Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

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1989 n.Chr.

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Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

Ob der Koran von Ewigkeit sei? Danach frag ich nicht!
Ob der Koran geschaffen sei? Das weiß ich nicht!
Daß er das Buch der Bücher sei, Glaub ich aus Mosleminenpflicht.

(Goethe, West-östlicher Divan)

Die Muslime in Deutschland

Am 2. Februar 1989 meldete u.a. das deutsche Fernsehen, daß ein sogenannter "Islamrat" als Vertretung von 1,7 Millionen Muslimen in Deutschland eine Erklärung gegen das Todesurteil abgegeben habe. Die Organisation selber korrigierte tags darauf mit einer Mitteilung an verschiedene islamische Zentren die "irrtümliche Mitteilung der Medien". Daß die Medien dennoch diese Nachricht niemals korrigierten, ist wiederum ein Beweis für die Muslime, was unter "Freiheit der Medien" zu verstehen ist. Viele Muslime sehen in einer derartigen Berichterstattung nichts anderes als die zügellose Manipulation der Bevölkerung mit Verfälschungen, getarnt als Nachrichten, die der allgemeinen Politik genehm sind.

Die absolute Mehrheit der Muslime in Deutschland beschränkte sich darauf, Rushdie zu verurteilen und das Verbot einer deutschen Ausgabe zu fordern. Viele große islamische Zentren veröffentlichten derartige Erklärungen. Während einige sich dabei voll und ganz hinter das Todesurteil stellten, erwähnten andere es, wegen der hier aufgehetzten Atmosphäre gegen die Muslime, in ihrer Erklärung nicht direkt. Die Sorge vor rechtlichen Verwicklungen spielte sicherlich eine Rolle.

Allerdings soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß in einer sehr späten Erklärung einiger islamischer Zentren und Gruppierungen, eine eindeutige Ablehnung des vom Westen als "Mordaufruf"/ bezeichneten islamischen Urteils, zu finden ist. Eine der unterzeichnenden Gruppen ist die Vertretung der amtlichen türkischen Religionsbehörde in Deutschland. Natürlich kann von einer im eigenen Land die Trennung von Politik und Religion fordernden und damit den Islam bekämpfenden Behörde, keine Stellungnahme im Sinne der islamischen Fundamente erwartet werden.

Den vorläufigen Höhepunkt der Proteste gegen Rushdie in Deutschland bildete eine Demonstration in Bonn mit weit über 10000 Demonstranten; es war die größte Demonstration von Muslimen in Deutschland, die es jemals gab. Während die öffentlich rechtlichen Medien die Erklärung des sogenannten "Islamrats" mehrfach wiederholten und zur besten Nachrichtenzeit verbreiteten, kamen Kurzmeldungen von der Demonstration in Bonn, wenn überhaupt, nur einmal in den Nachrichten. Die einheitliche Ablehnung von Rushdies Buch durch verschiedene islamische Zentren, welche schon einzeln jeweils erheblich mehr Mitglieder als der sogenannte "Islamrat" haben, wurde erst gar nicht erwähnt.

Mit großer Spannung warteten Muslime wie Nicht-Muslime auf die Stellungnahme des Islamischen Zentrum Hamburg, da dort u.a. ein islamischer Geistlicher aus dem Iran tätig ist. In der Zeitschrift Al-Fadschr Nr. 38 erschien diese Stellungnahme:

Stellungnahme: Seit Oktober letzten Jahres finden weltweit Proteste Hunderttausender in ihren religiösen Gefühlen stark angegriffener Muslime statt, die alle zum Verbot des blasphemischen Romans 'Die Satanischen Verse' von Salman Rushdie aufrufen. Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und aufgebrachten muslimischen Demonstranten zum Wochenende in Bombay fanden wieder einige den Tod. Schon die wenigen in der Bundesrepublik Deutschland erschienenen Auszüge des Buches lassen keine Zweifel darüber, daß darin Grundsätze und Heiligtümer einer eine Milliarde zählenden Religionsgemeinschaft mit Füßen getreten werden. Der islamische Rechtskodex sieht für derartig gezielt artikulierte Verunglimpfungen bestimmte Maßnahmen vor, unter anderem auch die Todesstrafe. Daß dieser Umstand im westlichen Ausland mit tiefem Entsetzen aufgenommen wird, legt die Unkenntnis der hiesigen Gesellschaft von dem über nationale Grenzen hinaus reichenden, stark ausgeprägten Religionsbewußtsein der Muslime offen. Aber daß Politiker und Medienmacher erst dann dem Autor Salman Rushdie im Namen der Meinungsfreiheit zu Hilfe eilen, als Imam Khomeini den islamischen Rechtsspruch öffentlich ausspricht, macht deutlich, daß sie Politisierung des Vorfalls wohl einzig und allein der Tatsache dienen dürfte, den Revolutionsführer und die Islamische Revolution - wie so oft seit ihrem Durchbruch im Iran im Jahre 1979 - in der Weltöffentlichkeit zu verunglimpfen. Denn das zur Zeit nur für Christen anrufbare Blasphemiegesetz in Großbritannien beweist, daß selbst im Westen unter gewissen Umständen die Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt werden kann, nämlich dann, wenn durch bestimmte Äußerungen Gedankengut und Wertvorstellungen einzelner bzw. der christlichen Gemeinschaft in scharfer Form geschändet werden. Politische Maßnahmen, wie der Abzug westlicher Diplomaten aus dem Iran können also weder mit dem Hinweis auf Verteidigung elementarer Menschenrechte argumentiert werden noch mit dem Hinweis auf den Urteilsspruch Imam Khomeinis, der sich mit seiner Entscheidung lediglich den bereits zu früherem Zeitpunkt von Rechtsgelehrten anderer muslimischer Rechtsschulen gleichermaßen getroffenen Urteile anschloß. Vielmehr sind es sich deutlich abzeichnende politische Realitäten in der islamischen Welt, die Politikern im Westen den Anstoß gaben, gegen Imam Khomeini als Symbolfigur der aufsteigenden Kraft einer weltweiten islamischen Befreiungsbewegung zu Felde zu ziehen. Zusammenfassend möchten wir an dieser Stelle klarstellen, daß Imam Khomeini - wie es im Westen vielfach dargestellt - weder 'Killerkomandos' entsandt, noch irgendwelche Kopfgelder ausgesetzt hat und zugleich unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, daß gerade aus Respekt vor religiösen Gefühlen anderer - in diesem Falle ca. einer Milliarde Muslime - von der weiteren Verbreitung dieses Romans abgesehen wird. Weder Imam Khomeini noch jeder andere über die Veröffentlichung des Buches tief verletzte Muslim beabsichtigt mit seinem Protest in irgendeiner Weise einen 'Religionskrieg' zu entfachen. Vielmehr wünschen sich die Muslime aus tiefem Herzen einen aufrichtig geführten Dialog mit allen anderen nicht-muslimischen Bewohnern dieser Erde, der sich im gegenseitigen Respekt und Verständnis für die Werte des anderen kundtut.
Islamisches Zentrum Hamburg

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