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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Der schwarze Stein
Durch Mekka scholl der Klagegesang der Kureischiten.
Man verdächtigte einen griechischen Kaufmann, dessen Schiff
bei Djidda gestrandet war, des Diebstahls. Der Grieche
beteuerte unter fünfundzwanzig Peitschenhieben heulend seine
Unschuld.
Man suchte in allen Häusern der alten Stadt und in den
Armenquartieren nach dem Stein. Man scheuchte Gesindel und
allerlei Laster und Verbrechen auf. Der Stein blieb
verschwunden.
Da beantragte Mohammed, man möchte in den Palästen der
Reichen und Vornehmen die Untersuchung fortsetzen.
»Bei Lat und Uzza,« erstaunte Otba, der Emir, »ich finde
des Jünglings Rat vorlaut angebracht und übel gegeben. Die
Sklaven werden rebellieren, es wird ihnen der Kamm schwellen,
wenn sie erfahren, daß man Herren ebenso behandelt wie
Knechte, Edle wie Niedre, Reiche wie Arme. Unsere Macht beruht
auf den Privilegien unserer Kaste. Sind wir so närrisch, uns
dieser Privilegien freiwillig zu begeben? Wir verdienten,
gepeitscht zu werden wie der dicke Grieche, der sich zum
Stranden künftiges Mal eine andere Küste aussuchen wird als
die unsere.«
Otba schmetterte ein Gelächter in den Raum, als schütte er
einen Sack Nüsse auf die Steinfliesen.
Da erhob sich Iblis, der Böse, in Gestalt eines vornehmen
Kureischiten und sprach:
»Glück und Seligkeit auf deinen Samen, Otba. Du bist mir
lieb wie Vater und Mutter: ich gebe meine Geliebte und mein
schönstes Kamel für dich hin – gestatte mir aber, in
Freundschaft und Verehrung zu bemerken, daß ich Mohammeds Rat
gerecht und so arg nicht achte. Nur bin ich der Meinung, im
Hause der Chadidjeh, bei welcher Mohammed, ihr Gatte, wohnt,
mit der Untersuchung zu beginnen.«
Iblis zwinkerte mit seinem einen Auge. Um die Stelle, wo
sich beim Menschen ein zweites Auge zu befinden pflegt, hatte
er ein rotes Tuch geschlungen, indem er vorgab, an einem
Augenübel zu leiden.
Otba, der Emir, erhob seinen Blick und ließ ihn lang auf
Iblis ruhen. Dann strich er sich über die braune gefurchte
Stirn und schwang eine kleine silberne Schelle.
Zwei schwarze Sklaven sprangen, voll tierischer Demut wie
Kaninchen, an Otba empor, mit gesteiften Ohren und halb
offenen Lippen seines Winkes gewärtig.
»Man untersuche das Haus der Chadidjeh, der Gattin des
Mohammed, Neffen des Abu Talib, nach dem schwarzen Stein.«
Chadidjeh empfing am Tore die Boten des Rates.
»Herrin,« sagte der erste, »verzeiht, daß wir Euch
Ungelegenheiten bereiten. Es ist unsere Pflicht.«
»Tut nur, was euch befohlen,« lächelte Chadidjeh, »das
ganze Haus steht euch offen. Nur bitte ich euch, mit jenem
Glasschrank vorsichtig zu verfahren, der meine Vasen enthält,
daß ihr nichts zerbrecht. Ich habe erst neulich von jenem
griechischen Kaufmann, den ihr so übel zugerichtet, einige
kostbare Gläser erworben, die nach einer sonderbaren, mir
unbekannten Manier hergestellt sind. Fremde Götter schweben
darauf mit fremden Tieren und haben Harfen und Schalmeien in
den Händen. Achtet ihrer gut!«
Chadidjeh zog sich in ihr innerstes Gemach zurück.
Die Boten durchsuchten das Haus, ernst und unmutig, von den
Neckereien der Mägde verspottet.
»Ihr da!« zwitscherten sie und bespritzten die Diener der
Gerechtigkeit kreischend mit Wasser, »wenn wir schon Diebe
sind – was seid denn ihr dann, bärtige Unholde! Schäbige
Schlucker!«
Als sie in das Schlafzimmer Mohammeds drangen, fanden sie
den schwarzen Stein unter seinem Kopfkissen.
Die Mägde erblaßten.
Chadidjeh sank ohnmächtig an einer Säule nieder.
Mohammed ward des Diebstahls am Heiligtum der Kureischiten
angeklagt.
Er trat mit freier Stirne vor die Richter und sprach:
»Erhabener Emir! und ihr ändern! meine Brüder und Freunde!
Erhebt euch nicht zum Richter über den, der vor euch steht. Er
bedarf des Richters nicht, da er sich selbst zum Richter
gesetzt. Der jeden Tag, ach jede Stunde mit sich hadert und
rechtet, den einen Gott wie die Gazelle das Wasser sucht, und
seines unwürdigen Wesens oft keinen Rat, seiner dunklen Furcht
oft keine Zuflucht weiß. Vernehmt die Wahrheit Mohammeds und
seinen Traum der Wirklichkeit: Mohammed kam nicht zum Stein,
der heilige Stein kam zu Mohammed, auf daß geoffenbaret werde
die Gesandtschaft und Sendung Mohammeds. Schwört ab der Götzen
Lat und Uzza und zerschlagt ihre Standbilder mit Hammer und
Keule!
Es gibt nur eine Gerechtigkeit! Sprecht sie, Richter! Es
gibt nur eine Güte! Übt sie, Menschen! Es gibt nur einen
Geist: er ist gezeugt von keinem Vater, er ist geboren von
keiner Mutter. Er weht im Winde: so lauscht ihm denn. Er
strahlt im Lichte: so seht ihn denn. Glaubt dem Wunder des
Steines! Allah il Allah! Es ist nur ein Gott, und Mohammed ist
sein Prophet!«
Da verwunderten sich die Richter, und Otba sprach:
»Er ist voll Hochmut und Trotz und voll verworrener Reden.
Auch scheint mir schmachvoll, daß er seines Volkes Götter
beschimpft. Aber, bei Lat und Uzza, ich sehe auf seine Stirn
und finde keine Schuld an ihm.«
Iblis, der Einäugige, biß sich auf die Lippen.
»Man kramte den Stein aus seinem Bett: wer stahl ihn
sonst?«
»Jemand, der Mohammed übel will und ihm mit List nach Ehre
und Leben trachtet«, sprach Abu Talib.
Iblis zuckte mit seinem Auge. Abu Talib fuhr fort: »Ich
kenne Mohammed gut, ich bin sein Ohm: er ist ein schlechter
Kaufmann, aber der wahrhaftigste Mensch. Bahirah, der Mönch,
schon nannte ihn den Gesandten Gottes. Das Volk aber nennt ihn
Al Emin, ›den Treuen‹, denn niemand fand je ein Fehl an ihm.«
Da trat der Gerichtshof zusammen, und sie sprachen ihn des
Diebstahls am Heiligtum frei, verurteilten ihn aber wegen
Beleidigung der alten Götter der Kureischiten zu hundert
Dirhem Geldstrafe.
In einer goldenen Kassette, die sie ihm zum Geschenk
machte, trug Chadidjeh selbst am nächsten Tage das Geld zu
Otba.
Auf dem Brunnenrande der Kaaba sonnte sich Tag für Tag eine
große giftige Schlange, die sich gegen jeden, der sich ihr
näherte, zischend erhob. Am Abend kroch sie in den Brunnen
zurück, wo man ihr Fleisch hinabwarf, sie zu besänftigen.
Man wagte nicht, den heiligen Stein an seinem Orte wieder
einzufügen, solange die giftige Schlange ihn argwöhnisch
bewachte.
Mohammed aber stand auf und predigte: »Die grüne Schlange
haben euch Lat und Uzza, eure Götzen, und Iblis, der Böse,
geschickt, damit der heilige Stein nicht wieder zu seiner
Stätte komme. Gestattet, daß ich mich der Schlange nähere und
ihr das Haupt abschlage.«
Sie aber hatten Furcht vor der Rache der Schlange und ihrer
Götzen und schrien:
»Nein, wir wollen sie weiter füttern mit erlesenen Speisen,
damit wir sie versöhnen.«
Und sie warfen eines Tages ein Kind in den Brunnen, welches
die Schlange fraß.
Da schlich sich Mohammed des Nachts zu ihr und erschlug
sie, während sie schlief, mit einem Stein.
Als nun das Heiligtum wieder eingemauert werden sollte,
entstand Streit unter den Kureischiten, welchem Stamme die
Ehre zuteil würde, die Mauerung des schwarzen Steines zu
vollziehen.
Sie brachten Schalen mit Blut und schlössen Bündnisse
gegeneinander, schlugen die Trommeln und Pauken und bliesen
mit den Flöten und Trompeten.
Die Fackel des Krieges glänzte schon fern über den Nächten.
Mohammed aber trat vor die Kureischiten und sprach:
»Reicht mir ein goldenes Tuch!«
Und sie reichten es ihm.
Da legte er den schwarzen Stein auf das goldene Tuch und
ließ jede Ecke des Tuches von einem aus den vier Stämmen der
Kureischiten halten.
So trugen die vier Stämme der Kureischiten gemeinsam den
heiligen Stein an seinen Platz.