Gott und die Welt

Gott und die Welt

 Ayatollah Beheschti

Die Liebe zu Gott, das Streben nach Ihm (Fitra)

Am inneren Aspekt des Lebens Interessierte wissen von einer besonderen Beziehung zwischen Mensch und Gott. Am ehesten lässt sich diese Beziehung mit einem dem Menschen “von Natur aus mitgegebenen Hang zu Gott“ umschreiben. Gemeint ist die jedem Menschen innewohnende Liebe zum Absoluten, zum absoluten Sein, zur absoluten Vollkommenheit. Sie existiert in jedem Menschen als eine Art innerer Antrieb, der ihn jederzeit mit Gott verbinden kann. Bei manchen Menschen ist dieser Hang so stark ausgeprägt, dass er sich zu einem grenzenlosen Verlangen entwickelt, das den Gottsucher innerlich verzückt und trunken vor Liebe zu Gott machen kann. Der Mystiker sagt, dass dieses innere Streben nach Vollkommenheit auch in jenem Menschen vorzufinden ist, der von Grund auf Gott ablehnt; jener ist sich dieser inneren Veranlagung nur nicht bewusst.

Mit dieser Unwissenheit bzw. Gleichgültigkeit des Menschen gegenüber dessen innerer Wirklichkeit beschäftigen sich heute die Erfahrungswissenschaften, insbesondere die Psychoanalyse. Es ist an der Zeit unter Anwendung der neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft die Haltung und die Leidenschaft des Mystikers fern von allen Vorurteilen und Kritiken, die der Mystik entgegengebracht werden, zu untersuchen.

 

Aus der Sicht der islamischen Mystik wird sich der Mensch der göttlichen, in ihm veranlagten Vollkommenheit nähern, und mit Hilfe der Askese, der Meditation und Andacht wird ihm jene Kraft geschenkt, durch die er Stufe für Stufe zu diesem Stadium gelangt, in der er Gott findet. Dann wird der Mensch Zeuge der absoluten Vollkommenheit und gelangt damit zur Gewissheit [yaqin]. Die Mystik geht davon aus, dass der einzige Weg zur Erkenntnis Gottes über die Suche nach Ihm erfolgen kann, die den Menschen letztendlich zu Gott führt, wie der Qur´an dem Propheten (s.) versichert:

 

„So tue denn offen kund, was dir geboten ward und wende dich ab von den Götzendienern. Wir werden dir sicherlich genügen gegen die Spötter, die einen anderen Gott neben Allah setzen, doch bald werden sie wissen. Und fürwahr, Wir wissen, dass deine Brust beklommen wird ob dessen, was sie reden. Aber lobpreise deinen Herrn und sei einer der sich Unterwerfenden; diene deinem Herrn, bis die Gewissheit zu dir kommt.“

 (Heiliger Qur´an 15:94-99)

 

Dankpreisungen und Gebete sind ein Weg, um zur Gewissheit zu gelangen. Die Gewissheit, die der Mystiker erlangt, gleicht der Gewissheit, die der Mensch von der sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit gewinnt.

 

Die objektiv wahrnehmbaren Dinge sind die besten Mittel, dem sophistischen Zweifler zu begegnen, der selbst das, was er vor sich sieht, als möglicherweise “unwirklich“ betrachtet. Ebenso können die Zweifel über die Existenz Gottes durch die unmittelbare Erfahrung von Gott überwunden werden. Nicht das physische Auge wird Zeuge dieser Wahrheit, sondern das “innere Auge“. Der Mystiker erfährt auf diese Weise, dass er in der Tat der Liebende jener Wahrheit ist und nicht ein Gebilde seiner Fantasie begehrt.

 

 

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