Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Mahmud Schebisteri

Antwort auf die vierzehnte Frage

Die vierzehnte Frage lautete:
Was ist der Sinn von Kerz', von Liebchen und von Wein,
Was heißt denn Forderung, stets liederlich zu sein?

Das Liebchen, Kerz' und Wein, sie sind des Weins Erklärung,
In einem jeden liegt des wahren Seins Verklärung.
Der Wein, die Kerze sind Begeistrung und Erkenntnis;
Und in dem Liebchen schau des wahren Seins Bekenntnis.
Der Wein ist Lampenglas, die Kerze leuchtet drin,
Der Glanz des Geisteslichts ist dann des Liebchens Sinn.
Von Liebchens Schönheit sprang in Moses Herz der Funken,
Der Wein ward Glut, die Kerz' als Baum von Feuer trunken.
Der Wein, die Kerze sind das Licht der Himmelfahrt,
Die Majestät des Herrn im Liebchen ist bewahrt.
Der Wein, die Kerze und das Liebchen sind bereit,
Verliere nicht, statt liebzukosen, jetzt die Zeit.
Du zech' vom Weine der Entselbstung eine Zeit,
Vielleicht vom eignen Ich wirst du alsdann befreit.
Trink' Wein und nimm als Wein des Freundes Angesicht,
Indem dir nicht Pokal des trunknen Aug's gebricht.
Trink Wein vom ew'gen Glas, den Schenke dir einschenkt,
Der Text aus dem Koran: der Herr hat sie getränkt.
Der reine Trank ist der, der von beflecktem Sein,
Dich reiniget, wenn du betrunken stets willst sein.
O trinke Wein, damit du hebst der Kälte Flor,
Der schlechte Trinker geht dem guten Manne vor!
Dem, der entfernet ist von Gottes Angesicht,
Paßt Flor der Finsternis viel besser als das Licht.
Denn Adam fand in Nacht der Reue bittre Frucht,
Und Satan ward im Licht des Hochmuts bald verflucht.
Ihm, dessen Herz umwölkt, ein Spiegel ist voll Rauch,
Was nützt es ihm, wenn er sich drin beschauet auch?
Wenn auf den Wein ein Strahl vom Angesichte fällt,
Darein von Blasen auch zugleich die Menge fällt.
Bedeckt mit Blasen fließt der Seelen Welt im Strome,
Doch diese Blasen sind für Heilige die Dome.
Von tiefem Weine ist die Weltvernunft berauscht,
Die Weltenseele steht mit Ring im Ohr und lauscht,
Und eine Schenke ist die ganze Welt für Zecher,
Von jedem Sinnenstaub der Busen ist ein Becher;
Vernunft und Engel sind, und Seele ist betrunken,
Die Luft, die Erde sind, der Himmel ist betrunken.
Der Himmel dreht sich um, daß er verwirrt Ihn suche,
Begierde schwellt das Herz nach einzigem Geruche.
Die Engel trinken rein aus dieser reinen Hefe,
Und ausgegossen ward dann in den Staub die Hefe.
Von Hefen wurden dann berauscht die Elemente,
Das ein' ersäufte sich, indes das andre brennte.
Vom Duft der Hefe, der auf jenen Staub gesprungen,
Entstand der Mensch, der sich zum Himmel dann geschwungen.
Von ihrem Wiederschein ward morscher Leib zur Seele,
Von ihrer Hitze ward belebt gefrorne Seele.
Durch diesen Hefeduft ist das Geschöpf verwirrt,
So daß beständig es von seinem Hause irrt,
Der Hefeduft macht den zu einem Philosophen,
Indes die anderen auf Überliefrung hoffen.
Aufricht'ger Diener wird, wer halb geschlürft den Saft,
Ein Liebender, wer ganz geleert der Flasche Kraft;
In einem Zuge trinkt ein anderer gar aus,
Den Schenken und den Wein, das Glas, das Humpenhaus.
Verschlungen hat er all' und hält den Mund noch offen.
O Herz! Groß wie das Meer von dem noch mehr zu hoffen,
Er hat auf einen Zug geleert das ganze Sein,
Und ist von Leugnungen, Bekenntnissen nun rein.
Auf die Enthaltsamkeit und auf den trocknen Traum
Verzichtend greift er nach des alten Wirtes Saum.

Joseph von Hammer-Purgstall

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