»Jihad-ul Akbar« - Kampf gegen das Ego
»Jihad«, diese Auseinandersetzung des Gläubigen mit den
Faktoren des Bösen hat nichts anderes zum Ziel, als Gott und
die Annäherung an Ihn, die höchste Norm des Daseins. Jihad
wird grob in zwei Bereiche eingeteilt: in den Kampf des
Menschen gegen sein Ego (arabisch »Jihadun-Nafs«) und in die
verschiedenen Formen des Widerstreits zwischen den Gläubigen
und den Faktoren, die Wahrheit und Gerechtigkeit zu beseitigen
versuchen.
Der erste Bereich stellt im Gegensatz zum zweiten eine
immer gültige Verpflichtung des Gläubigen dar. Denn der Islam
sieht das Innere des Menschen als einen Schauplatz des
fortwährenden Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Wahrheit
und Unwahrheit an. Zwar unterstellt der Islam die Herrschaft
der Welt nur einer Größe, nämlich Allah, demgegenüber keine
andere Macht treten kann; doch das Innere des Menschen stellt
die Szenerie eines ständigen Widerstreits zwischen allem
Guten, Positiven, Schönen und allem Unrechten, Verwerflichen
und Bösen dar.
Deshalb bedeutet »Jihadun-Nafs«, der Kampf gegen das Ego,
eine immerwährende Anstrengung des Menschen, die negativen
Elemente, Einflüsterungen des Bösen und Begierden zu
überwinden und die positiven Neigungen zu fördern, damit der
Mensch seine moralische, glaubensmäßige und menschliche
Vollkommenheit erreichen kann.
Der eigentliche Feind des Menschen ist der Mensch selbst.
Die negativen Auswüchse des Daseins, die feindseligen und
unterdrückerischen Tendenzen des Menschen sind im Fehlen
seiner Selbstvervollkommnung begründet. Daher sprach der
Prophet des Islam folgende Worte:
»Bekämpft eure Begierden und Lüste in eben solchem Maße,
wie ihr eure Feinde bekämpft.«
Er hat die Bedeutung dieser Form des »Jihad« gegen das Ego
als größer bezeichnet als den »Jihad« gegen die Feinde des
Islam: »Als eine Gruppe von Muslimen von einer Schlacht
zurückkehrte, sprach der Prophet: >Seid willkommen, die ihr
den kleinen Jihad ausgeführt habt. Es soll euch Wohlergehen.
Dennoch bleibt der große Jihad für euch bestehend Daraufhin
fragten sie den Propheten, was er denn mit >großer Jihad< (Jihad-ul
Akbar) meinte. Der Prophet antwortete: >Es ist der Kampf gegen
das Ego und die Begierden des Menschen !«
Der Islam will also das göttliche Element im Menschen
fördern, damit sich der Mensch vom Gefängnis seiner Begierden
befreie. Sind nicht die Aufrüstung in Ost und West, die sich
ausbreitenden Konflikte und Kriege, die immer größere
Bedrohung eines atomaren Untergangs, usw. Ausdruck der
Selbstsucht des Menschen? Wir müssen uns im klaren sein, dass
der Islam einerseits die Läuterung der Seele des Menschen
betont, andererseits jedoch niemals einen Rückzug vom
gesellschaftlichen Leben akzeptieren würde. »In der Religion
des Islam existiert keine Weltflucht und kein Asketentum! Das
Asketentum meiner Gemeinde ist vielmehr der Jihad!« (Prophet
Muhammad) Der Islam sagt nicht, wir sollen nur uns selbst
verbessern, dann wird alles andere gut!
Mit dem ständigen Kampf gegen das Ego und der Läuterung des
Herzens sollen auch die Wurzeln des gesellschaftlichen
Unheils, der Unterdrückung und Ungerechtigkeit beseitigt
werden, damit sich die Ummah (die islamische Gemeinschaft) in
Richtung eines gesunden Individuums als auch einer gesunden
Gesellschaft entwickeln kann.
Der Ausdruck »Heiliger Krieg«, der häufig von Nichtmuslimen
als Übersetzung von »Jihad« verwendet wird, entstellt die
eigentliche Bedeutung dieses wichtigen islamischen Prinzips.
Die weitverbreitete Bezeichnung »Heiliger Krieg« ist derart
verwirrend und falsch, dass kaum angenommen werden kann, dass
sie aufgrund von Unwissenheit geprägt worden ist. Obwohl der
Begriff »Jihad« - d.h. »die permanente Auseinandersetzung des
Gläubigen mit den Faktoren des Bösen, um das Gute in der Welt
zu verwirklichen« - eine positive Aussage beinhaltet, ruft der
Ausdruck »Heiliger Krieg« fast zwangsläufig eine negative
Grundhaltung bei den Menschen hervor: sofort wird angenommen,
der Islam sei eine kriegerische Religion, die sich mit Gewalt
ausbreite und den Krieg als Mittel zur Durchsetzung ihrer
Ziele gutheiße! Im Grunde soll damit und mit ähnlichen
Missdeutungen islamischer Begriffe eine Abneigung gegen den
Islam, die »Religion des Friedens« erzeugt werden.