Sechstes Kapitel - Die Eroberungszüge der Araber
(Anmerkung der Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden
Schilderungen sind in keinster weise authentisch und können
daher nicht als Quelle für die Geschichte des Islam angesehen
werden. Die Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in
der
Westlichen Welt auf den
Islam geblickt worden ist.)
Eroberung von Persien,
Syrien, Ägypten, Afrika und Spanien durch die Araber oder
Sarazenen. – Reich der Kalifen oder Nachfolger Mohammeds. –
Zustand der Christen unter ihrer Regierung
Die Umwälzungen, die in Arabien vor sich gegangen waren,
hatten den Charakter der Araber nicht geändert; der Tod
Mohammeds war das Zeichen zum Beginn der
Unabhängigkeitsbewegung, und der schnell vor sich gegangene
Bau seiner Macht sowie der seiner Religion wurde stark
erschüttert. Eine kleine und treue Schar seiner ersten Jünger
hatte seiner Beredsamkeit Gehör geschenkt und seine Not
geteilt. Sie waren mit dem Propheten vor den Verfolgungen aus
Mekka entflohen oder hatten den Flüchtling in Medina
aufgenommen. Die immer mehr zunehmende Menge, die Mohammed als
ihren König und Propheten anerkannte, war von seinen Waffen
bezwungen oder durch sein Glück angelockt worden. Die einfache
Idee eines einzigen und unsichtbaren Gottes verwirrte die
Polytheisten; der Stolz der Christen und Juden jedoch wollte
sich nicht unter das Joch eines sterblichen und derselben Zeit
angehörigen Gesetzgebers beugen. Ihr Glauben und ihr Gehorsam
waren noch nicht hinreichend fest, und viele der Neubekehrten
sehnten sich nach dem ehrwürdigen, alten mosaischen Gesetz,
nach dem Ritus und den Mysterien der katholischen Kirche oder
nach den Götzen, Opfern und fröhlichen Festen ihrer Vorfahren
zurück. Die widerstreitenden Interessen und Erbfehden der
arabischen Stämme hatten ein einheitliches System noch nicht
ermöglicht. Die Barbaren haßten die mildesten und nützlichsten
Gesetze, die ihre Leidenschaften zügelten oder ihre
Gewohnheiten verletzten. Sie unterwarfen sich mit Widerstreben
den religiösen Vorschriften des Korans, z. B. dem Verbot des
Weintrinkens, dem Fasten des Ramadan, der täglichen
Wiederholung von fünf Gebeten. Die Almosen und Zehnten, die
für den Schatz von Medina gesammelt wurden, unterschieden sich
nur durch den Namen von einem dauernden und schimpflichen
Tribut. Das Beispiel Mohammeds hatte Schwärmerei oder
Betrügerei geweckt. Mehrere Nebenbuhler wagten es, die
Handlungsweise des noch lebenden Propheten nachzuahmen und
seiner Macht zu trotzen. Der erste Kalif war an der Spitze der
Flüchtlinge und Verbündeten auf die Städte Mekka, Medina und
Tayef beschränkt, und vielleicht würden die Koreischiten die
Götzen der Kaaba wieder aufgestellt haben, wenn nicht ein
rechtzeitiger Vorwurf diese Absicht vereitelt hätte. »Ihr
Männer von Mekka, werdet ihr die letzten sein, welche die
Religion des Islams bekennen und die ersten, die sie
verlassen?« Nachdem Abubeker die Muselmanen ermahnt hatte, auf
die Hilfe Gottes und seines Propheten zu vertrauen, beschloß
er durch einen kräftigen Angriff der Vereinigung der Rebellen
zuvorzukommen. Die Weiber und Kinder wurden in den Höhlen der
Gebirge in Sicherheit gebracht. Die unter elf Fahnen ziehenden
Krieger verbreiteten den Schrecken ihrer Waffen, und ihr
Erscheinen belebte und kräftigte die Treue der Gläubigen
wieder. Die unbeständigen Stämme unterwarfen sich in demütiger
Reue den Pflichten des Gebetes, dem Fasten und dem
Almosengeben. Selbst die Kühnsten der Abtrünnigen beugten sich
nach einigen Siegen und Bestrafungen dem Schwerte des Herrn
und Kaleds. In der fruchtbaren Provinz Yemanah, zwischen dem
Roten Meere und dem persischen Meerbusen, in einer Medina kaum
nachstehenden Stadt, hatte ein mächtiger Häuptling, Moseilama,
den Charakter eines Propheten angenommen, und der Stamm Hanifa
schenkte seiner Stimme Gehör. Eine Prophetin wurde von seinem
Ruf angezogen. Diese beiden Auserwählten des Himmels
verachteten Züchtigkeit in Worten und Handlungen und
verbrachten mehrere Tage in mystischem Liebesverkehr. Ein
dunkler Satz seines Korans ist noch erhalten; Moseilama, im
Stolz seiner Sendung, ließ sich herab, eine Teilung der Erde
anzubieten. Der Vorschlag wurde von Mohammed mit Verachtung
verworfen, aber die reißenden Fortschritte des Betrügers
erweckten die Besorgnisse seines Nachfolgers. Vierzigtausend
Muselmanen versammelten sich unter der Fahne Kaleds und
setzten ihren Glauben in einer entscheidenden Schlacht aufs
Spiel. Im ersten Gefecht wurden sie nach dem Verlust von
zwölfhundert Mann zurückgetrieben; aber durch die
Geschicklichkeit und Beharrlichkeit ihres Anführers trugen sie
endlich den Sieg davon. Ihre erste Niederlage wurde mit der
Niedermetzelung von zehntausend Ungläubigen gerächt und
Moseilama selbst von einem äthiopischen Sklaven mit demselben
Wurfspieße durchbohrt, der den Oheim des Propheten tödlich
verwundet hatte. Die verschiedenen Rebellen Arabiens, die ohne
Führer und ohne gemeinsames Ziel handelten, wurden durch die
machtvolle, geordnete Monarchie bald unterdrückt, und die
ganze Nation bekannte sich wieder zur Religion des Korans und
beharrte bei ihr mit Festigkeit. Durch den Ehrgeiz der Kalifen
war für unmittelbare Beschäftigung der unruhigen Sarazenen
gesorgt; sie wurden zur Führung eines heiligen Krieges
vereinigt und ihr Enthusiasmus wurde ebenso durch den
Widerstand des Gegners wie durch Siege über ihn gestärkt.
Die schnellen Eroberungen der Sarazenen werden die ganz
natürliche Vermutung erwecken, daß die Kalifen in Person die
Heere der Gläubigen befehligten und in den vordersten Reihen
während der Schlacht die Krone des Märtyrertums suchten. Der
Mut Aubekers, Omars und Othmans war allerdings bei der
Verfolgung und in den Kriegen des Propheten erprobt worden,
und die Gewißheit, nach ihrem Tode in das Paradies zu kommen,
muß sie die Freuden und Gefahren dieser Welt verachten gelehrt
haben. Aber sie bestiegen den Thron in spätem oder wenigstens
vorgeschrittenem Alter und hielten die Sorge für die Religion
und die Wahrung des Rechtes für die wichtigsten Pflichten
eines Souveräns. Ihre längsten Züge waren, mit Ausnahme Omars
Zug zur Eroberung von Jerusalem, Wallfahrten von Medina nach
Mekka. Die Botschaften von Siegen empfingen sie, während sie
am Grabe des Propheten beteten oder predigten. Ihre strenge
und mäßige Lebensweise war durch Tugend oder Gewohnheit
bewirkt, und in Stolz und Einfachheit sprachen sie dem eitlen
Prunke der übrigen Könige der Erde Hohn. Als Abubeker das
Kalifat übernahm, gebot er seiner Tochter Ayescha, genaue
Rechnung über sein Privateigentum zu führen, damit es sich
zeige, ob er durch den Staatsdienst ärmer oder reicher
geworden sei. Er hielt sich zu einem Gehalte von drei
Goldstücken und zum Halten eines schwarzen Sklaven und eines
Kamels für berechtigt. Am Freitag jeder Woche verteilte er den
Rest seines eigenen und des öffentlichen Geldes zuerst an die
würdigsten und dann an die ärmsten Muselmanen. Der Rest seines
Reichtums, ein grobes Gewand und fünf Goldstücke, wurden
seinem Nachfolger übergeben, der mit einem Seufzer beklagte,
daß er ein so bewunderungswürdiges Muster nicht erreichen
könne. Indessen stand Omars Enthaltsamkeit und Demut den
Tugenden seines Vorfahren nicht nach; seine Nahrung bestand
aus Gerstenbrot oder Datteln, er trank nur Wasser und predigte
in einem an zwölf Stellen zerrissenen oder geflickten Gewand.
Ein persischer Satrap, der dem Eroberer seine Huldigung
darbringen wollte, fand ihn unter den Bettlern der Moschee von
Medina eingeschlafen. Sparsamkeit ist die erste Quelle der
Freigebigkeit, und die Zunahme seines Einkommens ermöglichte
es Omar, eine gerechte und dauernde Belohnung für vergangene
und gegenwärtige Dienste den Gläubigen zu gewähren.
Unbekümmert um seinen eigenen Anteil, wies er Abbas, dem Oheim
des Propheten, den größten Jahresgehalt von
fünfundzwanzigtausend Drachmen oder Silberstücken an.
Fünftausend teilte er jedem der greisen Krieger, die aus dem
Feldzug von Beder übrig waren, zu, und der letzte und
geringste der Gefährten Mohammeds wurde durch eine jährliche
Belohnung von dreitausend Silberstücken ausgezeichnet. Tausend
Silberstücke im Jahre erhielten die Veteranen, die in den
ersten Kriegen gegen die Perser und Griechen gefochten hatten,
und je nach dem Alter und Verdienste der Soldaten Omars war
der absteigende Sold bemessen. Unter seiner und seines
Vorgängers Regierung waren die Eroberer des Ostens die
gewissenhaften Diener Gottes und des Volkes; der Hauptteil der
öffentlichen Gelder blieb für die Ausgaben des Krieges und
Friedens reserviert. Die Mischung von Klugheit, Gerechtigkeit
und Güte des Souveräns ermöglichte es, die Zucht der Sarazenen
zu bewahren, und das Oberhaupt des Staates vereinigte durch
ein seltenes Glück die Kraft und Entschlußkraft des Despoten
mit der Gemäßigtheit einer republikanischen Regierung. Der
Heldenmut Alis, die vollendete Klugheit Moawijahs weckte den
Wetteifer ihrer Untertanen, und die Talente, die in
bürgerlicher Zwietracht ausgebildet worden waren, wurden mit
größerem Nutzen zur Ausbreitung des Glaubens und der
Herrschaft des Propheten verwendet. In der Atmosphäre der
Eitelkeit und Faulheit des Palastes von Damaskus fehlte es den
späteren Fürsten des Hauses Ommijah ebensosehr an den
Eigenschaften von Staatsmännern, wie an denen von Heiligen.
Dennoch wurde die Beute unbekannter Nationen fortwährend zu
Füßen ihres Thrones niedergelegt, und das stete Wachstum des
arabischen Reiches muß mehr dem Geiste der Nation, als den
Fähigkeiten ihrer Anführer zugeschrieben werden. Man muß aber
diesbezüglich die große Schwäche ihrer Feinde in Betracht
ziehen. Die Geburt Mohammeds fiel glücklicherweise in die
Zeit, in der die Perser, die Römer und die Barbaren Europas am
meisten entartet und zerrüttet waren. Das Reich Trajans, ja
auch nur das Konstantins oder Karls des Großen würde dem
Angriff der nackten Sarazenen standgehalten haben, und der
Strom des Fanatismus wäre in Dunkelheit in Arabien versiegt.
In den siegreichen Tagen der römischen Republik war es die
Politik des Senats, ihre Konsuln und Legionen einem einzigen
Feind entgegenzustellen und diesen erst völlig zu schlagen und
zu unterdrücken, bevor sie die Feindseligkeiten eines zweiten
herausforderten. Die hochherzigen oder schwärmerischen
arabischen Kalifen verschmähten diese bewährten Grundsätze.
Sie bekriegten gleichzeitig mit Erfolg die Nachfolger des
Augustus und des Artaxerxes, und diese beiden rivalisierenden
Monarchien wurden fast im gleichen Augenblick die Beute eines
Feindes, den sie so lange verachtet hatten. In den zehn
Regierungsjahren Omars unterwarfen die Araber
sechsunddreißigtausend Städte und Schlösser, zerstörten
viertausend Kirchen oder Tempel der Ungläubigen und bauten
vierzehnhundert Moscheen. Hundert Jahre nach der Flucht
Mohammeds aus Mekka dehnte sich die Herrschaft seiner
Nachfolger von Indien bis an den Atlantischen Ozean über
verschiedene und entlegene Provinzen aus. Man kann darunter
Persien (I.), Syrien (IL), Ägypten (III.), Afrika (IV.) und
Spanien (V.) verstehen. Ich schreite nun, nach dieser
allgemein gehaltenen Einteilung zur Schilderung dieser
denkwürdigen Ereignisse, indem ich die minder interessanten
Eroberungen im fernen Orient kurz erwähne und eine
ausführliche Darstellung jener Länder gebe, die zum römischen
Reiche gehörten. Ich muß jedoch die Mängel meiner Wiedergabe
durch die Blindheit und Unzulänglichkeit meiner Führer
entschuldigen. Die Griechen, so redselig in
Religionsstreitigkeiten, waren nicht sehr bemüht, die Triumphe
ihrer Feinde zu feiern. Nach hundert Jahren, die in
Unwissenheit vergangen waren, wurden Berichte aus mündlicher
Überlieferung zusammengetragen. Aus den zahlreichen
Erzeugnissen der arabischen und persischen Literatur haben
unsere Übersetzer die unvollständigen Skizzen eines späteren
Zeitalters gewählt. Die Kunst und der Geist der
Geschichtsschreibung waren den Asiaten fremd, sie verstehen
die Gesetze der Kritik nicht; unsere Mönchschroniken aus
derselben Zeit lassen sich mit ihren beliebtesten Werken
vergleichen, die niemals vom Geiste der Philosophie oder der
Freiheit belebt werden. Die orientalische Bibliothek eines
Franzosen würde den gelehrtesten Mufti unterrichten können,
und vielleicht finden die Araber bei keinem einzigen ihrer
Geschichtschreiber eine so klare und umfassende Darstellung
ihrer eigenen Taten, wie sie in den folgenden Blättern gegeben
ist.
I. Im ersten Regierungsjahre des ersten Kalifen rückte sein
Unterfeldherr Kaled, das Schwert Gottes und die Geißel der
Ungläubigen, gegen den Euphrat vor und bezwang die Städte
Anbar und Hira. Westlich von den Ruinen von Babylon hatte sich
ein Stamm nichtnomadisierender Araber am Rande der Wüste
niedergelassen. Hira war der Sitz eines Königsgeschlechtes,
das sich zum Christentum bekannt hatte und das unter dem
Schatten des persischen Thrones sechshundert Jahre regiert
hatte. Der letzte der Mondaren wurde von Kaled geschlagen und
getötet, sein Sohn als Gefangener nach Medina gesandt; seine
Edlen beugten sich vor dem Nachfolger des Propheten, und das
Volk wurde durch das Beispiel und Glück seiner Landsleute
verführt. Der Kalif erhielt, als die erste Frucht auswärtiger
Eroberungen, einen jährlichen Tribut von siebzigtausend
Goldstücken. Die Sieger, ja sogar deren Geschichtschreiber,
staunten über ihre beginnende Größe. »In demselben Jahre«,
sagt Elmacin, »schlug Kaled mehrere entscheidende Schlachten,
eine unermeßliche Menge von Ungläubigen wurde niedergemetzelt
und unermeßlich reiche Beute von den siegreichen Muselmanen
gemacht.« Der unbezwingliche Kaled wurde bald nach Syrien
gesandt; minder tätige oder kluge Befehlshaber leiteten den
Angriff auf die persische Grenze. Die Sarazenen wurden, als
sie den Übergang über den Euphrat versuchten, mit Verlust
zurückgeschlagen. Obwohl sie die übermütig gewordenen Magier
während der Verfolgung züchtigten, blieben ihre restlichen
Streitkräfte auf die Wüste von Babylon beschränkt.
Die Entrüstung und Besorgnisse der Perser bewirkten auf
kurze Zeit die Aufhebung der inneren Streitigkeiten. Durch
einstimmiges Urteil der Priester und Großen wurde ihre Königin
Arzema abgesetzt, die sechste jener kurz regierenden
Usurpatoren, die in den drei oder vier Jahren seit Chosroes
Tod und Heraklius Rückzug aufgetaucht und verschwunden waren.
Ihre Tiara wurde auf das Haupt Yezdidschirds, des Enkels
Chosroes, gesetzt. Der junge und unerfahrene, erst
fünfzehnjährige Fürst wich einem gefährlichen Zusammentreffen
aus. Die königliche Fahne wurde seinem Feldherrn Rustam
anvertraut und der Rest von dreißigtausend Mann regulärer
Truppen angeblich auf hundertzwanzigtausend Soldaten, die aus
Untertanen oder Bundesgenossen ausgewählt wurden, gebracht.
Die Muselmanen, deren Zahl von zwölftausend auf dreißigtausend
erhöht worden war, hatten ihr Lager in der Ebene von Cadesia
aufgeschlagen. Sie hatten, wenn auch weniger Menschen, so doch
mehr Krieger als die Schar der ihnen gegenüberstehenden
Ungläubigen. Ich bemerke hier, was ich oft wiederholen muß,
daß der Angriff der Araber, nicht wie jener der Griechen und
Römer, ein Vorstoß des dichtmarschierenden Fußvolkes war; ihre
Streitmacht bestand hauptsächlich aus Reitern und
Bogenschützen, und das Gefecht konnte daher, durch Zweikämpfe
und kleine Scharmützel oft unterbrochen, ohne irgendein
entscheidendes Ereignis mehrere Tage dauern. Die einzelnen
Abschnitte der Schlacht von Cadesia sind durch besondere Namen
ausgezeichnet. Der erste wurde wegen des rechtzeitigen
Erscheinens von sechstausend syrischen Brüdern der Tag der
Hilfe genannt. Der Tag der Erschütterung bezeichnete
vielleicht die Unordnung eines oder beider kämpfenden Heere.
Der dritte Abschnitt, in dem sich ein nächtlicher Tumult
ereignete, erhielt den sonderbaren Namen Nacht des Geheuls von
dem Geschrei, das mit den unartikulierten Lauten der wildesten
Tiere verglichen wurde. Der Morgen des folgenden Tages
entschied das Schicksal Persiens. Ein zur rechten Zeit sich
erhebender Wirbelwind trieb den Sand gegen die Ungläubigen.
Das Gedröhn des Kampfes drang bis in das Zelt Rustams, der,
sehr unähnlich dem alten Helden desselben Namens, nachlässig
in dem kühlen Schatten des Gepäcks seines Lagers ruhte, wo die
Maultiere und das Gold und Silber lagen. Bei den Anzeichen der
Gefahr fuhr er von seinem Lager auf; ein tapferer Araber holte
ihn auf der Flucht ein, faßte ihn beim Fuß, hieb seinen Kopf
ab und spießte diesen auf eine Lanze. Mit dieser kehrte er
unverzüglich mach dem Schlachtfelde zurück und trug Tod und
Schrecken in die dichtesten Reihen der Perser. Die Sarazenen
gestehen einen Verlust von siebentausend Mann ein, und die
Schlacht von Cadesia wird mit Recht als erbittert und
mitleidslos beschrieben. Die Standarte der Monarchie wurde
gestürzt und auf dem Schlachtfelde erbeutet: es war die
lederne Schürze eines Grobschmieds, der in alten Zeiten als
Befreier Persiens erschienen war. Dieses alte Wahrzeichen des
Heroismus und der Armut war jedoch verschwenderisch von einer
großen Menge von Juwelen bedeckt und fast unsichtbar. Nach
diesem Siege (636) unterwarf sich die reiche Provinz Irak oder
Assyrien dem Kalifen, und seine Eroberung wurde durch die bald
darauf erfolgende Gründung von Bassora gesichert, ein Platz,
der für immer den Handel und die Schiffahrt der Perser
beherrscht. Achtzig Meilen vom Meerbusen vereinigt sich der
Euphrat mit dem Tigris zu einem breiten und geradlinigen
Strom, der mit Recht der Fluß der Araber heißt. In der Mitte
zwischen der Vereinigung und der Mündung dieser berühmten
Ströme wurde die neue Niederlassung an dem westlichen Ufer
gegründet. Die erste Kolonie bestand aus achthundert
Muselmanen, aber durch die günstige Lage wurde sie bald zu
einer blühenden und volkreichen Hauptstadt. Die Temperatur ist
zwar sehr hoch, die Luft aber rein und gesund. Die Fluren sind
mit Palmbäumen und Herden bedeckt, und eines der naheliegenden
Täler ist als eines der vier Paradiese oder Gärten Asiens
gepriesen worden. Unter den ersten Kalifen wurde die
Gerichtsbarkeit dieser arabischen Stadt über die südlichen
Provinzen von Persien ausgedehnt. Die Stadt ist durch die
Gräber von Märtyrern geheiligt worden, und die europäischen
Schiffe besuchen noch immer den Hafen von Bassora als einen
bequemen Unterbrechungs- und Durchgangspunkt für den indischen
Handel.
Nach der Niederlage von Cadesia hätte ein von Flüssen und
Kanälen durchzogenes Land der siegreichen Reiterei
unübersteigliche Hindernisse in den Weg gestellt, und die
Mauern von Ktesiphon oder Madain, die den Sturmwiddern der
Römer widerstanden hatten, wären durch die Pfeile der
Sarazenen nicht zum Einsturz gebracht worden. Aber die
fliehenden Perser waren in dem Glauben befangen, daß der
letzte Tag ihres Reiches und ihrer Religion gekommen sei. Die
stärksten Plätze wurden aus Feigheit preisgegeben oder durch
Verrat genommen. Der König entwich mit einem Teile seiner
Familie und Schätze nach Holwan am Fuße der Medischen Gebirge.
Im dritten Monat nach der Schlacht ging Said, Omars
Unterbefehlshaber, ohne Widerstand zu finden, über den Tigris.
Die Hauptstadt wurde im Sturm genommen, und der ungeordnete
Widerstand des Volkes reizte mehr und mehr die Muselmanen, die
mit religiösem Entzücken riefen: »Das ist der weiße Palast des
Chosroes, das ist die Verheißung des Apostels Gottes!« Die
nackten Räuber der Wüste erhielten plötzlich solche
Reichtümer, wie sie sich niemals erhofft, von denen sie nicht
einmal Kunde gehabt hauen. Jedes Gemach enthüllte einen neuen
Schatz, der zur Schau gestellt wurde. Die Menge des Goldes und
Silbers, der verschiedenen Gewänder und der kostbare Schmuck
übertrafen (sagt Abulfeda) die kühnste Phantasie. Ein anderer
Geschichtschreiber schildert die riesige, fast unglaubliche
Masse der Beute, indem er sie auf drei Millionen Goldstücke
schätzt. Einige kleine, aber interessante Einzelheiten zeigen
den Gegensatz zwischen den Reichtümern der Besiegten und der
Unwissenheit und Armut der Sieger. Von den fernen Inseln des
Indischen Ozeans war ein großer Vorrat Kampfer eingeführt
worden, der mit einer Beimischung von Wachs zur Erleuchtung
der Paläste des Orients verwendet wurde. Unbekannt mit dem
Namen und den Eigenschaften dieses wohlriechenden Gummis,
hielten die Sarazenen dieses für Salz, streuten es auf ihr
Brot und staunten über den bitteren Geschmack. Eines der
Gemächer des Palastes war mit einem seidenen, sechzig Ellen
langen und ebenso breiten Teppich geschmückt; ein Paradies
oder Garten war darauf gemalt, Blumen, Früchte und Gesträuche
waren durch Goldstickerei und Edelsteine nachgeahmt und das
große Viereck von einem bunten Kranz umwoben. Der arabische
Feldherr beredete seine Soldaten, ihren berechtigten Anspruch
auf den Teppich in der Hoffnung aufzugeben, daß dieses
kostbare Meisterwerk dem Kalifen große Freude bereiten würde.
Ohne Rücksicht auf Kunstwert oder königlichen Prunk zu nehmen,
teilte der gerechte Omar die Beute unter seine Brüder von
Medina. Das Kunstwerk wurde zerstört. Aber der bloße Wert der
verschiedenen Materialien war so groß, daß der Anteil Alis
allein für zwanzigtausend Drachmen Silber verkauft wurde. Ein
Maultier, das die Tiara, den Harnisch, den Gürtel und die
Armbänder Chosroes trug, wurde von den Verfolgern eingeholt.
Das glänzende Siegeszeichen wurde dem Beherrscher der
Gläubigen überbracht. Die ernstesten seiner Gefährten ließen
sich zu einem Lächeln herab, als sie die ungeschlachte Gestalt
des Veteranen erblickten, der mit den Zeichen des großen
Königs bekleidet war. Auf die Plünderung von Ktesiphon folgte
dessen Verödung und allmählicher Verfall. Den Sarazenen
mißfiel die Lage und das Klima des Platzes, und Omar erhielt
von seinem Feldherrn den Rat, den Sitz der Regierung auf das
westliche Ufer des Euphrat zu verlegen. In jedem Jahrhundert
war die Gründung der assyrischen Städte leicht, sowie deren
Verfall schnell vor sich ging. Es fehlt dem Lande an Steinen
und Bauholz, und die festesten Gebäude bestehen nur aus an der
Sonne getrockneten Ziegeln, die durch Kitt aus einheimischem
Erdpech verbunden sind. Das Wort Kufa bezeichnet eine
Behausung aus Rohr und Erde. Aber die Wichtigkeit der neuen
Hauptstadt wurde durch die Zahl, den Reichtum und Mut einer
Kolonie von Veteranen unterstützt, deren Zügellosigkeit die
weisesten Kalifen duldeten, weil sie fürchten mußten,
hunderttausend schwertbewaffnete Männer zur Empörung zu
reizen. »Ihr Männer von Kufa«, sagte Ali, der sich um ihren
Beistand bewarb, »ihr habt stets durch eure Tapferkeit
geleuchtet. Ihr habt den persischen König besiegt und seine
Truppen zerstreut und von seinem Erbe Besitz ergriffen.« Diese
wichtige Eroberung wurde durch die Schlachten von Jalula und
Nehawend vollendet. Nach dem Verluste der ersteren floh
Yezdidschird aus Holwan und verbarg sich in Schmach und
Verzweiflung in den Gebirgen von Farsistan, von denen Cyrus
mit seinen tapferen Gefährten herniedergestiegen war. Der Mut
der Nation überdauerte den ihres Monarchen. Zwischen den
Bergen, südlich von Ekbatana oder Hamadan hielten
hundertfünfzigtausend Perser zum dritten und letzten Male den
Feinden ihrer Religion und ihres Vaterlandes stand. Der
Ausgang der entscheidenden Schlacht von Nehawed wird von den
Arabern der Sieg der Siege genannt. Wenn es wahr ist, daß der
fliehende Feldherr der Perser von Maultieren und Kamelen, die
mit Honig beladen waren, aufgehalten und dadurch eingeholt
wurde, so beweist dieser Umstand, wie groß die Üppigkeit einer
orientalischen Armee war und wie sehr sie durch diese
behindert wurde.
In der Geographie von Persien waren die Griechen und Römer
nicht sehr bewandert. Dessen berühmtesten Städte sind aber
offenbar älter als der Einbruch der Sarazenen. Mit der
Bezwingung von Hamadan und Ispahan, von Kasbin, Tauris und Rei
näherten sie sich den Gestaden des Kaspischen Meeres. Die
Redner von Mekka priesen den Mut der Gläubigen, die bereits
den nördlichen Bär aus den Augen verloren und fast die Grenzen
der bewohnten Welt überschritten hätten. Sich abermals gegen
Westen und das römische Reich wendend, überschritten sie den
Tigris auf der Brücke von Mosul und umarmten in den
bezwungenen Provinzen Armenien und Mesopotamien ihre
siegreichen Brüder des syrischen Heeres. Vom Palaste von
Madain aus nach Osten machten sie nicht minder große und
schnelle Fortschritte. Sie rückten am Tigris und am Meerbusen
vor, drangen über die Gebirgspässe in das Tal von Istachar
oder Persepolis und entweihten das letzte Heiligtum des
Reiches der Magier. Der Enkel des Chosroes wäre, unter den
stürzenden Säulen und verstümmelten Statuen, die ein düsteres
Bild des vergangenen und gegenwärtigen Schicksals Persiens
gaben, fast überrumpelt worden. Er floh schleunigst durch die
Wüste von Kirma, flehte die kriegerischen Segestaner um Hilfe
an und suchte am Rande des türkischen und chinesischen Reiches
Zuflucht. Aber ein siegreiches Heer fühlt keine Ermattung. Die
Araber teilten ihre Streitkräfte zur Verfolgung eines
furchtsamen Feindes, und der Kalif Othman versprach die
Statthalterschaft von Chorasan dem ersten Anführer, der in
dieses große und volkreiche Land, das Reich der alten Baktrier,
eindringen würde. Die Bedingungen wurden angenommen, der Lohn
erworben und die Fahne Mohammeds auf den Wällen von Herat,
Meru und Balch aufgepflanzt. Der siegreiche Anführer gönnte
sich weder Rast noch Ruhe, bis seine schaumbedeckte Reiterei
aus dem Wasser des Oxus getrunken hatte. Bei der bestehenden
Anarchie erlangten die Statthalter der Städte und Schlösser
besondere Kapitulationsbedingungen. Diese wurden von dem
jeweiligen Sieger vorgeschrieben, der sich durch Hochachtung,
Klugheit oder Mitleid hiebei leiten ließ. Zwischen Bruder und
Sklaven bestand nichts als ein Glaubensunterschied. Nach einer
mutigen Verteidigung mußte Harmozan, der Fürst oder Satrap von
Susa, sich und sein Land dem Kalifen auf Gnade oder Ungnade
ergeben. Ihre Zusammenkunft liefert ein lebendiges Bild der
arabischen Sitten. In Gegenwart und auf Befehl Omars wurde der
glänzend gekleidete Barbar seiner mit Gold gestickten
Seidengewänder und seiner mit Rubinen und Smaragden
geschmückten Tiara beraubt. »Fühlst du nun«, sprach der Sieger
zu seinem nackten Gefangenen, »fühlst du nun das Gericht
Gottes und den Unterschied in der Belohnung für Untreue und
Gehorsam?« »Ach, nur zu tief!« erwiderte Harmozan. »In den
Tagen unserer gemeinsamen Unwissenheit fochten wir mit den
Waffen des Fleisches und unser Volk war überlegen. Gott war
damals neutral. Seitdem er im Kampfe eure Partei ergriffen
hat, habt ihr unser Königreich und unsere Religion gestürzt.«
Niedergedrückt von diesem peinlichen Gespräch, klagte der
Perser über unerträglichen Durst, ließ aber die Besorgnis laut
werden, getötet zu werden, während er den Becher mit Wasser
leere. »Sei guten Mutes«, sprach der Kalif, »dein Leben ist
sicher, bis du dieses Wasser ausgetrunken hast.« Der schlaue
Satrap vertraute der Zusicherung und zerschmetterte das Gefäß
sofort auf dem Boden. Omar wollte die List rächen, aber seine
Gefährten stellten ihm die Heiligkeit des Eides vor, und
Harmozans schleunige Bekehrung brachte ihm nicht nur völlige
Begnadigung, sondern auch ein Jahresgehalt von zweitausend
Goldstücken. Die Verwaltung des Volkes wurde nach einer
wirklichen Zählung des Volkes, Viehes und der Erdfrüchte
geregelt. Diese Handlungsweise, welche die Fähigkeit des
Kalifen beweist, hätte die Philosophen jedes Jahrhunderts
belehren können.
Die Flucht Yezdidschirds hatte ihn über den Oxus bis an den
Jaxartes geführt, zwei in alter und neuer Zeit berühmte
Ströme, die von den Gebirgen Indiens dem Kaspischen Meer
zufließen. Er wurde von Tarkhan, dem Fürsten von Fargana,
einer fruchtbaren Provinz am Jaxartes, gastfreundlich
aufgenommen. Der König von Samarkand und die türkischen Stämme
von Sogdiana und Skythien wurden durch die Klagen des
gestürzten Monarchen, der mit Versprechungen nicht sparte,
gerührt. Er bewarb sich durch eine Bittgesandtschaft um die
Freundschaft des mächtigen Kaisers von China. Der tugendhafte
Taitsong, der erste Kaiser der Dynastie Tang, kann mit Recht
den Antoinen von Rom verglichen werden. Sein Volk lebte in
Wohlstand und Frieden, und seine Herrschaft wurde von
vierundvierzig Barbarenhorden der Tartarei anerkannt. Seine
fernsten Besatzungen von Kaschgar und Khoten unterhielten
einen ziemlich regelmäßigen Verkehr mit ihren Nachbarn am
Jaxartes und Oxus. Erst vor kurzem war durch eine persische
Kolonie in China die Astronomie der Magier eingeführt worden,
und Taitsong fühlte wohl über die schnellen Fortschritte und
die gefährliche Nachbarschaft der Araber Besorgnis. Der
Einfluß und vielleicht die Hilfsgelder Chinas belebten die
Hoffnungen Yezdidschirds und der Feueranbeter von neuem, und
er kehrte mit einem Türkenheere zurück, um das Erbe seiner
Väter wieder zu erobern. Die glücklichen Muselmanen waren,
ohne auch nur das Schwert aus der Scheide zu ziehen, Zeugen
seines Unterganges und Todes. Der Enkel des Chosroes wurde von
seinen Sklaven verraten, von den aufrührerischen Bewohnern von
Meru beschimpft, von seinen barbarischen Bundesgenossen
gedrängt, geschlagen und verfolgt. Er erreichte das Ufer eines
Flusses und bot seine Ringe und Armbänder einem Müller, damit
ihn dieser übersetze. Unbekannt mit der Not des Königs oder
gefühllos für sie, antwortete dieser, daß vier Drachmen der
tägliche Ertrag seiner Mühle seien und er seine Arbeit erst
einstellen wolle, bis ihm sein Verlust vergütet würde. In
diesem Augenblick wurde der letzte König aus dem Geschlechte
der Sassaniden durch die entstandene Verzögerung von der
türkischen Reiterei eingeholt und getötet.
Seine unglückliche Regierung hatte neunzehn Jahre gedauert.
Sein Sohn Firuz, ein Schützling des chinesischen Kaisers, nahm
die Stelle eines Hauptmanns seiner Leibwache an. Der
Gottesdienst der Magier wurde von einer Anzahl treuer
Flüchtlinge in der Provinz Bucharei lange ausgeübt. Sein Enkel
erbte den königlichen Titel, kehrte aber nach einer
mißlungenen Unternehmung nach China zurück und beendete seine
Tage im Palast von Sigan. Der Mannesstamm der Sassaniden war
erloschen; die weiblichen Gefangenen aber, die Töchter
Persiens, wurden von den Siegern in Knechtschaft oder zur Ehe
genommen und so das Geschlecht der Kalifen und Imame durch das
Blut ihrer königlichen Mütter veredelt.
Nach dem Sturz des persischen Königreiches war der Oxus die
Grenze zwischen den Gebieten der Türken und der Sarazenen.
Diese Grenze wurde von den mutigen Arabern bald überschritten.
Die Statthalter von Chorasan dehnten nach und nach ihre
Streifzüge immer weiter aus und brachten einst im Triumphe den
Halbstiefel einer türkischen Königin, die ihn auf der Flucht
über die Berge von Buchara verloren hatte, heim. Die
endgültige Eroberung jedoch von Transoxiana so wie von Spanien
war dem untätigen Walid und seiner ruhmvollen Regierung
vorbehalten. Der Name Katibah oder Kameltreiber deutet auf die
Herkunft und die Verdienste seines siegreichen Unterfeldherrn.
Während einer seiner Kollegen die mohammedanische Fahne an den
Ufern des Indus entfaltete, wurden die umfangreichen Länder
zwischen dem Oxus, Jaxartes und dem Kaspischen Meere durch
Katibah unterworfen, und die Bewohner gelobten dem Propheten
und den Kalifen Gehorsam. Ein Tribut von zwei Millionen
Goldstücken wurde den Ungläubigen auferlegt, ihre Götzenbilder
wurden verbrannt oder zerbrochen, und der Anführer der
Muselmanen hielt in der neuen Moschee von Karism eine Predigt.
Nach mehreren Schlachten wurden die türkischen Horden in die
Wüste zurückgetrieben, und die Kaiser von China bewarben sich
um die Freundschaft der siegreichen Araber. Ihrem Fleiß kann
der Wohlstand der Provinz, des Sogdanian der Alten, zum
größten Teil zugeschrieben werden, aber die Fruchtbarkeit des
Bodens und das günstige Klima war schon seit der Herrschaft
der makedonischen Könige erkannt und ausgenützt worden. Vor
dem Einbruch der Sarazenen waren Karism, Bochera und
Samarkand, unter dem Joche der nördlichen Hirten stehend,
wohlhabend und volkreich gewesen. Diese Städte waren mit einer
doppelten Mauer umgeben; die äußere Befestigung von großem
Umfang, schloß die benachbarten Felder und Gärten ein. Der
Warenaustausch zwischen Indien und Europa wurde von den
sogdianischen Kaufleuten durchgeführt, und die unschätzbare
Kunst, Leinwand in Papier zu verwandeln, hat sich von der
Fabrik in Samarkand über die abendländische Welt verbreitet.
II. Kaum hatte Abubeker die Einheit des Glaubens und der
Regierung hergestellt, als er ein Rundschreiben an die
arabischen Stämme sandte: »Im Namen des barmherzigsten Gottes
an alle wahren Gläubigen. Heil und Glück und die Gnade und der
Segen Gottes sei mit euch. Ich preise den höchsten Gott und
bete für seinen Propheten Mohammed. Dies soll euch
benachrichtigen, daß ich die echten Gläubigen nach Syrien
senden will, um dieses aus den Händen der Ungläubigen zu
befreien. Und ich tue euch kund, daß für die Religion kämpfen,
eine Handlung des Gehorsams gegen Gott ist.« Seine Boten
kehrten mit Berichten über den frommen und kriegerischen Eifer
zurück, den sie in jeder Provinz wachgerufen hatten. Das Lager
von Medina füllte sich nach und nach mit Scharen von
unerschrockenen Sarazenen, die nach Kampf lechzten, über die
Hitze und über Mangel an Lebensmitteln klagten und ungeduldig
über das Zögern des Kalifen murrten. Sobald ihre Zahl groß
genug war, bestieg Abubeker den Berg, hielt Heerschau über
Menschen, Pferde und Waffen und sprach ein inbrünstiges Gebet
für den Erfolg ihres Unternehmens. Er begleitete sie zu Fuß
auf den ersten Marschtagen, und als die Anführer schamrot von
den Pferden steigen wollten, beseitigte der Kalif ihre Scham
durch die Erklärung, daß es gleich verdienstvoll sei, für die
Religion zu reiten wie zu gehen. Seine Befehle für die
Anführer der syrischen Armee waren von jenem kriegerischen
Fanatismus eingegeben, der die Gegenstände irdischen Ehrgeizes
erobern will, die er zu verachten scheint. »Gedenket«, sagte
der Nachfolger des Propheten, »daß ihr stets in Gottes
Gegenwart, am Rande des Grabes, in der Gewißheit des Gerichtes
und in der Hoffnung des Paradieses seid. Vermeidet
Ungerechtigkeit und Unterdrückung, ratschlaget mit euren
Brüdern und strebt, die Liebe und das Vertrauen eurer Truppen
zu bewahren. Wenn ihr die Schlachten des Herrn kämpfet, so
zeiget euch als Männer, ohne dem Feind den Rücken zu kehren;
aber euer Sieg werde nicht mit dein Blut von Weibern und
Kindern befleckt. Vernichtet keine Palmbäume und verbrennet
keine Kornfelder. Hauet keine Fruchtbäume nieder und tötet
kein Vieh, es sei denn zu eurer Nahrung. Wenn ihr einen
Vertrag schließet oder Bedingungen annehmt, so beharret dabei
und haltet euer Wort. Wenn ihr weiterziehet werdet ihr fromme
Personen treffen, die zurückgezogen in Klöstern leben und sich
vorgenommen haben, Gott auf diese Weise zu dienen. Diese
lasset in Frieden, tötet sie weder, noch zerstöret ihre
Klöster. Ferner werdet ihr eine andere Art Volkes finden, die
der Synagoge des Satans angehören und geschorene Häupter
haben. Denen spaltet den Schädel und gebet ihnen keine Gnade,
bis sie entweder Muselmanen werden oder Tribut zahlen.« Alle
eitlen und leichtfertigen Gespräche, jede gefährliche
Erinnerung an alte Streitigkeiten war unter den Arabern streng
verboten. Ihre Religionsübungen wurden mitten im Lager
eifrigst vorgenommen und die Pausen zwischen den Gefechten zum
Gebet und zum Studium des Korans verwendet. Geringfügiger oder
übermäßiger Weingenuß wurde mit achtzig Streichen auf die
Fußsohlen bestraft. Die Muselmanen jener frühen Zeit waren mit
solcher Inbrunst erfüllt, daß sie viele geheime Sünden und
Fehltritte freiwillig offenbarten und um Strafe baten. Nach
einigem Zögern wurde der Oberbefehl über das syrische Heer dem
Abu Obeidah, einem Flüchtling aus Mekka und Gefährten des
Propheten, übertragen, dessen Eifer und Andacht mit Milde und
Güte gepaart war. Aber bei jeder Schwierigkeit während des
Krieges verlangten die Soldaten nach dem überlegenen Genie
Kaleds. Die Wahl des Fürsten, mochte sie ausfallen, wie sie
wolle, änderte nichts daran, daß dem Ruhme nach das Schwert
Gones immer der erste Anführer der Sarazenen war. Er gehorchte
ohne Widerstreben, er wurde ohne Eifersucht zu Rate gezogen,
und Kaled, oder besser seine Zeit, war so beschaffen, daß er
seine Bereitwilligkeit erklärte, unter der Fahne des Glaubens
zu dienen, selbst wenn sie sich in der Hand eines Feindes oder
Kindes befände. Ruhm, Reichtum und Herrschaft waren allerdings
dem siegreichen Muselman verheißen; aber man prägte ihm
sorgfältigst ein, daß, wenn die Güter des Lebens sein einziger
Ansporn wären, sie auch seine einzige Belohnung bleiben
würden.
Eine der fünfzehn Provinzen von Syrien, das bebaute Land
östlich vom Jordan, war von den Römern in ihrer Eitelkeit mit
dem Namen Arabien geschmückt worden, und die ersten
Waffentaten der Sarazenen wurden durch den Schein eines
Nationalrechtes gerechtfertigt. Das Land war durch viele
Handelsvorteile ausgezeichnet, die Kaiser hatten es mit einer
Reihe von festen Plätzen versehen und die volkreichen Städte
Gerasa, Philadelphia und Bosra waren durch starke Mauern
wenigstens vor einem Handstreich geschützt. Die letzte dieser
Städte war die achtzehnte Station von Medina. Der Weg war den
Karawanen von Hedschas und Irak wohlbekannt, die jährlich den
reichen Markt der Provinz und Wüste besuchten. Durch die
beständige Eifersucht der Araber waren die Bewohner im
Gebrauch der Waffen geübt, und Bosra, was in syrischer Sprache
starker Turm der Verteidigung bedeutet, konnte zwölftausend
Reiter entsenden. Durch ihren ersten Erfolg gegen die Städte
und die streifenden Parteien an der Grenze ermutigt, wagte
eine Heeresabteilung von viertausend Mann die Festung
anzugreifen. Sie wurde von der Übermacht der Syrer bedrängt
und durch die Ankunft Kaleds mit fünfzehnhundert Reitern
gerettet. Er tadelte das Wagnis, stellte die Schlacht wieder
her und befreite seinen Freund, den ehrwürdigen Serdschabil,
der vergeblich Gott und den Apostel angerufen hatte. Nach
kurzer Ruhe vollzogen die Muselmanen ihre Waschungen mit Sand
an Stelle von Wasser, und das Morgengebet wurde von Kaled
gesprochen, bevor er zu Pferde stieg. Im Vertrauen auf ihre
Stärke öffnete die Bevölkerung von Bosra die Tore, sandte ihre
Streitkräfte in die Ebene und schwur, bei der Verteidigung
ihrer Religion zu sterben. Aber eine Religion des Friedens war
nicht imstande, den fanatisch schreienden Scharen der
Sarazenen, die »Kämpfet, kämpfet! Paradies, Paradies!« riefen,
zu widerstehen. Das Geheul der Priester und Mönche, der Lärm
in der Stadt, das Geläute der Glocken vermehrte das Entsetzen
und die Unordnung der Christen. Die Araber blieben mit einem
Verluste von zweihundertdreißig Mann Herren des Feldes, und
die Wälle von Bosra waren in Erwartung menschlicher oder
göttlicher Hilfe mit heiligen Kreuzen und geweihten Fahnen
bedeckt. Der Statthalter Romanus hatte frühzeitig zur
Unterwerfung geraten. Verachtet vom Volke und seines Amtes
entsetzt, behielt er Mittel zur Rache. Bei einer nächtlichen
Unterredung zeigte er dem Feinde einen unterirdischen Gang,
der unter den Mauern der Stadt zu seinem Hause führte. Der
Sohn des Kalifen und hundert Freiwillige vertrauten der Treue
dieses neuen Bundesgenossen, und ihre Unerschrockenheit wurde
vom Erfolg gekrönt: sie konnten ihren Gefährten ohne große
Mühe Einlaß gewähren. Nachdem Kaled den Tribut und die
sonstigen Bedingungen vorgeschrieben hatte, bekannte der
Abtrünnige oder Bekehrte vor dem versammelten Volke seinen
verdienstlichen Verrat. »Ich entsage eurer Gemeinschaft«,
sagte Romanus, »sowohl in dieser als in jener Welt. Und ich
verleugne Ihn, der gekreuzigt wurde und jeden, der Ihn
verehrt. Ich wähle Gott zu meinem Herrn, den Islam zu meinem
Glauben, Mekka zu meinem Tempel, die Muselmanen zu meinen
Brüdern und Mohammed zu meinem Propheten, der gesandt wurde,
uns auf die rechte Bahn zu führen und die wahre Religion
denjenigen zum Trotz zu erhöhen, die neben Gott noch andere
Götzen haben.«
Die Eroberung von Bosra, eine Tagesreise von Damaskus
gelegen, ermutigte die Eroberer zur Belagerung der alten
Hauptstadt von Syrien. In einiger Entfernung von den Mauern
lagerten sie in den Hainen dieses blühenden Bezirkes. Wie
gewöhnlich wurde den mutigen Bürgern, die kürzlich eine
Verstärkung von fünftausend Griechen erhalten hatten, die Wahl
zwischen dem mohammedanischen Glauben, Tribut oder Krieg
überlassen. Während der Kindheit sowie des Verfalles der
Kriegskunst wurde eine Herausforderung den Feinden häufig von
den Feldherren gesendet oder von diesen angenommen. Manche
Lanze zersplitterte auf der Ebene von Damaskus, und Kaled
zeichnete sich durch persönliche Tapferkeit bei dem ersten
Ausfalle der Belagerten aus. Nach hartnäckigem Kampfe hatte er
einen der christlichen Anführer, einen starken, seiner
würdigen Gegner zu Boden geworfen und gefangengenommen. Er
bestieg sogleich ein frisches Pferd, ein Geschenk des
Statthalters von Palmyra, und stürmte in die vorderste Reihe
der Kämpfenden. »Ruhe einen Augenblick«, sagte sein Freund
Derar, »und laß mich deinen Platz einnehmen, du bist von dem
Kampfe mit diesem Hunde ermüdet.« »O Derar!« erwiderte der
unermüdliche Sarazene, »wir werden in jener Welt ausruhen. Wer
heute arbeitet, wird morgen ruhen.« Mit gleichem Feuer und
unermüdet bekämpfte und besiegte Kaled einen zweiten Krieger.
Die Häupter seiner Gefangenen, die sich weigerten, ihre
Religion zu verleugnen, wurden in die Stadt geworfen. Der
Ausgang einiger allgemeiner oder Einzelgefechte nötigte die
Damaszener zu einer stärkeren Verteidigung. Ein Bote, den sie
von der Mauer herabgelassen hatten, kehrte jedoch mit der
Botschaft zurück, daß sie mächtige Hilfe baldigst erhalten
würden. In ihrer Freude teilten sie diese Nachricht lärmend
den Arabern mit. Nach einer Beratung wurde von den Feldherren
beschlossen, die Belagerung von Damaskus aufzuheben oder
vielmehr aufzuschieben, bis sie die Streitkräfte des Kaisers
geschlagen haben würden. Beim Rückzuge wollte Kaled bei der
Nachhut, der gefährlichsten Stelle, bleiben, fügte sich jedoch
bescheiden den Wünschen Abu Obeidahs. Aber in der Stunde der
Gefahr eilte er zu seinen Gefährten, die durch sechstausend
Reiter und zehntausend Mann zu Fuß, welche einen Ausfall
machten, hart bedrängt wurden. Nur wenige von den Christen
konnten in Damaskus die Ursachen ihrer Niederlage erzählen.
Die Bedeutung des Kampfes erforderte die Vereinigung der
Sarazenen, die an den Grenzen von Syrien und Palästina
zerstreut waren. Ich schreibe hier eines ihrer Kreisschreiben
ab, das an Amru, den künftigen Eroberer von Ägypten, gerichtet
war. »Im Namen des barmherzigsten Gottes, Kaled dem Amru Heil
und Glück. Wisse, daß Deine Brüder, die Muselmanen, gegen
Aiznadin ziehen, wo ein Heer von siebzigtausend Griechen
steht, die gekommen sind, um das Licht Gottes mit ihrem Mund
auszulöschen; aber Gott bewahret sein Licht den Ungläubigen
zum Trotz. Sobald daher dieser mein Brief Deinen Händen
überliefert ist, komme mit denen, die Du bei Dir hast, nach
Aiznadin, wo Du uns finden wirst, so es Gott, dem Höchsten,
gefällt.« Diese Aufforderung fand Freude und Gehorsam, und die
fünfundvierzigtausend Muselmanen, die an demselben Tage
zusammentrafen, schrieben die Wirkungen ihrer Tätigkeit und
ihres Eifers der Vorsehung zu.
Ungefähr vier Jahre nach dem Triumphe im persischen Kriege
wurde die Ruhe des Heraklius und des Reiches durch einen neuen
Feind gestört, dessen Religion die Christen de« Ostens weniger
gut verstanden, als dessen Macht, die sie zu fühlen bekamen.
Er wurde in seinem Palaste zu Konstantinopel und Antiochia
durch den Einbruch in Syrien, den Verlust von Bosra und das
gefährdete Damaskus geweckt. Eine Armee von siebzigtausend,
teils alten, teils neu ausgehobenen Truppen sammelten sich zu
Hems oder Emesa unter dem Befehl seines Unterfeldherrn Werdan.
Diese Truppen, hauptsächlich Reiterei, konnten entweder als
Syrer, Griechen oder Römer bezeichnet werden: Syrer nach ihrem
Vaterlande oder dem Kriegsschauplatz, Griechen nach der
Religion und Sprache ihres Herrschers, Römer nach dem
erhabenen Namen, der von den Nachfolgern Konstantins dauernd
entweiht wurde. Als Werdan auf der Ebene von Aiznadin auf
einem weißen, mit goldenen Ketten geschmückten Maultiere, von
Fahnen und Bannern umgeben, dahinritt, wurde er plötzlich
eines nackten grimmigen Kriegers gewahr, der sich so nahe
herangewagt hatte, um den Feind auszukundschaften. Die
Kühnheit und Tapferkeit Derars war durch die Schwärmerei
seines Zeitalters und Vaterlandes bedingt und ist vielleicht
durch diese ausgeschmückt worden. Christenhaß, Beutedurst und
Verachtung der Gefahr waren die vorherrschenden Leidenschaften
des verwegenen Sarazenen. Die Aussicht, einen frühen Tod zu
erleiden, konnte weder jemals seine religiöse Zuversicht
erschüttern noch seine Entschlüsse stören. Sogar seine gute
Laune konnte dadurch keine Einbuße erleiden. Bei der
hoffnungslosesten Unternehmung war dieser Sarazene kühn, klug
und glücklich. Nach unzähligen bestandenen Gefahren, nachdem
er dreimal Gefangener der Ungläubigen gewesen war, lebte er,
um die Taten bei der Eroberung Syriens zu erzählen und um die
Reichtümer, den Lohn seiner Taten, zu genießen. Diesmal hielt
er mit seiner Lanze dreißig Römer in Schach, die von Werdan
entsendet worden waren. Nachdem Deran siebzehn von ihnen
getötet oder aus dem Sattel gehoben hatte, kehrte er
wohlbehalten zu seinen jubelnden Brüdern zurück. Als der
Feldherr seine Verwegenheit milde tadelte, entschuldigte er
sich wie ein einfältiger Soldat. »Ich fing ja nicht zuerst mit
dem Kampfe an«, sagte Derar, »sie kamen, um mich zu fangen und
da ich fürchtete, daß Gott meine Flucht sehen würde, focht ich
mit aller Kraft Ohne Zweifel ist mir Gott beigestanden, und
die Feinde werden in unsere Hände fallen.« Angesichts beider
Heere trat ein ehrwürdiger Grieche aus der Schlachtreihe und
näherte sich seinen Feinden mit freigebig gemachten
Friedensanerbietungen: der Abzug der Sarazenen sollte mit
einem Turban, einem Gewand, einem Goldstück für jeden
Soldaten, mit zehn Gewändern und hundert Goldstücken für den
Anführer, hundert Gewändern und tausend Goldstücken für den
Kalifen erkauft werden. Mit Lachen und Entrüstung wies Kaled
das Anerbieten zurück. »Ihr Christenhunde, ihr kennet die
Wahl: Koran, Tribut oder Schwert! Wir sind ein Volk, das am
Kriege mehr Freude findet als am Frieden. Wir verachten euer
armseliges Almosen, denn wir werden baldigst Herren eurer
Reichtümer, eurer Familien und eurer selbst sein.« Trotz
dieser zur Schau getragenen Verachtung, war er sich der Gefahr
bewußt. Selbst diejenigen, die in Persien gewesen waren und
die Heere des Chosroes gesehen hatten, gaben zu, daß sie nie
eine größere Heeresmacht erblickt hätten. Der schlaue Sarazene
verwendet die Übermacht des Feindes, um seine Scharen
aufzustacheln: »Ihr seht die vereinte Macht der Römer vor
euch«, sagte er, »Hoffnung zu entkommen besteht keine. Wohl
aber könnt ihr, wenn ihr tapfer seid, Syrien in einem Tage
erobern. Der Ausgang hängt von der Ordnung ab, die ihr bewahrt
und von eurer Geduld. Entfaltet eure Tapferkeit erst am Abend.
Am Abend pflegt der Prophet zu siegen.« In zwei
darauffolgenden Gefechten ertrug er mit großer Ruhe die
Angriffe des Feindes und das Murren seiner Truppen. Endlich,
als die Kräfte der Gegner erschöpft und deren Köcher fast leer
waren, gab Kalef das Zeichen zum Angriff und siegte. Die Reste
des kaiserlichen Heeres flohen nach Antiochia, Cäsarea oder
Damaskus. Über den Tod von vierhundertsiebzig Muselmanen
trösteten sich deren Brüder mit dem Glauben, daß sie mehr als
fünftausend Ungläubige zur Hölle gesandt hatten. Die Beute war
unschätzbar; viele Banner und Kreuze aus Gold und Silber,
Edelsteine, silberne und goldene Ketten, zahllose Rüstungen
und Gewänder aus den kostbarsten Stoffen. Die Verteilung wurde
bis zur Einnahme von Damaskus verschoben, nur die Waffen der
Besiegten dienten zur Bekämpfung der Damaszener. Die
glorreiche Kunde wurde dem Kalifen überbracht. Auch jene
Araberstämme, die sich bisher am ablehnendsten und
feindseligsten gegen die Lehre des Propheten verhalten hatten,
waren begierig, die Beute Syriens zu teilen.
Die traurige Nachricht gelangte mit Schnelligkeit unter
Schmerz und Entsetzen nach Damaskus. Dessen Bewohner sahen von
ihren Mauern die Rückkehr der Helden von Aiznadin. Amru führte
die Vorhut von neuntausend Reitern, dann folgten die
schreckenerregenden Scharen der Sarazenen. Die Nachhut
befehligte Kaled selbst, in der die Standarte des schwarzen
Adlers mitgeführt wurde. Derar wurde beauftragt, mit
zweitausend Reitern die Runde um die Stadt zu machen, die
Ebene von Feinden zu säubern und alle Zufuhr für die Stadt
abzuschneiden. Die anderen arabischen Häuptlinge nahmen die
ihnen angewiesenen Stellungen vor den Toren von Damaskus ein.
Die Belagerung wurde mit frischer Kraft und Zuversicht
erneuert. Selten verwendeten die primitiveren Sarazenen die
Kriegsmaschinen der Griechen oder Römer, noch gaben sie sich
mit Kunst oder feineren Arbeiten ab. Trotzdem waren ihre
Unternehmungen meist glücklich. Sie schlossen Städte meist
ein, ohne Gräben zu ziehen, wiesen die Ausfälle der Belagerten
zurück, versuchten Erfolge durch Kriegslist oder Sturm zu
erreichen und begnügten sich im übrigen, die Wirkungen des
Hungers oder von Streitigkeiten abzuwarten. Damaskus hätte
sich nach dem Siege von Aiznadin gefügt, wenn der Mut der
Bewohner nicht durch den angesehenen und beispielgebenden
Thomas, einen edlen Griechen, belebt worden wäre. Während der
Nacht taten Lärm und Beleuchtung in der Stadt kund, daß am
folgenden Morgen ein Ausfall beabsichtigt sei. Der christliche
Held, der Verachtung gegen die Schwärmerei der Araber zeigte,
griff jedoch gleichfalls zum Glauben als Hilfsmittel. Am
Haupttore wurde im Angesicht beider Heere ein großes Kruzifix
errichtet, der Bischof und die Geistlichkeit begleitete den
Zug und legten einen Band des Neuen Testaments zu Füßen Jesu
nieder. Die gegnerischen Parteien wurden durch Gebete, die den
Schutz Gottes erflehten, erbaut oder geärgert. Die Schlacht
wurde mit erbitterter Wut geführt. Thomas, ein
unvergleichlicher Bogenschütze, wurde den kühnsten Sarazenen
gefährlich; er wurde jedoch durch eine sarazenische Heldin
verletzt. Die Gattin Abans, die ihm in den heiligen Krieg
gefolgt war, umarmte ihren sterbenden Gemahl. »Glücklich«,
sagte sie »glücklich bist du, mein Teurer, du bist zu deinem
Gott gegangen, der uns erst vereinigte, dann trennte. Ich will
deinen Tod rächen und alles, was in meiner Macht steht, tun,
um an den Ort zu gelangen, wo du bist, denn ich liebe dich.
Kein Mann soll mich mehr berühren, denn ich habe mich dem
Dienste Gottes geweiht.« Ohne Seufzer, ohne Tränen wusch sie
die Leiche ihres Gemahls und begrub sie mit den üblichen
Zeremonien. Dann griff Abans unerschrockene Witwe zu den
Waffen, die sie schon früher geführt hatte und suchte die
Stelle im Gewühle, wo der Sieger über ihren Gatten kämpfte.
Ihr erster Pfeil durchbohrte die Hand seines Fahnenträgers,
ihr zweiter verwundete Thomas am Auge. Die ermatteten Christen
sahen die Standarte ihres Führers sinken. Aber der hochherzige
Verteidiger von Damaskus weigerte sich, in seinen Palast
zurückzukehren. Er ließ seine Wunde auf dem Walle verbinden.
Der Kampf dauerte bis zum Abend, und die Syrer ruhten auf
ihren Waffen. Mitten in der Nacht wurde durch einen Schlag auf
eine Glocke das Zeichen zum Angriff gegeben, die Tore öffneten
sich, und aus jedem brach eine gewaltige Heeressäule gegen die
Lager der schlafenden Sarazenen vor. Kaled war der erste, der
sich ihnen gewaffnet entgegenstellte. An der Spitze von
vierhundert Reitern begab er sich eilends an die Stelle der
Gefahr, und Tränen rollten über seine Wangen, als er mit
Inbrunst ausrief: »O Gott, der du niemals schläfst, sieh herab
auf deine Diener und überliefere sie nicht den Händen der
Ungläubigen!« Das Schwert Gottes gebot dem tapferen und
siegreichen Thomas Einhalt. Die Muselmanen stellten, als sie
die Gefahr überblickten, die Ordnung in ihren Reihen wieder
her und griffen die Angreifenden ihrerseits in Flanken und
Rücken an. Nach dem Verlust vieler Tausende zog sich der
christliche Feldherr in Verzweiflung in die Stadt zurück, von
deren auf den Wällen stehenden Kriegsmaschinen die Verfolgung
der Sarazenen gehemmt wurde.
Nach siebzigtägiger Belagerung war die Geduld und waren
vielleicht die Vorräte der Damaszener erschöpft. Die
tapfersten Anführer unterwarfen sich dem Gebot der
Notwendigkeit. Sie hatten während des Krieges gelernt, die
Wildheit Kaleds zu fürchten und die Milde Abu Obeidahs zu
verehren. Um Mitternacht wurden hundert auserlesene
Abgeordnete der Geistlichkeit und des Volkes in das Zelt
dieses ehrwürdigen Befehlshabers geführt. Er empfing und
entließ sie mit Wohlwollen. Sie kehrten mit einem
schriftlichen Vertrage eines der Gefährten Mohammeds zurück,
in dem gesagt war, daß alle Feindseligkeiten aufhören,
freiwillig Fortziehende so viel Habe, als sie tragen konnten,
mitnehmen durften und die als zinspflichtigen Untertanen des
Kalifen Verbleibenden ihre Ländereien und Häuser sowie ihre
sieben Kirchen behalten sollten. Auf Grund dieser Bedingungen
wurden ihm die vornehmsten Bürger als Geiseln überliefert und
das dem Lager nächste Tor geöffnet. Die Soldaten unterwarfen
sich den Bestimmungen ihres Anführers und befleißigten sich
derselben Mäßigkeit. Abu Obeidah erwarb sich mit seinen milden
Bedingungen die Dankbarkeit des Volkes, das er vor dem
Verderben bewahrt hatte. Der Erfolg der Gesandtschaft hatte
jedoch die Wachsamkeit der Damaszener vermindert. Im gleichen
Augenblick wurde das auf der anderen Seite liegende
Stadtviertel durch Verrat im Sturm genommen. Eine Abteilung
von hundert Arabern hatte das östliche Tor einem
unerbittlichen Feinde geöffnet. »Keine Gnade!« schrie der
raubgierige und blutdürstige Kaled, »keine Gnade den Feinden
des Herrn!« Seine Trompeten bliesen, und ein Strom von
Christenblut ergoß sich in die Straßen von Damaskus. Als er
die Kirche der heiligen Maria erreichte, wurde er durch seine
ihm entgegentretenden friedlichen Gefährten in Wut versetzt.
Deren Schwerter ruhten in den Scheiden; sie waren von einer
Schar von Mönchen und Priestern umgeben. Abu Obeidah begrüßte
den Feldherrn und sprach: »Gott hat die Stadt durch deren
Übergabe in meine Hände geliefert und den Gläubigen die Mühen
des Kampfes erspart.« »Und bin ich nicht«, erwiderte Kaled mit
Entrüstung, »bin ich nicht der Stellvertreter des Beherrschers
der Gläubigen? Die Ungläubigen sollen durch das Schwert
umkommen. Los auf sie!« Die hungrigen und grausamen Araber
wären dem Befehle nachgekommen, und Damaskus wäre verloren
gewesen, wenn Obeidah durch seine Festigkeit nicht in
anerkennenswertester Weise diese gerettet hätte. Er warf sich
zwischen die zitternden Bürger und die gierigsten der
Barbaren, beschwor sie im Namen Gottes, sein Versprechen nicht
zu brechen, ihre Wut zu zügeln und den Beschluß ihrer Anführer
abzuwarten. Diese Anführer zogen sich in die Kirche der
heiligen Maria zurück. Nach heftigem Widerstreben unterwarf
sich Kaled seinem einsichtigen und angesehenen Kollegen, der
die Heiligkeit des Eides, die Ehre sowie den Vorteil, den die
Muselmanen aus der pünktlichen Erfüllung ihres Wortes ziehen
würden, ins Treffen führte. Er machte ferner aufmerksam, daß
sie im Falle eines Wortbruches von den anderen syrischen
Städten eine besonders hartnäckige Verteidigung zu gewärtigen
hätten. Man kam überein, den Kampf ruhen zu lassen. Jener Teil
von Damaskus, der sich Obeidah ergeben hatte, sollte sogleich
gemäß dem Vertrage behandelt werden, und die endgültige
Entscheidung wurde dem weisen und gerechten Kalifen
anheimgegeben. Eine große Anzahl der Damaszener entschied sich
zur Unterwerfung und Tributzahlung. Damaskus wird noch jetzt
von zwanzigtausend Christen bewohnt. Der tapfere Thomas aber
und die freigeborenen Patrioten, die unter seiner Fahne
gefochten hatten, zogen Armut und Verbannung vor. Auf den
benachbarten Feldern wurde ein großes Lager von Priestern,
Laien, Soldaten, Bürgern, Frauen und Kindern aufgeschlagen.
Sie sammelten eiligst und geängstigt ihre wertvollsten
Habseligkeiten und verließen unter lautem Wehklagen oder in
stummem Schmerze ihre Heimat und die lieblichen Ufer des
Pharphar. Der unbeugsame Kaled wurde durch ihre sichtliche Not
nicht gerührt. Er machte den Damaszenern ein Kommagazin
streitig, bemühte sich, die Besatzung der Wohltaten des
Vertrages nicht teilhaftig werden zu lassen und willigte nur
mit Widerstreben ein, daß jeder Flüchtling sich mit einem
Schwert oder einer Lanze oder einem Bogen bewaffnete. Er
erklärte finster, daß sie nach Ablauf von drei Tagen als
Feinde der Muselmanen behandelt und verfolgt werden würden.
Die Leidenschaft eines syrischen Jünglings trug Schuld an
dem Verderben der Flüchtlinge von Damaskus. Ein Edelmann der
Stadt, namens Jonas, war mit einer reichen Jungfrau verlobt.
Deren Eltern aber verschoben die Hochzeit und sie ließ sich
bereden, mit dem Mann ihrer Wahl zu entfliehen. Sie bestachen
des Nachts die Wache am Tore von Kaisan. Der vorangehende
Liebhaber wurde von den Arabern umzingelt. Seins Ausruf in
griechischer Sprache: »Der Vogel ist gefangen!« warnte die
Geliebte, die in die Stadt zurückfloh. In Gegenwart Kaleds und
angesichts des Todes bekannte sich Jonas zum Glauben des
Propheten, dem er bis zu seinem Märtyrertod treu blieb. Nach
Einnahme der Stadt eilte er zu dem Kloster, in das sich
Eudokia geflüchtet hatte; aber der Liebhaber war vergessen,
der Abtrünnige wurde verachtet. Eudokia bekannte sich zu ihrer
Religion, wenn sie auch deshalb ihr Vaterland verlieren mußte.
Kaled, obwohl ohne Mitleid, verweigerte jedoch die gewaltsame
Zurückhaltung irgendeines Bewohners von Damaskus. Vier Tage
wurde der Feldherr in der Stadt durch wichtige Verpflichtungen
zurückgehalten. Sein Blutdurst und seine Beutegier wären mit
der Zeit schwächer geworden und erloschen. Jonas jedoch
drängte ihn zur Verfolgung und versicherte, daß die ermatteten
Flüchtlinge noch eingeholt werden könnten. An der Spitze von
viertausend, als christliche Reiter verkleideten Arabern ging
Kaled an die Verfolgung. Sie unterbrachen ihren Ritt nur für
Augenblicke, in denen gebetet wurde. Der Führer war mit dem
Lande völlig vertraut. Lange Zeit war die Fährte der
Damaszener deutlich sichtbar, plötzlich aber verschwand sie.
Die Verfolger waren jedoch gewiß, daß die Flüchtlinge ins
Gebirge gezogen waren und bald von ihnen eingeholt werden
mußten. Beim Überschreiten der Bergketten des Libanon ertrugen
sie unglaubliche Beschwerden. Der sinkende Mut der fanatischen
Veteranen wurde durch den eifrigen Liebhaber aufgefrischt und
befeuert. Von einem Bauer erfuhren sie, daß der Kaiser den
Flüchtlingen den Befehl gesandt hatte, die Küstenstraße nach
Konstantinopel einzuschlagen, da er wahrscheinlich fürchtete,
daß die Soldaten und Einwohner Antiochias durch ihren Anblick
und die Geschichte ihrer Leiden entmutigt werden könnten. Die
Sarazenen wurden, vorsichtig den Städten sich fernhaltend,
durch die Gebiete von Gabala und Laodikea geführt. Es regnete
unaufhörlich, die Nacht war finster, ein einziger Berg trennte
sie von der römischen Armee, und Kaled, stets besorgt um seine
Brüder, erzählte ihnen einen unheilkündenden Traum, den er
gehabt hatte.
Mit Anbruch des Tages besserte sich das Wetter, und sie
erblickten in einem schönen Tale die Zelte der Damaszener.
Nach einer kurzen Ruhe und nach dem Gebete teilte Kaled seine
Reiterei in drei Geschwader. Das erste vertraute er seinem
treuen Derar an, er selbst behielt das dritte. Sie stürzten
auf die wirre Menge, die schlecht mit Waffen versehen war und
besiegten sie, die bereits ermüdet und vom Gram geschwächt
war. Die Araber glaubten, daß, mit Ausnahme eines Gefangenen,
der begnadigt und entlassen worden war, kein Christ ihrem
Schwerte entgangen war. Gold und Silber war über das Lager
verstreut, und eine königliche Garderobe, bestehend aus
dreihundert Lasten Seide, war den Barbaren hoch willkommen. Im
Getümmel der Schlacht suchte und fand Jonas die, die er
verfolgte. Eudokia war jedoch durch diese neuerliche treulose
Handlung seinerseits gegen ihn ergrimmt, und gegen seine
verhaßte Umarmung kämpfend, stieß sie sich einen Dolch ins
Herz. Eine andere Frau, die Witwe des Thomas und die wirkliche
oder angebliche Tochter des Heraklius, wurde ohne Lösegeld
verschont und entlassen. Der Großmut Kaleds war durch seine
Verachtung hervorgerufen worden. Der übermütige Sarazene
beschimpfte durch eine trotzige Botschaft den Cäsar. Kaled war
über hundertfünfzig Meilen in das Herz der römischen Provinz
eingedrungen. Er kehrte mit derselben Schnelligkeit und in
aller Stille nach Damaskus zurück. Bei der Thronbesteigung
Omars wurde das Schwert Gottes des Oberbefehles entsetzt; aber
der Kalif mußte, obwohl er die Verwegenheit des Unternehmens
tadelte, doch die Kraft und Geschicklichkeit loben, womit es
ausgeführt worden war.
Ein anderer Streifzug der Eroberer von Damaskus wird in
gleichem Maße deren Habsucht, wie ihre Verachtung der
Reichtümer dieser Welt zeigen. Sie erfuhren, daß die Produkte
und Fabrikate des Landes alljährlich auf der Messe von Abyla
ungefähr dreißig Meilen von der Stadt zur Schau gestellt
wurden. Gleichzeitig besuchten Scharen von Pilgern die Zelle
eines frommen Einsiedlers. Es war auch beabsichtigt, während
dieses Festes die Vermählung der Tochter des Statthalters von
Tripolis zu feiern. Abdallah, der Sohn Giafars, eines
ruhmgekrönten und heiligen Märtyrers, übernahm mit einem
Geschwader von fünfhundert Reitern den Auftrag, die
Ungläubigen zu berauben. Als er sich der Messe von Abyla
näherte, erhielt er Nachricht, daß nahezu zehntausend
Menschen, Christen und Juden, Griechen und Armenier,
Eingeborene Syriens und Fremde aus Ägypten, nebst einer
Leibwache von fünftausend Reitern, welche die Braut
begleiteten, dort zusammengeströmt waren. Die Sarazenen
hielten an. »Was mich betrifft«, sagte Abdallah, »wage ich
nicht umzukehren. Die Feinde sind zahlreich, die Gefahr ist
groß, aber der Lohn wird glänzend sein und ist uns sicher,
entweder in dieser oder jener Welt. Jeder kann handeln, wie es
ihm beliebt, zurückkehren oder mit mir vorgehen.« Kein
einziger Muselman verließ seine Fahne. »Zeige den Weg«, sagte
er zu seinem christlichen Führer, »und du wirst sehen, was die
Streiter des Propheten vermögen.« Sie griffen in fünf
Geschwadern an, aber nach der ersten Überraschung wurden sie
von der Menge der Feinde umzingelt und fast erdrückt. Zur Zeit
des Sonnenunterganges, als die Waffen ihren Händen zu
entsinken begannen und sie dem Tode nahe waren, gewahrten sie
eine sich nähernde Staubwolke, hörten das ihnen willkommene
Geschrei Tekbir! Bald darauf erblickten sie die Fahne Kaleds,
der ihnen mit großer Schnelligkeit zu Hilfe eilte. Die
Christen wurden durch seinen Angriff niedergeworfen und auf
ihrer Flucht zum Flusse Tripolis niedergemetzelt. Die
aufgestapelten Reichtümer der Messe blieben zurück: die zum
Verkauf ausgestellten Waren, das zum Kauf mitgebrachte Geld,
der für das Vermählungsfest bereitstehende Schmuck und die
Juwelen der Tochter des Statthalters von Tripolis und vierzig
Frauen ihres Gefolges. Die Früchte, Mundvorräte, der Hausrat,
das Gold, Silbergeschirre und die Juwelen wurden schnell auf
Pferde, Esel und Kamele geladen und die Räuber kehrten im
Triumph nach Damaskus zurück. Den Einsiedler, der auf
Märtyrerruhm nicht bedacht war, ließ man nach einem kurzen
Wortwechsel auf demn blutigen und verwüsteten Platz einsam
zurück, ohne ihm das Leben zu nehmen.
Syrien, eines jener Länder, die durch eine frühe Kultur
veredelt worden sind, war dieses Vorzuges nicht unwürdig. Die
Hitze wird durch die Nähe des Meeres und der Gebirge und durch
den Reichtum an Wald und Wasser erträglich gemacht. Der Boden
liefert reichlich Früchte für den Unterhalt der Menschen. Die
Tiere vermehren sich rasch. Vom Zeitalter des David bis zu
jenem des Heraklius war das Land mit alten und blühenden
Städten bedeckt. Die Einwohner waren zahlreich und wohlhabend.
Selbst nach den Verheerungen der Despoten und dem Persischen
Kriege vermochte Syrien noch immer die räuberischen Stämme der
Wüste anzulocken und deren Gier zu befriedigen. Eine zehn
Tagesreisen große Ebene, von Damaskus nach Aleppo und
Antiochia, wird im Westen von dem sich windenden Orontes
bewässert. Die Gebirge des Libanon und Antilibanon ziehen sich
von Norden nach Süden zwischen dem Orontes und dem Mittelmeere
hin. Das von den beiden Rücken der schneebedeckten Berge
eingeschlossene Tal erhielt den Beinamen hohl (Cölesyrien).
Unter den Städten mit griechischen oder orientalischen Namen,
die bei der Eroberung von Syrien aufgezählt werden, sind auch
Emesa oder Hems, die Metropole der Ebene und Heliopolis oder
Baalbek, die Hauptstadt dieses Tales erwähnt. Unter den
letzten Cäsaren waren sie stark und volkreich. Die Türme
glänzten weithin, ein großer Raum war mit öffentlichen und
Privatgebäuden bedeckt, und die Bürger zeichneten sich durch
ihren Mut oder Stolz, durch ihre Reichtümer oder ihr üppiges
Leben aus. In den Zeiten des Heidentums waren die Einwohner
sowohl Enmesas als auch Heliopolis' Verehrer des Baal oder der
Sonne. Nach dem Untergang dieser Religionen und ihres Glanzes
zeigte sich in ihrem Glücke eine besondere Verschiedenheit.
Keine Spur ist von dem Tempel von Emesa übrig, dessen Spitze
in den Elaboraten der Dichter die Gipfel des Libanon
erreichte. Die von den Schriftstellern des Altertums nicht
erwähnten Ruinen von Baalbek hingegen erwecken noch heute die
Neugierde und das Erstaunen der europäischen Reisenden. Der
Tempel maß zweihundert Fuß in der Länge und hundert in der
Breite. Die Vorderseite ist mit einem doppelten Portikus von
acht Säulen .geschmückt, vierzehn befinden sich auf jeder
Seite. Jede Säule ist fünfundvierzig Fuß hoch und besteht aus
drei massiven Blöcken aus Stein oder Marmor. Der Stil ist
korinthisch. Da jedoch Baalbek nie der Sitz eines Monarchen
gewesen ist, so vermögen wir nicht zu erklären, wie die
Ausgabe für so prachtvolle Gebäude allein durch die Spenden
von Privatpersonen aufgebracht werden konnte. Nach der
Eroberung von Damaskus drangen die Sarazenen nach Heliopolis
und Emesa vor. Ich vermeide aber die Beschreibung der Ausfälle
und Kämpfe, da eine solche bereits in größerem Maßstabe
gegeben wurde. Bei der Fortsetzung des Krieges waren ihr
Schwert und ihre Politik gleicherweise wirksam. Durch kurze,
einzelnen Truppenteilen des Feindes gewährte Waffenstillstände
wurde dieser geschwächt, die Syrer konnten zwischen der
Freundschaft und Feindschaft mit den Sarazenen Vergleiche
ziehen. Sie machten sie mit ihrer Sprache, Religion und Sitten
vertraut und leerten durch heimlich erfolgende Käufe die
Magazine und Waffenhäuser der Städte, zu deren Belagerung sie
später zurückkehrten. Sie verlangten von den reicheren und
hartnäckigeren Städten höheres Lösegeld. Chalcis allein mußte
fünftausend Unzen Gold, fünftausend Unzen Silber, zweitausend
seidene Gewänder und so viel Feigen und Oliven zahlen, als
fünftausend Esel fortschleppen konnten. Die Bedingungen des
Waffenstillstandes oder der Übergabe wurden jedoch treulich
gehalten, und der Stellvertreter des Kalifen, der versprochen
hatte, das übergebene Baalbek nicht zu betreten, blieb in
seinem Zelte, bis die streitenden Parteien seine Gegenwart
verlangten. Die Eroberung der Ebene und des Tales von Syrien
wurde in weniger als zwei Jahren vollendet. Dennoch tadelte
der Beherrscher der Gläubigen diese wegen ihrer langsamen
Fortschritte, und die Sarazenen forderten, ihren Fehler reue-
und wuterfüllt beweinend, ihre Anführer auf, sie vorwärts in
die Schlachten des Herrn zu führen. Bei einem Kampfe vor den
Mauern von Emesa hörte man einen Jüngling, den Vetter Kaleds,
laut ausrufen: »Mir däucht, ich sehe die schwarzhaarigen
Jungfrauen auf mich herniederblicken; wenn eine einzige von
ihnen auf dieser Welt erschiene, würde die ganze Welt aus
Liebe zu ihr sterben. Ich sehe ferner in der Hand der einen
ein Tuch aus grüner Seide und in der anderen einen Helm aus
Edelsteinen, und sie winkt mir und ruft: Komm schnell, denn
ich liebe dich.« Mit diesen Worten stürzte er sich auf die
Christen und trug den Tod in ihre Reihen, bis er endlich von
dem Befehlshaber von Emesa gestellt und mit einem Wurfspieß
getötet wurde.
Die Sarazenen waren genötigt, ihre ganze Tapferkeit und
ihren Enthusiasmus gegen die Streitkräfte des Kaisers zu
entfalten, der aus den beiden Niederlagen erkannt hatte, daß
die Räuber der Wüste einen regelrechten Feldzug unternommen
hatten, die eroberten Länder in der Hand behalten wollten und
nahe daran waren, diese Eroberungen zu vollenden. Aus den
Provinzen Europas und Asiens wurden achtzigtausend Soldaten zu
Land und Wasser nach Antiochia und Cäsarea gesandt. Die
leichten Truppen des Heeres bestanden aus sechzigtausend
christlichen Arabern vom Stamme Gassan. Unter der Fahne
Jabalahs, des letzten ihrer Fürsten, bildeten sie die Vorhut,
denn es war Maxime bei den Christen, daß man einen Diamant am
besten mit Diamanten schneidet. Heraklius entzog sich den
Gefahren des Feldes, aber Zuversicht oder vielleicht
Kleinmütigkeit bewog ihn, den strikten Befehl zu erteilen, daß
das Schicksal der Provinz durch eine einzige Schlacht
entschieden werden solle. Die Syrer folgten der Fahne Roms und
hingen dem Kreuze an. Sie wurden aber, ob Edle, Bauern oder
Bürger, durch die Grausamkeit und Zügellosigkeit einer Schar
kaiserlicher Truppen erbittert, die sie als Untertanen
behandelte, unterdrückte und als Fremde verachtete. Das
Gerücht von den gewaltigen Rüstungen gelangte in das Lager der
Sarazenen von Emesa. Die Häuptlinge, obschon zum Kampfe
entschlossen, beriefen einen Kriegsrat. Abu Obeidah würde im
Vertrauen auf seinen Glauben am gleichen Flecke geblieben sein
und den Märtyrertod erlitten haben. Der kluge Kaled aber riet
zu einem ehrenvollen Rückzuge nach den Grenzen Palästinas und
Arabiens, wo sie die Hilfe ihrer Vaterlandsgenossen und den
Angriff der Ungläubigen erwarten konnten. Ein schnellfüßiger
Bote kehrte bald aus Medina mit dem Segen Omars und Alis, mit
Versprechungen der Fürbitte der Witwe des Propheten zurück.
Auf ihrem Wege rollten sie eine Heeresabteilung der Griechen
auf, und als sie sich im Lager zu Yenmak mit ihren Brüdern
vereinigten, erhielten sie die erfreuliche Nachricht, daß
Kaled die christlichen Araber des Stammes Gassan bereits
angegriffen und zerstreut habe. In der Nähe von Bosra ergießen
sich die Quellen des Berges Hermon in einem Bache in die Ebene
Dekapolis oder der zehn Städte: Hieromar ist sein Name, der
später zu Yermuk verunstaltet wurde. Er verliert sich nach
kurzem Laufe im See Tiberias. Dieser kleine Fluß wurde durch
einen langen und blutigen Kampf berühmt. Bei dieser
Veranlassung gab der bescheidene Abu Obeidah auf allgemeinen
Wunsch dem verdienstvollsten aller Muselmanen den Oberbefehl
zurück. Kaled stellte sich vor die Front, sein Amtsgenosse bei
der Nachhut auf, damit eventuell Unordnung machende
Flüchtlinge durch seine ehrwürdige Person und die gelbe Fahne,
welche Mohammed vor den Mauern Chaibars entfaltet hatte,
aufgehalten würden. In der letzten Linie befand sich Derars
Schwester, eine jener Araberinnen, die sich dem heiligen Krieg
angeschlossen hatten und die den Bogen und die Lanze zu
handhaben gewohnt waren. Die Ermahnung des Feldherrn war kurz
und eindringlich: »Vor euch ist das Paradies, hinter euch der
Teufel und das höllische Feuer.« Der Anprall der römischen
Reiterei war jedoch so stark, daß der rechte Flügel der Araber
durchbrochen und vom Hauptheer getrennt wurde. Dreimal zogen
sie sich in Unordnung zurück, und dreimal wurden sie durch die
Vorwürfe und Schläge der Weiber zum Angriff vorgetrieben. In
den Pausen des Gefechtes besuchte Abu Obeidah die Zelte seiner
Brüder, verlängerte ihre Ruhe, indem er die Gebete zweier
verschiedener Stunden sprach, verband eigenhändig ihre Wunden
und gab ihnen die tröstende Versicherung, daß die Ungläubigen
ihre Leiden teilten, ohne an ihrem Lohne teilzuhaben.
Viertausenddreißig Muselmanen wurden auf dem Schlachtfeld
begraben und siebenhundert rühmten sich, bei dem Kampfe durch
die geschickten armenischen Bogenschützen ein Auge verloren zu
haben. Die Veteranen des syrischen Heeres gestanden, daß es
der härteste Kampf gewesen sei, den sie erlebt hatten, und daß
der Ausgang sehr zweifelhaft gewesen wäre. Aber dieser Tag war
auch der entscheidendste. Mehrere tausend Griechen und Syrer
fielen durch das Schwert der Araber, viele wurden nach der
Schlacht in den Wäldern und Gebirgen niedergemetzelt, viele
ertranken in den Fluten des Yermuk, weil sie die Furt
verfehlten. Obwohl die Verluste vergrößert worden sein mögen,
beweinen und bekennen doch die christlichen Schriftsteller die
blutige Strafe ihrer Sünden. Der römische Feldherr Manuel
wurde entweder in Damaskus getötet oder er hatte Zuflucht in
dem Kloster des Berges Sinai gefunden. Jabalah trauerte als
Verbannter am byzantinischen Hofe um Arabien und beweinte den
unseligen Vorzug, den er der Sache der Christen gegeben hatte.
Einst hatte er zum Islam geneigt, aber auf einer Wallfahrt
nach Mekka, hatte er, gereizt, einen seiner Brüder verwundet
und war vor dem Gericht des strengen Kalifen geflohen. Die
siegreichen Sarazenen verbrachten einen Monat in Damaskus und
pflegten der Ruhe. Die Beute wurde von dem klugen Abu Obeidah
geteilt, der einem Krieger den gleichen Anteil zusprach wie
seinem Pferde; für die edlen Renner von arabischer Zucht wurde
ein doppelter Anteil vorbehalten.
Nach der Schlacht von Yermuk zeigte sich die römische Armee
nicht mehr im Felde, und die Sarazenen konnten frei unter den
syrischen Städten jene wählen, die sie angreifen wollten. Sie
fragten bei dem Kalifen an, ob sie gegen Jerusalem oder
Cäsarea marschieren sollten. Nach dem Rat Alis wurde
unverzüglich zur Belagerung der letzteren geschritten. Ein
profanes Auge sah in Jerusalem nur die erste oder zweite
Hauptstadt Palästinas. Dem frommen Muselman erschien es jedoch
als Tempel des heiligen Landes, der durch die Offenbarungen
Moses und Johannes geweiht worden war, und es wurde nach Mekka
und Medina verehrt und besucht. Der Sohn Abu Sophians wurde
mit fünftausend Arabern entsandt, um den Versuch einer
Überrumpelung zu machen oder einen Vertrag zu schließen. Am
elften Tage aber wurde die Stadt von Obeidahs sämtlichen
Truppen eingeschlossen. Er ließ den Befehlshaber und das Volk
von Älia (der profane Name der Stadt Jerusalem) folgendermaßen
zur Übergabe auffordern: »Heil und Glück denjenigen, die auf
dem rechten, Weg wandeln! Wir verlangen von euch, daß ihr
bezeugt, daß es nur einen Gott gibt, und daß Mohammed sein
Prophet ist. Wenn ihr euch dessen weigert, so williget ein,
Tribut zu zahlen und uns künftig Untertan zu sein. Sonst werde
ich Männer gegen euch schicken, die den Tod mehr lieben, als
ihr das Weintrinken und Schweinefleischessen. Ich werde nicht
eher von dannen ziehen, bis ich, so es Gott gefällt,
diejenigen, die für euch fechten, vernichtet und eure Kinder
zu Sklaven gemacht habe.« Die Stadt war jedoch von allen
Seiten von steilen Bergen und tiefen Tälern umgeben. Seit dem
Einfall in Syrien waren die Mauern und Türme sorgfältig
ausgebessert worden. Die tapfersten der Flüchtlinge aus Yermuk
hatten sich in den nächsten Zufluchtsort geworfen, und bei der
Verteidigung des Grabes Christi fühlten wohl Eingeborene und
Fremde einen Funken jenes Enthusiasmus, der in den Herzen der
Muselmanen glühte. Die Belagerung von Jerusalem dauerte vier
Monate. Kein Tag verging ohne Ausfall oder Sturm, die
Kriegsmaschinen auf den Wällen waren unaufhörlich tätig und,
noch weit unangenehmer und verheerender wirkte auf die Araber
der strenge Winter. Die Christen wichen endlich ihren
beharrlichen Belagerern. Der Patriarch Sophronius erschien auf
den Wällen und verlangte durch einen Dolmetsch eine
Unterredung. Nach dem vergeblichen Versuche, den
Stellvertreter des Kalifen von seinem gottlosen Unternehmen
abzubringen, schlug er im Namen des Volkes eine alle Teile
zufriedenstellende Kapitulation vor, verlangte jedoch, daß die
Vertragschließung in Anwesenheit des Kalifen und durch ihn
selbst vorgenommen werden solle. Die Frage wurde im Rate von
Medina erörtert. Die Heiligkeit des Ortes und der Rat Alis
bewogen den Kalifen, dem Wunsche seiner Soldaten und Feinde zu
willfahren. Die Einfachheit seines Reisezuges verschaffte ihm
mehr Ruhm als königlicher Prunk und Eitelkeit. Der Eroberer
von Persien und Syrien ritt auf einem roten Kamel, das außer
ihm einen Sack mit Korn, einen Sack mit Datteln und einen
ledernen Schlauch mit Wasser trug. Wo er anhielt, wurde seine
Begleitung, ohne auf Standesunterschiede zu achten,
eingeladen, sein geringes Mahl zu teilen, das durch die Gebete
und Ermahnungen des Beherrschers der Gläubigen geheiligt
wurde. Bei diesem Feldzuge oder vielmehr bei dieser Wallfahrt
sprach er Recht, stellte die zügellose Vielweiberei der Araber
ab, befreite die Zinspflichtigen von Erpressern und verbot
grausame Handlungen gegen sie, strafte die in Üppigkeit
lebenden Sarazenen, indem er sie ihrer reichen seidenen
Gewänder beraubte und diese in den Kot werfen ließ. Als der
Kalif Jerusalems ansichtig wurde, rief er mit lauter Stimme:
»Gott ist siegreich! 0 Herr, verleihe uns eine leichte
Eroberung!« Hierauf schlug er sein grobhärenes Zelt auf und
setzte sich auf den Erdboden. Nach Unterzeichnung der
Kapitulation ritt er furchtlos und ohne Vorsichtsmaßregeln zu
treffen, in die Stadt und unterhielt sich mit dem Patriarchen
über altertümliche Reliquien. Sophronius beugte sich vor
seinem neuen Gebieter und murmelte heimlich Daniels Worte:
»Abscheuliche Verwüstung traf die geheiligte Stätte. «Als die
Stunde des Gebetes gekommen war, standen sie miteinander in
der Auferstehungskirche; aber der Kalif weigerte sich, seine
Andacht zu verrichten und begnügte sich, auf den Stufen der
Kirche Konstantins zu beten. Dem Patriarchen teilte er seinen
von Klugheit und der Ehre diktierten Beweggrund mit. »Wenn ich
deiner Bitte nachgegeben hätte«, sagte Omar, »würden die
Muselmanen in Zukunft, unter dem Vorwande, mein Beispiel
nachzuahmen, den Vertrag gebrochen haben.« Auf seinen Befehl
wurde der Ort, wo Salomons Tempel gestanden war, für den Bau
einer Moschee in Bereitschaft gesetzt. Er ordnete während
seines zehntägigen Aufenthaltes die Verwaltung der eroberten
syrischen Gebiete. Die Bewohner von Medina waren vielleicht
eifersüchtig gewesen, als sie der Kalif verließ oder hatten
gefürchtet, daß sich dieser von der Heiligkeit Jerusalems oder
der Schönheit Damaskus fesseln lassen würde. Ihre Besorgnisse
wurde jedoch bald durch seine schnelle und freiwillig
erfolgende Rückkehr zum Grabe des Apostels behoben.
Um den syrischen Krieg zu beenden, hatte der Kalif zwei
besondere Heere gebildet. Eine auserlesene Schar unter Amru
und Gesid blieb im Lager von Palästina, während die größere
Truppenmenge unter den Fahnen Abu Obeidahs und Kaleds gegen
Antiochia und Aleppo zog. Letztere Stadt, das Beröa der
Griechen, war noch nicht als Hauptstadt einer Provinz oder
eines Königreiches berühmt, und den Einwohnern, die sich
rechtzeitig unterwarfen und große Armut vorschützten, wurde
nur ein mäßiges Lösegeld auferlegt. Aber das Schloß von
Aleppo, gesondert von der Stadt, das sich nicht ergeben hatte,
stand auf einem hohen künstlichen Hügel, dessen Abhänge steil
waren und der an den Ecken mit Quadersteinen versehen war. Der
breite Graben, der das Schloß umgab, konnte aus den
benachbarten Quellen mit Wasser gefüllt werden. Nach dem
Verluste von dreitausend Mann konnte sich die Besatzung noch
immer gegen die Angriffe verteidigen. Yukina, ihr tapferer
Anführer, hatte seinen Bruder, einen frommen Mönch, ermordet,
weil er es gewagt hatte, das Wort Frieden auszusprechen.
Während einer vier- bis fünfmonatlichen Belagerung, der
schwierigsten des syrischen Krieges, wurde eine große Anzahl
Sarazenen getötet oder verwundet. Selbst ihr Abzug bis auf
eine Meile Entfernung konnte den wachsamen Yukina nicht
täuschen; auch die Hinrichtung von dreihundert Gefangenen, die
vor den Mauern des Schlosses enthauptet wurden, konnte die
Christen nicht erschrecken. Durch das Schweigen und später die
Klagen Abu Obeidahs wurde der Kalif davon in Kenntnis gesetzt,
daß die Geduld der Sarazenen am Fuße dieser uneinnehmbaren
Feste erschöpft wäre. »Ich bin über euren Mißerfolg erstaunt«,
erwiderte Omar, »aber ich verlange, daß die Belagerung der
Feste unter keinen Umständen aufgehoben wird. Euer Rückzug
würde unseren Ruhm vermindern und die Ungläubigen ermuntern,
von allen Seiten über euch herzufallen. Bleibet vor Aleppo,
bis Gott den Ausgang entschieden hat und fouragiert mit euren
Pferden in der umliegenden Gegend.« Der Befehl des
Beherrschers der Gläubigen erhielt durch die Entsendung von
Freiwilligen aus allen arabischen Stämmen Nachdruck, die bald
im Lager auf Pferden und Kamelen eintrafen. Unter diesen
befand sich Dames, von niederer Herkunft aber riesenhaftem
Wuchs, der große Unerschrockenheit und Entschlossenheit besaß.
Am siebenundvierzigsten Tage schlug er vor, einen Angriff auf
das Schloß zu wagen, wobei er nur dreißig Gefährten mitnehmen
wollte. Der erfahrene Kaled unterstützte sein Anerbieten und
Abu Obeidah ermahnte seine Brüder, die niedere Herkunft des
Dames nicht zu verachten. Er sagte, daß er selbst, wenn er den
ihm anvertrauten Posten verlassen dürfte, freudig unter dem
Banner des Sklaven dienen würde. Dessen Plan wurde durch einen
fingierten Rückzug unterstützt, und die Sarazenen schlugen ihr
Lager ungefähr eine Stunde von Aleppo auf. Die dreißig
Abenteurer lagen am Fuße des Berges im Hinterhalt. Dames
stellte mit seinen griechischen Gefangenen Verhöre an, deren
Unwissenheit ihn erzürnte, hatte jedoch damit endlich Erfolg.
»Gottes Fluch über diese Hunde«, sagte der ungebildete Araber,
»was für eine abscheuliche, barbarische Sprache sie reden!« Um
die finsterste Stunde der Nacht bestieg er die zugänglichste
Höhe, die er sorgfältig ausgekundschaftet hatte. An dieser
Stelle waren die Steine entweder zerbröckelt oder die Wache
minder aufmerksam. Sieben der stärksten Sarazenen stiegen
einer auf des anderen Schulter und das gesamte Gewicht dieser
Menschensäule wurde von den breiten Schultern des riesigen
Sklaven getragen. Die Vordersten konnten den untersten Teil
der Zinne erfassen und erklettern. Sie erdolchten in aller
Stille die Schildwachen und warfen sie in den Abgrund. Die
dreißig Brüder wurden mit dem Ausrufe: »O Apostel Gottes, hilf
und befreie uns!« nacheinander an ihren langen Turbanen
emporgezogen. Kühn, aber vorsichtig erforschte Dames den
Palast des Befehlshabers, der in einem lärmenden Gelage die
Befreiung feierte. Dann kehrte er zu seinen Gefährten zurück
und griff die andere Seite des Eingangs der Festung an. Sie
überwältigten die Wache, entriegelten das Tor, ließen die
Zugbrücke nieder und verteidigten den engen Paß, bis bei
Tagesanbruch Kaled sie aus der Gefahr befreite und die
Eroberung sicherte. Yukina, ein furchtbarer Feind, wurde ein
tätiger und eifriger Proselyt. Der Feldherr der Sarazenen
bekundete seine Hochachtung für den geringen Sklaven, indem er
solange mit dem Heere in Aleppo blieb, bis die Wunden Dames'
geheilt waren. Die Hauptstadt von Syrien war noch immer von
dem Schloß Aasaz und der eisernen Brücke über den Orontes
beschirmt. Nach dem Verlust dieses wichtigen Postens und der
Niederlage der letzten römischen Heere zitterte das üppige
Antiochia und unterwarf sich. Es erkaufte seine Rettung mit
dreihunderttausend Goldstücken; aber der Ort, an dem der Thron
der Nachfolger Alexanders stand und der Sitz der römischen
Regierung im Osten gewesen war, den Cäsar mit den Attributen
»frei, heilig und unverletzlich« geschmückt hatte, wurde unter
den Kalifen zu einer untergeordneten Provinzstadt gemacht.
Der Ruhm des Heraklius, den er im persischen Kriege
gewonnen hat, wird durch die Schmach und Schwäche, die er in
früheren und späteren Tagen zeigte, verringert. Als die
Nachfolger Mohammeds den Religionskrieg begannen, war er über
die große Mühe und Gefahr, die ihn erwartete, bestürzt. Von
Natur aus träge, konnte der alte und schwache Kaiser zu einer
zweiten Anstrengung nicht entflammt werden. Sein Schamgefühl
und das Drängen der Syrer veranlaßten eine Verzögerung seiner
schleunigen Entfernung vom Schauplatze des Krieges. Sein
Heldentum war erloschen, und der Verlust von Damaskus und
Jerusalem, die blutigen Felder von Aiznadin und Yermuk müssen
bis zu einem gewissen Grade seiner Abwesenheit oder seinem
unrichtigen Verhalten zugeschrieben werden. Statt das Grab
Christi zu verteidigen, verwickelte er Kirche und Staat in
einen mystischen Streit über die Einheit seines Willens.
Während Heraklius die Sprößlinge aus seiner zweiten Ehe
krönte, ließ er zahm den wertvollsten Teil ihrer Erbschaft
rauben. In der Kathedrale von Antiochia beweinte er in
Gegenwart der Bischöfe am Fuße des Kreuzes seine und die
Sünden des Volkes; aber sein Geständnis zeigte der Welt, daß
es vergeblich, ja vielleicht ruchlos ist, dem Gerichte Gottes
zu widerstreben. Die Sarazenen waren in der Tat unbesiegbar,
weil sie dies glaubten. Der Abfall Yukinas, seine scheinbare
Reue und wiederholte Treulosigkeit konnten den Argwohn des
Kaisers rechtfertigen, daß er von Verrätern und Abtrünnigen
umgeben sei, die sich verschworen hätten, ihn und ihr
Vaterland an die Feinde Christi zu verraten. In der Stunde des
Unglücks wurde er, abergläubisch wie er war, durch Vorzeichen
und einen Traum, in dem eine fallende Krone vorkam,
beunruhigt. Nachdem er Syrien auf ewig Lebewohl gesagt hatte,
schiffte er sich mit wenigen Begleitern ein und löste dadurch
seine Untertanen vom Eid der Treue. Sein ältester Sohn
Konstantin stand mit vierzigtausend Mann bei Cäsarea, dem
Sitze der Regierung der drei Provinzen von Palästina. Private
Interessen riefen ihn aber an den byzantinischen Hof zurück.
Er fühlte sich nach der Flucht des Vaters einem Kampfe gegen
die vereinte Macht des Kalifen auch nicht gewachsen. Seine
Vorhut wurde dreist von dreihundert Arabern und tausend
schwarzen Sklaven angegriffen, die im tiefen Winter die
schneebedeckten Berge des Libanon überschritten hatten und
denen Kaled selbst mit seinen siegreichen Geschwadern
nachfolgte. Von Norden und Süden, von Antiochia und Jerusalem,
rückten die Truppen längs der Meeresküste vor, bis sie sich
unter den Mauern der phönizischen Städte vereinigten. Tripolis
und Tyrus wurden verraten. Eine Flotte von fünfzig
Transportschiffen, die ohne Verdacht in die nun feindlichen
Häfen einlief, brachte den Sarazenen rechtzeitige Zufuhr an
Lebensmitteln und Waffen. Ihre Anstrengungen wurden unerwartet
durch die Übergabe von Cäsarea beendigt. Der römische Fürst
hatte sich in der Nacht eingeschifft, und die wehrlosen Bürger
erkauften die Begnadigung mit zweimalhunderttausend
Goldstücken. Die noch nicht unterworfenen Städte Ramiah,
Ptolemais oder Akre, Sichern oder Neapolis, Gaza, Askalon,
Berytus, Sidon, Gabala, Laodikea, Hierapolis, Apanema wagten
es nicht länger sich den Sarazenen zu widersetzen. Syrien
beugte sich unter das Zepter des Kalifen siebenhundert Jahre
nachdem Pompejus den letzten der mazedonischen Könige der
Herrschaft beraubt hatte.
Die Schlachten und Belagerungen von sechs Feldzügen hatten
viele tausend Mohammedaner hingerafft. Sie starben freudig und
als Märtyrer. Ihre Einfalt und ihr Glauben zeigt sich in den
Worten eines arabischen Jünglings, der, als er Mutter und
Schwester zum letzten Male umarmte, sagte: »Es sind nicht die
Wonnen, die Syrien geben kann, nicht die vergänglichen Freuden
dieser Welt, die mich antreiben, mein Leben der Sache der
Religion zu weihen. Ich suche die Gunst Gottes und seines
Propheten, denn ich habe von einem der Gefährten des letzteren
gehört, daß die Geister der Märtyrer in den Kröpfen grüner
Vögel wohnen werden, die die Früchte des Paradieses fressen
und aus seinen Strömen trinken. Lebt wohl, wir werden uns in
den Hainen und bei den Brunnen wiedersehen, die Gott für seine
Auserwählten bestimmt hat.« Die gefangenen Gläubigen mußten
auch unter schwierigen Verhältnissen Entschlossenheit zeigen
und Leiden ertragen können. Ein Vetter Mohammeds wird
gepriesen, weil er nach dreitägigem Hungern den Wein und das
Schweinefleisch verschmähte, das ihm als einzige Nahrung zu
einer Qual gereicht wurde. Die Schwäche einiger nicht so
starker Brüder erbitterte den unversöhnlichen und fanatischen
Mann. Der Vater Amers beklagte in schmerzlichen Worten die
Abtrünnigkeit seines deshalb verdammten Sohnes, der den
Verheißungen Gottes und den Fürbitten des Propheten entsagt
hatte, um mit Priestern und Diakonen die unterste Hölle zu
bewohnen. Die glücklichen Araber, die den Krieg überlebten und
im Glauben beharrten, wurden von ihren enthaltsamen Anführern
davon abgebracht, das Glück zu mißbrauchen. Nachdem Abu
Obeidah seinen Truppen eine dreitägige Erholung in Antiochia
gegönnt hatte, führte er sie aus der Atmosphäre der Üppigkeit
wieder hinweg und versicherte dem Kalifen, daß ihre Religion
und Tugend nur durch harte Zucht, Armut und Beschwerlichkeiten
erhalten werden könne. Der tugendhafte Omar war jedoch, wenn
auch strenge gegen sich selbst, gütig und freigebig gegen
seine Brüder. Nachdem er gerechterweise Lob und Dank
ausgesprochen hatte, weinte er aus Mitleid. Seine Antwort, in
der er die Strenge seines Stellvertreters milde tadelte,
lautete: »Gott hat den Genuß der Annehmlichkeiten dieser Erde
treuen Gläubigen und denen, die gute Werke verrichtet haben,
nicht verboten. Du hättest ihnen daher erlauben sollen
auszuruhen und die Freuden, die das Land bietet, reichlich zu
genießen. Wenn einer der Sarazenen in Arabien keine Familie
hat, mag er sich in Syrien vermählen, und wem es an Sklavinnen
fehlt, der mag so viele kaufen, als er braucht.« Die Sieger
schickten sich an, von dieser gnädigen Erlaubnis Gebrauch zu
machen oder sie zu mißbrauchen. In dem Jahr, in dem sie
triumphiert hatten, starben jedoch viele Menschen und Tiere,
und fünfundzwanzigtausend Sarazenen wurden in Syrien
hinweggerafft. Der Tod Abu Obeidahs wurde von den Christen
beklagt, aber auch seine Brüder dachten daran, daß er einer
der zehn Auserwählten war, welche der Prophet zu Erben des
Paradieses gemacht hatte. Kaled überlebte seine Brüder
ungefähr drei Jahre. Das Grab des Schwertes Gottes wird in der
Nähe von Emesa gezeigt. Er hatte mit großer Tapferkeit in
Arabien und Syrien das Reich der Kalifen gegründet. Er wurde
durch seinen Glauben, daß er unter dem besonderen Schutz der
Vorsehung stehe, gestärkt. Er hielt sich, solange er einen
Helm trug, der von Mohammed gesegnet worden war, selbst mitten
unter den Ungläubigen, für unverwundbar.
An die Stelle der ersten Eroberer traten ihre Kinder und
ein neues Geschlecht ihrer Landsleute. Syrien war der Sitz und
die Stütze des Hauses Ommijah, und die Einkünfte, Soldaten und
Schiffe dieses mächtigen Königreiches wurden verwendet, um das
Reich der Kalifen nach allen Seiten zu erweitern. Die
Sarazenen verachten großen Ruhm und ihre Geschichtschreiber
lassen sich daher kaum herbei, die weniger wichtigen
Eroberungen anzuführen, deren Andenken während der siegreichen
und glanzvollen Laufbahn verloren gegangen ist. Im Norden von
Syrien gingen die Sarazenen über das Taurusgebirge und
unterwarfen die Provinz Zilikien mit ihrer Hauptstadt Tarsus,
dein alten Denkmal der assyrischen Könige. Auch während eines
zweiten Zuges über dasselbe Gebirge zu den Gestaden des
Schwarzen Meeres und in die Nähe Konstantinopels verwüsteten
sie mehr die Ländereien, als daß sie den Bewohnern ihre
Religion brachten. Gegen Osten drangen sie an die Ufer und
Quellen des Euphrat und Tigris vor. Die langumstrittene Grenze
zwischen dem römischen Reich und Persien wurde ausgelöscht.
Die Mauern von Edessa und Amida, von Dara und Nisibis, welche
Städte den Heeren und Kriegsmaschinen Sapors und Nushirwans
widerstanden hatten, wurden dem Erdboden gleichgemacht, und
die heilige Stadt Abgarus hielt wohl vergeblich den
ungläubigen Eroberern das Schreiben und das Bild Christi
entgegen. Gegen Westen wird das Königreich Syrien vom Meere
begrenzt. Der Ruin von Axadus, einer kleinen Halbinsel oder
Insel an der Küste, wurde zehn Jahre hinausgeschoben. Die
Berge des Libanon hatten Überfluß an Bauholz, Phönizien einen
solchen an Seeleuten. Die Eingeborenen der Wüste rüsteten
endlich eine Flotte von siebzehnhundert Booten aus und
bemannten sie. Die kaiserliche Flotte der Römer floh vor ihnen
vom pamphylischen Felsen zum Hellespont; denn der Mut des
Kaisers, eines Enkel des Heraklius, war vor dem Kampfe durch
einen Traum und durch ein Wortspiel gebrochen worden. Die
Sarazenen waren Herren der See, und die Inseln Cypern und
Rhodus, wie die Cykladen waren ihren räuberischen Besuchen
preisgegeben. Dreihundert Jahre vor der christlichen
Zeitrechnung hatte die denkwürdige aber vergebliche Belagerung
von Rhodus durch Demetrius die Einwohner instandgesetzt mit
den eroberten Materialien eine Trophäe zu errichten. Ein
gigantisches Standbild des Apollo oder der Sonne, siebzig
Ellen hoch, wurde am Eingange des Hafens als Denkmal der
Freiheit und der Künste Griechenlands aufgestellt. Nachdem der
Koloß von Rhodus sechsundfünfzig Jahre gestanden war, wurde er
durch ein Erdbeben zum Einsturz gebracht, aber der riesige
Rumpf und die ungeheuren Bruchstücke lagen acht Jahrhunderte
zerstreut auf dem Boden und werden häufig als eines der Wunder
der alten Welt beschrieben. Sie wurden durch die emsigen
Sarazenen gesammelt und an einen jüdischen Kaufmann von Edessa
verhandelt, der neunhundert Kamele mit den Erzen beladen haben
soll. Dies war eine ungeheure Last, auch wenn wir die hundert
kolossalen Figuren und die dreitausend Statuen einschließen,
welche die Stadt der Sonne geschmückt hatten.
III. Die Eroberung, von Ägypten kann durch den Charakter
des führenden Sarazenen, einem der ersten seines Volkes,
erklärt werden, der in einem Zeitalter lebte, in dem der
geringste seiner Brüder den Mut des Schwärmers besaß und über
die Natur triumphierte. Amru war zugleich niedrig und hoch
geboren: seine Mutter, eine bekannte Buhlerin, konnte nicht
entscheiden, welcher von fünf Koreischiten sein Vater war,
aber die Ähnlichkeit des Amru mit ihrem ältesten Geliebten
Aasi sprach dafür, daß er dessen Sohn sei. In seiner Jugend
stand Amru unter dem Einfluß seiner leidenschaftlichen und
vorurteilsbehafteten Verwandten. Er verwendete seine
dichterische Begabung dazu, um satyrische Verse gegen Mohammed
und dessen Lehre zu machen, und die herrschende Partei
gebrauchte ihn zur Verfolgung der wegen ihrer Religion
verbannten Flüchtlinge, die am Hofe des Königs von Äthiopien
Zuflucht gesucht hatten. Aber er kam von dieser Reise als
geheimer Proselyt zurück. Verstand und Interesse bewogen ihn,
dem Götzendienste zu entsagen. Er entfloh mit seinem Freunde
Kaled aus Mekka, und der Prophet konnte die beiden treuesten
Verfechter seiner Sache gleichzeitig umarmen. Die Ungeduld
Amrus, die Heere der Gläubigen anzuführen, wurde durch den
Propheten gezügelt, der ihn tadelte und ihm riet, nicht nach
Herrschaft und Macht zu streben, weil, wer heute Untertan ist,
morgen Fürst sein könne. Aber die beiden Nachfolger Mohammeds
verkannten seine großen Eigenschaften nicht; sie verdankten
ihm die Eroberung von Palästina. Er vereinte in allen
Schlachten und bei Belagerungen in Syrien, die Mäßigung eines
Anführers mit der Tapferkeit eines Soldaten. Bei einem Besuche
in Medina wünschte der Kalif sein Schwert zu sehen, mit dem so
viele christliche Krieger getötet worden waren. Der Sohn Aasis
zeigte einen kurzen und gewöhnlichen Säbel, und als er das
Erstaunen Omars gewahrte, sagte der bescheidene Sarazene:
»Ach, das Schwert ist ohne den Arm seines Herrn weder schärfer
noch gewichtiger als das Schwert des Dichters Pharezdak.« Nach
der Eroberung von Ägypten wurde er von dem eifersüchtigen
Kalifen Othman zurückgerufen. In den darauffolgenden Unruhen
tauchte der ehrgeizige Krieger, Staatsmann und Redner aus dem
Privatstande auf. Seine mächtige Hilfe im Felde wie im Rate
ermöglichte es, den Thron der Ommijaden zu begründen. Die
Herrschaft und Gelder von Ägypten wurden von dem dankbaren
Moawijah, einem getreuen Freunde, zurückgegeben, der sich
selbst über den Rang eines Untertanen erhoben hatte, und Amru
endete seine Tage in dem Palaste und in der Stadt, die er an
den Ufern des Nils gegründet hatte. Auf dem Sterbebette hielt
er an seine Kinder eine Ansprache, die von den Arabern als
Muster der Beredsamkeit und Weisheit gepriesen wird. Er
beklagte die Irrtümer seiner Jugend, übertrieb aber das Gift,
das in seinen Erzeugnissen enthalten war und das Unheil, das
dieses angerichtet hatte, weil der Büßende die Eitelkeit des
Poeten hatte.
Die Erlaubnis zum Einbruche in Ägypten hatte Amru aus
seinem Lager in Palästina von dem Kalifen durch Überraschung
erzwungen oder war ihr zuvorgekommen. Der hochherzige Chosroes
vertraute auf Gott und sein Schwert, das die Throne Chosroes'
und Cäsars erschüttert hatte; als er aber die Größe des
Unternehmens mit der geringen Macht der Muselmanen verglich,
verdammte er seine eigene Verwegenheit und schenkte seinen
schüchternen Gefährten Gehör. Den Lesern des Korans war der
Stolz und die Größe Pharaos wohl bekannt. Zehnfache Wunder
hatten kaum hingereicht, nicht den Sieg, sondern die Flucht
von sechsmalhunderttausend Israeliten zu sichern. Ägypten
hatte zahlreiche, stark bevölkerte Städte, die stark und fest
gebaut waren. Der Nil mit seinen zahlreichen Armen bildete
allein eine fast unübersteigliche Schranke, und es war
anzunehmen, daß die Kornkammer der kaiserlichen Stadt von den
römischen Streitkräften mit Hartnäckigkeit verteidigt werden
würde. In seiner Verlegenheit überließ der Beherrscher der
Gläubigen die Entscheidung dem Zufall oder, seiner Meinung
nach, der Vorsicht. Der unerschrockene Amru war an der Spitze
von viertausend Arabern von seinem Posten Gaza aufgebrochen,
als er von den Boten Omars eingeholt wurde. »Wenn Du noch in
Syrien bist«, sagte der zweideutige Befehl, »so kehre ohne
Verzug um; hast Du aber bei Empfang dieses Briefes bereits die
Grenzen von Ägypten erreicht, so rücke mit Vertrauen vor, und
verlaß Dich auf den Beistand Gottes und Deiner Brüder.«
Erfahrung, vielleicht geheime Kunde hatten Amru Verdacht gegen
die Festigkeit der Entscheidungen der Höfe eingeflößt. Er
setzte seinen Marsch fort, bis es keinem Zweifel mehr
unterlag, daß seine Zelte auf ägyptischem Boden aufgeschlagen
waren. Nun versammelte er seine Offiziere und brach das
Siegel, las das Schreiben, fragte erst feierlich um Namen und
Zugehörigkeit des Ortes und erklärte dann, den Befehlen des
Kalifen vollen Gehorsam leisten zu wollen. Nach dreißigtägiger
Belagerung nahm er von Farmah oder Pelusium Besitz. Dieser
Schlüssel von Ägypten; wie die Stadt mit Recht genannt wurde,
erschloß dieses bis zu den Ruinen von Heliopolis und die
Gegend des jetzigen Kairo.
Am westlichen Ufer des Nil, in geringer Entfernung östlich
von den Pyramiden und südlich vom Delta, prangte Memphis. Es
besaß einen Umfang von achtzehn Meilen und war mit der Pracht
der alten Könige geschmückt. Unter der Herrschaft der
Ptolomäer und Cäsaren war der Sitz der Regierung an die
Meeresküste verlegt und die alte Hauptstadt durch die Künste
und den Reichtum von Alexandria verdunkelt worden. Die Paläste
und die Tempel verfielen und gingen der Vernichtung entgegen.
Während der Herrschaft des Augustus, ja noch zu Zeiten
Konstantins, wurde Memphis zu den größten und volkreichsten
Provinzstädten gerechnet. Die Ufer des Nils, der an dieser
Stelle dreitausend Fuß breit ist, waren durch zwei
Schiffsbrücken von sechzig und dreißig Booten, die zu der mit
Gärten und Häusern bedeckten Insel Ruda inmitten des Stromes
führten, verbunden. Am östlichen Ende der Brücke stand die
Stadt Babylon und befand sich das Lager einer römischen
Legion, die den Übergang über den Fluß und die zweite
Hauptstadt Ägyptens zu verteidigen hatte. Diese wichtige
Festung, die mit Recht ein Teil von Memphis oder Misrah
genannt werden kann, wurde von den Truppen des Stellvertreters
Omars eingeschlossen. Bald langten in seinem Lager viertausend
Sarazenen als Verstärkung an, und die Kriegsmaschinen, die mit
ihren Geschossen die Mauern erschütterten, stammten wohl von
seinen kunstfertigen syrischen Bundesgenossen. Die Belagerung
dehnte sich jedoch sieben Monate aus, und die verwegenen
Eindringlinge wurden von den aus den Ufern tretenden Wassern
des Nils eingeschlossen und bedroht. Ihr letzter Sturm war
kühn und von Glück begleitet; sie setzten über den Graben,
obwohl er mit eisernen Speichen verbarrikadiert war, legten
die Sturmleitern an, drangen mit dem Ruf: »Gott ist
siegreich!« in die Festung und trieben den Rest der Griechen
zu ihren Booten und auf die Insel Ruda. Der Platz gefiel dem
Eroberer wegen der guten Verbindung mit dem Golfe und der
Halbinsel von Arabien. Die Ruinen von Memphis wurden
verlassen, die Zelte der Araber in Wohnungen zu ständigem
Aufenthalt verwandelt, und die erste Moschee wurde in
Anwesenheit von achtzig Gefährten Mohammeds eingesegnet. In
ihrem Lager am östlichen Ufer des Nils erhob sich eine neue
Stadt, und die benachbarten Viertel von Babylon und Fostat
werden jetzt, verfallen wie sie sind, Altmisrah oder Kairo
genannt. Kairo, Stadt des Sieges, heißt eigentlich die neue
Hauptstadt, die im zehnten Jahrhundert von den fatimitischen
Kalifen gegründet wurde. Sie ist allmählich verschwunden, läßt
sich aber von dem aufmerksamen Beobachter von den Denkmälern
des Sesostnis bis zu jenen des Saladin erkennen.
Die Araber hätten indes nach einem ruhmvollen und
einträglichen Unternehmen in die Wüste zurückgehen müssen,
wenn sie nicht im Herzen des Landes einen mächtigen
Bundesgenossen gefunden hätten. Die schnelle Eroberung
Alexanders war durch den Aberglauben und den Aufstand der
Eingeborenen ermöglicht worden. Diese verabscheuten ihre
persischen Unterdrücker, die Schüler der Magier, welche die
Tempel der Ägypter verbrannt und mit frevelhafter Gier von dem
Fleische ihres Gottes Apis gegessen hatten. Nach einem
Zeitraum von zehn Jahrhunderten wiederholte sich eine ähnliche
Umwälzung aus einer ähnlichen Ursache. Der Eifer der
koptischen Christen, ihr Glaubensbekenntnis zu verteidigen,
war ebenso groß, wie jener der Apisanbeter. Ich habe bereits
den Ursprung und den Verlauf des monophysitischen Streites und
die Verfolgung der Kaiser geschildert, die eine Sekte in eine
Nation verwandelte und Ägypten ihrer Religion und Regierung
entfremdete. Die Sarazenen wurden als Befreier der
jakobitischen Kirche empfangen. Während der Belagerung von
Memphis wurde heimlich ein Vertrag zwischen den Siegern und
den ägyptischen Sklaven geschlossen. Ein reicher und edler
Ägypter namens Mocawcas hatte seinen Glauben verheimlicht, um
Verwalter der Provinz zu werden. Er hatte während der durch
den persischen Krieg hervorgerufenen Unordnung nach
Unabhängigkeit gestrebt, und die Gesandtschaft Mohammeds
zählte ihn zu den Fürsten und versuchte ihn durch reiche
Geschenke und zweideutige Artigkeiten zu ihrem Glauben zu
bekehren, was jedoch nicht gelang. Durch den Mißbrauch seines
Amtes hatte er die Bestrafung durch Heraklius zu fürchten, er
verzögerte aus Stolz und Furcht seine Unterwerfung, und
Eigennutz bestimmte ihn, sich die Gunst der Nation zu sichern
und sich in die Arme der Sarazenen zu werfen. Bei seiner
ersten Unterredung mit Amru wurde ihm die übliche Wahl
gestellt: Koran, Tribut oder Schwert, was er ohne Entrüstung
vernahm. »Die Griechen«, erwiderte Mocawcas, »sind
entschlossen, das Schwert zu wählen; aber mit Griechen will
ich keine Gemeinschaft, weder in dieser noch in jener Welt.
Ich schwöre für immer dem byzantinischen Tyrannen, seiner
Synode von Chalcedon und seinen melchitischen Sklaven ab. Ich
selbst und meine Brüder sind entschlossen, im Glauben zum
Evangelium und der Einheit Christi zu leben und zu sterben. Es
ist uns unmöglich, die Offenbarung eures Propheten anzunehmen,
aber wir sehnen uns nach Frieden und wollen gerne Tribut
zahlen und den Nachfolgern des Propheten gehorchen.« Als
Tribut wurden zwei Goldstücke für jeden Christen festgesetzt.
Greise, Mönche, Frauen und Kinder unter sechzehn Jahren waren
von dieser Kopfsteuer ausgenommen. Die Kopten oberhalb und
unterhalb Memphis schwuren dem Kalifen Treue und versprachen,
jeden Muselman, der durch ihr Land reisen würde, gastfrei zu
bewirten. Durch dieses Abkommen wurde die geistliche und
weltliche Tyrannei der Melchiten zerbrochen. Die Bannflüche
Cyrills wurden von jeder Kanzel aus verkündet. Die heiligen
Gebäude samt dem Eigentum der Kirchen wurden der
Jakobitengemeinde zurückgegeben, die, ohne Mäßigung zu zeigen,
den Augenblick des Triumphes und der Rache genoß. Auf die
dringende Aufforderung Amrus kam der Patriarch Benjamin aus
der Wüste, und der Araber erklärte, noch nie mit einem
christlichen Priester mit reineren Sitten und ehrwürdigerem
Aussehen gesprochen zu haben. Bei dein Zuge von Memphis nach
Alexandria vertraute sich der Stellvertreter Omars den
eifrigen und dankbaren Ägyptern an. Die Straßen und Brücken
wurden emsig ausgebessert, und während seines ganzen Zuges
konnte er sich darauf verlassen, mit Nahrungsmitteln und
Nachrichten versorgt zu werden. Die Griechen von Ägypten, die
kaum ein Zehntel der Eingeborenen betrugen, wurden in diesem
allgemeinen Abfall überwältigt. Sie waren von jeher gehaßt
worden und wurden nun nicht länger gefürchtet. Der Richter
floh von seinem Tribunale, der Bischof von seinem Altar, und
entferntere Besatzungen wurden umzingelt, überrumpelt oder
ausgehungert. Wenn der Nil nicht eine sichere und schnelle
Verbindung mit dem Meere gebildet hätte, wäre kein einziger,
der durch Geburt, Sprache, Amt oder Religion zu den Griechen
gehörte, entkommen.
Durch den Abzug der Griechen aus dem Provinzen von
Oberägypten hatten sich beträchtliche Streitkräfte auf der
Insel des Deltas gesammelt. Die natürlichen und künstlichen
Kanäle des Nils bildeten eine starke Schranke, und die Straße
nach Alexandria wurde in zwanzigtägigen Gefechten durch den
Sieg der Sarazenen mühsam gereinigt. Die Belagerung von
Alexandria ist in den Annalen ihrer Eroberung die vielleicht
schwierigste und wichtigste Unternehmung. Die erste
Handelsstadt der Welt war mit Mundvorräten und
Verteidigungsmitteln im Überfluß versehen. Ihre zahlreichen
Einwohner kämpften für Religion und Eigentum, und waren durch
die Feindschaft der Eingeborenen von sonst geübter Duldung und
vom Frieden ausgeschlossen. Der Zugang zur See war niemals
gesperrt, und wenn Heraklius Augen für die öffentliche Not
gehabt hätte, hätten dauernd frische Heere von Römern und
Barbaren im Hafen ausgeschifft werden können, um die zweite
Hauptstadt des Reiches zu retten. Wäre eine Linie von zehn
Meilen zu besetzen gewesen, würden die Streitkräfte der
Griechen längs dieser zerstreut worden sein, und ein tätiger
Feind hätte zur Ausführung von Listen Gelegenheit gehabt. Aber
zwei Seiten der ein längliches Viereck bildenden Stadt waren
von dem Meere und dem See Maräotis gedeckt, und die beiden
anderen Seiten waren nur je eine Meile lang. Die Anstrengungen
der Araber waren der Schwierigkeit des Unternehmens und der
Größe des Lohnes nicht unangemessen. Omar richtete von seinem
Throne in Medina die Aufmerksamkeit auf das Lager und die
Stadt. Er rief die arabischen Stämme und die Veteranen des
syrischen Krieges zu den Waffen, und das Verdienst in den
heiligen Krieg zu ziehen, wurde durch Ägyptens Ruhm und seine
Fruchtbarkeit gesteigert. Voll Sehnsucht, ihre Tyrannen zu
vertreiben oder zu vernichten, widmeten die treuen
Eingeborenen ihre Dienste Amru; einige Funken kriegerischen
Geistes wurden bei ihnen vielleicht durch das Beispiel ihrer
Bundesgenossen entflammt, und der sanguinische Mocawcas hatte
bestimmt, daß seine Gebeine in der heiligen Kirche des
heiligen Johannes von Alexandria ruhen sollten. Der Patriarch
Eutychius bemerkt, daß die Sarazenen mit Löwenmut kämpften.
Sie schlugen die häufigen und fast täglichen Ausfälle der
Belagerten zurück und griffen bald ihrerseits die Mauern und
Türme der Stadt an. Bei jedem Angriffe war Amrus Schwert und
Fahne in der vordersten Reihe der Angreifer zu erblicken. An
einem denkwürdigen Tage verriet er sich jedoch durch seine
unkluge Tapferkeit. Seine Begleiter, die in die Zitadelle
eingedrungen waren, wurden zurückgetrieben, und der Feldherr
blieb mit einem Freunde und einem Sklaven als Gefangener in
den Händen der Christen. Als Amru vor den Präfekten geführt
wurde, gedachte er seiner Würde und vergaß seine Lage. Er
benahm sich stolz und sprach entschlossen wie es sich für den
Stellvertreter des Kalifen geziemt, und schon war die
Streitaxt eines Soldaten erhoben, um dem verwegenen Gefangenen
den Kopf zu spalten. Sein Leben wurde durch einen
geistesgegenwärtigen Sklaven gerettet, der seinen Gebieter
unverweilt ins Antlitz schlug und ihm mit zornigem Ton gebot,
in Gegenwart seines Vorgesetzten zu schweigen. Der
leichtgläubige Grieche ließ sich täuschen; er war über den
vorgeschlagenen Friedensvertrag erfreut und entließ seinen
Gefangenen in der Hoffnung, bald eine ehrenvolle Gesandtschaft
zu empfangen. Die laute Freude im Lager über die Rückkehr des
Feldherrn, der Hohn mit dem er überschüttet wurde, ließ ihn
seinen Irrtum erkennen. Endlich, nach vierzehnmonatlicher
Belagerung und dem Verluste von dreiundvierzigtausend Mann,
gewannen die Sarazenen die Oberhand. Die an Zahl verminderten
und entmutigten Griechen schifften sich ein, und die Fahne
Mohammeds wehte auf den Mauern der Hauptstadt von Ägypten.
»Ich habe«, meldet Amru dem Kalifen, »die große Stadt des
Westens eingenommen. Es ist mir unmöglich, ihre Reichtümer und
Schönheit zu beschreiben, ihre Mannigfaltigkeit zu erklären.
Ich begnüge mich damit zu sagen, daß sie viertausend Paläste,
viertausend Bäder, vierhundert Theater oder
Belustigungsplätze, zwölftausend Buden zum Verkaufe von Gemüse
hat und daß vierzigtausend zinspflichtige Juden in ihr wohnen.
Die Stadt ist durch Waffengewalt und nicht durch Kapitulation
oder einen Vertrag eingenommen worden, und die Muselmanen
dürsten, die Früchte ihres Sieges zu ernten.« Der Beherrscher
der Gläubigen verbat mit Festigkeit die Plünderung und befahl
seinem Stellvertreter, den Reichtum und die Einkünfte von
Alexandria zum allgemeinen Besten zu bewahren und zur
Verbreitung des Glaubens zu verwenden. Die Einwohner wurden
gezählt, ihnen ein Tribut auferlegt, der Glaubenseifer und die
Rachegelüste der Jakobiten gezügelt, und den Melchiten, die
sich den Arabern willig unterwarfen, die ruhige Ausübung ihres
Gottesdienstes gestattet. Die Nachricht von diesem
schimpflichen und unglücklichen Ereignisse übte Einfluß auf
die Gesundheit des Kaisers Heraklius aus, der sieben Wochen
nach dem Verluste von Alexandria an der Wassersucht starb. Das
Geschrei des seines täglichen Unterhaltes beraubten Volkes
zwang den Hof von Byzanz, während der Minderjährigkeit von
Heraklius' Enkel die Wiedereroberung der Hauptstadt von
Ägypten zu versuchen. Innerhalb vier Jahren wurde der Hafen
und die Festungswerke von Alexandria zweimal von einer
römischen Flotte und Armee besetzt. Zweimal mußten die Römer
dem tapferen Amru weichen, der wegen dieser Gefahr aus den
fernen Kriegen von Tripolis und Nubien zurückgerufen wurde.
Aber die Leichtigkeit mit der die Versuche gelangen, der
wiederholte Schimpf und der hartnäckige Widerstand reizten ihn
zu dem Schwure, daß er, wenn er die Ungläubigen ein drittesmal
in das Meer treiben müsse, Alexandria von allen Seiten so
zugänglich machen würde, wie das Haus einer Buhlerin. Treu
seinem Versprechen, ließ er später einen Teil der Mauern und
Türme abtragen. Das Volk wurde jedoch bei der Züchtigung der
Stadt verschont und die Moschee der Barmherzigkeit auf dem
Platze errichtet, wo der Feldherr seinen wütenden Truppen
Einhalt geboten hatte.
Ich würde den erwartungsvollen Leser täuschen, wenn ich das
Schicksal der alexandrinischen Bibliothek, wie es von dem
gelehrten Abulpharagius geschildert wird, mit Stillschweigen
überginge. Amru war wißbegieriger und gebildeter als seine
Brüder, und der arabische Feldherr liebte es, in seinen
Mußestunden mit Johann zu sprechen, dem letzten Schüler des
Ammonius, Philoponus genannt, wegen seines anstrengenden
Studiums der Grammatik der Philosophie. Durch den
vertraulichen Umgang ermutigt, wagte es Philoponus, um ein
Geschenk, seiner Meinung nach unschätzbar, verächtlich in
jener der Barbaren, zu bitten. Es war die Bibliothek, die als
einziges Beutestück nicht das Siegel des Eroberers trug und
von diesem nicht mit Beschlag belegt worden war. Amru war
geneigt, dem Wunsche des Grammatikers zu willfahren, aber in
seiner Redlichkeit weigerte er sich, ohne die Einwilligung des
Kalifen das geringste zu verschenken. Omars Antwort war die
eines unwissenden Schwärmers. »Wenn diese Schriften der
Griechen mit dem Buche Gottes übereinstimmen, sind sie
überflüssig und brauchen nicht aufbewahrt zu werden; wenn sie
mit ihm nicht übereinstimmen, sind sie gefährlich und müssen
vernichtet werden.« Dieses Urteil wurde in blindem Gehorsam
vollzogen: die Papyrus- und Pergamentrollen wurden auf die
viertausend Bäder der Stadt verteilt, und ihre Zahl war so
groß, daß sechs Monate mit ihnen geheizt wurde. Seitdem die
Dynastienbeschreibungen des Abulpharagius der Welt in einer
lateinischen Übersetzung wiedergegeben worden sind, hat man
diese Geschichte wiederholt abgeschrieben, und jeder Gelehrte
hat mit frommer Entrüstung den unwiederbringlichen Verlust der
Gelehrsamkeit, Künste und des Geistes des Altertums beklagt.
Was mich betrifft, so bin ich sehr versucht, sowohl die
Tatsache, als die Folgen in Abrede zu stellen. Die Tatsache
ist fürwahr wunderbar: »Lies und staune«, sagt der
Geschichtschreiber selbst. Der einzige diesbezügliche Bericht
eines Fremden, der nach sechshundert Jahren an Mediens Grenze
schrieb, wird durch das Schweigen von zwei Annalenschreibern
früherer Zeiten Lügen gestraft, die beide Christen und
geborene Ägypter waren. Der ältere, der Patriarch Eutychius,
hat die Eroberung von Alexandria eingehend beschrieben. Die
strenge Entscheidung Omars widerspricht den vernünftigen und
orthodoxen Vorschriften der mohammedanischen Kasuisten. Sie
erklären ausdrücklich, daß die im Kriege eroberten
Religionsbücher der Juden und Christen niemals verbrannt
werden durften, und daß die profanen Werke der
Geschichtschreiber oder Dichter, Ärzte oder Philosophen
berechtigterweise zum Nutzen der Gläubigen verwendet werden
sollen. Die ersten Nachfolger Mohammeds scheinen allerdings
eifrige Zerstörer gewesen zu sein; in diesem Falle aber würde
der Brand aus Mangel an Material bald erloschen sein. Ich
werde die Unfälle der alexandrinischen Bibliothek nicht
wiederholt aufzählen; die Feuersbrunst, die Cäsar zu seiner
Verteidigung entzündete, der Glaubenseifer der Christen, die
die Denkmäler des Götzendienstes zu zerstören trachteten. Wenn
wir aber vom Zeitalter der Antonine bis zu dem des Theodosius
nachforschen, so erfahren wir von einer Anzahl von Zeugen, daß
der königliche Palast und der Tempel des Serapis die vier-
oder gar siebenhunderttausend Bände nicht mehr enthielten,
welche die wißbegierigen und freigebigen Ptolomäer gesammelt
hatten. Vielleicht war der Sitz und die Kirche des Patriarchen
durch eine Büchersammlung bereichert worden, wenn jedoch die
zahlreichen Bücher über den arianischen und monophysitischen
Streit in den öffentlichen Bädern verbrannt worden wären,
könnte ein Philosoph lächelnd zugeben, daß sie doch zuletzt
der Menschheit etwas genützt haben. Ich bedaure es aufrichtig,
daß wertvollere Büchersammlungen durch den Sturz des römischen
Reiches vernichtet wurden. Wenn ich aber die jahrhundertelange
Verschwendung aus Unwissenheit und Kriegsursachen bedenke,
staune ich weit mehr über die erhalten gebliebenen Schätze,
als über die Verluste. Viele merkwürdige und interessante
Tatsachen sind in Vergessenheit geraten; die Werke der drei
großen Geschichtschreiber Roms sind nur verstümmelt erhalten,
und es fehlen und wir entbehren viele Werke der lyrischen,
jambischen und dramatischen Poesie der Griechen. Aber wir
sollten uns erinnern, daß die klassischen Werke, denen das
Altertum den ersten Rang an Genie und Ruhm angewiesen hat, auf
uns gekommen sind und den Zerstörungen durch die Zeit und den
Zufall getrotzt haben. Die Lehrer frühen Wissens, deren Werke
noch erhalten sind, haben die Schriften ihrer Vorgänger
gelesen und miteinander verglichen, und es läßt sich nicht mit
Grund behaupten, daß die Kenntnis irgendwelcher früher
bekannten Dinge aus der Natur und Kunstwelt uns entzogen
worden ist.
Bei der Verwaltung von Ägypten ließ Amru die Grundsätze der
Gerechtigkeit und die Forderungen der Politik sprechen. Bei
den wiederholten Tumulten der Eroberung und Befreiung wütete
das Schwert der Araber und die Zunge der Kopten am meisten
gegen die Provinz. Den Kopten erklärte Amru, daß Zwietracht
säen und Lügen verbreiten doppelt an den Anklägern gestraft
werden würde, die er als seine persönlichen Feinde verachten
werde, und daß ihre unschuldigen Brüder, die sie kränken und
ausstechen wollten, befördert werden würden. Die Araber
munterte er auf, empfahl ihnen, ihre Würde, Religion und ihren
Charakter zu bewahren und sich durch gemäßigtes Benehmen Gott
und dem Kalifen angenehm zu machen. Ferner forderte er sie
auf, ein Volk, das ihrem Worte getraut hat, zu schonen und zu
beschützen und sich mit den zugeteilten, rechtmäßigen
Belohnungen für den Sieg zu begnügen. Er verwarf bei der
Tributerhebung die einfache, aber drückende Methode einer
Kopfsteuer und zog mit Recht Abgaben vor, die verhältnismäßig
nach den Gewinnen beim Handel und Ackerbau bestimmt wurden.
Der dritte Teil dieser Abgaben wurde zur Ausbesserung der für
alle so wichtigen Deiche und Dämme verwendet. Unter seiner
Verwaltung versorgte das fruchtbare Ägypten das unfruchtbare
Arabien. Kamelkarawanen, die Korn und Lebensmittel
transportierten, bewegten sich ohne Unterbrechung auf der
langen Straße von Memphis nach Medina. Der geniale Amru machte
es jedoch bald möglich, die Waren zu Wasser zu transportieren.
Von den Pharaonen, den Ptolomäern, den Cäsaren war ein Werk
begonnen oder beendet worden, das von ihm neuerlich instand
gesetzt wurde. Ein mindestens sechzig Meilen langer Kanal
wurde vom Nil zum Roten Meere gegraben. Dieser Wasserweg, der
das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbunden hätte, wurde
jedoch bald wieder aufgegeben. Der Thron ward von Medina nach
Damaskus verlegt, und die griechischen Flotten hätten einen
Weg nach den heiligen Städten von Arabien gehabt.
Der Kalif Omar hatte von seiner neuen Eroberung nur eine
sehr unvollständige Kenntnis, die ihm durch den Koran und
durch Nachrichten vermittelt worden war. Er verlangte, daß ihm
sein Stellvertreter das Reich Pharaos und der Amalekiter
beschreibe, und die Antwort Amrus gibt eine lebendige und
nicht ungetreue Schilderung dieses Landes. »O Beherrscher der
Gläubigen, Ägypten ist ein Gemengsel von schwarzer Erde und
grünen Pflanzen, von pulverisiertem Gebirge und rotem Sande.
Die Entfernung von Syene bis zum Meer beträgt eine Monatsreise
für einen Reiter. Das Tal entlang fließt ein Strom, auf dem
der Segen des Allerhöchsten am Abend und am Morgen ruht und
der je nach dem Stand der Sonne und des Mondes steigt und
fällt. Wenn durch die Gnade der Vorsehung jährlich die Brunnen
und Quellen zu fließen beginnen, so führt der Nil seine
anschwellenden Gewässer durch das Königreich Ägypten; die
Felder werden von der Flut bedeckt, und die Städte verkehren
miteinander mittels bemalter Barken. Bei Rückgang der
Überschwemmung bleibt ein befruchtender Schlamm zurück; die
Landwirte, die sich über das Land ergießen, können mit einem
Schwarm fleißiger Ameisen verglichen werden. Ihre angeborene
Trägheit wird durch die Geißel des Zuchtmeisters und die
Hoffnung auf reiche Ernte an Blumen und Früchten vermindert.
In ihrer Hoffnung werden sie nur selten getäuscht; aber die
Reichtümer, die sie aus Weizen, Gerste, Reis, Hülsenfrüchten,
Obstbäumen und Vieh gewinnen, sind ungleichmäßig zwischen
denjenigen verteilt, die arbeiten und jenen, die besitzen. Je
nach der Jahreszeit sieht das Land wie eine silberne Woge oder
ein grüner Smaragd aus oder leuchtet vor der kommenden Ernte.«
Diese Ordnung wird jedoch bisweilen unterbrochen und das lange
Ausbleiben der Wässer und das plötzliche Anschwellen des
Flusses im ersten Jahre nach der Eroberung gab einer
erbaulichen Fabel einen Schein von Wahrheit. Omar soll die
jährliche Opferung einer Jungfrau untersagt haben; daraufhin
schmollte der Nil und blieb untätig in seinem seichten Bette,
bis der schriftliche Befehl des Kalifen, der in den gehorsamen
Strom geworfen wurde, diesen dazu brachte, in einer einzigen
Nacht sechzig Ellen anzuschwellen. Die Bewunderung der Araber
für ihre neue Eroberung steigerte ihren Hang zur Romantik. Wir
können bei den ernstesten Schriftstellern lesen, daß Ägypten
zwanzigtausend große und kleine Städte besaß; daß, ohne die
Griechen und die Araber, bei Registrierung der
Steuerpflichtigen die Kopten allein sechs Millionen
zinspflichtige Untertanen oder zwanzig Millionen jedes
Geschlechtes und Alters zählten; ferner, daß dreihundert
Millionen in Gold und Silber aus Ägypten jährlich in den
Schatz des Kalifen flossen. Vernünftigerweise glauben wir
diese ausschweifenden Behauptungen nicht, die um so
unglaubhafter werden, wenn wir den Umfang und Flächeninhalt
des bewohnten Striches betrachten: ein Tal, das vom Wendekreis
bis Memphis reichte und selten breiter war als zwölf Meilen,
ferner das Delta, das mit zweitausendeinhundert Quadratstunden
den zwölften Teil des Flächeninhaltes Frankreichs besitzt.
Eine genaue Nachforschung rechtfertigt eine vernünftigere
Schätzung. Die durch den Irrtum eines Schreibers entstandenen
dreihundert Millionen vermindern sich zu der noch immer
ansehnlichen Summe von vier Millionen dreihunderttausend
Goldstücken, wovon neunhunderttausend zum Sold der Truppen
verwendet wurden. Zwei authentische Listen aus dem neunzehnten
und zwölften Jahrhundert geben die Zahl der kleineren und
größeren Städte mit zweitausendsiebenhundert an. Ein
französischer Konsul hat, nach langem Aufenthalte in Ägypten,
die Zahl der Mohammedaner, Christen und Juden mit vier
Millionen anzugeben gewagt.
IV. Die Eroberung von Afrika vom Nil bis zum Atlantischen
Ozean wurde zuerst durch die Heere des Kalifen Othman
versucht. Der fromme Plan wurde von Gefährten Mohameds und den
Häuptern der Stämme gebilligt, und zwanzigtausend Araber zogen
von Medina mit den Geschenken und dem Segen des Beherrschers
der Gläubigen aus. Im Lager von Memphis stießen zwanzigtausend
ihrer Landsleute zu ihnen. Die Leitung des Krieges wurde
Abdallah, dem Sohne Saids und Milchbruder des Kalifen,
anvertraut, der kürzlich an die Stelle des Eroberers und
Statthalters von Ägypten gekommen war. Aber weder die Gunst
des Fürsten, noch das Verdienst des Günstlings vermochte die
Schuld der Abtrünnigkeit auszulöschen. Abdallah empfahl sich
für das wichtige Amt, den Koran abzuschreiben, durch seine
frühe Bekehrung und seine geschickte Feder. Er täuschte das in
ihn gesetzte Vertrauen, veränderte den Text, verlachte die
Vorwürfe über die Fehler, die er gemacht hatte und floh nach
Mekka, um dem Grimme des Apostels zu entgehen und dessen
Unwissenheit zu verkünden. Nach der Eroberung von Mekka
stürzte er sich Mohamed zu Füßen; seine Tränen und die Bitten
Othmans erpreßten eine ungern gewährte Begnadigung, aber der
Prophet erklärte, daß er so lange gezögert hätte, um
irgendeinem eifrigen Jüngling Zeit zu geben, seine Unbilden
durch das Blut des Abtrünnigen zu rächen. Mit scheinbarer
Treue und wirklichen Leistungen diente er nun der Religion,
die zu verlassen nicht länger in seinem Interesse lag; durch
seine Geburt und seine Verdienste erhielt er einen ehrenvollen
Rang unter den Koreischiten, und Abdallah war bei einer
Reiternation als der kühnste und geschickteste Reiter Arabiens
berühmt. An der Spitze von vierzigtausend Muselmanen drang er
aus Ägypten nach den unbekannten Ländern des Westens vor. Die
Sandflächen von Barca mochten für eine römische Legion
undurchdringlich sein; aber die Araber hatten ihre treuen
Kamele mit, und sie sahen, Eingeborene der Wüste, einen Boden
und ein Klima, womit sie längst vertraut waren. Nach einem
beschwerlichen Marsch schlugen sie ihre Zelte vor den Mauern
von Tripolis auf, eine Seestadt, auf die sich der Name, der
Reichtum und die Bewohner der Provinz allmählich konzentriert
hatten und die jetzt den dritten Rang unter den
Barbareskenstaaten einnimmt. Eine Abteilung Griechen, welche
die Besatzung verstärken sollte, wurde an der Küste
überrumpelt und niedergehauen; aber die Festungswerke von
Tripolis widerstanden den ersten Angriffen, und die Sarazenen
ließen sich durch die Annäherung des Präfekten Gregorius
verleiten, die Belagerung aufzugeben und eine entscheidende
Schlacht zu wagen. Wenn seiner Fahne wirklich
hundertzwanzigtausend Mann folgten, müssen sich die regulären
Truppen des Reiches in dem ordnungslosen Haufen der Afrikaner
und Neger verloren haben, der seine Heerschar bildete. Er
verwarf mit Entrüstung den Vorschlag, zwischen Koran und
Tribut zu wählen, und mehrere Tage hindurch fochten die beiden
Heere grimmig von der Morgendämmerung bis Mittag, zu welcher
Zeit sie die Ermüdung und außerordentliche Hitze zwangen, in
ihren Zelten Obdach und Erfrischung zu suchen. Die Tochter
Gregors, eine Jungfrau von unvergleichlicher Schönheit und
Unerschrockenheit, soll an seiner Seite gefochten haben; von
frühester Jugend an, war sie gewöhnt zu reiten, mit dem Bogen
zu schießen und den Säbel zu handhaben, und ihre reichen
Waffen und ihr Anzug leuchteten in den vordersten Reihen der
Schlacht. Ihre Hand und hunderttausend Goldstücke wurden für
das Haupt des arabischen Feldherrn geboten, und die Jünglinge
Afrikas durch den reichen Preis angefeuert. Auf die dringenden
Bitten seiner Brüder mied Abdallah das Schlachtfeld, aber die
Sarazenen wurden durch die Abwesenheit ihres Führers und durch
wiederholte unentschiedene oder verlorene Gefechte entmutigt.
Ein edler Araber, später Alis Gegner und Vater eines
Kalifen, hatte sich durch Tapferkeit in Ägypten ausgezeichnet.
Zobeir war der erste gewesen, der die Sturmleitern an die
Mauern von Babylon legte. In dem afrikanischen Kriege war er
der Fahne Abdallahs fern. Auf die Kunde von der Schlacht
schlug sich Zobeir mit zwölf Gefährten durch das Lager der
Griechen und stürmte, ohne sich Ruhe zu gönnen und Nahrung zu
genießen, vorwärts, um an den Gefahren seiner Brüder
teilzunehmen. Seine Blicke flogen über das Schlachtfeld: »Wo
ist unser Feldherr?« fragte er. »In seinem Zelte.« »Ist das
Zelt ein Posten für den Feldherrn der Muselmanen?« Abdallah
stellte mit Erröten die Wichtigkeit seines eigenen Lebens dar
und wies auf die Ankündigung des römischen Präfekten hin.
»Vergilt den Ungläubigen ihr kleinmütiges Benehmen«,
antwortete Zobeir. »Verkünde, daß das Haupt Gregors mit seiner
Tochter und der gleichen Summe bezahlt werden solle.« Dem
einsichtigen und mutigen Zobeir vertraute der Stellvertreter
des Kalifen die Ausführung der von jenem entworfenen
Kriegslist an, welche die Entscheidung zugunsten der Sarazenen
mit sich brachte. Durch Tätigkeit und Schlauheit die mangelnde
Zahl ersetzend, lag ein Teil ihrer Streitkräfte still im
Lager, während der Rest den Feind in unregelmäßigen Gefechten
hinhielt, bis die Sonne am höchsten stand. Auf beiden Seiten
zog man sich ermattet zurück; die Pferde wurde abgezäumt, die
Rüstungen beiseitegelegt, und die Gegner bereiteten sich vor
oder schienen sich für das morgige Gefecht vorzubereiten und
die Erfrischungen des Abends zu sich zu nehmen. Plötzlich
wurde zum Angriff geblasen, aus dem Lager der Araber ergoß
sich ein Schwarm frischer und unerschrockener Krieger; die
Griechen und Afrikaner wurden durch die neuen Geschwader der
Gläubigen, die fanatischen Augen als eine vom Himmel
herabgekommene Schar von Engeln erscheinen mochte, in
Bestürzung gesetzt. Mit dem Angriff wurden ihre Reihen
durchbrochen; der Präfekt selbst fiel von der Hand Zobeirs,
seine Tochter, die Rache und Tod suchte, wurde umzingelt und
gefangen. Die Flüchtlinge verwickelten die Stadt Sufetula in
ihr Unglück, wohin sie vor den Sarazenen geflohen waren.
Sufetula lag hundertfünfzig Meilen südlich von Karthago. Ein
sanfter Abhang wurde von einem Strome bewässert und von einem
Hain von Wacholderbäumen beschattet. Die Ruinen eines
Triumphbogens, eines Porticus und dreier Tempel korinthischen
Stils lassen uns noch heute die Großartigkeit der Römer
bewundern. Nach dem Falle dieser reichen Stadt flehten die
Provinzbewohner und Barbaren von allen Seiten den Eroberer um
Gnade an. Die Tributanerbietungen oder die Versicherungen,
seinen Glauben zu bekennen, mögen dem eitlen oder
religionseifrigen Feldherrn geschmeichelt haben, aber seine
Verluste, die Ermattung der Truppen und das Fortschreiten
einer epidemischen Seuche verhinderten die Gründung einer
festen Ansiedlung, und die Sarazenen kehrten nach
fünfzehnmonatlichem Feldzuge an Ägyptens Grenzen mit
Gefangenen und Reichtümern aus dem afrikanischen Feldzug
zurück. Das dem Kalifen gehörige Fünftel der Beute wurde einem
Günstling auf die nominelle Bezahlung von fünfhunderttausend
Goldstücken überlassen, aber der Staat wurde durch diesen
betrügerischen Vorgang doppelt geschädigt, wenn in
Wirklichkeit bei der Teilung des Raubes jeder Fußsoldat
tausend und jeder Reiter dreitausend Goldstücke erhielt. Man
erwartete, daß der Besieger Gregors von der Beute den
köstlichsten Teil fordern würde. Er meldete sich jedoch nicht
und man vermutete deshalb, daß er gefallen wäre. Erst als die
Tochter des Präfekten bei seinem Anblick zu weinen begann,
offenbarte sich die Bescheidenheit dieses edlen Kriegers. Die
unglückliche Jungfrau wurde dem Mörder ihres Vaters angeboten
und von ihm als Sklavin verworfen, indem er erklärte, daß sein
Schwert dem Dienste der Religion geweiht sei, und daß er für
einen weit erhabeneren Lohn arbeite, als die Reize irdischer
Schönheit oder die Reichtümer dieses vergänglichen Lebens.
Eine seinem Charakter angemessenere Belohnung war der
ehrenvolle Auftrag, dem Kalifen Othman den Erfolg seiner
Waffen zu verkünden. Die Gefährten Mohammeds, die Häuptlinge
und das Volk waren in der Moschee von Medina versammelt, um
die interessante Erzählung Zobeirs zu hören, und da der Redner
nichts vergaß, als die Erzählung seiner eigenen Taten und
Ratschläge, stellten die Araber Abdallah den Helden Kaled und
Amru zur Seite.
Die westlichen Eroberungen der Sarazenen unterblieben fast
zwanzig Jahre, bis ihre Spaltungen durch die feste Gründung
des Hauses Ommijah beigelegt worden waren; ja der Kalif
Moawijah wurde durch die Afrikaner selbst in ihr Land
eingeladen. Die Nachfolger des Heraklius hatten von dem Tribut
Kunde bekommen, den diese gezwungen waren, den Arabern zu
bezahlen; statt aber Mitleid zu haben und ihrer Not
abzuhelfen, legten sie ihnen einen zweiten Tribut in gleicher
Höhe auf. Ihre byzantinischen Minister waren ihren Klagen
wegen ihrer Armut und ihres Ruins gegenüber taub. Ihre
Verzweiflung brachte sie dahin, die Herrschaft eines einzigen
Gebieters vorzuziehen, und die Erpressungen des Patriarchen
von Karthago, der die Zivil- und Militärgewalt in Händen
hatte, reizten die Sektierer, ja sogar die Katholiken der
römischen Provinz, sich sowohl von der Religion ihres Tyrannen
abzuwenden, als seine Herrschaft zu fliehen. Der erste
Statthalter Moawijah erwarb wohlverdienten Ruhm, unterwarf
eine wichtige Stadt, schlug ein Heer von dreißigtausend
Griechen, schleppte achtzigtausend Gefangene mit sich fort und
bereicherte mit der Beute die kühnen Abenteurer aus Syrien und
Ägypten. Aber der Titel eines Eroberers von Afrika gebührt mit
mehr Recht seinem Nachfolger Akbah. Er zog von Damaskus an der
Spitze von zehntausend der tapfersten Araber aus, und die
Streitmacht der Muselmanen wurde durch viele tausend bekehrte
Barbaren vergrößert, die zweifelhafte Hilfskräfte darstellten.
Es wäre ebenso schwer wie unnötig, den Weg und die
Fortschritte Akbahs genau zu verfolgen. Die inneren Gegenden
Ägyptens sind von den Orientalen mit erdichteten Heeren
bevölkert und mit Schlössern besetzt worden. In der
kriegerischen Provinz Zab oder Numidien mochten sich
achtzigtausend Eingeborene in Waffen versammelt haben; aber
die angegebene Zahl von dreihundertsechzig Städten ist
unvereinbar mit dem Verfalle der Landwirtschaft, und der
angebliche Umfang von drei Stunden wird durch die Ruinen von
Erbe oder Lambesa, der alten Hauptstadt des Binnenlandes,
nicht gerechtfertigt. Wenn wir uns der Seeküste nähern,
bestimmen die wohlbekannten Städte Bugia und Tanger die
Siegesgrenzen der Sarazenen genauer. Ein Rest des früheren
Handels hat sich in Bugia mit seinem bequemen Hafen erhalten,
das in einer glücklicheren Zeit zwanzigtausend Häuser gehabt
haben soll. Der Reichtum an Eisen, das in den benachbarten
Bergen gewonnen wird, hätte einem tapferen Volk die
Möglichkeit geboten, sich Verteidigungswerkzeuge zu machen.
Tingi oder Tanger ist wegen seiner großen Entfernung und
seines Alters mit griechischen und arabischen Fabeln
geschmückt worden; aber die bildlichen Ausdrücke der
letzteren, wonach die Mauern aus Erz gebaut und die Dächer mit
Gold und Silber gedeckt gewesen wären, müssen als Sinnbilder
des Reichtums und der Stärke ausgelegt werden. Die Provinz
Mauritania Tingitana, die von der Hauptstadt den Namen führte,
ist von den Römern teilweise entdeckt und unvollständig
besiedelt worden. Die fünf Kolonien waren auf einen kleinen
Bereich beschränkt, und die südlicheren Teile wurden selten
besucht, außer von Elfenbeinjägern, Zitronenholzsuchern und
Leuten, die am Strand nach Purpurmuscheln suchten. Der
furchtlose Akbah drang in das Herz des Landes vor, durchzog
die Wildnis, in der seine Nachfolger die glänzenden Städte Fez
und Marokko errichtet haben, und drang endlich bis zum
Atlantischen Ozean und zur Wüste vor. Der Fluß Sus entströmt
den westlichen Abhängen des Atlasgebirges, befruchtet, gleich
dem Nil, die Umgebung und ergießt sich in mäßiger Entfernung
von den Kanarischen oder Glücklichen Inseln ins Meer. Seine
Ufer waren von Negern bewohnt, einem wilden Volke, ohne
Gesetz, Zucht und Religion; sie staunten über die ihnen
unbekannten Waffen der Orientalen, denen sie nicht widerstehen
konnten, und da sie weder Gold noch Silber besaßen, war die
erstrebteste Beute die schönen Weiber, von denen manche später
für tausend Goldstücke verkauft wurden. Akbah wurde bei seinem
Vordringen, nicht in seinem Eifer, durch den Ozean gehemmt. Er
trieb sein Pferd in die Wogen, erhob sein Gesicht gegen Himmel
und rief im Tone eines Schwärmers aus: »Großer Gott, wenn mein
Vordringen nicht durch dieses Meer aufgehalten worden wäre,
könnte ich vorwärts dringen zu den unbekannten Reichen des
Westens, um die Einheit deines heiligen Namens zu predigen und
die rebellischen Nationen, die andere Götter als dich
verehren, mit dem Schwerte auszurotten.« Aber dieser
mohammedanische Alexander, der nach neuen Welten seufzte, war
nicht imstande, seine gemachten Eroberungen zu behaupten.
Durch den allgemeinen Abfall der Griechen und Afrikaner wurde
er von den Gestaden des Atlantischen Ozeans zurückgerufen, und
die ihm umzingelnden Heerscharen ließen ihm nur den Ausweg
eines ehrenvollen Todes. Die letzte Szene zeigt noch ein
Beispiel der Nationaltugend. Ein ehrgeiziger Anführer, der den
Oberbefehl an sich reißen wollte, aber an diesem Unternehmen
scheiterte, wurde als Gefangener der Araber mitgeführt. Die
Aufrührer hatten auf seine Unzufriedenheit und Rachegelüste
gerechnet; er verwarf ihre Anträge und offenbarte ihre Pläne.
In der Stunde der Gefahr löste der dankbare Akbah seine
Fesseln und riet ihm, zu fliehen; er zog es aber vor, unter
dem Kommando seines Nebenbuhlers zu sterben. Sie umarmten sich
als Freunde und Märtyrer, zogen ihre Säbel, zerbrachen die
Scheiden und kämpften lange und hartnäckig, bis sie
nebeneinander auf die letzten ihrer niedergemetzelten
Vaterlandsgenossen sanken. Der dritte Feldherr oder
Statthalter von Afrika, Zuheir, rächte das Schicksal seines
Vorgängers, erlitt es schließlich aber selbst. Er besiegte die
Eingeborenen in vielen Schlachten, wurde aber von einem
mächtigen Heer geschlagen, das Konstantinopel Karthago zu
Hilfe gesandt hatte.
Es war häufig die Gewohnheit der Negerstämme, sich mit den
Angreifenden zu vereinigen, die Beute zu teilen, den Glauben
der Muselmanen zu bekennen und, sobald diese abgezogen waren
oder ins Unglück gerieten, sich zu empören und zu ihrer
früheren Unabhängigkeit und Götzendienerei zurückzukehren. Der
kluge Akbah hatte vorgeschlagen, eine arabische Kolonie im
Herzen von Afrika zu gründen, eine Festung zu errichten, von
der aus die wankelmütigen Barbaren gezähmt werden konnten, die
gleichzeitig ein Zufluchtsort sein könne, der während der
Wechselfälle des Krieges die Sarazenen und ihren Reichtum
schützen würde. Er gründete diese Kolonie, die er bescheiden
Karawanenstation nannte, im fünfzigsten Jahre der Hegira.
Kairoan nimmt auch heute noch, trotz des Verfalles, die zweite
Stelle im Königreiche Tunis ein, von welcher Stadt es fünfzig
Meilen südlich liegt. Die Binnenlage der Stadt, zwölf Meilen
westlich vom Meere, bewahrte sie vor der Flotte der Griechen
und Sizilianer. Nachdem die reißenden Tiere und Schlangen
vertilgt, der Wald gerodet worden war, entdeckte man in einer
sandigen Ebene die Spuren einer römischen Stadt. Das Gemüse
für Kairoan muß weit hergebracht werden, und der Mangel an
Brunnen zwingt die Einwohner, Regenwasser in Zisternen und
Behältern aufzubewahren. Diese Hindernisse wurden durch den
tätigen Akbah beseitigt, und er errichtete eine Ziegelmauer
von dreitausendsechshundert Schritten Länge. Nach Ablauf von
fünf Jahren war der Palast des Statthalters mit einer
hinreichenden Anzahl von Privathäusern umgeben, eine Moschee
wurde von fünfhundert Säulen aus Granit, Porphyr und
numidischem Marmor getragen, und Kairoan wurde der Sitz der
Gelehrsamkeit wie der Regierung. Aber dieser Glanz wurde erst
in einem späteren Zeitalter erreicht; die neue Kolonie wurde
durch Akbahs und Zuheirs Niederlagen erschüttert, und die
Unternehmungen gegen den Westen wurden durch bürgerliche
Zwietracht innerhalb der arabischen Monarchie wieder
unterbrochen. Der Sohn des tapferen Zobeir führte einen
siebenjährigen Krieg gegen das Haus Ommijah und hielt eine
siebenmonatliche Belagerung aus. Man sagte von Abdallah, daß
er den Mut eines Löwen mit der Schlauheit eines Fuchses
vereinige; aber er hatte nur den Mut, nicht die Hochherzigkeit
seines Vaters geerbt.
Die Herstellung des inneren Friedens erlaubte es dem
Kalifen Abdalmalek, die Eroberung von Afrika wieder
aufzunehmen. Die Fahne wurde dem Statthalter von Ägypten,
Hassan, übergeben, und das Einkommen dieses Königreiches nebst
einem Heere von vierzigtausend Mann für dieses Unternehmen
bestimmt. Während des Krieges waren die Binnenprovinzen von
den Sarazenen bald erobert, bald verloren worden. Die Seeküste
blieb jedoch dauernd in den Händen der Griechen; die Vorgänger
Hassans hatten den Ruf und die Befestigungen Karthagos
gescheut, und die Zahl ihrer Verteidiger war durch die
Flüchtlinge von Cabes und Tripolis verstärkt worden. Hassan
war kühner und glücklicher; er bezwang und plünderte die
Hauptstadt von Afrika. Die Erwähnung von Sturmleitern scheint
anzudeuten, daß er durch einen unerwarteten Angriff einer
langen, regelmäßigen Belagerung auswich. Aber die Freude der
Sieger wurde bald durch das Erscheinen christlicher Heere
gestört. Der Präfekt und Patrizier Johann, ein Feldherr von
Ruf und Erfahrung, schiffte sich in Konstantinopel mit den
Streitkräften des morgenländischen Reiches ein; die Schiffe
und Soldaten Siziliens stießen zu ihm, und der spanische
Monarch sandte aus Furcht oder Religiosität eine große Schar
Goten zur Verstärkung. Die verbündete Flotte durchbrach die
Kette, die den Eingang des Hafens schützen sollte. Die Araber
zogen sich nach Kairoan oder Tripolis zurück, die Christen
landeten, und die Bürger empfingen das Kreuz mit
Freudengeschrei. Der Winter verging in müßigen Träumen von
Siegen und Befreiung. Aber Afrika war unwiederbringlich
verloren. Der eifrige und grimmige Kalif rüstete im nächsten
Frühjahr zahlreiche Streiter zu Lande und Wasser aus, und der
Patrizier war nun seinerseits gezwungen, den Hafen und die
Festungswerke von Karthago zu räumen. Eine zweite Schlacht
wurde in der Nähe von Utika geschlagen; die Griechen und Goten
erlitten abermals eine Niederlage, und nur durch eilige
Einschiffung retteten sie sich vor Hassans Scharen, die
bereits ihr Lager, das von einem schwachen und unzulänglichen
Walle umgeben war, eingeschlossen hatten. Was noch von
Karthago übrig war, wurde von den Flammen verzehrt, und die
Kolonie der Dido und Cäsars lag über zweihundert Jahre öde,
bis ein Teil, vielleicht ein Zwanzigstel der früheren Stadt,
von dem ersten der fatimitischen Kalifen wieder besiedelt
wurde. Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts bestand die
zweite Hauptstadt des Westens aus einer Moschee, einem
Kollegium ohne Studierende und fünfundzwanzig bis dreißig
Hütten, die von fünfhundert Bauern bewohnt waren, die in ihrer
Armut den Stolz punischer Senatoren an den Tag legten. Aber
selbst dieses elende Dorf wurde von den Spaniern, die Karl V.
in die Festung Goletta gelegt hatte, zerstört. Die Ruinen von
Karthago sind vernichtet, und selbst ihr Platz würde unbekannt
sein, wenn nicht einige zerbrochene Bogen einer Wasserleitung
den wißbegierigen Reisenden leiteten.
Die Griechen waren vertrieben, aber die Araber dadurch noch
nicht Herren des Landes. In den inneren Provinzen widerstanden
die Mauren oder Berber, so schwach unter den ersten Kaisern,
so furchtbar unter den byzantinischen Fürsten, der Religion
und Macht der Nachfolger Mohammeds. Unter der Fahne ihrer
Königin Kahina erreichten die unabhängigen Stämme einige
Einigkeit und Zucht, und da die Mauren in ihren Frauen
Prophetinnen ehrten, griffen sie die Eindringlinge mit einem
dem ihrigen ähnlichen Enthusiasmus an. Die kampferprobten
Scharen Hassans waren den Verteidigern von Afrika nicht
gewachsen; die Eroberungen eines Jahrhunderts gingen an einem
einzigen Tage verloren. Der Anführer zog sich mit seinem Heer
an die Grenzen Ägyptens zurück und harrte da fünf Jahre der
verheißenen Verstärkung des Kalifen. Nach dem Rückzuge der
Sarazenen versammelte die siegreiche Prophetin die maurischen
Häuptlinge und empfahl ihnen eine seltsame und wilde Politik.
»Unsere Städte«, sagte sie, »und das Geld und Silber, das sie
enthalten, locken beständig die Araber an. Diese elenden
Metalle sind nicht der Gegenstand unseres Ehrgeizes, wir
begnügen uns mit den Früchten der Erde. Lasset uns diese
Städte zerstören, lasset uns diese verderblichen Schätze unter
ihren Ruinen begraben, und wenn es unseren Feinden an
Versuchung fehlt, werden sie vielleicht aufhören, die Ruhe
eines kriegerischen Volkes zu stören!« Der Vorschlag wurde
einstimmig angenommen. Von Tanger bis Tripolis wurden die
Gebäude oder wenigstens die Festungswerke zerstört, die
Fruchtbäume niedergehauen, die Mittel zum Unterhalt
vernichtet, ein fruchtbarer und volkreicher Garten in eine
Einöde verwandelt, und die Geschichtschreiber späterer Zeiten
konnten oft Spuren des Wohlstandes und der Verwüstung
entdecken. So lautet die Erzählung der neueren Araber. Aber
ich vermute, daß die Unkenntnis im Altertum, Liebe zum
Wunderbaren und die Mode, die Philosophie der Barbaren zu
preisen, sie verleitet haben, das als eine freiwillige
Handlung zu preisen, was innerhalb von drei Jahrhunderten seit
den wütenden Donatisten und Vandalen vor sich ging. Während
der Empörung hatte Kahina wahrscheinlich zur Zerstörung
beigetragen, und die Furcht vor einer allgemeinen Verheerung
mochte die Städte, die sich widerstrebend der unwürdigen
Führerin gefügt hatten, erschrecken und ihr entfremden. Die
Wiederkehr ihrer byzantinischen Beherrscher hofften und
wünschten sie vielleicht nicht mehr. In ihrer gegenwärtigen
Knechtschaft jedoch lebten sie ohne Ordnung und Gerechtigkeit,
und auch der eifrigste Katholik mußte die halben Wahrheiten
des Korans dem blinden Götzendienst der Mauren vorziehen. Der
Feldherr der Sarazenen wurde abermals als der Retter der
Provinz empfangen; die Freunde der bürgerlichen Gesellschaft
verschworen sich gegen die Wilden des Landes. Die königliche
Prophetin wurde in der ersten Schlacht getötet, die den jeder
Grundlage entbehrenden Bau ihres Reiches und Aberglaubens
stürzte. Ihr Geist lebte unter Hassans Nachfolgern wieder auf;
er wurde endlich durch die Tätigkeit Musas und seiner beiden
Söhne gebrochen. Auf die Anzahl der Rebellen läßt sich aus der
Zahl von dreihunderttausend Gefangenen schließen, von denen
sechzigtausend, das Fünftel des Kalifen, zum Besten des
Staatsschatzes verkauft wurden. Dreißigtausend barbarische
Jünglinge wurden unter die Truppen gesteckt, und die
Bestrebungen Musas, ihnen die Kenntnis des Korans und die
Befolgung seiner Lehren beizubringen, gewöhnten die Afrikaner
an Gehorsam gegen den Propheten und den Beherrscher der
Muselmanen, Bezüglich der Art der Regierung, der Nahrung und
Wohnung gleichen die wandernden Mauren den Beduinen der Wüste,
mit denen sie auch das Klima gemeinsam haben. Mit Annahme der
Religion der Araber setzen sie ihren Stolz darein, deren
Sprache, Namen und Ursprung anzunehmen. Das Blut der Fremden
und Eingeborenen vermengte sich allmählich, und vom Euphrat
bis zum Atlantischen Meere schien ein und dieselbe Nation über
die Sandebenen von Asien und Afrika ausgebreitet zu sein. Ich
will jedoch keineswegs in Abrede stellen, daß fünfzigtausend
Zelte reiner Araber mit ihren Bewohnern jenseits des Nils
durch die Lybische Wüste zerstreut worden sein mögen, und ich
weiß wohl, daß fünf maurische Stämme unter dem Namen weiße
Afrikaner ihr barbarisches Idiom beibehalten haben.
V. Während der Fortschritte bei der Eroberung trafen die
Goten und Sarazenen von Norden und Süden an der Grenze
zwischen Europa und Afrika aufeinander. Nach dem Glauben der
letzteren ist Verschiedenheit der Religion ein vernünftiger
Grund zur Feindschaft und zum Krieg. Schon zur Zeit Othmans
hatten ihre Seeräubergeschwader die Küsten von Andalusien
verheert; auch war die Hilfe nicht vergessen, die die Goten
Karthago geleistet hatten. Die Festung Ceuta gehörte damals
wie jetzt den Spaniern, eine der Säulen des Herkules, die
durch eine schmale Meerenge von der anderen Säule, der Spitze
Europas, getrennt ist. Ein kleiner Teil von Mauretanien fehlte
noch zur Eroberung von Afrika. Musa wurde aber bei seinem
Angriff auf Ceuta durch den tapferen und mutigen gotischen
Heerführer, den Grafen Julian, zurückgeschlagen. Aus dieser
Widerwärtigkeit und Klemme befreite ihn die unerwartete
Botschaft des christlichen Anführers, der die Übergabe des
Platzes, sich selbst und sein Schwert den Nachfolgern
Mohammeds anbot und um die schimpfliche Ehre bat, sie in das
Herz Spaniens führen zu dürfen. Wenn man nach der Ursache
seines Verrates fragt, so wiederholen die Spanier die zur
Volkslegende gewordene Erzählung von seiner Tochter Cava,
einer Jungfrau, die von ihrem Souverän verführt und
genotzüchtigt worden war, und von einem Vater, der seine
Religion und sein Vaterland der Rache opferte. Die
Leidenschaften der Fürsten sind oft zügellos und verderblich
gewesen, aber diese wohlbekannte romantische Geschichte wird
nur sehr wenig durch äußere Zeugnisse gestützt, und die
spanische Geschichte zeigt genügend politische und
eigennützige Beweggründe, die für einen ergrimmten Staatsmann
mehr Bedeutung haben. Nach dem Tode oder der Absetzung des
Witiza wurden seine beiden Söhne durch Roderich, einen edlen
Goten, dessen Vater Herzog oder Statthalter einer Provinz als
Opfer der früheren Tyrannen gefallen war, ausgestochen. Die
Monarchie war dauernd ein Wahlreich, aber die am Hofe
erzogenen Söhne des Witiza ertrugen nur widerwillig ihren
privaten Stand. Ihre Rache war um so gefährlicher, als sie
durch die gewöhnlich geübte Verstellung an den Höfen
verschleiert wurde; ihre Anhänger wurden durch das Andenken an
empfangene Gunstbezeigungen und die Hoffnung auf eine
Umwälzung aufgestachelt, und ihr Oheim Oppas, Erzbischof von
Toledo und Sevilla, war die erste Person in der Kirche und die
zweite im Staate. Es ist wahrscheinlich, daß Julian mit einer
erfolglosen Partei in Ungnade fiel, daß er von der neuen
Regierung wenig zu hoffen und viel zu fürchten hatte, und daß
der unkluge König das Verhalten Julians und seiner Familie
nicht vergessen oder verzeihen konnte. Die Verdienste und der
Einfluß des Grafen machten ihn zu einem nützlichen und
gefährlichen Untertanen; seine Besitzungen waren groß, seine
Anhänger kühn und zahlreich, und es erwies sich als
verderblich, daß er durch den Oberbefehl in Andalusien und
Mauritanien die Schlüssel der spanischen Monarchie in Händen
hatte. Zu schwach aber, um seinem Souverän in Waffen
entgegenzutreten, bewarb er sich um den Beistand einer
auswärtigen Macht, und seine übereilte Einladung an die Mauren
und Araber veranlaßte während acht Jahrhunderten große
Drangsale. In Briefen oder bei einer persönlichen Unterredung
offenbarte er den Reichtum und die Schwäche seines
Vaterlandes, die Unbeliebtheit seines Fürsten und die
Entartung des verweichlichten Volkes. Die Goten waren nicht
mehr jene siegreichen Barbaren, die das stolze Rom gedemütigt,
die Königin der Nationen beraubt hatten und von der Donau bis
zum Atlantischen Ozean vorgedrungen waren. Von der Welt durch
die Gebirge der Pyrenäen abgeschnitten, hatten die Nachfolger
Alarichs in Ruhe geschlummert; die Mauern der Städte waren in
Staub zerfallen, die Jugend hatte die Waffenübungen
aufgegeben, und der aus früheren Zeiten stammende Ruhm und
Übermut mußte sie dem ersten Angriffe der Feinde preisgeben.
Der ehrgeizige Sarazene wurde durch die Leichtigkeit des
Unternehmens und die Wichtigkeit der spanischen Länder
angefeuert, verschob aber jede Handlung bis er die
Willensäußerung des Kalifen eingeholt hatte. Sein Bote kam
bald mit Walids Erlaubnis zurück, die unbekannten Königreiche
des Westens zu unterwerfen und ihnen die Religion des
Propheten zu bringen. Musa setzte aus seiner Residenz Tanger
die Unterhandlungen fort, die er völlig geheim hielt und
beschleunigte seine Rüstungen. Die Gewissensbisse der
Verschworenen schaffte er mit der lügnerischen Behauptung aus
der Welt, daß er sich mit dem Ruhme und der Beute begnügen
werde, ohne darnach zu streben, die Muselmanen jenseits des
Meeres, das Afrika von Europa trennt, seßhaft zu machen.
Bevor Musa ein Heer von Gläubigen den Verrätern und
Ungläubigen eines fremden Landes anvertraute, stellte er ihre
Stärke und Wehrhaftigkeit auf eine Probe. Hundert Araber und
vierhundert Afrikaner setzten in vier Schiffen von Tanger oder
Ceuta über; der Ort, an dem sie landeten, erhielt den Namen
ihres Anführers Tarik. Das Datum dieses denkwürdigen
Ereignisses ist der Monat Ramadan des einundneunzigsten Jahres
der Hegira, Monat Juli, siebenhundertachtundvierzig Jahre nach
der spanischen Zeitrechnung Cäsars, siebenhundertzehn nach
Christi Geburt. Von ihrer Landungsstelle marschierten sie
achtzehn Meilen durch ein hügeliges Land bis zum Schlosse und
der Stadt Julians, der sie den Namen (Algesiras, sie heißt
noch so) der grünen Insel, nach einem von Grün bedeckten
Vorgebirge, gaben, das in die See hinausragt. Ihre
gastfreundliche Aufnahme, die Christen, die zu ihrer Fahne
stießen, ihr Einfall in eine fruchtbare und unverteidigte
Provinz, die Größe der Beute und die Sicherheit in der sie
zurückkehren konnten, bewies ihren Brüdern, daß der Zug nach
Spanien von Sieg begleitet sein würde. Im folgenden Frühling
schifften sich fünftausend Veteranen und Freiwillige unter dem
Befehle Tariks ein. Dieser war ein unerschrockener, mit Glück
begabter Krieger, der die Erwartungen seines Oberfeldherrn
übertraf. Die notwendigen Fahrzeuge waren durch ihren nur zu
emsigen Bundesgenossen geliefert worden; die Sarazenen
landeten an der Küste Europas. Der verballhornte, allgemein
bekannte Name Gibraltar (Gebel al Tarik) bedeutet Berg des
Tarik. Die Schanzen seines Lagers bildeten erstmalig die
Umrisse jener Befestigungen, in denen die Engländer dem Hause
Bourbon widerstanden haben. Die Statthalter der umliegenden
Provinzen setzten den Hof von Toledo von der Landung und den
Fortschritten der Araber in Kenntnis. Die Niederlage des
Feldherrn Edeko, den Roderich entsandt hatte, die Fremdlinge
zu schlagen und in Fesseln zu legen, zeigte diesem die Größe
der Gefahr. Auf des Königs Gebot sammelten sich die Herzöge,
Grafen, Bischöfe und Edlen der gotischen Monarchie mit ihren
Mannen. Der Titel König der Römer, den ein arabischer
Geschichtschreiber Roderich gab, kann durch die Religion,
Sitten und Sprache der Nationen Spaniens erklärt werden. Die
Armee bestand aus neunzig- bis hunderttausend Mann, eine
furchtbare Macht, wenn Treue und Zucht im Verhältnis zur Zahl
gestanden hätte. Die Truppen Tariks waren auf zwölftausend
Sarazenen erhöht worden; aber die christlichen Unzufriedenen
wurden durch Julians Einfluß angelockt, und eine Schar
Afrikaner strebte nach den zeitlichen Segnungen des Korans.
Die Stadt Xeres in der Nähe von Cadix ist durch einen Kampf
berühmt geworden, der das Schicksal des Königreiches
entschied. Der Fluß Guadelete, der sich in die Bucht ergießt,
trennte die beiden Lager. An seinen Ufern fanden in drei
aufeinanderfolgenden Tagen blutige Gefechte statt. Am vierten
Tage ließen sich die beiden Heere in einen ernsteren und
entscheidenderen Kampf ein. Alarich wäre beim Anblick seines
unwürdigen Nachfolgers errötet, der auf dem Haupte ein Diadem
aus Perlen, ferner fliegende Gewänder mit Gold und Seide
bestickt trug und in einer Sänfte oder einem Wagen aus
Elfenbein ruhte, den zwei weiße Maultiere zogen. Die Sarazenen
wären trotz ihrer Tapferkeit der Überzahl beinahe unterlegen.
Die Ebene von Xeres war mit sechzehntausend Sarazenenleichen
bedeckt. »Meine Brüder«, sagte Tarik zu seinen überlebenden
Gefährten, »der Feind ist vor, das Meer ist hinter euch: wohin
wollet ihr fliehen? Folgt eurem Anführer; ich bin
entschlossen, entweder zu sterben oder meinen Fuß auf den
Nacken des gestürzten Königs der Römer zu setzen.« Außer auf
den Mut und die Verzweiflung der Muselmanen baute er auf die
geheimen, nächtlichen Zusammenkünfte des Grafen Julian mit den
Söhnen und Brüdern des Witiza. Die beiden Fürsten und der
Erzbischof von Toledo hatten die wichtigsten Posten inne; ihr
rechtzeitiger Abfall zerbrach die Reihen der Christen; Furcht
und Argwohn beschlich die Krieger, die jeder für sein eigenes
Heil zu sorgen begannen. Die Reste des gotischen Heeres wurden
in den folgenden drei Tagen auf der Flucht zerstreut oder
vernichtet. Mitten in der allgemeinen Unordnung sprang
Roderich aus seinem Wagen, bestieg Orelia, das flüchtigste
seiner Rosse. Aber er entging dem Tode eines Kriegers nur, um
einen schmählicheren Tod in den Gewässern des Bätis oder
Guadalquivir zu finden. Sein Diadem, Gewand und Pferd wurden
an den Ufern gefunden; da aber die Leiche des Gotenfürsten von
den Wellen fortgerissen worden war, mußte der stolze und
unwissende Kalif durch das Haupt eines geringeren Mannes, das
ihm zugesendet wurde, getäuscht werden. Dieses wurde im
Triumph vor dem Palaste von Damaskus aufgesteckt. »Das ist«,
fährt der tapfere Geschichtschreiber der Araber fort, »das
Schicksal jener Könige, die von einem Schlachtfelde fliehen.«
Graf Julian hatte sich so tief in Schuld und Schmach
gestürzt, daß seine einzige Hoffnung auf dem Verderben seines
Vaterlandes beruhte. Nach der Schlacht bei Xeres empfahl er
den Sarazenen die wirksamsten Maßregeln. »Der König der Goten
ist tot, ihre Fürsten sind vor dir geflohen, die Armee ist
aufgelöst, die Nation in Bestürzung. Bemächtige dich, indem du
entsprechende Truppen absendest, der Städte von Bätica; du
selbst aber ziehe ohne Verzug gegen die königliche Stadt
Toledo und gönne den Christen weder Zeit noch Ruhe, eine
zweite Wahl vorzunehmen.« Tarik hörte auf den Rat. Ein
gefangener Römer und Proselyt, der vom Kalifen selbst
freigelassen worden war, griff Cordova mit siebenhundert
Reitern an; er schwamm über den Fluß, überrumpelte die Stadt
und trieb die Christen in die große Kirche, wo sie sich über
drei Monate verteidigten. Eine andere Abteilung unterwarf die
Küste von Bätica, die während der letzten Zeit der maurischen
Macht von dem volkreichen Königreiche Granada eingenommen
wurde. Der Zug Tariks von Bätica nach Tagus ging über die
Sierra Morena, die Andalusien von Kastilien trennt, bis er in
Waffen vor den Mauern von Toledo erschien. Die eifrigsten
Katholiken waren mit ihren Reliquien entflohen, und wenn die
Tore verschlossen blieben, so geschah dies nur solange, bis
der Sieger billigen und vernünftigen Übergabebedingungen
zugestimmt hatte. Die freiwillig Auswandernden durften mit
ihrer Habe abziehen; sieben Kirchen blieben dem christlichen
Gottesdienste vorbehalten, der Erzbischof und die
Geistlichkeit hatte das Recht, ihre Ämter weiter auszuüben,
die Mönche durften ihre Bußübungen halten oder
vernachlässigen, und die Goten und Römer behielten ihre
Gerichtsbarkeit. Wenn aber der gerechte Tarik die Christen
beschützte, belohnte er politisch und dankbar die Juden, denen
er für ihren geheimen und offenen Beistand bei den wichtigsten
Eroberungen zu Dank verpflichtet war. Von den Königen und
Synoden von Spanien verfolgt, die ihnen häufig nur die Wahl
zwischen Taufe und Auswanderung gelassen hatten, benutzte
dieses vertriebene Volk den Augenblick zur Rache; ihre Treue
wurde durch den Vergleich ihres früheren und jetzigen Zustande
gesichert, und der Bund zwischen den Jüngern Moses und
Mohammeds wurde in den Zeiten ihrer gemeinsamen Verbannung
aufrechterhalten. Von dem Königssitze zu Toledo setzte der
arabische Heerführer seine Eroberungen im Norden mit den
Königreichen Kastilien und Leon fort; es wäre aber
überflüssig, die Städte aufzuzählen, die sich ihm ergaben oder
die Smaragdtafel zu beschreiben, die von den Römern aus dem
Osten gebracht, von den Goten bei der Beutemachung in Rom
erworben und von den Arabern an ihren Kalifen in Damaskus
gesandt worden war. Jenseits der asturischen Gebirge war die
Seestadt Gijon das Ziel des Unterfeldherrn Musas, der mit der
Schnelligkeit eines Reisenden seinen Siegeszug über
siebenhundert Meilen, vom Felsen von Gibraltar bis zur Bai von
Biskaya, durchgeführt hatte. Er machte erst am Meeresufer
halt, und wurde bald darauf nach Toledo zurückgerufen, um
seine Kühnheit zu entschuldigen, mit der er in Abwesenheit
seines Oberfeldherrn ein Königreich erobert hatte. Spanien,
das früher in ungeordneterem Zustand den Römern zweihundert
Jahre widerstanden hatte, wurde in wenigen Monaten von den
Sarazenen überwältigt. So leicht unterwarfen sich die
Einwohner und schlossen Verträge, daß der Statthalter von
Cordova als einziger genannt wird, der ohne irgendwelche
Bedingungen im Kampfe gefangen genommen wurde. Die Sache der
Goten war bei Xeres unwiderruflich entschieden worden, und die
noch freien Männer der Nation wichen einem Kampfe mit einer
Macht aus, die ihre Hauptstreitmacht besiegt hatte. Die Kraft
der spanischen Nation war durch zwei aufeinanderfolgende
Epochen der Hungersnot und Pest gebrochen worden, und die
Statthalter, die sich nach Übergabe sehnten, konnten die
Schwierigkeiten ins Treffen führen, die sich bei der
Beschaffung genügender Lebensmittel für eine belagerte Festung
ergeben würden. Auch der Aberglaube trug dazu bei, Schrecken
zu verbreiten und die Christen zu entwaffnen: der schlaue
Araber begünstigte die Verbreitung von Träumen, Zeichen,
Prophezeiungen und jener Bilder, die man in einem
geschlossenen Gemach des königlichen Palastes, das
aufgebrochen wurde, fand, und die die vom Schicksal zur
Eroberung Spaniens Auserkorenen zeigten. Der Widerstand war
jedoch nicht gänzlich erloschen; einige Flüchtlinge zogen ein
Leben der Armut und Freiheit in den Tälern von Asturien vor;
die kühnen Bergbewohner trieben die Sklaven des Kalifen
zurück, und das Schwert des Pelagius ist zum Zepter der
katholischen Könige geworden.
Die Nachricht von diesem schnell erzielten Erfolge
veranlaßte, daß Musas Neid erwachte, nachdem er zuerst Beifall
gespendet hatte. Er begann, nicht zu klagen, aber zu fürchten,
daß Tarik ihm nichts zu erobern übriggelassen habe. An der
Spitze von zehntausend Afrikanern und Arabern setzte er von
Mauritanien nach Spanien über. Seine vornehmsten Begleiter
waren die Edelsten des Stammes Koreisch. Seinen ältesten Sohn
ließ er zurück, um in Afrika den Oberbefehl zu führen, und
seine drei jüngeren Söhne hatten das Alter und den Mut, ihren
Vater in den kühnsten Unternehmungen beizustehen. Bei seiner
Landung in Algesiras wurde er von dem Grafen Julian
ehrfurchtsvoll empfangen, welcher seine innere Reue erstickte
und durch Worte und Taten bezeugte, daß der Sieg der Araber
seine Anhänglichkeit an ihre Sache nicht vermindert hätte. Die
Bekämpfung einiger Feinde blieb Musa noch vorbehalten. In
später Reue hatten die Goten ihre Anzahl mit der ihrer Feinde
verglichen; die Städte, die Tarik auf seinem Marsche nicht
berührt hatte, hielten sich für uneinnehmbar. Die tapfersten
Patrioten verteidigten Sevilla und Merida. Sie wurden
nacheinander von Musa belagert und bezwungen, der sein Lager
vom Bätis zum Anas, vom Guadalquivir an die Guadiana verlegte.
Als er die Wahrzeichen römischer Größe, die Brücke, die
Wasserleitungen, die Triumphbogen und das Theater der alten
Hauptstadt von Lusitanien sah, sagte er zu seinen vier
Gefährten: »Ich muß glauben, daß das Menschengeschlecht seine
Kunst und Macht zum Baue dieser Stadt vereinigt habe;
glücklich der Mann, der ihr Gebieter wird!« Er strebte nach
diesem Glücke, aber die Emeritaner behaupteten bei dieser
Gelegenheit, daß sie von den Veteranen des Augustus abstammen.
Der Einsperrung in ihre Mauern zuvorkommend, lieferten sie den
Arabern eine Schlacht in der Ebene; aber in einem Steinbruch
oder einer Ruine in den Hinterhalt gelegte Truppen brachen
plötzlich hervor, schlugen sie und schnitten ihnen den Rückweg
ab. Die hölzernen Sturmtürme wurden an den Wall gerollt, die
Verteidiger wehrten sich lange und hartnäckig, und das Schloß
der Märtyrer gibt Zeugnis von den Verlusten der Muselmanen.
Die standhaften Verteidiger wurden endlich durch Hungersnot
gezwungen zu kapitulieren. Der kluge Sieger verschleierte
seinen Unmut, indem er Milde walten ließ und ihnen Achtung
bezeigte. Es wurde ihnen gestattet, Tributzahlung oder
Auswanderung zu wählen, die Hälfte der Kirchen wurden den
Katholiken belassen und die Besitztümer derjenigen, die
entweder bei der Belagerung gefallen waren oder sich nach
Gallicien zurückgezogen hatten, als Belohnung für die
Gläubigen eingezogen. Auf der Straße zwischen Merida und
Toledo begrüßte der Unterfeldherr Musas den Statthalter des
Kalifen und führte ihn in den Palast der gotischen Könige. Bei
dem ersten Zusammentreffen waren sie kalt und steif, strenge
Rechenschaft wurde über die Schätze von Spanien verlangt,
Tarik wurde beargwöhnt und erhielt Vorwürfe, und der Held
wurde eingekerkert, geschmäht und schimpflich auf Befehl Musas
(oder von diesem selbst) gegeißelt. So strenge war jedoch die
Zucht, so rein oder zahm die ersten Muselmanen, daß Tarik nach
dieser öffentlichen Anprangerung bei der Bezwingung der
tarragonesischen Provinz wieder mitkämpfen durfte und
Vertrauen erhielt. In Saragossa konnte mittels der freigebigen
Spenden der Koreischiten eine Moschee errichtet werden. Der
Hafen von Barcelona wurde den syrischen Schiffen geöffnet, und
die Goten wurden über die pyrenäischen Gebirge hinaus bis in
die gallische Provinz Septimanien oder Languedoc verfolgt. In
der Kirche der heiligen Maria zu Carcassone fand Musa sieben
Reiterstatuen aus massivem Silber, die er wahrscheinlich nicht
dort beließ. Er kehrte von der Grenze oder der Säule von
Narbonne auf demselben Wege nach dem gallicischen und
lusitanischen Gestade des Ozeans zurück. Während der
Abwesenheit des Vaters züchtigte sein Sohn Abdelaziz die
Aufrührer von Sevilla und bezwang die Bewohner der Seeküste
des Mittelmeeres von Malaga bis Valencia. Sein Vertrag mit dem
klugen und tapferen Theodemir diene zur Veranschaulichung der
Sitten und Politik jener Zeiten. »Friedensbedingungen,
abgeschlossen und beschworen von Abdelaziz, dem Sohn Musas,
des Sohnes Nasirs, und von Theodemir, Fürsten der Goten. Im
Namen des barmherzigsten Gottes gewährt Abdelaziz Frieden
unter folgenden Bedingungen: Theodemir soll in seinem
Fürstentume nicht beunruhigt, noch dem Leben oder Eigentume,
den Weibern und Kindern, der Religion und den Tempeln der
Christen Unbilden zugefügt werden; Theodemir soll ohne
Weigerung seine sieben Städte, Orihuela, Valentola, Alicante,
Mola, Vacasora, Bigerra (jetzt Bejar), Ora (oder Opta) und
Lorca übergeben; er soll den Feinden des Kalifen weder
beistehen, noch Schutz gewähren, sondern Kunde von ihren
feindlichen Plänen getreulich mitteilen; er selbst und jeder
der gotischen Edlen soll jährlich ein Goldstück, ein Maß
Weizen, ebensoviel Gerste und eine gewisse Menge Öl, Honig und
Essig entrichten und jeder ihrer Vasallen die Hälfte dieser
Abgaben leisten. Gegeben am vierten Regeb, im Jahre der Hegira
vierundneunzig und unterschrieben mit den Namen vier
muselmanischer Zeugen.« Theodemir und seine Untertanen wurden
mit ungewöhnlicher Milde behandelt; die Höhe des Tributs
jedoch scheint zwischen einem Fünftel und einem Zehntel, je
nach der Hartnäckigkeit der Christen und der Schnelligkeit,
mit der sie sich unterwarfen, geschwankt zu haben. Bei dieser
Umwälzung wurde von den leidenschaftlichen Schwärmern manches
Unheil gestiftet; einige Kirchen wurden durch die Sarazenen
entweiht, einige Reliquien oder Bilder mit Götzen verwechselt,
die Rebellen niedergehauen und eine Stadt (ein unbedeutender
Ort zwischen Cordova und Sevilla) dem Erdboden gleichgemacht.
Wenn wir jedoch den Einbruch der Goten in Spanien oder dessen
Wiedereroberung durch die Könige von Castilien und Arragonien
mit der arabischen Invasion vergleichen, können wir der
Mäßigung und Zucht der arabischen Eroberer unseren Beifall
nicht versagen.
Die Taten Musas wurden von ihm im späten Alter vollbracht,
obschon er sich bemühte, dieses geheimzuhalten, indem er
seinen weißen Bart mit rotem Pulver färbte. Aber in seiner
Brust flammte bezüglich seiner Liebe zur Tätigkeit und zum
Ruhme noch das Feuer der Jugend, und die Eroberung Spaniens
war für ihn nur der erste Schritt zur Gründung einer
europäischen Monarchie. Er rüstete eine große Heeresmacht zu
Wasser und Land aus und wollte wieder über die Pyrenäen gehen,
in Gallien und Italien die verfallenden Reiche der Franken und
Langobarden erobern und die Einheit Gottes vor dem Altare im
Vatikan predigen. Von da beabsichtigte er, nach Unterjochung
der Barbaren von Deutschland, der Donau von ihrer Quelle bis
zum Schwarzen Meere zu folgen, das griechische und römische
Reich zu stürzen und, aus Europa und Asien zurückkehrend,
seine neuen Besitzungen mit Antiochia und den syrischen
Provinzen zu vereinigen. Aber diese ungeheure, vielleicht
leicht auszuführende Unternehmung, mußte gewöhnlichen Menschen
ausschweifend erscheinen. Der träumende Eroberer wurde bald an
seine Abhängigkeit und Knechtschaft erinnert. Die Freunde
Tariks hatten seine Verdienste und Leiden mit Erfolg erzählt;
man tadelte am Hofe von Damaskus das Vorgehen Musas,
beargwohnte seine Absichten und verurteilte sein Zögern, der
ersten Einladung zu gehorchen, indem man ihm einen heftigen
und gemessenen Befehl sandte. Ein unerschrockener Bote betrat
sein Lager zu Lugo in Gallicien und fiel in Gegenwart der
Sarazenen und Christen seinem Pferde in die Zügel. Seine
eigene Treue oder die Treue seiner Truppen veranlaßte ihn,
gehorsam zu sein. Die Ungnade, die ihm zuteil wurde, wurde
durch die Erlaubnis gemildert, seine zwei Söhne, Abdallah und
Abdelaziz, zu Statthaltern zu machen. Sein langer Triumphzug
von Ceuta nach Damaskus zeigte die Beute Afrikas und die
Reichtümer Spaniens: vierhundert gotische Edle mit goldenen
Kronen und Gürteln befanden sich unter seinem Gefolge, und die
Zahl seiner Gefangenen beiderlei Geschlechtes, die wegen ihrer
Geburt oder großen Schönheit ausgewählt worden waren, betrug
achtzehn-, nach manchen Angaben sogar dreißigtausend. Als er
Tiberias in Palästina erreichte, benachrichtigte ihn Soliman,
des Kalifen Bruder und sein mutmaßlicher Erbe, geheim von der
Krankheit und Todesgefahr des Kalifen, da Soliman das
Schauspiel des Triumphes sich selbst vorbehalten wollte. Wenn
Walid genesen wäre, wäre das Zögern Musas ein Verbrechen
gewesen: er setzte seinen Zug fort und fand einen Feind auf
dem Throne. In seinem Prozeß vor einem parteiischen Richter
und gegen einen volksbeliebten Gegner wurde er der Prahlerei
und Falschheit überführt und ihm eine Buße von
zweihunderttausend Goldstücken auferlegt, deren Bezahlung ihn
entweder arm machte oder seine Raubabsicht bewies. Die
unwürdige Behandlung Tariks wurde durch eine gleiche gerächt.
Der greise Feldherr mußte, nachdem er öffentlich gepeitscht
worden war, einen Tag in der Sonne vor dem Tore des Palastes
stehen, bis er in die Verbannung nach Mekka gesandt wurde, mit
der Angabe, daß dies eine Wallfahrt sei. Der Grimm des Kalifen
hätte sich nach dem Sturze Musas legen können, aber er
verlangte besorgt die Ausrottung einer mächtigen und
gekränkten Familie. Ein geheimes Todesurteil wurde schleunigst
an die treuen Diener des Thrones in Afrika und Spanien
gesandt, und jeder Gerechtigkeit bei der Vollziehung Hohn
gesprochen. Abdelaziz fiel in der Moschee oder dem Palaste von
Cordova durch die Schwerter der Verschworenen; sie klagten
ihren Statthalter an, sich königliche Ehren anzumaßen, und
seine Heirat mit Roderichs Witwe Egilona verletzte die
Vorurteile sowohl der Christen als der Muselmanen. Mit
ausgesuchter Grausamkeit wurde das Haupt des Sohnes dem Vater
mit der Frage vorgelegt, ob er die Züge des Rebellen erkenne.
»Ich kenne seine Züge«, rief er mit Entrüstung aus, »ich
behaupte, daß er unschuldig ist und flehe zu Gott, die Urheber
dieser Untat in gleicher Weise zu strafen.« Das Alter und die
Verzweiflung Musas entrückten ihn der Macht des Königs, er
starb zu Mekka mit gebrochenem Herzen. Sein Nebenbuhler wurde
gnädiger behandelt; man verzieh Tarik seine Dienste und
erlaubte ihm, sich unter die Scharen der übrigen Sklaven zu
mischen. Ich weiß nicht, ob Julian die Todesstrafe erlitt, die
er, wenn auch nicht von den Sarazenen, verdient hatte, aber
die Mär von ihrer Undankbarkeit gegen die Söhne des Witiza
wird durch unverwerfliche Zeugnisse entkräftigt. Die zwei
fürstlichen Jünglinge erhielten das Privateigentum ihres
Vaters; aber nach dem Tode Ebas, des Älteren, wurde seine
Tochter durch ihren gewalttätigen Oheim Sigebut
ungerechterweise ihres Anteils beraubt. Die gotische Frau
führte ihren Sohn vor den Kalifen Hascheim und erhielt ihr
Erbe wieder, wurde aber einem edlen Araber zur Ehe gegeben.
Ihre beiden Söhne Isaak und Ibrahim fanden in Spanien den
achtungsvollen Empfang, der ihnen durch Herkunft und Reichtum
gebührte.
Eine Provinz wird mit dem siegreichen Staat durch die
Ansiedlung von Untertanen und den Nachahmungstrieb der
Eingeborenen verschmolzen. Spanien, das nacheinander
punisches, römisches und gotisches Blut in sich aufgenommen
hatte, nahm in wenigen Generationen die Art und Sitten der
Araber an. Die ersten Eroberer und die darauffolgenden zwanzig
Statthalter der Kalifen waren von einem zahlreichen
bürgerlichen und militärischen Gefolge begleitet, die das
Glück im fernen Lande der Dürftigkeit daheim vorzogen. Das
öffentliche und Privatinteresse wurde durch die Gründung
treuer Kolonien gefördert, und die spanischen Städte rühmten
sich stolz ihrer orientalischen Abstammung. Die siegreichen,
obwohl bunten Scharen Tariks und Musas nahmen die
ursprünglichen Rechte der Eroberer in Anspruch, indem sie sich
Spanier nannten, gestatteten aber ihren Brüdern von Ägypten,
sich ebenfalls in Murcia und Lissabon anzusiedeln. Die
königliche Legion von Damaskus schlug ihren Sitz zu Cordova
auf, die von Emesa zu Sevilla, die von Kinnisrin oder Chalcis
zu Jaen, die von Palästina zu Algesiras und Medina Sidonia.
Die Eingeborenen von Yemen und Persien waren um Toledo und im
Innern des Landes zerstreut. Die fruchtbaren Ländereien von
Granada wurden zehntausend Reitern aus Syrien und dem Irak,
den Abkömmlingen der reinsten und edelsten der arabischen
Stämme, verliehen. Diese verschiedenen Parteien wetteiferten
häufig, zuweilen in wohltätiger, zuweilen in gefährlicher
Weise miteinander. Zehn Jahre nach der Eroberung wurde dem
Kalifen eine Karte der Provinz vorgelegt: Meere, Flüsse und
Häfen, Einwohner und Städte, Klima, Boden und die
mineralischen Produkte waren darauf verzeichnet. Im Laufe von
zwei Jahrhunderten wurden die Gaben der Natur durch Ackerbau,
Industrie und Handel durch ein emsiges Volk vermehrt. Die
Ergebnisse ihrer Tätigkeit wurden durch die Phantasie
vergrößert. Der erste Ommijade, der in Spanien herrschte, bat
um die Unterstützung der Christen und begnügte sich in seinem
Edikte, in dem er Schutz und Frieden versprach, mit der
mäßigen Auflage von zehntausend Unzen Goldes, zehntausend
Pfund Silbers, zehntausend Pferden, zehntausend Maultieren,
tausend Brustharnischen und tausend Helmen und Lanzen. Der
mächtigste seiner Nachfolger bezog aus demselben Königreiche
ein jährliches Einkommen von zwölf Millionen
fünfundvierzigtausend Dinaren oder Goldstücken, d. s. ungefähr
sechs Millionen Pfund Sterling, eine Summe, die im zehnten
Jahrhundert höchstwahrscheinlich das gesamte Einkommen aller
christlichen Monarchen überstieg. Sein Königssitz Cordova
hatte sechshundert Moscheen, neunhundert Bäder und
zweihunderttausend Häuser; er gab achtzig Städten ersten,
dreihundert zweiten und dritten Ranges Gesetze. Die
fruchtbaren Ufer des Guadalquivir waren mit zwölftausend
Dörfern und Weilern geschmückt. Die Araber mochten die
Wahrheit übertreiben; aber sie schufen die gesegnetste Epoche
Spaniens, in Bezug auf Reichtümer, Kultur und Bevölkerung.
Der Prophet hatte die Kriege der Muselmanen geheiligt.
Unter den Vorschriften und Beispielen, die er während seines
Lebens gab, wählten die Kalifen die Lehre von der Duldung,
weil sie geeignet war, den Widerstand ihrer Feinde zu brechen.
Arabien war der Tempel und das Eigentum des Gottes Mohammeds;
er blickte mit weniger Liebe auf die anderen Völker der Erde.
Die Polytheisten und Götzendiener, die von ihm nichts wußten,
durften von seinen Verehrern mit Recht ausgerottet werden.
Bald trat jedoch an Stelle dieses Fanatismusses eine weisere
Politik, und die mohammedanischen Eroberer von Hindostan haben
nach einigen Morden die Pagoden dieses frommen und volkreichen
Landes verschont. Die Schüler Abrahams, Moses und Jesus wurden
feierlich eingeladen, die vollständigere Offenbarung Mohammeds
anzunehmen; wenn sie aber die Bezahlung eines mäßigen Tributs
vorzogen, durften sie ihre eigene Religion weiter bekennen. In
der Schlacht Gefangene konnten ihr Leben durch Bekennen des
Islams retten, die Frauen mußten der Religion ihrer Gebieter
folgen, und durch die Erziehung der Kinder wurde allmählich
die Zahl der aufrichtigen Proselyten vervielfacht. Die vielen
Millionen Bekehrter aus Afrika und Asien, die die
ursprünglichen Scharen der treuen Araber vermehrten, müssen
vielmehr angelockt als gezwungen worden sein, den Glauben an
den Gott der Araber und an seinen Propheten zu bekennen. Durch
das Aussprechen eines Satzes und den Verlust der Vorhaut wurde
der Untertan oder Sklave, der Gefangene oder Verbrecher
sogleich zum Gefährten der siegreichen Muselmanen. Jede Sünde
wurde gesühnt, jede Verpflichtung gelöst; das Gelübde des
Zölibats erlosch. Die tatkräftigen Männer, die im Kloster
schliefen, wurden durch die Trompete der Sarazenen geweckt,
und jedes Mitglied einer neuen Gesellschaft stieg in einer
zerrütteten Welt so hoch, als seinen Fähigkeiten und seinem
Mute angemessen war. Die Menge wurde durch die Verheißungen
des Propheten für dieses und jenes Leben angelockt. Man kann
glauben, daß viele seiner Proselyten aufrichtig an seine
Offenbarung glaubten. Einem denkenden Polytheisten mußte sie
als der göttlichen und menschlichen Natur würdig vorkommen.
Reiner als das System des Zoroaster, edler als das Gesetz
Moses konnte die Religion Mohammeds mit der Vernunft minder
unvereinbar scheinen, als die Mysterien und der Aberglaube,
der im siebenten Jahrhundert das einfache Evangelium
entstellte.
In den ausgedehnten Provinzen von Persien und Afrika sind
die einheimischen Religionen durch den mohammedanischen
Glauben ausgerottet worden. Die zweideutige Theologie der
Magier stand isoliert unter den Sekten des Orients; aber die
profanen Schriften des Zoroaster ließen sich bei einiger
Geschicklichkeit durch den ehrwürdigen Namen Abrahams mit der
göttlichen Offenbarung in Zusammenhang bringen. Ihr böses
Prinzip, der Dämon Ahriman, konnte entweder als der
Nebenbuhler oder als das Geschöpf des Lichtgottes dargestellt
werden. Es gab keine Bilder in den persischen Tempeln, aber
Sonne und Feuer wurden verehrt. Die mildere Ansicht wurde
durch das Beispiel Mohammeds und die klugen Kalifen geheiligt;
die Magier oder Ghebern wurden mit den Juden und Christen zum
Volke mit geschriebenem Gesetz gezählt. Noch im dritten
Jahrhundert der Hegira zeigt sich in der Stadt Herat der
Gegensatz zwischen Privatandacht und öffentlicher Duldung. Das
mohammedanische Gesetz sicherte bei Bezahlung eines jährlichen
Tributes den Ghebern von Herat ihre bürgerliche und religiöse
Freiheit. Die neue, nicht prunkhafte Moschee wurde von dem
antiken Glanze des anstoßenden Feuertempels überstrahlt. Ein
fanatischer Imam klagte in seinen Predigten über die
ärgerliche Nachbarschaft und beschuldigte die Gläubigen der
Schwäche und Gleichgültigkeit. Durch seine Reden entflammt,
rottete sich das Volk zusammen und der Tempel wurde in Flammen
gesteckt, die jedoch beide Gebäude verzehrten. Es wurde
sogleich eine neue Moschee erbaut. Die gekränkten Magier
wandten sich an den Souverän von Chorasan. Er versprach
gerechtes Urteil und Hilfe. Doch viertausend achtbare Bürger
von Herat schworen, daß der götzendienerische Tempel niemals
vorhanden gewesen sei! Die Untersuchung wurde niedergeschlagen
und das Gewissen der Bürger, sagt der Geschichtschreiber
Mirkhond, durch diesen heiligen und verdienstvollen Meineid
befriedigt. Der größte Teil der Tempel Persiens ging infolge
der nach und nach erfolgenden und allgemeinen Abtrünnigkeit
ihrer ehemaligen Verehrer unter. Der Abfall ging allmählich
vor sich, weil keine Zeit oder kein Ort bekannt ist, wo
Verfolgungen stattgefunden haben. Er war allgemein, weil das
ganze Reich von Schiraz bis Samarkand den Koran bekannte, die
Perser jedoch ihre Sprache beibehielten. In den Gebirgen und
Wüsten verharrten die hartnäckigen Bewohner bei dem Glauben
ihrer Väter. Die Theologie der Magier hat sich durch schwache
Überlieferung in der Provinz Kirman, an den Ufern des Indus,
unter den Verbannten zu Surat und in der Kolonie, die Schah
Abbas im achtzehnten Jahrhundert vor den Toren von Ispahan
gründete, einigermaßen lebendig erhalten. Der oberste Priester
hat sich nach dem Berge Elburz, achtzehn Meilen von der Stadt
Yedz, zurückgezogen. Das ewige Feuer (wenn es noch brennt) ist
dem Ungeweihten unzugänglich. Die Residenz des Oberpriesters
aber ist die Schule, das Orakel und der Wallfahrtsort der
Ghebern, deren harte und gleichförmige Gesichtszüge die
Reinheit ihres Blutes bezeugen. Unter der Gerichtsbarkeit
ihrer Ältesten führen achtzigtausend Familien ein unschuldiges
und fleißiges Leben; sie verdienen ihren Unterhalt mit
seltenen mechanischen Arbeiten und bebauen die Erde mit
Inbrunst als eine religiöse Pflicht. Sie widerstanden dem
despotischen Schah Abbas, der unter Drohungen und Foltern die
prophetischen Bücher des Zoroaster verlangte. Die geringen
Reste der Magier werden aus Verachtung oder Mäßigung von ihren
gegenwärtigen Beherrschern verschont.
Die Nordküste von Afrika ist das einzige Land, wo das Licht
des Evangeliums nach langer und vollständiger Herrschaft
gänzlich erloschen ist. Die Künste, die zu Karthago und Rom
gelehrt worden waren, wurden von Unwissenden ausgeübt. Man
studierte die Glaubenslehren Cyprians und Augustins nicht
mehr. Fünfhundert bischöfliche Kirchen waren durch die
wütenden Donatisten, Vandalen und Mauren zerstört worden. Die
Anzahl der Geistlichen und ihr Eifer nahm ab, und das Volk,
aller Zucht, Kenntnis und Hoffnung bar, unterlag dem
arabischen Propheten. Fünfzig Jahre nach der Vertreibung der
Griechen meldet ein Statthalter von Afrika, daß der Tribut der
Ungläubigen durch deren Bekehrung abgeschafft worden sei.
Obwohl er seinen Betrug zu beschönigen suchte, war diese
Behauptung doch auf die schnellen Fortschritte zurückzuführen,
die der mohammedanische Glaube gemacht hatte. Im folgenden
Jahrhundert wurden fünf Bischöfe nach Kairoan geschickt. Sie
wurden von dem jakobitischen Patriarchen geweiht, um das
erlöschende Feuer des Christentums wieder anzufachen; aber die
Dazwischenkunft eines ausländischen Prälaten, der den
Lateinern fremd und ein Feind der Katholiken war, setzt den
Verfall und die Auflösung der afrikanischen Hierarchie voraus.
Die Zeit war vorüber, in der der Nachfolger des heiligen
Cyprian an der Spitze einer zahlreichen Synode einen Kampf mit
dem ehrgeizigen römischen Bischof bestehen konnte. Im elften
Jährhundert flehte der unglückliche Priester, der auf den
Ruinen von Karthago saß, den Vatikan um Almosen und Schutz an
und klagte bitterlich, daß er von den Sarazenen gegeißelt
worden sei und daß ihm seine Herrschaft von den vier
Suffraganen, den wankenden Pfeilern seines Thrones, streitig
gemacht werde. Zwei Schreiben Gregors VII. bezweckten, die Not
der Katholiken zu mildern und den Stolz eines Maurenfürsten zu
mindern. Der Papst versichert dem Sultan, daß sie beide
denselben Gott verehrten, beide dereinst hoffen könnten, sich
im Schoße Abrahams zu treffen. Die erhobene Klage, daß keine
drei Bischöfe mehr gefunden werden könnten, um einen Bruder zu
weihen, verkündet den schnellen und unvermeidlichen Ruin des
bischöflichen Standes. Die Christen von Afrika und Spanien
hatten sich seit langer Zeit der Sitte der Beschneidung
unterworfen und befolgten das Gesetz des Verbotes des
Weintrinkens. Sie wurden Mozaraber genannt (adoptierte
Araber), welcher Name die bürgerliche und religiöse Gleichheit
andeutet. Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts hatte die
Verehrung Christi aufgehört und geistliche Hirten waren längs
der Küste der Barbarei, und in den Königreichen Cordova und
Sevilla, Valencia und Granada nur mehr selten anzutreffen. Der
Thron der Ahnohaden oder Unitarier war auf die blindesten
Fanatiker gestützt. Ihre außerordentliche Strenge mochte durch
die neuerlichen Siege und die Unduldsamkeit der Fürsten, von
Sizilien und Kastilien, von Aragonien und Portugal
hervorgerufen oder gerechtfertigt worden sein. Der Glaube der
Mozaraber wurde gelegentlich durch päpstliche Missionäre
wieder belebt. Bei der Landung Karls V. wurden einige Familien
lateinischer Christen in Tunis und Algier ermutigt, ihre
Häupter zu erheben. Aber der aufkeimende Same des Evangeliums
wurde schnell wieder ausgerottet, und in der Provinz zwischen
Tripolis und dem Atlantischen Meer ist jede Erinnerung an die
Sprache und Religion Roms verloren gegangen.
Nach Ablauf von elf Jahrhunderten genießen die Christen und
Juden des türkischen Reiches noch immer die Gewissensfreiheit,
die ihnen von den arabischen Kalifen gewährt worden war.
Während der Zeit nach der Eroberung wurden die Katholiken
beargwöhnt, da ihr Name Melchit ihre heimliche Anhänglichkeit
an den griechischen Kaiser verriet, während die Nestorianer
und Jakobiten, seine alten Feinde, sich als die aufrichtigen
und freiwilligen Freunde der Mohammedaner bewährten. Aber
diese einseitige Einstellung wurde mit der Zeit geändert, die
ägyptischen Kirchen zur Hälfte den Katholiken überlassen und
alle orientalischen Sekten mit Duldung behandelt. Rang,
Freiheit und Gerichtsbarkeit, der Patriarchen, Bischöfe und
der Geistlichkeit wurden von der bürgerlichen Obrigkeit
beschützt; einzelne empfahlen sich durch ihre Gelehrsamkeit zu
Geheimschreibern und Ärzten; sie bereicherten sich als
Steuereinnehmer und sie erhielten zuweilen den Befehl über
Städte und Provinzen. Ein Kalif aus dem Hause Abbas erklärte
einst, daß die Christen in der Verwaltung von Persien das
meiste Vertrauen verdienten. »Die Muselmanen«, sagte er, »mißbrauchen
ihr gegenwärtiges Glück, die Magier trauern ihrer einstmaligen
Größe nach, und die Juden sehnen sich ungeduldig nach
Befreiung.« Aber die Sklaven des Despoten sind dem Wechsel der
Gunst und Ungnade ausgesetzt. Die unfreien Kirchen des Orients
wurden in jedem Jahrhundert durch ihre habsüchtigen und
bigotten Beherrscher ausgeplündert. Die üblichen oder
gesetzlichen Einschränkungen mußten die stolzen oder
glaubenseifrigen Christen beleidigen. Ungefähr zweihundert
Jahre nach Mohammed wurden sie gezwungen, einen Turban oder
Gürtel von anderer Farbe zu tragen als die anderen Untertanen,
um sich von ihnen zu unterscheiden. Sie durften ferner nicht
mehr auf Maultieren oder Pferden, sondern nur wie die Frauen
auf Eseln reiten. Ihre öffentlichen und privaten Gebäude
durften eine gewisse Größe nicht übersteigen, auf der Straße
und in den Bädern mußten sie dem geringsten des Volkes
ausweichen oder sich vor ihm neigen, und ihr Zeugnis wird
verworfen, wenn es einem wahren Gläubigen zum Nachteil
gereicht. Bei kirchlichen Umgängen ist ihnen Prachtentfaltung,
beim Gottesdienst Glockenläuten und das Psalmsingen untersagt.
Sie haben sich in ihren Predigten über den Nationalglauben
ehrerbietig zu äußern. Der frevelhafte Versuch, eine Moschee
zu betreten oder einen Muselman zu verführen, geht nicht
ungestraft hin. In Zeiten der Ruhe und Ordnung sind die
Christen nie gezwungen worden, dem Evangelium zu entsagen oder
den Koran zu bekennen; aber Todesstrafe wird über diejenigen
verhängt, die das Gesetz Mohammeds bekannt haben und wieder
abtrünnig geworden sind. Die Märtyrer von Cordova forderten
das richterliche Urteil gegen sie durch ein öffentliches
Bekenntnis ihrer Unbeständigkeit oder durch leidenschaftliche
Schmähungen gegen den Propheten und seine Religion heraus.
Am Ende des ersten Jahrhunderts der Hegira waren die
Kalifen die mächtigsten und unumschränktesten Monarchen der
Erde. Ihre Macht war weder von den Großen des Reiches, den
Bürgern, der Kirche, noch von einem Senate oder einer anderen
Körperschaft beschränkt. Der Einfluß der Gefährten Mohammeds
hörte mit ihrem Tode auf, und die Häuptlinge oder Emire der
arabischen Stämme verloren, sobald sie nicht mehr in der Wüste
waren, ihr Unabhängigkeitsgefühl. Die Nachfolger Mohammeds
vereinigten in sich die königliche und priesterliche Würde,
und wenn der Koran die Richtschnur ihrer Handlungen war, waren
sie die obersten Ausleger und Richter dieses göttlichen
Buches. Sie herrschten über die Nationen des Ostens, die die
Freiheit nicht kannten und die gewohnt waren, die Gewalttaten
und Grausamkeit ihrer eigenen Tyrannen zu billigen. Unter dem
letzten der Ommijaden dehnte sich das arabische Reich
zweihundert Tagreisen von Osten nach Westen, von den Grenzen
der Tartarei und Indiens bis zu dem Gestade des Atlantischen
Ozeans aus. Und wenn wir auch den Ärmel des Rockes, wie ihre
Schriftsteller die schmale Provinz Afrika nennen, nicht in
Betracht ziehen, breitet sich doch das zusammenhängende Gebiet
von Fargana bis Aden, von Tarsus bis Surat, in jeder Richtung
die Länge einer vier- bis fünfmonatlichen Karawanenreise
zeigend, aus. Wir würden umsonst nach der unauflöslichen
Einheit und dem Gehorsam suchen, das die Reiche des Augustus
und der Antonine kennzeichnet; aber durch die mohammedanische
Religion wurden über diese Gebiete ähnliche Sitten und
Anschauungen verbreitet. Der Koran wurde gleich eifrig in
Sevilla wie in Samarkand studiert; der Maure und Inder
umarmten sich als Landsleute und Brüder während der Wallfahrt
nach Mekka und die arabische Sprache wurde als allgemeines
Idiom in allen Provinzen westlich vom Tigris angenommen.