Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Rumi

Aus dem Divan - Unser Reigen

Unser Reigen, teure Seele, ist nur geistiger Natur;
Meide drum bei diesem Tanze stets des Hochmuts fernste Spur.

Unser Reigen kennt den Dünkel, kennt die schnöde Selbstsucht nicht;
Männlich deinem Selbst entsagen sei darum dir strenge Pflicht.

Unser Reigen ist nicht Körpern, ist nicht Seelen unterthan;
Schwinge dich im Sphärenschwunge über aller Sekten Wahn!

Unser Reigen ist Berauschung, Liebe ohne Sinnentrug,
Und er gähret gleich dem Weine in des Körpers irdnem Krug.

Unser Reigen bannt die Bosheit, bannt den Haß aus jeder Brust,
Macht gar leicht dich frei vom Stolze, reinigt dich von wilder Lust.

Unser Reigen läßt der Seele wundervollen Garten schau'n;
Deines Grames Rosenfelder wandelt er in Rosenau'n.

Unser Reigen ist des Lebens, ist der Jugend ew'ger Quell,
Bist du, Chiser, o so trinke von dem Lebenswasser schnell.

Unser Reigen ist ein Festtisch, wo Gott Köstliches vereint;
Wohl der glückbeteilten Seele, die dabei als Gast erscheint!

Unser Reigen ist ein seltnes wunderbares Unterpfand,
Das des Allerbarmers Gnade legte nur in Menschenhand.

Unserm Reigen bebt die Erde, wenn ihr Auge auf ihn fällt,
Und von Furcht und Angst erschüttert wird des Himmels Azurzelt.

Unser Reigen, alle sprechen, die da einmal ihn gesehn:
»Nimmer haben wir die Kräfte, jenen Tanz zu überstehn!«

Unser Reigen ist der Anteil, der in reinen Geistern wohnt,
So wie unsers Körpers Anteil jener Geist, der in ihm thront.

Unser Reigen ist voll Fürsten, herrschend in der Liebe Land:
Sieh, wie einer stets dem andern des Verdienstes Ball entwand!

Unser Reigen ist ein Pfandgut, das der Schöpfer, huldbewegt,
In des dankerfüllten Adams frohe Hände hat gelegt.

Unser Reigen ist erhaben über jede Himmelsflur;
Unerforscht ist dies Geheimnis, und du prüfst es fruchtlos nur.

Unser Reigen ist die Wüste, immerdar mit Blut gefüllt;
Horch, wie in der Wüsten Mitte eine Schar von Löwen brüllt!

Unser Reigen ist als männlich, ist als kriegerisch bekannt,
Weil er stets aus seinem Kreise alle Weiber hat verbannt.

Unser Reigen ist kein Wohnplatz für die niedre Dienerschar;
Jeder ist darin ein König, ja ein Weltmonarch sogar.

Unser Reigen ist die Wonne, Gott von Angesicht zu schau'n:
Vor des Teufels schlauen Ränken darf darin uns nimmer grau'n.

Unser Reigen – wenn der Mollah fromm in dessen Ringe weilt,
Wanket er und wird von Schrecken und von banger Furcht ereilt.

Unser Reigen – setzt der Mollah sich in dessen hehren Kreis,
Nahen Gottes fromme Männer diesem Kreise scharenweis.

Unser Reigen – zwar man übt ihn nur auf niedrem Erdengrund,
Und doch macht er Sonnen kreisen und der Sterne lichten Bund.

Unser Reigen ist ein Festtag, kennt nur Lust und keinen Schmerz,
Und kein Seufzen und kein Stöhnen preßt er aus der Menschen Herz.

Unser Reigen ist das Leben, ist die Seele der Natur;
Ohne Seele ist die Erde wohl ein lächelnd Feuer nur.

Unser Reigen ist ein Garten, Huris weilen drin voll Huld;
Aber ach, du bist erblindet, und dies ist nicht meine Schuld.

Unser Reigen, ihn beschränket nicht des Himmels hehres Feld,
Denn an Höhe sind ihm Schranken, sind ihm Grenzen nicht gestellt.

Unser Reigen gleicht dem Schatze, der mit Perlen ist gefüllt;
Tausend Meere, tausend Schachte hat er überall enthüllt.

Unser Reigen ist unschätzbar, ist der köstlichste Gewinn;
Drum, o Sohn, gieb nicht zu wohlfeil, gieb um keinen Preis ihn hin.

Vinzenz Rosenzweig von Schwannau

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