Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

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1989 n.Chr.

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Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

Wenn die Unwissenden schweigen, geraten die Menschen nicht in Streitigkeiten (Imam Muhammad at-Taki (a.))

Genschers Vorbelastung durch Rabta

Einer, der sich bei der Konfrontation mit dem Iran um "Die Satanischen Verse" besondere Auszeichnungen verdienen wollte, war der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher: "Die deutlichsten Worte bei der Verurteilung hat offenbar Hans-Dietrich Genscher gefunden" (Hans-Joachim Friedrichs in Tagesthemen/ARD 20.2.89). "Hans-Dietrich Genscher, der über die Kriegsjahre hinweg die Tür zu Khomeinis Außenamts-Chef Welajati nie zugeschlagen hatte, setzte sich mit geradezu verwegener Eindeutigkeit an die Spitze der Rushdie-Sympathisanten" (Spiegel 9/89, 27.2.89). Diese Profiliersucht führte sogar dazu, daß erwogen wurde, die Behandlung dieses Falles auf Antrag der Bundesregierung vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen (Die Welt 23.2.89).

Die besondere Situation Genschers, die ihn zu für seine Verhältnisse ungewöhnlich unausgewogenen Reaktionen verleitete, hing mit dem noch nicht überwundenen Rabta-Trauma zusammen. Um diese Vorbelastung besser verstehen zu können, bedarf es einer kurzen Rückschau. Um die Weihnachtszeit 1988 wurde der deutschen Öffentlichkeit eine fragwürdige Nachricht beschert. Aus US-amerikanischen Quellen sickerten "Informationen" durch, daß deutsche Firmen möglicherweise am Bau von Chemie-Anlagen in Rabta (Libyen) beteiligt waren. Was als gezielte Indiskretion begann, entwickelte sich zum größten Medienspektakel am Anfang des Jahres 1989. Bereits in der Ausgabe vom 1/2 Januar 1989 berichtete der "Herolds Tribune" von konkreten Beteiligungen deutscher Firmen.

Der Zeitpunkt dieses Medienspektakels war gut gewählt, denn vom 7.-11. Januar 1989 sollte in Paris die "Internationale Konferenz über chemische Waffen"/ stattfinden. So hatten die Medien 1-2 Wochen Zeit, Libyen zum Bösewicht der weltweiten Chemiewaffen-Mafia abzustempeln. Damit war auch das Hauptthema der Konferenz festgelegt, und der Einsatz chemischer Waffen durch den Irak gegen die Islamische Republik Iran und das kurdische Volk im Irak und deren stillschweigende Akzeptanz durch West und Ost konnte unter den Teppich gekehrt werden. Der eigentliche Skandal, nämlich die weltweite Hilfe für Irak bei seinem Einsatz chemischer Waffen im Krieg gegen die Islamische Republik Iran, wurde durch die Diskussion um mögliche Beteiligungen deutscher Firmen an der Produktion chemischer Waffen in Libyen überdeckt. Diese Tatsache haben nur wenige Verantwortliche zum Ausdruck gebracht: So sagte z.B. der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hermann Scheer in der WDRIII-Sendung "Weltweit" am 10. Januar 1989: "... es ist grotesk, daß man im Moment über die Eventualität redet, ob in Libyen eine Anlage gebaut wird, während im Irak nicht nur eine Anlage gebaut worden ist, auch mit deutscher Hilfe, und gleichzeitig die chemischen Waffen eingesetzt worden sind."

Die angestrebte Ächtung von Chemiewaffen ist lediglich eine Verschärfung bestehenden Völkerrechts. Denn das am 17. Juni 1925 von 118 Staaten (darunter auch dem Irak) unterzeichnete Genfer Protokoll sieht vor, daß lediglich die Anwendung von erstickenden, giftigen und anderen Gasen und Methoden biologischer Kriegsführung verboten sind, nicht aber deren Besitz! Das bedeutet, daß Libyen völkerrechtlich gesehen gar keinen Rechtsbruch begangen hätte, selbst wenn dort Chemiewaffen produziert worden wären. Das aber wurde durch eine gezielte Medienpolitik vertuscht. Durch eine zusätzliche Aggression der USA mit dem Abschuß zweier libyscher Aufklärungsflugzeuge und dem eiligst herbeigeschafften Filmmaterial darüber, waren die Medien ohnehin mehr auf das "Räuber-und-Gendarm-Spiel" fixiert als auf die in den Hintergrund gedrängten Tatsachen.

Der eigentliche Völkerrechtsverbrecher Irak aber wurde von der Staaten-Gemeinschaft in keiner Weise sanktioniert. Dazu Hermann Scheer: "Es ist völlig klar, wenn der Staatenwelt vor Augen geführt wird, daß ein Staat wie der Irak einen Völkerrechtsbruch, also ein Staatsverbrechen tätigen kann, und es bleibt ohne Konsequenz, ohne Sanktion gegenüber dem Irak, ohne internationale Ächtung, dann haben wir die Situation, daß sich jeder Staat gemüßigt fühlt, ... selber chemische Waffen herzustellen, weil die Staatengemeinschaft ihn selbst dann nicht schützt, wenn ein Völkerrechtsbruch geschehen ist. Und ich finde es grotesk angesichts dieses Zustands, daß die irakische Regierung, die sich im vergangenen Jahr eines klaren Kriegsverbrechens schuldig gemacht hat, in Paris bei dieser Konferenz, als wäre nichts geschehen, am Tisch sitzt und als normaler Teilnehmer behandelt wird. Was fällig wäre, ist eine Ächtung des Irak. Was fällig ist, sind internationale Sanktionen."

Die Rolle der Medien bei diesem inszenierten Ablenkmanöver der USA ist sehr wesentlich. Nachweislich verfügen beide Großmächte über die größten Arsenale und Produktionsstätten für Chemiewaffen auf der Welt. Spätestens seit 1984 weiß die Welt von den Chemiewaffeneinsätzen Iraks, erst gegen die Islamische Republik Iran und später auch gegen die eigene kurdisch-irakische Bevölkerung. 1987 hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Ermittlungen aufgenommen und erste Ergebnisse bereits Ende 1988 veröffentlicht, wonach deutsche Firmen nachweislich an der Produktion der irakischen Chemiewaffen maßgeblich beteiligt waren, und dennoch gab es zu Kriegszeiten nie die notwendige Resonanz von Seiten der Medien. Der Irak ist für seinen Einsatz von Chemiewaffen und damit seinen Kriegsverbrechen bis heute noch nicht offiziell verurteilt worden.

Die Rolle der Medien wird nur bei genauerer Kenntnis von Hintergründen deutlich. So gab z.B. der ehemalige CIA-Direktor William Colby offen zu, daß die westlichen Nachrichtenagenturen gezielt manipuliert werden (nachzulesen in 'CIA in Westeuropa', Neuberger G. und Opperskalski, M.). Bei dem sogenannten Libyen-Skandal war anfänglich von deutlichen Beweisen die Rede, die der damalige US-Außenminister Shultz seinem deutschen Amtskollegen Genscher vorgelegt habe. Allein diese Nachricht zeugt bereits von einem unglaublichen Ausmaß an Vernebelung der tatsächlichen Gegebenheiten. Denn Dokumente aus Bagdad belegen, daß die "Bechtel Group Inc." ab 1984 eine Giftgasfabrik in Akashat (Irak) miterrichtet hat (siehe taz 26.01.89). Direktor dieses Unternehmens war aber noch bis Juli 1982 George Shultz selber. So schreibt die taz vom 26. Januar 1989 in einem Kommentar mit dem Titel "Weltweite Heuchelei: ..... macht das Beispiel Irak aber noch einmal deutlich, daß die Meßlatte, wonach etwas zu einem internationalen Skandal wird, ausschließlich im Bereich politischer Opportunität zu suchen ist." Und so ist den Medien auch kein Mittel zu schade, um das schmutzige Geschäft der US-Politiker mitzuspielen. So wurde in der ARD-Sendung PANORAMA vom 31. Januar 1989, im Zusammenhang mit Rabta, der Vorwurf vom "Auschwitz in der Wüste" gegen die Deutschen wiederholt - ein Vorwurf, der aus den USA kam. Bei allem Unmenschlichen, was in Auschwitz geschehen ist, gab es kein Auschwitz, in dem weit über 5000 Zivilisten, meist Frauen und Kinder, *auf einen Schlag* vergast und gleichzeitig weitere 7000 vergiftet wurden, wie am 17./18. März 1988 in Halabja durch irakische Kampfbomber geschehen. Es ist interessant, daß die Medien sich bereits im Zusammenhang mit dem Aufbau einer angeblichen Chemie-Waffen-Fabrik in Libyen noch an die Ereignisse in Auschwitz erinnern, während sich bei dem Völkermord Saddams mittels chemischer Waffen an den muslimischen Kurden vor einem Jahr, kaum ein Journalist mehr an Auschwitz erinnern mochte.

Bleibt noch die Frage, warum die anfänglichen Skandal-Nachrichten sich ausgerechnet gegen den amtsältesten Außenminister der Welt, Hans-Dietrich Genscher, richteten. Welches Interesse hatte die USA, Herrn Genscher eine Strafe zuteil werden zu lassen? Bei Kenntnis aller Faktoren fällt die Antwort nicht schwer: Genscher war der einzige hochrangige westliche Politiker, der den Chemiewaffeneinsatz Iraks gegen die Islamische Republik Iran beim Namen genannt hat. Er war es, der die Klärung der Kriegsschuldfrage in die Resolution 598 zum Waffenstillstand zwischen Iran und Irak eingebracht hat, um eine Bedingung der Islamischen Republik Iran, an der Waffenstillstands-Verhandlung teilzunehmen, zu erfüllen. Denn die anderen damaligen UN-Sicherheitsratmitglieder, allen voran die USA, wollten auf diesen Punkt verzichten. Als potentieller Aussprecher dieser Wahrheit mußte Herr Genscher mundtot gemacht werden. Und so konnte Genscher in Paris auch nur noch indirekt sein Anliegen formulieren: "Wer sich der Ächtung der Chemiewaffen widersetzt, muß durch die Weltöffentlichkeit geächtet werden." Nur Insider können diese Aussage den USA zuordnen (Dieser Abschnitt ist größtenteils Al-Fadschr Nr.38/1989 entnommen).

Genscher war durch diesen Fall politisch schwer angeschlagen. Seine Widersacher in der Regierung kamen laut vernehmbar zu Wort, und sein internationales Ansehen wurde von den USA systematisch untergraben. In so einer Situation blieb Hans-Dietrich Genscher zur Aufrechterhaltung seiner politischen Karriere nichts anderes übrig, als die nächste Gelegenheit zu nutzen, seine Verbundenheit zu der westlichen Großmacht USA deutlich zu bekunden. Nur so ist zu erklären, daß ein bis dahin gegenüber der islamischen Welt besonnen auftretender Politiker, den Maßstab seiner Aussagen und Handlungen verlieren konnte. Peter Scholl-Latour äußerte sich dazu: "Bei der deutschen Reaktion ist mir etwas unwohl. Ich habe manchmal das Gefühl, nachdem man die Amerikaner geärgert hat mit Rabta ..., daß man jetzt Bündnissolidarität ... zeigen will" (Presseclub ARD 26.2.89). Dieses Verhalten beinhaltete aber ein großes Risiko für die deutsche Wirtschaft: "Bonns hektisches Bemühen, den in der Libyen-Affaire angeschlagenen Ruf als zuverlässiger Streiter für die Werte des Westens zurückzugewinnen, könnte die Deutschen noch teuer zu stehen kommen" (Spiegel 9/89, 27.2.89).

Es ist jedoch offensichtlich, daß auch ein Herr Genscher zu einem maßvollen Verhalten gegenüber der Islamischen Republik Iran zurückfinden muß, um seine Fehler in diesem Fall zu korrigieren. Andernfalls würde er vielseitige Beziehungen der Deutschen zu den Muslimen, insbesondere zum Iran zerstören.

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