Elftes Kapitel - Hadschi wird mit der Bastonade bestraft
Nachdem der Derwisch seine Erzählung beendet hatte, dankte
ich ihm für die Unterhaltung und Belehrung, die sie mir
gewährt. Ich beschloß sofort, so viel als tunlich von den
Derwischen zu erlernen und, im Falle ich meinen Tabakhandel
nicht weiterzuführen vermöchte, selbst Derwisch zu werden.
Derwisch Sefer unterwies mich in gar mannigfachen Kniffen,
mittels denen er der Welt als Persönlichkeit von großer
Heiligkeit und Weisheit imponierte. Die anderen Derwische
lehrten mich, Talismane zu schreiben, Märchen zu erzählen,
liehen mir allerlei Bücher und gaben mir allgemeine Regeln,
wie man die Neugierde der Zuhörer steigern könne, bis das Geld
aus ihren Taschen gelockt wäre.
Unterdessen betrieb ich meinen Pfeifen- und Tabakhandel
weiter, sah mich aber durch die Freundschaft mit den
Derwischen gezwungen, meinen andern, recht zahlreichen Kunden
immer schlechteren und verfälschteren Tabak zu verabfolgen, so
daß diese Bedauernswerten beinahe nur Stroh, Mist und dürre
Blätter rauchten.
Eines Abends, als es dunkelte und die Basare geschlossen
wurden, hielt mich ein in gräßliche Lumpen gehülltes, vom
Alter tiefgebeugtes Weib an und ersuchte mich, ihr eine Pfeife
zuzurichten. Sie war dicht verschleiert und äußerst wortkarg.
Unglücklicherweise stopfte ich die verlangte Pfeife mit meiner
infamsten Mischung. Kaum hatte das Weib zwei Züge getan, als
auf ihr zorniges Schreien, Husten und Spucken sofort ein halb
Dutzend handfeste, mit Ruten bewaffnete Kerle herzusprangen
und mich zu Boden stießen. Das alte Weib riß seinen Schleier
weg und entpuppte sich als der Mohtesib in
höchsteigener Person.
»Habe ich dich endlich,« schrie er, »du Lump von einem
Ispahaner, der das Volk von Meschhed so lange mit seinem
abscheulichen Stinkkraut vergiftete! Du sollst ebensoviele
Sohlenhiebe bekommen, als du Pfeifen gestopft hast. Bringt den
Fäläkä,« rief er seinen Untergebenen zu, »und dann
schlagt zu, bis ihm die Nägel von den Füßen hängen!«
Im Nu waren meine Füße in die gefürchtete Brille gespannt,
die Streiche fielen so hageldicht, daß mir alsbald war, als
tanzten zehntausend Mohtesibs und abertausend alte Weiber in
tollem Reigen vor den Augen, um meine Qualen, Zuckungen und
Schmerzensschreie zu verlachen. Ich flehte meine Peiniger um
Erbarmen an: bei der Seele ihres Vaters – ihrer Mutter – ihres
Großvaters – bei ihren eigenen Häuptern – denen ihrer Kinder –
beim Propheten – bei Ali – bei allen Imâms – verfluchte den
Tabak – schwor, niemals mehr zu rauchen – bat verzweifelt um
das Mitleid aller Zuschauer und schrie nach meinen Freunden,
den Derwischen, die, ohne eine Miene zu verziehen und ein
Glied für mich zu rühren, herumstanden. Kurz, ich kreischte,
heulte, fluchte, tobte, bis ich endlich nichts mehr empfand,
mir Besinnung und Erinnerung schwanden.
Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, saß ich an einer
Straßenecke, den Kopf gegen eine Mauer gelehnt, von einem
Volkshaufen umstanden, der meine elende, jämmerliche Lage blöd
begaffte. Niemand schien das geringste Mitleid mit mir zu
fühlen! Meine Pfeifen, mein Kohlenbecken, alles, was ich
besessen, hatte man mir genommen, und es ward mir überlassen,
so gut als ich es vermochte, auf Händen und Knien unter
herzzerreißenden Weheklagen bis in meine zum Glücke nicht zu
entfernte Behausung zu kriechen.
Nachdem ich einen Tag lang Todesqualen erlitten hatte und
meine Füße zu mißgestalteten, unförmigen, blutunterlaufenen
Klumpen angeschwollen waren, schlich sich einer der Derwische
vorsichtig zu mir. Die Angst, er könnte als einer meiner
Spießgesellen verhaftet werden, hatte ihn abgehalten, mich
früher aufzusuchen. In jungen Jahren, zu Beginn seiner
Laufbahn, hatte auch er die Bastonade erlitten, kannte daher
alle Medikamente, die meinen armen, wunden Füßen Linderung
brachten, und kurierte sie vollständig binnen ganz kurzer
Zeit. Während meines Krankenlagers hatte ich genügend Zeit,
über meine Lage nachzusinnen. Ich beschloß, Meschhed, das ich
zu einer ungünstigen Stunde betreten hatte, zu verlassen. Mit
einer kleinen Summe, die in einer Ecke meiner Behausung
vergraben war, gedachte ich bis Teheran zu reisen und mich der
ersten Karawane anzuschließen, die dorthin zog. Dieser Plan
fand die volle Billigung meiner Freunde, überdies bot mir
Derwisch Sefer seine Begleitung an und sagte: »Ich bin gewarnt
worden, die Priesterschaft Meschheds soll meinen wachsenden
Einfluß scheelen Auges betrachten und außerdem beabsichtigen,
mir eine Falle zu stellen, um mich zu verderben. Da ich als
einzelner gegen diese Übermacht nicht ankämpfen kann, will ich
lieber mein Glück anderswo versuchen.«
Es wurde ausgemacht, ich sollte in der Gewandung eines
Derwisches reisen. Ich hatte im Basar eine Mütze, einige
Gebetschnüre und ein Ziegenfell erstanden, das ich um die
Schultern warf, und war somit reisefertig.