Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

54. Brief – An Talha und Zubair

An Talha und Zubair (mit Imran ibn al-Husain al-Chuza´i ). Abu Dschafar al-Askani erwähnte ihn im Buch “al-Maqamat“ über die Tugenden des Befehlshaber der Gläubigen.

Im folgenden, so wisst ihr beide, auch wenn ihr es vertuscht habt, dass ich die Leute nicht (anführen) wollte, bis sie mich (als Imam) wollten, und ich habe sie nicht den Treueid leisten lassen, bis sie mir den Treueid (aus freien Stücken) leisteten. Ihr beide gehörtet zu denen, die mich wollten und mir den Treueid leisteten, und sicherlich, die einfachen Leute haben mir weder aufgrund überwältigender Gewalt geschworen noch wegen eines (finanziellen) Angebots, das unterbreitet wurde. Wenn ihr beide mir freiwillig den Treueid geleistet habt, so kehrt um und nehmt alsbald Reue bei Allah. Wenn ihr mir aber unfreiwillig den Treueid geleistet habt, dann habt ihr mir einen Grund geliefert (gegen euch tätig zu werden), indem ihr offen Gehorsam demonstriert, aber euren Ungehorsam verhehlt habt. Und bei meinem Leben, ihr seid nicht berechtigter, Verstellung [taqiyya] und Verbergen zu betreiben als die Auswanderer [muhadschirin]. Es wäre einfacher für euch gewesen, wenn ihr dieses Sache abgelehnt hättet, bevor ihr euch darauf (auf den Treueid) eingelassen habt, als daraus auszutreten, nachdem ihr sie bekräftigt habt.

Ihr habt behauptet, dass ich Uthman getötet hätte, (so soll der entscheiden) zwischen mir und euch, der in Gegnerschaft sowohl zu mir als auch zu euch stand von den Bewohnern Medinas. Dann soll jeder Mann das ertragen in dem Maße, wie (seine Verwicklung darin) wahrscheinlich ist. So nehmt dann von eurer Sicht Abstand, ihr beiden altgedienten Männer, bevor die Schande und das Feuer miteinander einhergehen, denn jetzt ist das Größte an eurer Sache die Schande,

und Frieden (sei mit euch).

Erläuterung

Imran ibn al-Husain al-Chuza´i war ein hochrangiger Gefährte (des Propheten), der sich durch Gelehrsamkeit und Verdienste auszeichnete, und er war sehr umsichtig in der Übermittlung von Überlieferungen. Er nahm den Islam im Jahr (der Schlacht) von Chaibar an und nahm an Verteidigungsschlachten mit dem Propheten (s.) teil. Er wurde mit der Position des Richters in Kufa geehrt und starb in Basra 52. n.d.H.. Eine der authentischen Überlieferungen, die von Imran ibn al-Husain über den Befehlshaber der Gläubigen (a.) übermittelt wurden, ist folgende:

„Der Gesandte Allahs erhob sich und entsandte eine Armee unter dem Kommando von Ali ibn Abu Talib. Von der Fünftelabgabe [chums], die er erhalten hatte, nahm er eine Sklavin für sich (die er ehelichte). Das gefiel einigen seiner Gefährten nicht, und sie entschlossen, sich bei dem Propheten (s.) darüber zu beschweren. Bei ihrer Rückkehr gingen sie zum Propheten, und einer von ihnen stand auf und sagte: „Oh Gesandter Allahs, siehst du nicht, dass Ali das und das tat?“ Der Prophet wandte sein Gesicht ab von ihm. Wieder stand ein anderer auf und äußerte die gleiche Beschwerde, doch der Prophet wandte (ebenfalls) sein Gesicht von ihm ab. Wiederum stand ein weiterer auf und wiederholte, was seine beiden anderen Gefährten gesagt hatten und bekam die gleiche Reaktion. Dann stand ein Vierter auf und sprach wie seine Vorredner. Der Prophet (s.) wandte sich dann zu ihnen, und auf seinem Gesicht waren Anzeichen von Ärger. Er sagte: „Was wollt ihr, dass ich mit Ali tue?“, und er wiederholte es dreimal. „Wahrlich, Ali ist von mir, und ich bin von ihm, und nach mir ist er der Anführer aller Gläubigen.“[1]

Imam Ali (a.) wendet sich an die beiden altgedienten Gefährten des Propheten Muhammad (s.) die Männer mit Reichtum und sonstigen Mitteln waren, mit einem großen Stamm und Gemeinschaft. Er fragt, warum sie es nötig hätten, dieses doppelte Spiel zu treiben, die wahren Gefühle im Herzen zu verbergen, da sie Gehorsam demonstriert und widerwillig und unter Abscheu den Treueid geleistet hatten. Wenn jemand anderes, der schwach und hilflos ist, sagen würde, dass er gezwungen war, den Treueid zu leisten, könnte das bis zu einem gewissen Grad akzeptiert werden. Das war aber bei diesen beiden nicht der Fall, so dass Imam Ali (a.) ihnen auch die Berechtigung zur Verstellung [taqiyya] abspricht.

Die Verstellung [taqiyya] ist eine im Islam erlaubte Methode zur Verheimlichung des eigenen religiösen Bekenntnisses, wenn das eigene bzw. anderes Leben oder der Bestand des Islam bedroht ist. Da Letzteres nach übereinstimmender Meinung der Gelehrten nur in der Anfangszeit des Islam der Fall war, ist nur noch die Bedrohung von Leben die Ausnahmesituation, in der ein Muslim seinen Glauben öffentlich verleugnen und damit lügen darf, was ihm sonst strengstens verboten ist.

Einer der Ersten, der die Verstellung im Islam angewandt hatte, war Ammar ibn Jassir, als vor seinen Augen seine Mutter Sumayya und sein Vater Jasir ermordet wurden, weil sie nicht bereit waren, dem Islam abzuschwören, und er tat es, um sein Leben zu retten. Der Heilige Qur´an erlaubt dieses in diesem eine Sonderfall ausdrücklich[2]. Ein weiteres Beispiel sind Said ibn Zaid und Fatima bint Chattab, die nach ihrer Heirat ihrem gemeinsamen Übertritt zum Islam vor ihrem Bruder Umar ibn Chattab geheim hielten, weil sie befürchteten, von diesem getötet zu werden.

Die Verstellung bezieht sich nicht auf den Islam allein und wurde auch vorher von gottesehrfürchtigen Menschen angewandt. So erzählt die Bibel von Petrus, wie er in der Nacht der Kreuzigung seinen Glauben gleich mehrfach verleugnet hatte, um sein Leben zu retten, wie es ihm Jesus (a.) vorhergesagt bzw. nach islamischer Vorstellung ihn sogar damit beauftragt hatte. Behauptungen, die Verstellung sei eine grundsätzlich Erlaubnis an Muslime, gegenüber Nichtmuslimen in allen Bereichen zu lügen, stammen aus den Federn von Orientalisten, entbehren aber jeglicher Grundlage und dienen lediglich als Todschlagargument, um den konstruktiven Dialog zu verhindern, der den Beruf des Orientalisten überflüssig werden lassen könnte. Im hier genannten Fall lagen für Talha und Zubair keine der Rechtfertigungen vor, so dass es nicht akzeptabel war, dass sie einerseits Imam Ali (a.) den Treueid geschworen und dann andererseits ihn zusammen mit Aischa auf dem Schlachtfeld bekämpft hatten.

[1] “Al-Dschami´ Sahih“ von Tirmidhi, Band 5, S. 632; “Musnad“ von Ahmad ibn Hanbal, Band 4, S. 437-438; “Musnad“, von Abu Dawud at-Tayalisi, S. 111; “al-Mustadrak” von al-Hakim, Band 3. S. 110-111; “Hilya al-Auliya” von Abu Nu´aim, Band 6, S. 294; “Tarich al-Islam“ von Dhahabi, Band 2, S. 196; “Tarich“ von Ibn Kathir, Band 7, S. 345; “Usd al-Ghaba“, Ibn al-Athir, Band 4, S. 27, “al-Isaba“ von Ibn Hadschar, Band 2, S. 509

[2] Vgl. 16:106

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