Die Aufgaben der Spekulativen Theologie
Nun wollen wir darüber sprechen, was die Aufgaben der
Theologie sind. Jede Wissenschaft sollte ihre Fundamente und
ihre Inhalte besitzen, weil sie auf diesen beiden Faktoren
aufgebaut ist. Die spekulative Theologie stellt zum Beweis des
höchsten göttlichen Wesens, des Monotheismus, der göttlichen
Eigenschaften usw. rationale Argumente auf. Danach beweist sie
auf der Grundlage von göttlicher Rechtleitung, Weisheit und
genauer Analyse die Notwendigkeit der Offenbarung und des
Prophetentums. Sie unterstützt und verteidigt die Religion,
allerdings auf rationale Weise. Sie verteidigt und bewahrt
etwas, was sie selbst begründet hatte. Die Aufgabe der
Theologie ist etwas der Art. Aber und bis wohin reicht ihr
Einflussbereich? Ihr Bereich endet natürlich bei der Grenze,
die sie sich selbst gesetzt hat.
Die spekulative Theologie entspricht in zwei Dingen den
Bedürfnissen des Menschen. Jeder Mensch denkt bei sich: "Ich
verstehe viele Dinge, weil sie grundlegende Sachverhalte
darstellen. Ich verstehe auf der anderen Seite viele Dinge
nicht, deren Erkenntnis aber lebenswichtig und unerlässlich
ist. Es bleibt mir kein Weg, als diese Dinge der Offenbarung
zu überlassen. Aus diesem Grunde ist die Offenbarung
notwendig. Ich begreife viele Geheimnisse der Vergangenheit,
der Gegenwart und der Zukunft nicht, die ich aber auf jeden
Fall wissen muss". Dies ist keine falsche Begeisterung,
sondern rührt von der Tatsache her, dass der Mensch der
Ewigkeit angehört. Er stirbt nicht, nachdem er seinen Körper
verlassen hat, sondern seine Seele breitet ihre Schwingen aus
und schwebt von dannen.
Der Tod bedeutet die Befreiung der Seele aus dem Gefängnis
des Körpers. Die Seele stirbt doch niemals. Es ist der Körper,
der stirbt, um dann wieder lebendig zu werden. Ich, der ich
ein ewiges Wesen bin, muss doch verstehen, wohin ich gehe.
Bestimmt gibt es eine Belohnung und bestimmt eine Strafe. Aber
wie sehen die beiden aus? Was sind sie? Was verlangen sie? Wie
kann ich frei werden? Wie kann ich diesen Sieg erlangen? Ich
muss diese Dinge doch verstehen und sehe keine Ausweg. Jemand
muss mir doch den Weg zeigen. Dies ist Wissen, das nicht beim
Menschen liegt. In vielen Konferenzen und Seminaren wurde
Ihnen bereits gesagt, dass der allmächtige Gott zum
ehrwürdigen Propheten sprach: Diese Geheimnisse der Religion
und deines Weges (Scharia) sind keine Dinge, die du lernst,
die jemand weiß oder die irgendwo geschrieben stehen, oder die
du durch Nachdenken in Erfahrung bringen kannst. Dieser
Ausspruch beinhaltet eine neue Botschaft. Das heißt, Gott
lehrt dich etwas, und du bist nicht derjenige, der lernt,
trotz deines Genies.
So verhielt es sich mit allen Propheten. Nach einer Aussage
des Gottesfreundes Abraham lehrt uns die Offenbarung Dinge,
die in keiner menschlichen Denkschule zu finden sind. Gerade
diese Dinge sind aber für uns wie das Lebenselixier notwendig.
Wir wissen viele Dinge nicht, die wir aber auf jeden Fall
wissen müssen. Hier eröffnet sich uns aber kein anderer Weg
als die Offenbarung. Diese Anmerkungen bezüglich unserer
Zwischenwelt (barzach), unseres Grabes und unserer Ewigkeit nur
am Rande. Nun aber zur Welt: Die Gesamtheit der Menschen steht
mit der Gesamtheit dessen, was sich in der Ordnung unseres
Sonnensystems befindet, in enger Beziehung, ob man es nun will
oder nicht. Diese enge Verknüpfung verlangt jedoch, dass der
Mensch weiß, worin sein Vor- und Nachteil liegt. Weil das
Resultat dieser Frage nach dem Tod in Erscheinung tritt, der
Mensch aber vieles vorher wissen muss und er keinen Weg hat,
als die Offenbarung, muss der allmächtige Gott also selbst die
Offenbarung beweisen. Nun haben wir den Bereich der
spekulativen Theologie abgesteckt und festgelegt, bis wohin er
reicht. Wo die Theologie versteht, dass sie etwas nicht
erfassen und verteidigen kann, tut sie dies mittels einer
anderen Quelle, z. B. der Offenbarung.
Der Philosoph Sadr al-Mutaallihîn hat einen sehr treffenden
Ausspruch in seinen Asfàr. Er schreibt, dass die Aussage des
Unfehlbaren (Propheten, 12 Imame) in der Mitte der
Argumentation ihren Platz einnimmt. Man kann also sagen: "Dies
ist das, wovon uns auch Imam Sadiq berichtet hat." Diese
Aussage gilt für den Fall, dass man bezüglich des Textes und
des Dokumentes zur Gewissheit gelangt ist, was seine
Richtigkeit betrifft. Die Aussage des Unfehlbaren nimmt die
Mitte des Argumentes ein, ist also das Herzstück des Beweises.
Er ist ein weiser Philosoph und dies ist seine Meinung im Buch Asfar. Wo der Verstand begreift, dass er nicht verstehen kann,
stellt er mit Hilfe eines Vermittlers eine These auf und
verteidigt sie. Wo der Verstand jedoch versteht, dass er
verstehen kann, tut er dies ohne Vermittler. Hierin
unterstützen ihn auch die Überlieferungen (naql).