189. Predigt – Über die Überzeugung [iman] und die
Verpflichtung zur Auswanderung
Über die
Überzeugung [iman] und die Verpflichtung zur Auswanderung
Die Überzeugung [iman]
ist das, was sich fest und verankert in den Herzen befindet,
und eins davon ist das, was als Darlehen zwischen den Herzen
und den Brüsten bleibt bis zu einer bestimmten Frist. Und wenn
ihr euch von jemandem befreien wollt, dann wartet, bis der Tod
zu ihm kommt, denn das ist die (zeitliche) Grenze für die
Befreiung.
Die Verpflichtung zur Auswanderung
Die Auswanderung steht immer noch (als
Verpflichtung) an ihrer ersten Position. Allah ist niemandes
unter den Erdenbewohnern bedürftig, der seinen Zustand
verheimlicht, noch dessen, der ihn offen legt. Der Begriff
Auswanderung [hidschra] trifft nur auf jemanden zu, der den
Beweis (Allahs) auf Erden erkannt hat. Wer ihn erkannt und
bekräftigt hat, der ist ein Auswanderer [muhadschir]. Der, zu
dem der Beweis (Allahs) gekommen ist, dessen Ohr ihn gehört
und dessen Herz ihn bewahrt hat, auf den trifft die
Bezeichnung “entrechtet“ [mustadh´af] nicht zu.
Die Schwierigkeit der Überzeugung [iman]
Wahrlich, unsere Sache ist schwer und
kompliziert. Nur ein gläubiger (Gottes-)Diener kann es
aushalten, dessen Herz Allah mit Überzeugung [iman] getestet
hat, und nur vertrauenswürdige Herzen werden unsere
Überlieferungen bewahren sowie (Menschen von) solidem
Verstand.
Oh ihr Menschen, fragt mich, bevor ihr
mich verliert, denn die Wege des Himmels sind mir bekannter
als die Wege der Erde, und bevor ein Unheil auf die Füße
springt, (selbst) auf seine Nasenzügel tritt und den Leuten
den Verstand raubt.
Erläuterung
Im ersten
Teil wird auf ist die Interpretation der Bezeichnungen
Auswanderer [muhadschir] und Entrechteter [mustadh´af]
eingegangen. Im Heiligen Qur´an heißt es dazu:
„Wahrlich,
die – Unrecht gegen sich selbst verübend - von den Engeln
dahingerafft werden, werden diese sprechen: „Wonach strebtet
ihr?“ Sie werden antworten: „Wir waren auf Erden entrechtet.
„Da sprachen Wir: „War Allahs Erde nicht weit genug für euch,
dass ihr darin hättet auswandern können?“ Sie sind es, deren
Aufenthalt die Hölle sein wird, und übel ist die Bestimmung.
Außer nur die Entrechteten unter den Männern, Frauen und
Kindern, die außerstande sind, einen Plan zu fassen oder einen
Weg zu finden. Diese sind es, denen Allah bald vergeben wird,
denn Allah ist Allvergebend, Allverzeihend.“
Imam Ali (a.)
erläutert hier, dass die Auswanderung [hidschra] nicht nur zur
Lebenszeit des Propheten (s.) verpflichtend war, sondern es
eine andauernde Verpflichtung ist. Diese Auswanderung ist
selbst jetzt verpflichtend, um den Beweis Allahs zu erlangen
und die wahre Religion. Daher, wenn jemand den Beweis Allahs
erreicht und daran geglaubt hat, dann ist er nicht
verpflichtet auszuwandern, selbst wenn er mitten unter den
Ungläubigen seines Ortes lebt. Der Entrechtete [mustadh´af]
hingegen ist jemand, der unter den Ungläubigen lebt und weit
davon entfernt ist, vom Beweis Allahs zu erfahren, und
gleichzeitig nicht in der Lage ist, auszuwandern, um die
Beweise Allahs zu erlangen.
Imam Chomeini
hat den Begriff der Auswanderung in einen noch viel tieferen
Sinn interpretiert, indem er auf die Auswanderung des “Ich“
aus dem eigenen Herzen hinwies, um das Herz dem Geist Gottes
zu überlassen. Eine ähnliche Hinwendung kann auch aus Imam
Alis (a.) Worten herausgelesen werden.
Die Aussage
Imam Alis (a.), dass ihn die Wege des Himmels bekannter seien,
haben Manche Leute dahingehend erklärt, dass sie bedeute, dass
er mit der Passage mit der Erde die weltlichen Angelegenheiten
meint, und mit der Passage über den Himmel die Angelegenheiten
des religiösen Gesetzes und dass der Befehlshaber der
Gläubigen (a.)
sagen will, dass er die Angelegenheiten und Gebote des
religiösen Rechts besser kennt als die weltlichen. Daher
schreibt Ibn Maitham al-Bahrani
in Scharh Nahdsch-ul-Balagha, Band 4, S. 200-201: „Es wird
von Allama al-Wabari überliefert, dass der Befehlshaber der
Gläubigen zu sagen beabsichtigte, dass die Bandbreite seines
religiösen Wissens größer ist als sein Wissen über
Weltliches.“
Aber wenn man
den Kontext in Betracht zieht, dann kann diese Behauptung
nicht als korrekt erachtet werden, weil dieser Satz als
Erklärung bzw. als Ursache des Satzes „Fragt mich, bevor
ihr mich verliert“ betrachtet wurde, und dann kommt die
Prophezeiung über Unheil. Der Satz, der zwischen diesen beiden
auftaucht „denn die Wege des Himmels sind mir bekannter als
die Wege der Erde“ macht die obengenannte Anmerkung
überflüssig, denn die Herausforderung des Befehlshabers der
Gläubigen (a.), ihn alles zu fragen, was man will, ist nicht
allein auf die religiösen Angelegenheiten beschränkt, daher
kann dieser Satz nicht als ursächlich dafür betrachtet werden.
Die Prophezeiung danach über das Auftreten von Unheil hat
nichts zu tun mit den Angelegenheiten des religiösen Gesetzes,
so dass sie als einen Beweis dafür dienen könnte, dass Imam
Ali (a.) mehr Wissen über Religiöses als über Weltliches
hätte. Den klaren Gehalt der Worte zu ignorieren und sie auf
eine Weise zu interpretieren, die nicht zum Anlass passt,
fördert keinen korrekten Geist zutage, wenn aus dem Kontext
die gleiche Bedeutung erwächst, die die Worte offen
vermitteln. Die Aussage Imam Alis (a.) „Fragt mich, was ihr
wollt“, dient auch als Warnung vor den bevorstehenden
Missetaten der Umayyaden, in dem Sinne, dass er sagen wollte
„weil ich die Wege der göttlichen Bestimmung besser kenne
als die Wege der Erde. Dann, selbst wenn ihr mich über Dinge
fragt, die auf der “wohlverwahrten Tafel“ niedergeschrieben
sind und die göttliche Bestimmung betreffen, kann ich es euch
sagen, und jene Sachen betreffend, an denen ihr Zweifel haben
solltet, wird eine ernstliche Intrige auftreten gegen mich,
weil meine Augen mit jenen himmlischen Linien vertraut sind,
die das Auftreten von Ereignissen und Zwietrachten betreffen,
die auf der Erde erscheinen werden. Ihr solltet mich daher
fragen über ihre Details und wie ihr euch davon in Sicherheit
bringen könnt, so dass ihr in der Lage seid, euch zu
verteidigen, wenn die Zeit kommt.“ Diese Bedeutung wird
unterstützt durch die darauffolgenden Aussagen Imam Alis (a.),
die er in Verbindung des Unbekannten äußerte sowie zu dem, was
die Zukunft bezeugte. Daher kommentiert Ibn Abu al-Hadid
diese Aussage des Befehlshabers der Gläubigen (a.)
folgendermaßen:
„Die Aussage
des Befehlshabers der Gläubigen wird durch seine Aussagen über
die zukünftigen Ereignisse, die er nicht einmal oder hundert
mal äußerte, sondern fortlaufend und andauernd, woraus kein
Zweifel besteht, dass alles, was er sagte, auf der Basis von
Wissen und Sicherheit beruhte und nicht auf gut Glück.“
Im
Zusammenhang mit dieser Aussage des Befehlshabers der
Gläubigen (a.) wurde bereits in der 92. Predigt aufgezeigt und
erläutert, dass kaum jemand anderes es wagte, so eine Äußerung
von sich zu geben. Diejenigen, die es dennoch wagten, erlitten
Erniedrigung und Demütigung. Nur Imam Ali (a.) war nach dem
Propheten (s.) in der Lage, alle Fragen zu beantworten und
damit die Aussage zu erfüllen.