Hadschi Baba

Die Abenteuer des Hadschi Baba aus Isfahan

James Morier

Inhaltsverzeichnis

Elftes Kapitel - Hadschi wird mit der Bastonade bestraft

Nachdem der Derwisch seine Erzählung beendet hatte, dankte ich ihm für die Unterhaltung und Belehrung, die sie mir gewährt. Ich beschloß sofort, so viel als tunlich von den Derwischen zu erlernen und, im Falle ich meinen Tabakhandel nicht weiterzuführen vermöchte, selbst Derwisch zu werden. Derwisch Sefer unterwies mich in gar mannigfachen Kniffen, mittels denen er der Welt als Persönlichkeit von großer Heiligkeit und Weisheit imponierte. Die anderen Derwische lehrten mich, Talismane zu schreiben, Märchen zu erzählen, liehen mir allerlei Bücher und gaben mir allgemeine Regeln, wie man die Neugierde der Zuhörer steigern könne, bis das Geld aus ihren Taschen gelockt wäre.

Unterdessen betrieb ich meinen Pfeifen- und Tabakhandel weiter, sah mich aber durch die Freundschaft mit den Derwischen gezwungen, meinen andern, recht zahlreichen Kunden immer schlechteren und verfälschteren Tabak zu verabfolgen, so daß diese Bedauernswerten beinahe nur Stroh, Mist und dürre Blätter rauchten.

Eines Abends, als es dunkelte und die Basare geschlossen wurden, hielt mich ein in gräßliche Lumpen gehülltes, vom Alter tiefgebeugtes Weib an und ersuchte mich, ihr eine Pfeife zuzurichten. Sie war dicht verschleiert und äußerst wortkarg. Unglücklicherweise stopfte ich die verlangte Pfeife mit meiner infamsten Mischung. Kaum hatte das Weib zwei Züge getan, als auf ihr zorniges Schreien, Husten und Spucken sofort ein halb Dutzend handfeste, mit Ruten bewaffnete Kerle herzusprangen und mich zu Boden stießen. Das alte Weib riß seinen Schleier weg und entpuppte sich als der Mohtesib in höchsteigener Person.

»Habe ich dich endlich,« schrie er, »du Lump von einem Ispahaner, der das Volk von Meschhed so lange mit seinem abscheulichen Stinkkraut vergiftete! Du sollst ebensoviele Sohlenhiebe bekommen, als du Pfeifen gestopft hast. Bringt den Fäläkä,« rief er seinen Untergebenen zu, »und dann schlagt zu, bis ihm die Nägel von den Füßen hängen!«

Im Nu waren meine Füße in die gefürchtete Brille gespannt, die Streiche fielen so hageldicht, daß mir alsbald war, als tanzten zehntausend Mohtesibs und abertausend alte Weiber in tollem Reigen vor den Augen, um meine Qualen, Zuckungen und Schmerzensschreie zu verlachen. Ich flehte meine Peiniger um Erbarmen an: bei der Seele ihres Vaters – ihrer Mutter – ihres Großvaters – bei ihren eigenen Häuptern – denen ihrer Kinder – beim Propheten – bei Ali – bei allen Imâms – verfluchte den Tabak – schwor, niemals mehr zu rauchen – bat verzweifelt um das Mitleid aller Zuschauer und schrie nach meinen Freunden, den Derwischen, die, ohne eine Miene zu verziehen und ein Glied für mich zu rühren, herumstanden. Kurz, ich kreischte, heulte, fluchte, tobte, bis ich endlich nichts mehr empfand, mir Besinnung und Erinnerung schwanden.

Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, saß ich an einer Straßenecke, den Kopf gegen eine Mauer gelehnt, von einem Volkshaufen umstanden, der meine elende, jämmerliche Lage blöd begaffte. Niemand schien das geringste Mitleid mit mir zu fühlen! Meine Pfeifen, mein Kohlenbecken, alles, was ich besessen, hatte man mir genommen, und es ward mir überlassen, so gut als ich es vermochte, auf Händen und Knien unter herzzerreißenden Weheklagen bis in meine zum Glücke nicht zu entfernte Behausung zu kriechen.

Nachdem ich einen Tag lang Todesqualen erlitten hatte und meine Füße zu mißgestalteten, unförmigen, blutunterlaufenen Klumpen angeschwollen waren, schlich sich einer der Derwische vorsichtig zu mir. Die Angst, er könnte als einer meiner Spießgesellen verhaftet werden, hatte ihn abgehalten, mich früher aufzusuchen. In jungen Jahren, zu Beginn seiner Laufbahn, hatte auch er die Bastonade erlitten, kannte daher alle Medikamente, die meinen armen, wunden Füßen Linderung brachten, und kurierte sie vollständig binnen ganz kurzer Zeit. Während meines Krankenlagers hatte ich genügend Zeit, über meine Lage nachzusinnen. Ich beschloß, Meschhed, das ich zu einer ungünstigen Stunde betreten hatte, zu verlassen. Mit einer kleinen Summe, die in einer Ecke meiner Behausung vergraben war, gedachte ich bis Teheran zu reisen und mich der ersten Karawane anzuschließen, die dorthin zog. Dieser Plan fand die volle Billigung meiner Freunde, überdies bot mir Derwisch Sefer seine Begleitung an und sagte: »Ich bin gewarnt worden, die Priesterschaft Meschheds soll meinen wachsenden Einfluß scheelen Auges betrachten und außerdem beabsichtigen, mir eine Falle zu stellen, um mich zu verderben. Da ich als einzelner gegen diese Übermacht nicht ankämpfen kann, will ich lieber mein Glück anderswo versuchen.«

Es wurde ausgemacht, ich sollte in der Gewandung eines Derwisches reisen. Ich hatte im Basar eine Mütze, einige Gebetschnüre und ein Ziegenfell erstanden, das ich um die Schultern warf, und war somit reisefertig.

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