Nahdsch-ul-Balagha - Pfad
der Eloquenz
In
dieser (Predigt) beschreibt er (a.) seine Zeit (in der man
nach ihm rief) als (Zeit) der Tyrannei, teilt die Menschen in
fünf Gruppen ein, dann entsagt er der Welt.
Ihr Menschen, wir sind in eine
starrsinnige und undankbare Zeit gekommen, in der das
Schlechte als gut betrachtet wird und der Unterdrücker an
Arroganz zunimmt. Wir machen keinen Gebrauch von dem, was wir
wissen, und wir fragen nicht danach, was wir nicht wissen. Wir
fürchten nicht die Katastrophe, bis sie über uns hereinbricht.
Und die Menschen bestehen (zunächst) aus vier Gruppen:
Unter ihnen ist der, der die Verderbtheit
auf Erden nicht (meidet und nicht) verwehrt, außer (dadurch,
dass) er selbst erniedrigt wird, (dass) die Klinge (des
Schwertes, mit der er Unheil anrichten könnte) stumpf ist und
(dass) spärliche Geldmittel vorliegen (die ihn im Anrichten
von Unheil begrenzen).
Unter ihnen ist der, der sein Schwert
gezückt hat, öffentlich Schlechtes tut und seine Kavallerie
und Fußvolk herbeischafft. Er hat sich (dem Anhäufen von
Reichtum) gewidmet, ruinierte seine Religion, um der Trümmer
des Vergänglichen willen oder für eine Reiterschaft, die er
anführt, oder für eine Kanzel, die er besteigt. Wie schlecht
ist doch das Handelsgeschäft, wenn du diese Welt als Preis für
deine Seele erachtest und als Ersatz für das, was bei Allah
für dich bereitliegt!
Unter ihnen ist jemand, der nach dieser
Welt trachtet, in dem er Taten vollbringt, die (zwar) für das
Jenseits bestimmt sind, aber er begehrt nicht das Jenseits mit
den Taten für diese Welt. Er beruhigt sich selbst, macht
kleine Schritte, krempelt sein Gewand hoch, schmückt sich (mit
dem Anschein) von Vertrauenswürdigkeit, und er nimmt den
Schutz Allahs als Vorwand zum Sündigen.
Unter ihnen gibt es denjenigen, den die
Schwäche seiner Seele und Knappheit an Mitteln vom Streben
nach Eigentum abgehalten haben. Das beschränkte seinen Zustand
auf den gegenwärtigen (Zustand), und er schmückte (dies) mit
dem Namen „Genügsamkeit“ und zierte sich mit dem Gewand der
Weltentsagenden, doch das hat damit nichts zu tun.
Es bleiben Menschen (als fünfte Gruppe),
die ihre Blicke senken im Gedenken an ihre Rückkehr (zu
Allah), und die Furcht vor der Versammlung (am Jüngsten Tage)
lässt ihre Tränen fließen. Einige sind flüchtig und
unbeständig, andere sind ängstlich und unterdrückt, manche
sind schweigend (wie) geknebelt, (andere) machen aufrichtige
Bittgebete, (manche) sind gramgebeugt durch den Verlust ihrer
Kinder und leidgeprüft, die Verstellung als Schutzmaßnahme [taqiyya]
hat sie unbekannt werden lassen, die Demütigung hat sie
umhüllt, und sie befinden sich in einem Meer mit bitterem
Wasser, ihre Münder sind geschlossen und ihre Herzen
beschwert. Sie haben ermahnt, bis sie müde wurden, sie wurden
überwältigt, bis sie gedemütigt waren und sie wurden ermordet,
bis sie wenig an Zahl waren.
So sollte das Diesseits in euren Augen
geringer sein als die Rinde der Akazie und Wollfetzen. Lasst
euch von denen ermahnen, die vor euch waren, bevor euch die
Anweisungen ereilen, die nach euch kommen. Weist es ab in
Missbilligung, denn es hat bereits (selbst) diejenigen
zurückgewiesen, die entflammter dafür waren als ihr.
Sayyid al-Radhi sagt: Diese Predigt wurde
vielleicht von jemandem, der kein Wissen hatte, Muawiya
zugeschrieben, jedoch gehört sie zu den Worten des
Befehlshabers der Gläubigen (a.), woran kein Zweifel besteht.
Wie (auffallend) ist doch (der Vergleich) zwischen Gold und
Lehm
oder süßem und bitterem Wasser!
Auf diesen Aspekt wurde durch den
scharfsinnigen Beweisführer und weitsichtigen Kritiker Amr ibn
Bahr al-Dschahiz hingewiesen und er kritisierte diese (falsche
Zuschreibung). Er erwähnte diese Predigt im Buch „al-Bayyan wa
Tabyin“, und auch diejenigen, die sie Muawiya zugeschrieben
hat. Dann sprach er über die Redeweise in ihrer Bedeutung und
sagte zusammenfassend: „Diese Predigt passt zu der
Redeweise Alis (a.), wie auch in der Art und Weise, wie er die
Menschen klassifiziert und ihnen (ihre) Unterdrückung,
Demütigung, Verstellung [taqiyya] und Angst mitteilt. Wann
hörten wir Muawiya jemals in seinen Predigten vom Pfad der
Enthaltsamen oder vom Wege der Gottesdiener sprechen?!“
Die Verstellung [taqiyya] ist eine im Islam erlaubte
Methode zur Verheimlichung des eigenen religiösen
Bekenntnisses, wenn das eigene oder anderes Leben oder der
Bestand des Islam unmittelbar bedroht sind. Einer der ersten,
der die Verstellung im Islam angewandt hatte, war Ammar ibn
Yasir. Als vor seinen Augen seine Mutter Sumayya und sein
Vater Yasir ermordet wurden, weil sie nicht bereit waren, dem
Islam abzuschwören, schwor er verbal dem Islam ab, um sein
eigenes Leben zu retten, obwohl er nach wie vor daran glaubte.
Der Heilige Qur´an erlaubt dieses in diesem einen Sonderfall
ausdrücklich.
Ein weiteres Beispiel sind Said ibn Zaid und Fatima bint
al-Chattab, die nach ihrer Heirat ihrem gemeinsamen Übertritt
zum Islam vor ihrem Bruder Umar ibn Chattab geheim hielten,
weil sie befürchteten, sonst von diesem getötet zu werden. Die
Verstellung bezieht sich nicht auf den Islam allein und wurde
auch vorher von gottesehrfürchtigen Menschen angewandt. So
erzählt die Bibel von Petrus, wie er in der Nacht der
Kreuzigung seinen Glauben gleich mehrfach verleugnet hat, um
sein Leben zu retten, wie es ihm Jesus (a.) vorhergesagt hatte
bzw. nach islamischer Vorstellung ihn sogar damit beauftragt
hatte.
Imam Ali(a.)
verdeutlicht in dieser Predigt u.a., wozu die überängstliche
Anwendung dieser Schutzmaßnahme der Verstellung führt: Zum
Verlust der Wahrheit in der Gesellschaft.