Nahdsch-ul-Balagha
Pfad der Eloquenz - Nahdsch-ul-Balagha

Aussprache: nah-dschul-balagha
arabisch:
نهج البلاغة
persisch:
نهج البلاغة
englisch: Peak of Eloquence

Mehr zum Thema siehe: Nahdsch-ul-Balagha

109. Predigt – Über die Macht Allahs

(Diese Predigt wurde gehalten als) Erläuterung über die Macht Allahs, Seinen Alleinbesitz der Großartigkeit und die Berufung.

Alles ist Ihm gegenüber demütig, und alles besteht durch Ihn. Er ist die Genüge jedes Armen, die Ehre jedes Erniedrigten, die Stärke jedes Schwachen und die Zuflucht eines jeden Bedrückten. Er hört die Predigt eines jeden, der spricht, und Er kennt das Geheimnis des Schweigenden. Ihm obliegt die Versorgung jedes Lebenden, und wer stirbt, kehrt zu Ihm zurück.

(Oh Allah!) Die Augen haben Dich nicht gesehen, so dass sie wahrhaftig von Dir einen Einblick erhalten könnten, und doch bist Du vor denen aus Deiner Schöpfung, die beschreiben[1]. Du hast die Schöpfung nicht geschaffen wegen Einsamkeit, noch ließest Du sie für (Deinen) Nutzen arbeiten. Keiner kann Dir enteilen, nach dem Du verlangt hast, und wen Du ergriffen hast, der kann Dir nicht entkommen. Wer Dir ungehorsam ist, kann Deine Herrschaft nicht vermindern, und wer Dir gehorsam ist, der kann Deinem Reich nichts hinzufügen. Wer Deinem Richtspruch gegenüber unwillig ist, der kann Deinen Befehl nicht ändern, und wer sich von Deinem Befehl abwendet, kann es nicht ohne Dich. Jedes Geheimnis ist für Dich offen, und alles Abwesende ist für Dich gegenwärtig. Du bist Ewig und hast keinen Endpunkt. Du bist das Ziel, und es gibt kein Entweichen vor Dir. Du bist das Versprechen, es gibt keine Rettung außer bei Dir. In Deiner Hand ist die Stirnlocke jeder Kreatur, und zu Dir ist die Heimkehr eines jeden Lebewesens. Lob sei Dir, wie erhaben ist Deine Stellung! Lob sei Dir, wie großartig ist das, was wir von Deiner Schöpfung sehen! Und wie klein ist alles (uns als) Groß (Erscheinende) im Vergleich zu Deiner Macht! Und wie gewaltig ist das, was wir von Deinem Königreich sehen! Wie armselig ist jenes (von uns sichtbare Königreich) gegenüber dem, was vor uns verborgen ist von Deiner Herrschaft! Und wie überreichlich sind Deine Gnadengeschenke in dieser Welt, und wie klein sind sie (im Vergleich) zu den Gnadengeschenken des Jenseits!

Die geehrten Engel

Die Engel, die Du in Deinen Himmeln hast wohnen lassen, und die Du über die Erde erhoben hast, sind die, die über Dich das meiste Wissen unter den Geschöpfen haben, die am meisten Ehrfurcht vor Dir haben, die Dir am nächsten sind. Sie bewohnten niemals die Lenden, und wurden nicht von Mutterschößen geborgen, und sie wurden nicht aus einer „verächtlichen Flüssigkeit“[2] erschaffen. Zeitvertreib zerstreute sie nicht. Sie sind auf ihrem von Dir (zugewiesenen) Platz und der Stellung (nahe) bei Dir. Ihre Verlangen sind auf Dich konzentriert, ihr Gehorsam Dir gegenüber ist viel, während ihre Nachlässigkeit deinem Befehl gegenüber gering ist. Wenn sie den äußersten Grad von dem wüssten, was ihnen über Dich verborgen ist, würden sie ihre Taten als gering einschätzen und sich selbst tadeln. Denn dann wüssten sie, dass sie Dir nicht mit dem Gottesdienst gedient haben, wie es Dir gebührt, und Dir nicht so gehorsam waren, wie es Dir zusteht.

Die Widerspenstigkeit der Geschöpfe

Gelobt seist Du, Der Schöpfer, der Du bei Deinen Geschöpfen verehrt wirst aufgrund Deiner schönen Prüfungen. Du hast eine Heimstätte (das Paradies) erschaffen, in dem Du ein Festmahl bereitet hast an Trank und Speise, Gatten und Dienern, Palästen, Flüssen, Feldern und Früchten. Dann sandtest du einen Rufer, um dazu einzuladen, aber sie antworteten dem Rufer nicht, sie wünschten nicht das, was Du sie wünschen lassen wolltest, und sie sehnten sich nicht nach dem, was Du sie sehnen lassen wolltest. Sie näherten sich dem Kadaver, wurden durch dessen Verzehr entehrt und wurden verderbt durch die Liebe dazu.

Wer etwas (irdisches) leidenschaftlich liebt, dessen Blick blendet es und macht sein Herz krank, denn er schaut mit ungesundem Auge, er hört mit einem Ohr, das nicht (richtig) hört, die Begierden haben seinen Verstand zerrissen und das Diesseits sein Herz getötet, während doch sein (böses) Selbst sich nach ihm verzehrt! Er ist ihm untertan sowie jedem, der etwas davon besitzt. Er neigt sich dahin, wohin es sich neigt, und er geht ihr entgegen, wo immer es (ihm) entgegenkommt. Er wird von keinem von Allah (gesandten) Beschränkenden eingeschränkt, noch lässt er sich von einem von Ihm (geschickten) Mahner ermahnen. Er sieht die, die in Nachlässigkeit (von Allah) dorthin geholt wurden, von wo aus es weder Rückgängigmachen noch Rückkehr gibt.

Über den Tod

Wie ist doch das (Ableben) über sie hereingebrochen, dessen sie achtlos waren! Die Trennung vom Diesseits kam zu ihnen, vor der sie sich in Sicherheit wähnten, und sie gingen auf das (Verkündete) des Jenseits zu, das ihnen versprochen wurde. Unbeschreiblich ist, was über sie hereinbrach: Todespein und Bedauern über das Vergehen (ihres Lebens) haben sich um sie herum versammelt, und ihre Glieder wurden matt, und die Farbe (ihrer Gesichter) hat sich verändert, dann verstärkte der Tod seinen Eintritt bei ihnen. Bei dem einen steht er furchtbar zwischen ihm und seiner Sprache, während er doch inmitten seiner Familie ist und mit seinen Augen sieht und mit seinem Ohr hört, er ist voll bei seinen Sinnen und bei anhaltendem Verstand. Er denkt darüber nach, wie er ein Leben hat vergehen lassen und womit er seine Zeit verbrachte. Er denkt an die Besitztümer, die er angehäuft hat, bei deren Streben danach er nicht darauf geachtet hatte, ob es verboten [haram] oder erlaubt [halal] war und nahm sie aus ehrlichen und zweifelhaften (Quellen). Die Folgen seines Strebens, ihrer habhaft zu werden, hafteten ihm nun an, und er sah, wie sie sich von ihm trennten. Diese (Besitztümer) blieben für seine Hinterbliebenen, damit sie diese genießen und sich daran erfreuen. Es wird ein angenehmer (Erwerb) für die anderen sein, doch eine Bürde auf seinem Rücken. Er wird sie nicht loswerden können, und er wird sich in seine Hand beißen aus Reue für das, was vor ihm verborgen war von seinen Angelegenheiten in der Zeit seines Todes. Er wird sich von dem enthalten, was er in den Tagen seines Lebens zu wünschen pflegte, und er wird wünschen, dass derjenige, der ihn darum zu beneiden pflegte und auf ihn deswegen eifersüchtig war, es statt ihm erlangt hätte! Der Tod hörte nicht auf, seinem Körper zuzusetzen, bis auch seine Ohren wie seine Zunge sein werden (und ihre Funktion verlieren), und in dieser Lage ist er bei seiner Familie. Er spricht nicht mit seiner Zunge, noch hört er mit seinen Ohren. Er lässt seinen Blick über ihre Gesichter gleiten, sieht die Bewegungen ihrer Zungen, doch hört er nicht das Echo ihrer Worte. Der Tod hat seinen Einfluss auf ihn verstärkt und sein Sehsinn wird ergriffen werden wie sein Gehör, und sein Geist hat seinen Körper verlassen, und er ist ein Kadaver unter seiner Familie geworden. Sie sind von seiner Seite gewichen und haben sich von seiner Nähe entfernt. Er beglückt (und tröstet) keinen Weinenden (mehr), noch antwortet er einem Rufer. Dann trugen sie ihn zu einem kleinen Stück in der Erde und übergaben ihn dort seinen Taten (dass er sie sähe) und hörten auf, ihn zu besuchen.

Die Auferstehung

Wenn das, was geschrieben wurde, seine Frist und die Angelegenheit ihr Maß erreichen und die Späteren der Schöpfung ihre Früheren eingeholt haben und was immer Allah in Erneuerung Seiner Schöpfung will, erstehen wird, wird Er den Himmel hin und herbewegen, ihn spalten und die Erde zum Beben bringen und erzittern lassen. Er wird die Berge entwurzeln und sie zerstäuben, sie werden einander niederwalzen aus Ehrfurcht vor Seiner Macht und Furcht vor Seiner Stärke. Er wird alle herausnehmen, die sich darin befinden, sie erneuern, nachdem sie abgenutzt sind und sie (wieder) sammeln, nachdem sie sich zerstreut haben. Danach wird Er sie aufteilen, wie Er will, und sie nach dem Verborgenen ihrer Taten befragen und nach den geheimen Handlungen. Er wird sie in zwei Gruppen aufteilen, die eine beglücken und die andere bestrafen. Was die Gehorsamen betrifft, so wird Er sie mit Seiner Nähe belohnen und sie ewig in Seinem Hause wohnen lassen, von wo die Bewohner nicht ausziehen werden. Ihr Zustand wird sich nicht ändern, Schrecken wird sie nicht überkommen und Krankheiten werden sie nicht erreichen. Sie werden keinen Gefahren ausgesetzt sein, und sie werden nicht durch Reisen fortgeschickt[3] werden.

Was aber die Ungehorsamen betrifft, so wird Er sie an den schlechtesten Platz bringen, (ihnen) die Hände an die Nacken fesseln, die Stirnlocken mit den Füßen verbinden und sie in Gewänder aus Pech kleiden, die aus Feuer geschnitten wurden, in einer Qual, deren Hitze stark sein wird, und hinter Türen, die ihren Bewohnern verschlossen sind in einem Feuer voller Schreie, Lärm, aufsteigenden Flammen und furchtbarer Stimmen. Seine Insassen werden nicht entkommen, seine Gefangenen nicht ausgelöst und seine Fesseln nicht zerschnitten werden. Es gibt keine Dauer für (diese) Heimstätte, so dass sie vergehen könnte, noch eine Frist für die Leute, die (jemals) verstreicht.

Die Enthaltsamkeit des Propheten (s.)

Er (s.) hatte das Diesseits verachtet und ihm geringen Wert beigemessen. Er betrachtete es als gering und legte keinen Wert darauf. Er (s.) wusste, dass Allah dieses (Diesseits) von ihm speziell abhielt als eine Auszeichnung und es vor anderen ausbreitete als etwas Geringschätziges. So wandte er (s.) sich mit seinem Herzen vom Diesseits ab, tötete seine Erinnerung von seiner Seele und wünschte, dass sein[4] Schmuck vor seinen Augen verborgen bliebe, auf dass er davon keine prächtigen Gewänder bezöge oder hoffe, darauf (ewig) zu verweilen. Er übermittelte von seinem Herrn ein Argument und gab seiner Ummah[5] Ratschläge als ein Warner. Er rief direkt zum Paradies und machte ihnen Furcht vor dem Feuer als Mahner.

Über die Ahl-ul-Bait (a.)

Wir sind der Baum des Prophetentums, der Ruhepunkt der (göttlichen) Botschaft, der Ort, an dem verschiedene Engel herabkamen, die Goldgruben (Quellen) des Wissens und die Quellen der Weisheit. Wer uns unterstützt und liebt, hat die Barmherzigkeit (Allahs) zu erwarten, während das Überkommen (göttlichen Zorns) unsere Gegner erwartet sowie diejenigen, die uns hassen.

Erläuterung

Die Beschreibung der Engel in Imam Alis (a.) Predigten gehören zu den umfassendsten und präzisesten in der islamischen Literatur, wie auch viele andere seiner eloquenten Beschreibungen. Die besondere Bedeutung der Ahl-ul-Bait (a.) wird am Ende der Predigt einmal mehr herausgestrichen mit den positiven und negativen Konsequenzen für diejenigen, welche die Ahl-ul-Bait um Gottes willen lieben und diejenigen, die sie hassen.

[1] Manche Interpreten beziehen das Beschreiben auf Gott, andere auf die Schöpfung.

[2] Die Bezeichnung des menschlichen Samens im Heiligen Qur´an 32:8; 77:20

[3] Nach manchen sinngemäß: .. sie werden nicht durch Reisen belastet werden.

[4] Gemeint: des Diesseits

[5] Islamische Gemeinschaft

 

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