Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Mahmud Schebisteri

Fünfte Vergleichung

Wenn sich der Sonne Licht getrennet von der Nacht,
Erscheint des Orients, Meridians und Morgens Pracht,
Und wenn des Himmels Rad vollendet seinen Lauf,
Geht Nachmittag und Untergang und Abend auf.
Das große Licht der Sonn' ist das Prophetentum,
Das bald in Adam, bald in Moses gehet um.
Willst du das große Buch der Weltgeschichte lesen,
So wirst erkennen du, wes Ranges sie gewesen.
Stets andern Schatten wirft die Sonne auf die Pfade,
Darnach kannst messen du des wahren Glaubens Grade.
In dem Äquator steht mittags des Herren Licht,
Das reine, welches kennt des Unrechts Schatten nicht.
Kein Schatten folget dort dem graden Wuchs, dem echten,
Nicht hinten und nicht vorn, nicht links und nicht zur Rechten,
Da er geraden Pfad zum Aufenthalt erwählt,
Hat er sich nach Befehl gerade aufgestellt.
Sein Schatten wird sich nie mit schwarzem Rande gatten,
O, wahres Gotteslicht, o wahrer Gottesschatten!
Als Kibla zwischen Ost und Westen lichtgedrängt,
Ist er im Mittelpunkt des eignen Lichts versenkt.
Zum Muselmanne ward der böse Genius,
Verbarg als Schatten dann sich unter dessen Fuß.
Die Stufen alle schließt der Grad des Fußes ein,
Aus seinem Schatten geht hervor des Menschen Sein,
Von seinem Lichte ist die Heiligkeit nur Schatten,
In welchem sich der Ost und West als Eins begatten.
Auf jedem Schatten, der auftrat auf seinen Wegen,
Entsteht ein anderer der jenem tritt entgegen.
Ein Gotteskundiger, der kennt Moslimenruhm,
Ist Abgesandter nur von dem Prophetentum.
Prophetvollendeter in der Propheten Gaben,
Ist über Heilige bei weitem hoch erhaben.
Er ist in Sicherheit und Ruhe vor der Welt,
Indem er Pflanz' und Tier und Erd' und Stein beseelt,
Zur Kenntnis Gottes geht er durch die Einheit ein,
Es zeiget sich in ihm, was absolutes Sein.
Es bleibet in der Welt Ungläubiger nicht mehr,
Die Ungerechtigkeit wird offenbare Lehr'.

Joseph von Hammer-Purgstall

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