Sahl erzählt
Sahl ben Sa'd el-Schahrazuri (Fußnote: An anderen Stellen
el- Schahrawerdi oder el-Nisaburi, hier statt dessen L Habib
el-Nisaburi.) erzählt: In dem Jahre, in welchem Husein getötet
wurde , wollte ich die Wallfahrt machen, ich wurde aber
aufgehalten und verweilte in Kufa ; und siehe, an diesem Tage
waren die Marktplätze leer, die Buden geschlossen und die
Leute hatten sich gruppenweise versammelt, einige weinten ganz
offen, andere insgeheim.
Ich trat an einen alten Mann aus dem Volke heran und sprach
zu ihm: erzähle mir doch, was das zu bedeuten hat, ich sehe
die Leute zusammenstehen, die Märkte sind leer, die Buden
geschlossen; ist bei euch ein Festtag, von dem ich nicht weiß,
dass ihn die Muslim feiern? Da ergriff er meine Hand, trat mit
mir zur Seite von den Menschen weg und sagte: o mein Herr, es
ist kein Festtag; dabei fing er an heftig zu weinen vor
innerer Aufregung. Als er schwieg , sagte ich: erzähle mir,
Gott erbarme sich deiner. Nun sprach er: Mein Weinen hat
seinen Grund in zwei Armeen, von denen die eine in die Flucht
geschlagen, die andere siegreich gewesen ist. — Wem gehören
denn diese beiden Armeen? — Die Armee Huseins ist geschlagen
und die Armee des Ibn Zijad hat gesiegt; o unglückliche
Stunde, wo der Kopf Huseins zu uns hereingebracht wird! — Sahl
erzählt weiter: Er hatte seine Rede noch nicht geendet, da
gewahrte ich, dass Trompeten erschallten, Standarten wehten
und Fahnen flatterten; ich wandte meine Blicke hin, da nahte
sich die Armee und zog in Kufa ein. Als der Zug vorüber war ,
hörte ich laute Klagstimmen, da wurde der Kopf Huseins auf
einer Lanze sichtbar, von seinem Gesichte verbreitete sich ein
Lichtglanz, und indem ich ihn nun betrachtete, erstickten mich
die Tränen. Nach ihm kamen die Gefangenen, voran Ali ben
Husein und hinter ihm Umm Kulthum mit einem Schleier von
grauer Seide, sie rief : Ihr Bewohner von Kufa! wir sind die
Gefangenen aus Huseins Familie, die Töchter des Gottgesandten,
wendet eure Blicke von uns ab ; schämt ihr euch nicht vor Gott
und seinem Gesandten, dass ihr die Frauen Muhammeds des
auserwählten und 'Alfs des begnadigten und der hehren Fatima
begafft? Da wandten die Leute ihre Blicke von ihnen weg.
Sahl ben Habib erzählt: Am Eingange in das Quartier der
Banu Chuzeima (L. der Geldwechsler) hielt der Zug eine Zeit
lang still, der Kopf steckte auf einer langen Lanze , es wurde
die Sure der Höhle (Sure 18) vorgelesen ; als man zu den
Worten kam (Vers 8): Hast du wohl bedacht, dass die Bewohner
der Höhle und des Rakim eins unsrer wunderbarsten Zeichen
gewesen sind ? [L bis zu den Worten (V. 12): Sie waren
Jünglinge, die an ihren Herrn glaubten, und wir sind ihrem
Wege gefolgt;] fing ich an zu weinen und sprach: dies ist ein
schändliches Verfahren, o Gott! du bist über alle Dinge
mächtig. Dann vermochte ich nicht noch etwas zu hören und fiel
ohnmächtig zur Erde, und ich erholte mich nicht eher von
meiner Ohnmacht, bis die Sure zu Ende war und der Kopf zu Ihn
Zijad hineingebracht wurde. Nachher traten die Frauen und 'Ali
ben Husein ein , dieser wurde vor Ibn Zijad geführt, welcher
ihn anredete: Wie ist dein Name, mein Junge? — Ali — Hat nicht
Gott den Ali getötet? — Ich hatte einen älteren Bruder
(desselben Namens), den haben die Leute getötet. Dann fuhr er
fort: o Ibn Zijad ! wir werden bald vor Gericht stehen und
auch ihr, wir werden gefragt werden und auch ihr, ihr werdet
Muhammed eine Antwort nicht geben können. — Er schwieg dazu
und antwortete mit keiner Silbe. Hierauf wandte er sich zu den
Frauen und fragte: welche von euch ist Umm Kulthum ? — Keine
Antwort. — Er rief sie an: du Tochter 'Alis! sie antwortete
nicht. — Ich frage dich, bei der Gerechtigkeit deines
Großvaters des Gottgesandten, willst du mir antworten? — Jetzt
sprach sie: Du Feind Gottes, was willst du von mir? — Gelobt
sei Gott, der euch zu Schanden gemacht, eure Reden lügen
gestraft und mir die Gewalt über euch gegeben hat. — Du Sohn
des Mannes von zweifelhafter Herkunft, zu Schanden gemacht
wird nur der Gottlose und lügen tut der Heuchler, bei Gott !
du bist der größte Lügner, Heuchler und Gottlose und verdienst
eher die Schande als die heilige Familie, und deshalb sei
versichert, dass dir die Hölle und ewiges Verderben
bevorsteht. — Er lachte über ihre Rede und sagte: nachdem ich
von euch befreit bin, habe ich vor der Hölle und dem Verderben
keine Sorge. — Du hast die Erde mit dem Blute der heiligen
Familie getränkt. — Du willst weiter nichts, als dass ich
Strenge gebrauche, und gleichst darin deinem Vater, wenn du
nicht ein Weib wärest, würde ich dir den Kopf abschlagen. —
Was wäre daran gelegen, nachdem du meinen Herrn und den Herrn
aller Bewohner der Erde getötet hast?
Sahl fährt fort: Man fing nun an, ihm die Frauen
vorzuführen, und er betrachtete sie rechts und links, während
die Köpfe auf Lanzen um ihn herum standen; Zeinab war im
bloßen Kopf, Schleier und Ohrringe waren ihr weggenommen, ihr
Haar war aufgelöst, sie versteckte sich hinter die anderen
Frauen und verbarg ihr Gesicht und ihren Kopf mit ihrem Ärmel.
Ihn Zijad betrachtete sie und fragte einen seiner Türhüter,
wer dieses Mädchen sei; er antwortete: diese ist die Schwester
des Rebellen. Nun wandte sich Ihn Zijad nach ihr und rief sie
an : o Zeinab ! bei der Gerechtigkeit deines Großvaters!
antworte mir. Sie sprach: was willst du von mir, du Feind
Gottes? du hast uns beschimpft und geschmäht vor allem Volke.
— Er sagte: was denkst du darüber, wie es Gott mit deinem
Bruder gemacht hat, welcher Jazid die Herrschaft und das
Chalifat nehmen wollte? — Sie entgegnete: wehe dir, o Ibn
Mar'gana ! wenn mein Bruder nach dem Chalifat strebte, so
geschah es nach dem Erbrechte von seinem Vater, Bruder und
Großvater, du aber hast den Streit für dich angefangen, nun
gib Gott Antwort, wenn er der Richter, das Gefängnis die Hölle
und der Gegner mein Großvater der Gottgesandte sein wird. —
Ibn Zijad versuchte ihr das Gesicht aufzudecken, darüber
ereiferte sich Zein el-Abidin Ali ben Husein und sagte: o Ibn
Zijad, wie weit willst du deine Beschimpfung gegen meine Tante
treiben und sie den Blicken derer preisgeben, die sie nicht
kennen? Über diese Worte wurde Ibn Zijad aufgebracht, er
wandte sich an einen seiner Türhüter mit dem Befehl: »nimm
diesen fest und schlag ihm den Kopf ab«. Der Türhüter zog ihn
zu sich heran, doch Zeinab hing sich an ihn und rief einmal
über das andere: »oh dieser Verlust der Kinderl« Sie rissen
sie mit Gewalt los und nahmen ihn fest, da weinte sie und
sprach: o Ibn Zijad, unser Blut, das du vergießest, bei Gott!
es wird über dich kommen; wenn nichts dein Vorhaben hindern
kann, so töte mich vor ihm. Ibn Zijad erwiderte: Wunderbar zum
Erbarmen, bei Gott! sie wünscht ihr Leben für ihn hinzugeben,
lasst ihn frei.
Er rief nun Chaula ben Jazid el-Acbahi heran und gab ihm
den Auftrag: nimm diesen Kopf und begib dich mit ihm für diese
Nacht in deine Wohnung, bis ich dich rufen lasse. Zu Befehl!
antwortete er, nahm den Kopf und begab sich mit ihm in seine
Wohnung. Chaula hatte zwei Frauen, eine Taglibitin und eine
Mudharitin ; als er bei der letzteren eintrat, fragte sie; was
ist das für ein Kopf? er antwortete: dies ist der Kopf des
Husein ben Ali ben Abu Talib, der die Welt beherrscht. Da
sprach sie: Sei versichert, dass morgen sein Großvater
Muhammed dein Ankläger sein wird, ich meines Teils werde, bei
Gott! meinen Kopf nie wieder mit dem deinen zusammentreffen
lassen, du bist mein Mann nicht mehr und ich nicht mehr deine
Frau. Sie ergriff eine eiserne Stange und wollte ihn damit
schlagen, er zog sich aber von ihr zurück und ging zu der
anderen, der Taglibitin. Sie fragte: was hast du da bei dir?
Er antwortete: den Kopf eines Rebellen, der gegen den Emir in
einem Kerbela genannten Lande aufgestanden ist. — Und wie
heisst er? — Er wollte ihr den Namen nicht nennen und verließ
sie, indem er den Kopf unter einer Schüssel zurückließ, wo er
die Nacht blieb. Seine Frau erzählte: Bei Gott ! ich habe bis
zum Anbruch der Morgendämmerung von dem Kopfe den Coran
verlesen gehört, die letzten "Worte, die ich vernahm, waren
(Sure 26, 22 8): «Und diejenigen, welche Unrecht tun, werden
erfahren, in welchen Abgrund sie werden gestürzt werden.« Ich
hörte um den Kopf herum ein Summen, wie das Summen der Bienen
beim Wehen des Windes, da wusste ich, dass es das Lobpreisen
der Engel war.
Sahl ben Sa'd erzählt : Am anderen Morgen versammelte Ihn
Zijad die Leute in der Moschee, bestieg die Kanzel und fing an
auf Ali, Hasan und Husein zu schimpfen; da erhob sich ein Mann
aus der Mitte des Volkes Namens Abdallah ben Afif el-Azdi,
(ein betagter Greis, dessen Augenlicht erloschen war, er hatte
noch unter Muhammed gekämpft;, der sprach zu ihm: halt ein!
Gott zerschlage dir den Mund, er beschleunige dein Verderben
und haue dir Hände und Füße ab ! ist es dir nicht genug, dass
du den Sohn der Tochter des Gottgesandten und die Nachkommen
des Propheten getötet hast? nun steigst du noch auf die Kanzel
um auf Ali und seine beiden Söhne zu schimpfen; wahrlich, ich
habe den Propheten sagen hören: wer Ali beschimpft, der
beschimpft mich und wer mich beschimpft, der beschimpft Gott,
und wer Gott beschimpft, den wird er mit der Nase voran in die
Hölle stoßen; willst du Ali beschimpfen, so zerschlage dir
Gott den Mund, er beschleunige dein Verderben und vertilge
deine Stätte ! — Da befahl Ibn Zijad ihm den Kopf
abzuschlagen, indess seine Angehörigen von Azd verhinderten
dies und brachten ihn in seine Wohnung. Als die Nacht anbrach,
gab Ibn Zijad dem Chaula ben Jazid, indem er ihm 500 Reiter
zuteilte, den Befehl : Begib dich in die Wohnung des Abdallah
ben 'Afif el-Azdi und hole mir seinen Kopf, oder wenn du ihn
gefangen nehmen kannst, so tue es. —
Sahl fährt fort. Er zog also ab , bis er an die Wohnung des
Abdallah ben 'Afif kam ; dieser hatte eine kleine Tochter und
als sie die Pferde gewahr wurde, sagte sie: lieber Vater, die
Leute wollen dich plötzlich überfallen. Er erwiderte: mein
Töchterchen, reiche mir das Schwert, stelle dich mir gegenüber
und rufe mir zu: rechts, links, vor dir, hinter dir. Dann nahm
er seinen Stand an einem engen Platze und hieb rechts und
links um sich, bis er 23 Mann von ihnen getötet hatte, wobei
er sprach: wehe euch! bei Gott! wenn er mir das Augenlicht
öffnete, so würde ich euch bis auf den letzten Mann
vernichten. Danach wurden ihrer aber zu viele für ihn, sie
nahmen ihn gefangen und brachten ihn zu Ibn Zijad. Als er ihn
sah, sprach er: Gelobt sei Gott, welcher dich blind gemacht
hat. Abdallah ben 'Afif erwiderte: Gelobt sei Gott, welcher
deine Augen geöffnet und dein Herz blind gemacht hat. Ibn
Zijad sagte: töte mich Gott, wenn ich dich nicht auf die
schmählichste Weise töte ; worauf Abdallah entgegnete : Ich
bitte Gott , dass er zum Lohne mich den Märtyrertod durch die
Hand des schlechtesten seiner Geschöpfe sterben lasse, ich
kenne auf dem Erdboden keinen schlimmeren Widersacher Gottes
und seines Gesandten als dich und keinen größeren Feind der
Familie Muhammads als dich. Er fing dann an zu weinen und laut
zu schluchzen und sprach:
Ich entsage dem Frohsinn und nehme Abschied von der
Liebe und den züchtigen Frauen
und spreche zu den Freunden: antwortet, — wenn Jemand ruft,
Und sagt ihm, wenn er sich erhebt, um auf den rechten Weg zu
leiten
und spricht: hier ist der rechte Weg —: zu Befehl! zu Befehl!
du rufender.
Bindet ihm die Schienen fest, wenn der Krieg das Bein
entblößt,
denn jeder Mann wird belohnt für das, was er vollbringt.
Führet gegen die Feinde alle muntere leichten Pferde,
und führet die schnell laufenden und eingeübten.
Ziehet gegen die Gottlosen mit blanken Waffen und Lanzen
und schwinget gegen sie die Schwerter und Lanzenspitzen.
Weinet über das beste der Geschöpfe in Bezug auf Großvater und
Vater,
Husein, welcher nicht aufhört die Erdenbewohner zu schirmen.
Beweinet Husein, die Fundgrube der Religion und Gottesfurcht,
welcher seine Liebe zu verdoppeln hoffte.
Beweinet Husein, so oft die glänzende Sonne aufgeht
und in der Finsternis der Nacht in allen Versammlungen.
Mag Husein beweinen jeder Barfüßer und Beschuhte
und die Armen, welche das Schicksal von der lobenswerten Seite
nicht kennen.
Sahl fährt fort: Hier unterbrach ihn Ibn Zijad in seinem
Gedichte und "befahl ihm den Kopf abzuschlagen, was auch
geschah.
Alsdann Hess er den Kopf Huseins herbeibringen und übergab
ihn dem Omar ben el-Harith el-Machzumi mit dem Befehle, ihn
auszuhöhlen und das Gehirn, die Adern und die fleischigen
Teile um das Gehirn herauszunehmen; er tat dies und sofort
vertrocknete seine Hand; nach anderen entstand daran ein
Knochenfrass, der sie verzehrte, und seine Kinder verhöhnten
ihn deshalb. (L. Nachdem hierauf der Kopf mit Moschus, Kampfer
und Myrrhen getränkt war), Hess er den unglückseligen Schimr
ben Dsul - Gauschan und Chaulä ben Jazid rufen, übergab ihnen
500 Heiter mit ihrem Proviant und einem sehr reichlichen Sold,
und befahl ihnen mit den Frauen, den Gefangenen und den Köpfen
nach Damascus zu ziehen und sie in jeder Stadt, die sie
betreten würden, zur Schau auszustellen. Als ich dies sah,
beschloss ich die Reise mit ihnen zu machen; ich nahm 1000
Dinare und 1000 Dirhem mit mir, folgte den Leuten und schloss
mich dem Zuge an, bis sie nach Cädisia kamen. Hier bezogen sie
ein Lager und Umm Kulthum begann die Verse :
Gestorben sind die Männer und das Schicksal hat meine
Herren vernichtet,
oh wäre ich doch gewaltsam vor meinen Herren gestorben!
Die Erbärmlichen stürmen auf uns ein, ungeachtet sie wissen,
dass wir die Töchter dessen sind, der die richtigen Lehren
gebracht hat.
Sie lassen uns die Reise machen auf bloßen Sätteln,
als wären wir unter ihnen ein Stück Beute.
Möge dir der Gottgesandte vergelten, was sie getan haben
an deiner Familie, o Licht der Geschöpfe!
Euch genügt der Gottgesaudte , wehe euch!
er führt euch einen Weg in die Irre.