Mohammed
Mohammed - Roman eines Propheten (Klabund)

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1917 n.Chr.

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Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Autor Historisches mit Märchen vermischt hat, so dass der Inhalt nicht authentisch ist. Er hilft aber das Verständnis der Zeit über Islam nachzuvollziehen.

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Der schwarze Stein

Durch Mekka scholl der Klagegesang der Kureischiten.

Man verdächtigte einen griechischen Kaufmann, dessen Schiff bei Djidda gestrandet war, des Diebstahls. Der Grieche beteuerte unter fünfundzwanzig Peitschenhieben heulend seine Unschuld.

Man suchte in allen Häusern der alten Stadt und in den Armenquartieren nach dem Stein. Man scheuchte Gesindel und allerlei Laster und Verbrechen auf. Der Stein blieb verschwunden.

Da beantragte Mohammed, man möchte in den Palästen der Reichen und Vornehmen die Untersuchung fortsetzen.

»Bei Lat und Uzza,« erstaunte Otba, der Emir, »ich finde des Jünglings Rat vorlaut angebracht und übel gegeben. Die Sklaven werden rebellieren, es wird ihnen der Kamm schwellen, wenn sie erfahren, daß man Herren ebenso behandelt wie Knechte, Edle wie Niedre, Reiche wie Arme. Unsere Macht beruht auf den Privilegien unserer Kaste. Sind wir so närrisch, uns dieser Privilegien freiwillig zu begeben? Wir verdienten, gepeitscht zu werden wie der dicke Grieche, der sich zum Stranden künftiges Mal eine andere Küste aussuchen wird als die unsere.«

Otba schmetterte ein Gelächter in den Raum, als schütte er einen Sack Nüsse auf die Steinfliesen.

Da erhob sich Iblis, der Böse, in Gestalt eines vornehmen Kureischiten und sprach:

»Glück und Seligkeit auf deinen Samen, Otba. Du bist mir lieb wie Vater und Mutter: ich gebe meine Geliebte und mein schönstes Kamel für dich hin – gestatte mir aber, in Freundschaft und Verehrung zu bemerken, daß ich Mohammeds Rat gerecht und so arg nicht achte. Nur bin ich der Meinung, im Hause der Chadidjeh, bei welcher Mohammed, ihr Gatte, wohnt, mit der Untersuchung zu beginnen.«

Iblis zwinkerte mit seinem einen Auge. Um die Stelle, wo sich beim Menschen ein zweites Auge zu befinden pflegt, hatte er ein rotes Tuch geschlungen, indem er vorgab, an einem Augenübel zu leiden.

Otba, der Emir, erhob seinen Blick und ließ ihn lang auf Iblis ruhen. Dann strich er sich über die braune gefurchte Stirn und schwang eine kleine silberne Schelle.

Zwei schwarze Sklaven sprangen, voll tierischer Demut wie Kaninchen, an Otba empor, mit gesteiften Ohren und halb offenen Lippen seines Winkes gewärtig.

»Man untersuche das Haus der Chadidjeh, der Gattin des Mohammed, Neffen des Abu Talib, nach dem schwarzen Stein.«

Chadidjeh empfing am Tore die Boten des Rates.

»Herrin,« sagte der erste, »verzeiht, daß wir Euch Ungelegenheiten bereiten. Es ist unsere Pflicht.«

»Tut nur, was euch befohlen,« lächelte Chadidjeh, »das ganze Haus steht euch offen. Nur bitte ich euch, mit jenem Glasschrank vorsichtig zu verfahren, der meine Vasen enthält, daß ihr nichts zerbrecht. Ich habe erst neulich von jenem griechischen Kaufmann, den ihr so übel zugerichtet, einige kostbare Gläser erworben, die nach einer sonderbaren, mir unbekannten Manier hergestellt sind. Fremde Götter schweben darauf mit fremden Tieren und haben Harfen und Schalmeien in den Händen. Achtet ihrer gut!«

Chadidjeh zog sich in ihr innerstes Gemach zurück.

Die Boten durchsuchten das Haus, ernst und unmutig, von den Neckereien der Mägde verspottet.

»Ihr da!« zwitscherten sie und bespritzten die Diener der Gerechtigkeit kreischend mit Wasser, »wenn wir schon Diebe sind – was seid denn ihr dann, bärtige Unholde! Schäbige Schlucker!«

Als sie in das Schlafzimmer Mohammeds drangen, fanden sie den schwarzen Stein unter seinem Kopfkissen.

Die Mägde erblaßten.

Chadidjeh sank ohnmächtig an einer Säule nieder.

Mohammed ward des Diebstahls am Heiligtum der Kureischiten angeklagt.

Er trat mit freier Stirne vor die Richter und sprach:

»Erhabener Emir! und ihr ändern! meine Brüder und Freunde! Erhebt euch nicht zum Richter über den, der vor euch steht. Er bedarf des Richters nicht, da er sich selbst zum Richter gesetzt. Der jeden Tag, ach jede Stunde mit sich hadert und rechtet, den einen Gott wie die Gazelle das Wasser sucht, und seines unwürdigen Wesens oft keinen Rat, seiner dunklen Furcht oft keine Zuflucht weiß. Vernehmt die Wahrheit Mohammeds und seinen Traum der Wirklichkeit: Mohammed kam nicht zum Stein, der heilige Stein kam zu Mohammed, auf daß geoffenbaret werde die Gesandtschaft und Sendung Mohammeds. Schwört ab der Götzen Lat und Uzza und zerschlagt ihre Standbilder mit Hammer und Keule!

Es gibt nur eine Gerechtigkeit! Sprecht sie, Richter! Es gibt nur eine Güte! Übt sie, Menschen! Es gibt nur einen Geist: er ist gezeugt von keinem Vater, er ist geboren von keiner Mutter. Er weht im Winde: so lauscht ihm denn. Er strahlt im Lichte: so seht ihn denn. Glaubt dem Wunder des Steines! Allah il Allah! Es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein Prophet!«

Da verwunderten sich die Richter, und Otba sprach:

»Er ist voll Hochmut und Trotz und voll verworrener Reden. Auch scheint mir schmachvoll, daß er seines Volkes Götter beschimpft. Aber, bei Lat und Uzza, ich sehe auf seine Stirn und finde keine Schuld an ihm.«

Iblis, der Einäugige, biß sich auf die Lippen.

»Man kramte den Stein aus seinem Bett: wer stahl ihn sonst?«

»Jemand, der Mohammed übel will und ihm mit List nach Ehre und Leben trachtet«, sprach Abu Talib.

Iblis zuckte mit seinem Auge. Abu Talib fuhr fort: »Ich kenne Mohammed gut, ich bin sein Ohm: er ist ein schlechter Kaufmann, aber der wahrhaftigste Mensch. Bahirah, der Mönch, schon nannte ihn den Gesandten Gottes. Das Volk aber nennt ihn Al Emin, ›den Treuen‹, denn niemand fand je ein Fehl an ihm.«

Da trat der Gerichtshof zusammen, und sie sprachen ihn des Diebstahls am Heiligtum frei, verurteilten ihn aber wegen Beleidigung der alten Götter der Kureischiten zu hundert Dirhem Geldstrafe.

In einer goldenen Kassette, die sie ihm zum Geschenk machte, trug Chadidjeh selbst am nächsten Tage das Geld zu Otba.

Auf dem Brunnenrande der Kaaba sonnte sich Tag für Tag eine große giftige Schlange, die sich gegen jeden, der sich ihr näherte, zischend erhob. Am Abend kroch sie in den Brunnen zurück, wo man ihr Fleisch hinabwarf, sie zu besänftigen.

Man wagte nicht, den heiligen Stein an seinem Orte wieder einzufügen, solange die giftige Schlange ihn argwöhnisch bewachte.

Mohammed aber stand auf und predigte: »Die grüne Schlange haben euch Lat und Uzza, eure Götzen, und Iblis, der Böse, geschickt, damit der heilige Stein nicht wieder zu seiner Stätte komme. Gestattet, daß ich mich der Schlange nähere und ihr das Haupt abschlage.«

Sie aber hatten Furcht vor der Rache der Schlange und ihrer Götzen und schrien:

»Nein, wir wollen sie weiter füttern mit erlesenen Speisen, damit wir sie versöhnen.«

Und sie warfen eines Tages ein Kind in den Brunnen, welches die Schlange fraß.

Da schlich sich Mohammed des Nachts zu ihr und erschlug sie, während sie schlief, mit einem Stein.

Als nun das Heiligtum wieder eingemauert werden sollte, entstand Streit unter den Kureischiten, welchem Stamme die Ehre zuteil würde, die Mauerung des schwarzen Steines zu vollziehen.

Sie brachten Schalen mit Blut und schlössen Bündnisse gegeneinander, schlugen die Trommeln und Pauken und bliesen mit den Flöten und Trompeten.

Die Fackel des Krieges glänzte schon fern über den Nächten.

Mohammed aber trat vor die Kureischiten und sprach:

»Reicht mir ein goldenes Tuch!«

Und sie reichten es ihm.

Da legte er den schwarzen Stein auf das goldene Tuch und ließ jede Ecke des Tuches von einem aus den vier Stämmen der Kureischiten halten.

So trugen die vier Stämme der Kureischiten gemeinsam den heiligen Stein an seinen Platz.

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