifen die Lehre von der Duldung, weil sie geeignet war, den Widerstand ihrer Feinde zu brechen. Arabien war der Tempel und das Eigentum des Gottes Mohammeds; er blickte mit weniger Liebe auf die anderen Völker der Erde. Die Polytheisten und Götzendiener, die von ihm nichts wußten, durften von seinen Verehrern mit Recht ausgerottet werden. Bald trat jedoch an Stelle dieses Fanatismusses eine weisere Politik, und die mohammedanischen Eroberer von Hindostan haben nach einigen Morden die Pagoden dieses frommen und volkreichen Landes verschont. Die Schüler Abrahams, Moses und Jesus wurden feierlich eingeladen, die vollständigere Offenbarung Mohammeds anzunehmen; wenn sie aber die Bezahlung eines mäßigen Tributs vorzogen, durften sie ihre eigene Religion weiter bekennen. In der Schlacht Gefangene konnten ihr Leben durch Bekennen des Islams retten, die Frauen mußten der Religion ihrer Gebieter folgen, und durch die Erziehung der Kinder wurde allmählich die Zahl der aufrichtigen Proselyten vervielfacht. Die vielen Millionen Bekehrter aus Afrika und Asien, die die ursprünglichen Scharen der treuen Araber vermehrten, müssen vielmehr angelockt als gezwungen worden sein, den Glauben an den Gott der Araber und an seinen Propheten zu bekennen. Durch das Aussprechen eines Satzes und den Verlust der Vorhaut wurde der Untertan oder Sklave, der Gefangene oder Verbrecher sogleich zum Gefährten der siegreichen Muselmanen. Jede Sünde wurde gesühnt, jede Verpflichtung gelöst; das Gelübde des Zölibats erlosch. Die tatkräftigen Männer, die im Kloster schliefen, wurden durch die Trompete der Sarazenen geweckt, und jedes Mitglied einer neuen Gesellschaft stieg in einer zerrütteten Welt so hoch, als seinen Fähigkeiten und seinem Mute angemessen war. Die Menge wurde durch die Verheißungen des Propheten für dieses und jenes Leben angelockt. Man kann glauben, daß viele seiner Proselyten aufrichtig an seine Offenbarung glaubten. Einem denkenden Polytheisten mußte sie als der göttlichen und menschlichen Natur würdig vorkommen. Reiner als das System des Zoroaster, edler als das Gesetz Moses konnte die Religion Mohammeds mit der Vernunft minder unvereinbar scheinen, als die Mysterien und der Aberglaube, der im siebenten Jahrhundert das einfache Evangelium entstellte.

In den ausgedehnten Provinzen von Persien und Afrika sind die einheimischen Religionen durch den mohammedanischen Glauben ausgerottet worden. Die zweideutige Theologie der Magier stand isoliert unter den Sekten des Orients; aber die profanen Schriften des Zoroaster ließen sich bei einiger Geschicklichkeit durch den ehrwürdigen Namen Abrahams mit der göttlichen Offenbarung in Zusammenhang bringen. Ihr böses Prinzip, der Dämon Ahriman, konnte entweder als der Nebenbuhler oder als das Geschöpf des Lichtgottes dargestellt werden. Es gab keine Bilder in den persischen Tempeln, aber Sonne und Feuer wurden verehrt. Die mildere Ansicht wurde durch das Beispiel Mohammeds und die klugen Kalifen geheiligt; die Magier oder Ghebern wurden mit den Juden und Christen zum Volke mit geschriebenem Gesetz gezählt. Noch im dritten Jahrhundert der Hegira zeigt sich in der Stadt Herat der Gegensatz zwischen Privatandacht und öffentlicher Duldung. Das mohammedanische Gesetz sicherte bei Bezahlung eines jährlichen Tributes den Ghebern von Herat ihre bürgerliche und religiöse Freiheit. Die neue, nicht prunkhafte Moschee wurde von dem antiken Glanze des anstoßenden Feuertempels überstrahlt. Ein fanatischer Imam klagte in seinen Predigten über die ärgerliche Nachbarschaft und beschuldigte die Gläubigen der Schwäche und Gleichgültigkeit. Durch seine Reden entflammt, rottete sich das Volk zusammen und der Tempel wurde in Flammen gesteckt, die jedoch beide Gebäude verzehrten. Es wurde sogleich eine neue Moschee erbaut. Die gekränkten Magier wandten sich an den Souverän von Chorasan. Er versprach gerechtes Urteil und Hilfe. Doch viertausend achtbare Bürger von Herat schworen, daß der götzendienerische Tempel niemals vorhanden gewesen sei! Die Untersuchung wurde niedergeschlagen und das Gewissen der Bürger, sagt der Geschichtschreiber Mirkhond, durch diesen heiligen und verdienstvollen Meineid befriedigt. Der größte Teil der Tempel Persiens ging infolge der nach und nach erfolgenden und allgemeinen Abtrünnigkeit ihrer ehemaligen Verehrer unter. Der Abfall ging allmählich vor sich, weil keine Zeit oder kein Ort bekannt ist, wo Verfolgungen stattgefunden haben. Er war allgemein, weil das ganze Reich von Schiraz bis Samarkand den Koran bekannte, die Perser jedoch ihre Sprache beibehielten. In den Gebirgen und Wüsten verharrten die hartnäckigen Bewohner bei dem Glauben ihrer Väter. Die Theologie der Magier hat sich durch schwache Überlieferung in der Provinz Kirman, an den Ufern des Indus, unter den Verbannten zu Surat und in der Kolonie, die Schah Abbas im achtzehnten Jahrhundert vor den Toren von Ispahan gründete, einigermaßen lebendig erhalten. Der oberste Priester hat sich nach dem Berge Elburz, achtzehn Meilen von der Stadt Yedz, zurückgezogen. Das ewige Feuer (wenn es noch brennt) ist dem Ungeweihten unzugänglich. Die Residenz des Oberpriesters aber ist die Schule, das Orakel und der Wallfahrtsort der Ghebern, deren harte und gleichförmige Gesichtszüge die Reinheit ihres Blutes bezeugen. Unter der Gerichtsbarkeit ihrer Ältesten führen achtzigtausend Familien ein unschuldiges und fleißiges Leben; sie verdienen ihren Unterhalt mit seltenen mechanischen Arbeiten und bebauen die Erde mit Inbrunst als eine religiöse Pflicht. Sie widerstanden dem despotischen Schah Abbas, der unter Drohungen und Foltern die prophetischen Bücher des Zoroaster verlangte. Die geringen Reste der Magier werden aus Verachtung oder Mäßigung von ihren gegenwärtigen Beherrschern verschont.

Die Nordküste von Afrika ist das einzige Land, wo das Licht des Evangeliums nach langer und vollständiger Herrschaft gänzlich erloschen ist. Die Künste, die zu Karthago und Rom gelehrt worden waren, wurden von Unwissenden ausgeübt. Man studierte die Glaubenslehren Cyprians und Augustins nicht mehr. Fünfhundert bischöfliche Kirchen waren durch die wütenden Donatisten, Vandalen und Mauren zerstört worden. Die Anzahl der Geistlichen und ihr Eifer nahm ab, und das Volk, aller Zucht, Kenntnis und Hoffnung bar, unterlag dem arabischen Propheten. Fünfzig Jahre nach der Vertreibung der Griechen meldet ein Statthalter von Afrika, daß der Tribut der Ungläubigen durch deren Bekehrung abgeschafft worden sei. Obwohl er seinen Betrug zu beschönigen suchte, war diese Behauptung doch auf die schnellen Fortschritte zurückzuführen, die der mohammedanische Glaube gemacht hatte. Im folgenden Jahrhundert wurden fünf Bischöfe nach Kairoan geschickt. Sie wurden von dem jakobitischen Patriarchen geweiht, um das erlöschende Feuer des Christentums wieder anzufachen; aber die Dazwischenkunft eines ausländischen Prälaten, der den Lateinern fremd und ein Feind der Katholiken war, setzt den Verfall und die Auflösung der afrikanischen Hierarchie voraus. Die Zeit war vorüber, in der der Nachfolger des heiligen Cyprian an der Spitze einer zahlreichen Synode einen Kampf mit dem ehrgeizigen römischen Bischof bestehen konnte. Im elften Jährhundert flehte der unglückliche Priester, der auf den Ruinen von Karthago saß, den Vatikan um Almosen und Schutz an und klagte bitterlich, daß er von den Sarazenen gegeißelt worden sei und daß ihm seine Herrschaft von den vier Suffraganen, den wankenden Pfeilern seines Thrones, streitig gemacht werde. Zwei Schreiben Gregors VII. bezweckten, die Not der Katholiken zu mildern und den Stolz eines Maurenfürsten zu mindern. Der Papst versichert dem Sultan, daß sie beide denselben Gott verehrten, beide dereinst hoffen könnten, sich im Schoße Abrahams zu treffen. Die erhobene Klage, daß keine drei Bischöfe mehr gefunden werden könnten, um einen Bruder zu weihen, verkündet den schnellen und unvermeidlichen Ruin des bischöflichen Standes. Die Christen von Afrika und Spanien hatten sich seit langer Zeit der Sitte der Beschneidung unterworfen und befolgten das Gesetz des Verbotes des Weintrinkens. Sie wurden Mozaraber genannt (adoptierte Araber), welcher Name die bürgerliche und religiöse Gleichheit andeutet. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts hatte die Verehrung Christi aufgehört und geistliche Hirten waren längs der Küste der Barbarei, und in den Königreichen Cordova und Sevilla, Valencia und Granada nur mehr selten anzutreffen. Der Thron der Ahnohaden oder Unitarier war auf die blindesten Fanatiker gestützt. Ihre außerordentliche Strenge mochte durch die neuerlichen Siege und die Unduldsamkeit der Fürsten, von Sizilien und Kastilien, von Aragonien und Portugal hervorgerufen oder gerechtfertigt worden sein. Der Glaube der Mozaraber wurde gelegentlich durch päpstliche Missionäre wieder belebt. Bei der Landung Karls V. wurden einige Familien lateinischer Christen in Tunis und Algier ermutigt, ihre Häupter zu erheben. Aber der aufkeimende Same des Evangeliums wurde schnell wieder ausgerottet, und in der Provinz zwischen Tripolis und dem Atlantischen Meer ist jede Erinnerung an die Sprache und Religion Roms verloren gegangen.

Nach Ablauf von elf Jahrhunderten genießen die Christen und Juden des türkischen Reiches noch immer die Gewissensfreiheit, die ihnen von den arabischen Kalifen gewährt worden war. Während der Zeit nach der Eroberung wurden die Katholiken beargwöhnt, da ihr Name Melchit ihre heimliche Anhänglichkeit an den griechischen Kaiser verriet, während die Nestorianer und Jakobiten, seine alten Feinde, sich als die aufrichtigen und freiwilligen Freunde der Mohammedaner bewährten. Aber diese einseitige Einstellung wurde mit der Zeit geändert, die ägyptischen Kirchen zur Hälfte den Katholiken überlassen und alle orientalischen Sekten mit Duldung behandelt. Rang, Freiheit und Gerichtsbarkeit, der Patriarchen, Bischöfe und der Geistlichkeit wurden von der bürgerlichen Obrigkeit beschützt; einzelne empfahlen sich durch ihre Gelehrsamkeit zu Geheimschreibern und Ärzten; sie bereicherten sich als Steuereinnehmer und sie erhielten zuweilen den Befehl über Städte und Provinzen. Ein Kalif aus dem Hause Abbas erklärte einst, daß die Christen in der Verwaltung von Persien das meiste Vertrauen verdienten. »Die Muselmanen«, sagte er, »mißbrauchen ihr gegenwärtiges Glück, die Magier trauern ihrer einstmaligen Größe nach, und die Juden sehnen sich ungeduldig nach Befreiung.« Aber die Sklaven des Despoten sind dem Wechsel der Gunst und Ungnade ausgesetzt. Die unfreien Kirchen des Orients wurden in jedem Jahrhundert durch ihre habsüchtigen und bigotten Beherrscher ausgeplündert. Die üblichen oder gesetzlichen Einschränkungen mußten die stolzen oder glaubenseifrigen Christen beleidigen. Ungefähr zweihundert Jahre nach Mohammed wurden sie gezwungen, einen Turban oder Gürtel von anderer Farbe zu tragen als die anderen Untertanen, um sich von ihnen zu unterscheiden. Sie durften ferner nicht mehr auf Maultieren oder Pferden, sondern nur wie die Frauen auf Eseln reiten. Ihre öffentlichen und privaten Gebäude durften eine gewisse Größe nicht übersteigen, auf der Straße und in den Bädern mußten sie dem geringsten des Volkes ausweichen oder sich vor ihm neigen, und ihr Zeugnis wird verworfen, wenn es einem wahren Gläubigen zum Nachteil gereicht. Bei kirchlichen Umgängen ist ihnen Prachtentfaltung, beim Gottesdienst Glockenläuten und das Psalmsingen untersagt. Sie haben sich in ihren Predigten über den Nationalglauben ehrerbietig zu äußern. Der frevelhafte Versuch, eine Moschee zu betreten oder einen Muselman zu verführen, geht nicht ungestraft hin. In Zeiten der Ruhe und Ordnung sind die Christen nie gezwungen worden, dem Evangelium zu entsagen oder den Koran zu bekennen; aber Todesstrafe wird über diejenigen verhängt, die das Gesetz Mohammeds bekannt haben und wieder abtrünnig geworden sind. Die Märtyrer von Cordova forderten das richterliche Urteil gegen sie durch ein öffentliches Bekenntnis ihrer Unbeständigkeit oder durch leidenschaftliche Schmähungen gegen den Propheten und seine Religion heraus.

Am Ende des ersten Jahrhunderts der Hegira waren die Kalifen die mächtigsten und unumschränktesten Monarchen der Erde. Ihre Macht war weder von den Großen des Reiches, den Bürgern, der Kirche, noch von einem Senate oder einer anderen Körperschaft beschränkt. Der Einfluß der Gefährten Mohammeds hörte mit ihrem Tode auf, und die Häuptlinge oder Emire der arabischen Stämme verloren, sobald sie nicht mehr in der Wüste waren, ihr Unabhängigkeitsgefühl. Die Nachfolger Mohammeds vereinigten in sich die königliche und priesterliche Würde, und wenn der Koran die Richtschnur ihrer Handlungen war, waren sie die obersten Ausleger und Richter dieses göttlichen Buches. Sie herrschten über die Nationen des Ostens, die die Freiheit nicht kannten und die gewohnt waren, die Gewalttaten und Grausamkeit ihrer eigenen Tyrannen zu billigen. Unter dem letzten der Ommijaden dehnte sich das arabische Reich zweihundert Tagreisen von Osten nach Westen, von den Grenzen der Tartarei und Indiens bis zu dem Gestade des Atlantischen Ozeans aus. Und wenn wir auch den Ärmel des Rockes, wie ihre Schriftsteller die schmale Provinz Afrika nennen, nicht in Betracht ziehen, breitet sich doch das zusammenhängende Gebiet von Fargana bis Aden, von Tarsus bis Surat, in jeder Richtung die Länge einer vier- bis fünfmonatlichen Karawanenreise zeigend, aus. Wir würden umsonst nach der unauflöslichen Einheit und dem Gehorsam suchen, das die Reiche des Augustus und der Antonine kennzeichnet; aber durch die mohammedanische Religion wurden über diese Gebiete ähnliche Sitten und Anschauungen verbreitet. Der Koran wurde gleich eifrig in Sevilla wie in Samarkand studiert; der Maure und Inder umarmten sich als Landsleute und Brüder während der Wallfahrt nach Mekka und die arabische Sprache wurde als allgemeines Idiom in allen Provinzen westlich vom Tigris angenommen.

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