Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

Nahdsch-ul-Balagha - Pfad der Eloquenz

32. Predigt – Über die Zeit der Tyrannei

In dieser (Predigt) beschreibt er (a.) seine Zeit (in der man nach ihm rief) als (Zeit) der Tyrannei, teilt die Menschen in fünf Gruppen ein, dann entsagt er der Welt.

Ihr Menschen, wir sind in eine starrsinnige und undankbare Zeit gekommen, in der das Schlechte als gut betrachtet wird und der Unterdrücker an Arroganz zunimmt. Wir machen keinen Gebrauch von dem, was wir wissen, und wir fragen nicht danach, was wir nicht wissen. Wir fürchten nicht die Katastrophe, bis sie über uns hereinbricht. Und die Menschen bestehen (zunächst) aus vier Gruppen:

Unter ihnen ist der, der die Verderbtheit auf Erden nicht (meidet und nicht) verwehrt, außer (dadurch, dass) er selbst erniedrigt wird, (dass) die Klinge (des Schwertes, mit der er Unheil anrichten könnte) stumpf ist und (dass) spärliche Geldmittel vorliegen (die ihn im Anrichten von Unheil begrenzen).

Unter ihnen ist der, der sein Schwert gezückt hat, öffentlich Schlechtes tut und seine Kavallerie und Fußvolk herbeischafft. Er hat sich (dem Anhäufen von Reichtum) gewidmet, ruinierte seine Religion, um der Trümmer des Vergänglichen willen oder für eine Reiterschaft, die er anführt, oder für eine Kanzel, die er besteigt. Wie schlecht ist doch das Handelsgeschäft, wenn du diese Welt als Preis für deine Seele erachtest und als Ersatz für das, was bei Allah für dich bereitliegt!

Unter ihnen ist jemand, der nach dieser Welt trachtet, in dem er Taten vollbringt, die (zwar) für das Jenseits bestimmt sind, aber er begehrt nicht das Jenseits mit den Taten für diese Welt. Er beruhigt sich selbst, macht kleine Schritte, krempelt sein Gewand hoch, schmückt sich (mit dem Anschein) von Vertrauenswürdigkeit, und er nimmt den Schutz Allahs als Vorwand zum Sündigen.

Unter ihnen gibt es denjenigen, den die Schwäche seiner Seele und Knappheit an Mitteln vom Streben nach Eigentum abgehalten haben. Das beschränkte seinen Zustand auf den gegenwärtigen (Zustand), und er schmückte (dies) mit dem Namen „Genügsamkeit“ und zierte sich mit dem Gewand der Weltentsagenden, doch das hat damit nichts zu tun.

Es bleiben Menschen (als fünfte Gruppe), die ihre Blicke senken im Gedenken an ihre Rückkehr (zu Allah), und die Furcht vor der Versammlung (am Jüngsten Tage) lässt ihre Tränen fließen. Einige sind flüchtig und unbeständig, andere sind ängstlich und unterdrückt, manche sind schweigend (wie) geknebelt, (andere) machen aufrichtige Bittgebete, (manche) sind gramgebeugt durch den Verlust ihrer Kinder und leidgeprüft, die Verstellung als Schutzmaßnahme [taqiyya] hat sie unbekannt werden lassen, die Demütigung hat sie umhüllt, und sie befinden sich in einem Meer mit bitterem Wasser, ihre Münder sind geschlossen und ihre Herzen beschwert. Sie haben ermahnt, bis sie müde wurden, sie wurden überwältigt, bis sie gedemütigt waren und sie wurden ermordet, bis sie wenig an Zahl waren.

Enthaltsamkeit vom Diesseits

So sollte das Diesseits in euren Augen geringer sein als die Rinde der Akazie und Wollfetzen. Lasst euch von denen ermahnen, die vor euch waren, bevor euch die Anweisungen ereilen, die nach euch kommen. Weist es ab in Missbilligung, denn es hat bereits (selbst) diejenigen zurückgewiesen, die entflammter dafür waren als ihr.

Sayyid al-Radhi sagt: Diese Predigt wurde vielleicht von jemandem, der kein Wissen hatte, Muawiya zugeschrieben, jedoch gehört sie zu den Worten des Befehlshabers der Gläubigen (a.), woran kein Zweifel besteht. Wie (auffallend) ist doch (der Vergleich) zwischen Gold und Lehm[1] oder süßem und bitterem Wasser!

Auf diesen Aspekt wurde durch den scharfsinnigen Beweisführer und weitsichtigen Kritiker Amr ibn Bahr al-Dschahiz hingewiesen und er kritisierte diese (falsche Zuschreibung). Er erwähnte diese Predigt im Buch „al-Bayyan wa Tabyin“, und auch diejenigen, die sie Muawiya zugeschrieben hat. Dann sprach er über die Redeweise in ihrer Bedeutung und sagte zusammenfassend: „Diese Predigt passt zu der Redeweise Alis (a.), wie auch in der Art und Weise, wie er die Menschen klassifiziert und ihnen (ihre) Unterdrückung, Demütigung, Verstellung [taqiyya] und Angst mitteilt. Wann hörten wir Muawiya jemals in seinen Predigten vom Pfad der Enthaltsamen oder vom Wege der Gottesdiener sprechen?!“

Erläuterung

Die Verstellung [taqiyya] ist eine im Islam erlaubte Methode zur Verheimlichung des eigenen religiösen Bekenntnisses, wenn das eigene oder anderes Leben oder der Bestand des Islam unmittelbar bedroht sind. Einer der ersten, der die Verstellung im Islam angewandt hatte, war Ammar ibn Yasir. Als vor seinen Augen seine Mutter Sumayya und sein Vater Yasir ermordet wurden, weil sie nicht bereit waren, dem Islam abzuschwören, schwor er verbal dem Islam ab, um sein eigenes Leben zu retten, obwohl er nach wie vor daran glaubte. Der Heilige Qur´an erlaubt dieses in diesem einen Sonderfall ausdrücklich[2]. Ein weiteres Beispiel sind Said ibn Zaid und Fatima bint al-Chattab, die nach ihrer Heirat ihrem gemeinsamen Übertritt zum Islam vor ihrem Bruder Umar ibn Chattab geheim hielten, weil sie befürchteten, sonst von diesem getötet zu werden. Die Verstellung bezieht sich nicht auf den Islam allein und wurde auch vorher von gottesehrfürchtigen Menschen angewandt. So erzählt die Bibel von Petrus, wie er in der Nacht der Kreuzigung seinen Glauben gleich mehrfach verleugnet hat, um sein Leben zu retten, wie es ihm Jesus (a.) vorhergesagt hatte bzw. nach islamischer Vorstellung ihn sogar damit beauftragt hatte.

Imam Ali(a.) verdeutlicht in dieser Predigt u.a., wozu die überängstliche Anwendung dieser Schutzmaßnahme der Verstellung führt: Zum Verlust der Wahrheit in der Gesellschaft.[3]

[1] Das Wort, das Sayyid al-Radhi dafür verwendet ist „ragham“, was soviel wie „mit Erde vermischter Sand“ bedeutet.

[2] Vgl. 16:106

[3] Behauptungen, die Verstellung sei eine grundsätzlich Erlaubnis an Muslime gegenüber Nichtmuslimen in allen Bereichen zu lügen, stammen aus den Federn mancher Orientalisten, entbehren aber jeglicher Grundlage und dienen lediglich als Tod­schlag­argu­ment, um den konstruktiven Dialog zu verhindern, der diese Orientalisten der Unwahrheit überführen würde.

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