Muslim verlässt Hanis Haus
Abu Michnaf sagt: Als Muslim ben 'Akil erfuhr, wie es Hânî
ben 'Orwa ergangen sei, verließ er das Haus und irrte in den
Strassen und Quartieren umher, bis er aus Kufa hinaus und nach
Hira kam; er fing an darin umher zu gehen und gelangte an ein
hohes Haus mit einem großen Vorhof, wo eine Frau saß. Da er
stehen blieb und nach ihr hinsah, sagte die Frau: junger Mann,
warum bleibst du hier stehen? in diesem Hause sind die
Frauengemächer eines anderen, als du bist. Er antwortete ihr:
о Gottes Magd! bei Gott, in meinem Herzen ist nichts von dem,
woran du denkst, sondern ich bin ein Verfolgter und wünsche,
dass du mich für den Rest dieses Tages unter deinen Schutz
nehmest, sobald die Nacht ihre Dunkelheit verbreitet, werde
ich gehen. Die Frau sprach: Zu welchen Leuten gehörst du? — Zu
den Banu Hâschim. — Zu welcher Familie? — Zu der Muhammeds. —
Wie ist dein Name? — Ich heiße Muslim ben 'Akîl ben Abu Tâlib.
— Ich gehöre auch zu den Hàschimiten und bin am meisten
berechtigt, dich unter meinen Schutz zu nehmen. — Damit führte
sie ihn in ein von ihrer Wohnung verschiedenes Haus und
brachte ihm einiges für den Abend, er wollte aber nichts essen
und bat nur um etwas Wasser. Als die Nacht anbrach und er
fortgehen wollte, kam ihr Sohn an, dessen Vater einer der
Officiere des Obeidallah ben Zijâd war, nun war es ihm
unmöglich wegzukommen. Der junge Bursche bemerkte, wie seine
Mutter in jenem Hause ein- und ausging , was er sich nicht
klären konnte; er trat auf sie zu und sagte: es beunruhigt
mich, dass du bei Nacht öfter nach jenem Hause hinüber und
herüber gehst, dabei hast du etwas besonderes. Sie antwortete
: lieber Sohn, beruhige dich deshalb und frage nicht weiter
danach. Da er aber fortfuhr mit Fragen in sie zu dringen,
sprach sie: erzähle es keinem Menschen wieder, was ich dir
mitteile; sie nahm ihm ein eidliches Versprechen ab und fuhr
dann fort: Drüben ist Muslim ben 'Akil der betrogene und
verratene, ich habe ihn unter meinen Schutz genommen, bis das
Suchen nach ihm aufhört und er sich nach seiner Heimat
begeben kann. Ich werde mir dadurch einen großen Lohn
erwerben, aber wehe, wehe dir! wenn du gegen irgend jemand
etwas davon laut werden lassest und dein Versprechen nicht
halst und deinen Eid brichst. Er schwieg und gab ihr keine
Antwort und so verbrachten sie die Nacht. Als der Morgen
graute, steckte Muslim seinen Kopf hinaus um nach der
Dämmerung zu sehen, da stand die Frau schon da mit einem Krug
Wasser und sprach: junger Mann, willst du etwas Wasser? Er
antwortete ihr: Ich war diese Nacht beim Beten eingeschlafen,
da sah ich den Fürsten der Gläubigen 'Ali ben Abu Tâlib und er
sprach zu mir: »schnell! schnell! eile! eile!« Ich denke nicht
anders, als dass dies meine letzte Stunde in dieser und die
erste in jener Welt ist.
Abu Michnaf sagt: Als der Morgen angebrochen war, entfernte
sich der Bursch schnell aus dem Hause und lief bis er nach
Kufa kam; vor dem Emirats-Schloss angekommen rief er : Warnung
! Warnung ! Sein Vater trat heraus und fragte: was für eine
Warnung bringst du? Er antwortete: lieber Vater! meine Mutter
nimmt die Feinde unter ihren Schutz, bei ihr ist Muslim ben 'Akil.
Das hörte Obeidallah ben Zijâd und fragte: was sagt der
Bursch? — Er behauptet, Muslim ben 'Akil sei in meinem Hause.
— Da richtete sich Ibn Zijâd auf und hing ihm eine goldene
Kette um den Hals und ließ ihn einen ausgezeichneten Renner
besteigen. Dann rief er Muhammed ben el-Asch'ath el-Kindi
herbei, übergab ihm 1000 Reiter und 500 Fußgänger mit dem
Auftrage: geh mit diesem Burschen in seine Wohnung und hole
mir Muslim ben 'Akil tot oder gefangen. Ibn el-Asch'ath
marschierte hin, bis er an das Haus kam; da hörte die alte Frau
das Wiehern der Pferde, das Geräusch der Zügel, das
Aneinanderschlagen der Lanzen und das Rufen der Soldaten, sie
eilte zu Muslim und benachrichtigte ihn, da sagte er: gib mir
meine Rüstung; sie brachte sie ihm, er legte sie an, band das
Wehrgehenk um und erwartete die Leute, indem er sein Schwert
schwang. Die Frau sagte: ich sehe, dass du dich zum Tode
vorbereitest; er antwortete: die Leute suchen keinen anderen
als mich, ich fürchte, dass sie mich in deinem Hause
überfallen und ich in den Wohnräumen den nötigen Platz zur
Verteidigung nicht habe und sie mich vor deinen Augen töten
und ich sehen muss, dass du vor meinen Augen getötet wirst.
Sie sprach: es würde mich freuen, wenn ich vor deinen Augen
getötet würde und nicht sehen müsste, wie du vor mir
umkommst; wenn dies geschieht, werde ich mich selbst
umbringen. Er stellte sich nun an die Tür, die einen großen
Umfang hatte, machte sie weit auf, trat den Leuten entgegen
und bestand gegen sie einen schweren Kampf, bis er 150 Reiter
von den tapfersten Streitern getötet hatte und die übrigen
vor ihm die Flucht ergriffen. Die Frau sprach ihm vom Dache
herab Muth zu und feuerte ihn zum Kampfe an. — Als Ihn
el-Asch'ath sah, wie Muslim so tapfer focht und seine Leute
vor ihm flüchteten, schickte er zu Ihn Zijâd und ließ ihm
sagen, er möge mehr Reiter und Fußvolk schicken, denn Muslim
ben 'Akil habe unter ihnen schon ein großes Blutbad
angerichtet. Ibn Zijâd schrieb ihm als Antwort: Dass eure
Mütter kinderlos und euer Volk eurer beraubt werden möge !
wehe euch, ein einziger Mann richtet unter euch ein großes
Blutbad an, wie, wenn ich euch gegen den schickte, der viel
stärker und standhafter ist als er und an Zahl überlegener?
(er meinte Husein ben 'Ali). Ibn el-Asch'ath schrieb zurück:
Du glaubst vielleicht, dass du mich gegen einen der
Kohlhändler von Kufa geschickt hättest oder gegen einen der
Schumacher von Bacга; du hast mich aber gegen einen mächtigen,
wütenden und verwegenen Löwen geschickt, der eins von den
Schwertern der Hausgenossen des Gesandten ist. Als Ihn Zijâd
dieses Schreiben gelesen hatte, schickte er ihm noch 500
Reiter. Muslim ben 'Akil kam wieder hervor, nachdem er seine
Kleider gewechselt und seine Waffen befestigt hatte, und griff
nun die Leute zum zweiten Male an. Er machte mit Bekr ben
Humrân zwei Gänge, im ersten kam ihm Muslim mit einem Hieb
mitten über den Kopf zuvor, im zweiten traf er ihn zwischen
Schulter und Hals und tötete ihn und beschleunigte dadurch
den vernichtenden Sturz seiner schändlichen Seele in die
Hölle. — Als sie dies sahen, stiegen sie oben auf das Dach und
fingen an, mit Steinen nach ihm zu werfen und Bündel Rohr
anzustecken und von oben auf ihn hinabzuschleudern, und da er
dies bemerkte, sagte er: О meine Seele, geh hinaus in den Tod,
der unvermeidlich ist. Er machte noch auf sie einen Angriff
und stürzte sich mitten unter sie, da wichen sie zurück und er
sprach:
Ich habe geschworen, nicht anders als frei getötet zu
werden,
auch wenn ich finde, dass der Tod ein bitterer Becher ist.
Ich fürchte, dass ich zum Lügner gemacht oder überwunden
werde;
der Strahl der Sonne wird abgewandt, aber er bleibt.
Jeden Mann erreicht eines Tages ein Unglück
und mischt zum kühlen Trunk einen warmen bittern.
Und jeden Verräter wird auch eine Strafe ereilen,
und er wird in jenem Leben zu Kohlen gebraten werden.
Du Rotte von Gottlosen! ihr nichtswürdigen!
über euch sei der Fluch immerdar ausgegossen!
Dann machte er wieder einen Angriff, tötete diesmal
vierzehn Reiter und hörte nicht auf zu kämpfen, bis sein
Panzer durch die Menge der darin steckenden Pfeile einem Igel
glich. Ibn el-Asch'ath schickte noch einmal zu Ibn Zijâd und
erbat sich Verstärkung und er sandte ihm noch 800 Reiter mit
dem Befehl: bietet ihm Begnadigung an, sonst vertilgt er euch
bis auf den letzten Mann. Da rief ihm Ibn el-Asch'ath zu; о
Muslim! du sollst begnadigt werden, bringe dich nicht selbst
um (durch längeren Widerstand). Muslim antwortete: Bei mir ist
keine Gnade für euch, ihr Feinde Gottes und Feinde seines
Gesandten; dann machte er auf sie einen Angriff und bestand
einen heftigen Kampf.
G . Jetzt trat aus ihrer Mitte ein Mann hervor und sagte:
ich will ihm eine Falle stellen, aus der er sich nicht retten
soll. Was meinst du? fragten sie. Er antwortete: stellt euch
vor mir geschlossen auf, dann will ich (hinter eurem Rücken)
eine Grube graben und sie mit Reisern und Erde bedecken; dann
macht ihr einen Scheinangriff und wenn er auf euch einstürmt,
zieht ihr euch vor ihm zurück und ich hoffe, er wird nicht
entkommen. Dies taten sie; sie gingen auf ihn los und als er
auf sie einstürmte, flohen sie vor ihm und er fiel in die
Grube. Sie umringten ihn von allen Seiten, ein Mann schlug
nach ihm mit dem Schwert, der Hieb traf ihn ins Gesicht und
drang bis auf die Backenzähne, sie nahmen ihn nun gefangen und
schleiften ihn auf dem Gesichte fort, bis sie mit ihm zu Ibn
Zijâd kamen.