Quran im Islam
Der Quran im Islam

Mehr zum Autor siehe: Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai

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Der Quran im Islam

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Allama[1] Sayyid Muhammad Husain Tabatabai wurde 1892 n.Chr. als direkter Nachkomme des Propheten Muhammad (s.)[2] und der Ahl-ul-Bait (a.)[3] in Täbris in einer Gelehrtenfamilie geboren. Im Alter von fünf Jahren verlor er seine Mutter, und mit neun seinen Vater. Sein Vormund gab ihn und seinen jüngeren Bruder in die Obhut eines Dieners und eines Hausmädchens. Kurz nach dem Tod des Vaters wurden sie in die Grundschule eingeschult und besuchten dann das Gymnasium. Schließlich wurde ihre Schuldbildung einem Tutor anvertraut, der Hausbesuche machte; auf diese Weise lernten sie sechs Jahre lang persisch und grundlegende Schulfächer.

1918 n.Chr. begann er mit dem Theologie- und Arabischstudium. Sieben Jahre lang studierte er Grammatik, Rhetorik, Rechtsprechung, Rechtsprinzipien, Logik [mantiq], Philosophie und Theologie. 1925 n.Chr. reiste er als nunmehr 33-jähriger Gelehrter nach Nadschaf, um den Unterricht von Ayatollah Scheich Muhammad Husain Isfahani zu besuchen. Unter seiner Führung nahm er sechs Jahre an einem Kurs der Rechtsprinzipien teil, und vier Jahre an einen Kurs in Rechtsprechung.

Etwa sieben Jahre lang studierte er Rechtsprechung bei Ayatollah Muhammad Husain Naini und führte unter seiner Leitung einen Kurs über die Prinzipien des Gesetzes durch. Er studierte Rechtsprechung auch bei Ayatollah Hudschat Kuhkanari.

Im Bereich der Philosophie hatte er das große Glück, bei dem angesehensten Philosophen jener Zeit, Sayyid Husain Badkubi, studieren zu dürfen. Im Verlauf der sechs Jahre, in denen dieses Studium andauerte, studierte er auch Meisterwerke der Islamischen Geschichte. Aus dem großen Interesse, das sein Lehrer Sayyid Badkubi seiner Erziehung beimaß, um seine Begeisterung für die Philosophie mit einer Bekanntschaft mit einem rigorosen Denkstil zu unterstützen, wies er ihn an, Mathematik zu studieren. Um dieser Anweisung gerecht zu werden, besuchte er den Unterricht von Sayyid Abulghasem Hunsari einem großen Mathematiker. Bei ihm studierte er auch analytisches logisches Denken, und alle Bereiche der traditionellen Mathematik.

Aufgrund von Schwierigkeiten hinsichtlich der Finanzierung seines Lebensunterhalts war er gezwungen 1935 an seinen Geburtsort Täbris zurückzukehren. Dort lebte er gut zehn Jahre, die er als eine Zeit der spirituellen Leere ansah, denn er wurde durch das unvermeidbare Engagement und soziale Kontakte, die mit dem Verdienen des Lebensunterhalts durch Landwirtschaft einhergingen, von Lehre und Nachdenken weitgehend abgehalten.

1946 ließ er diese Situation hinter sich und siedelte in die Gelehrtenstadt Qum über, wo er seine Lehrtätigkeit wieder aufnahm. In Qum begann er zu unterrichten, indem er sich auf die Auslegung [tafsir] des Heiligen Quran, die traditionelle islamische Philosophie und die Theosophie konzentrierte, die dort seit vielen Jahren nicht mehr gelehrt worden war. Seine interessante Persönlichkeit und geistige Erscheinung zogen bald einige der intelligentesten und kompetentesten Studenten an, so dass die Lehren von Mulla Sadra[4] allmählich wieder zu einem Eckpfeiler des traditionellen Lehrplans wurden. Zu seinen bekanntesten Schülern gehörten u.a. Ayatollah Sayyid Mohammed Hussaini Beheschti, der spätere Oberste Richter der Islamischen Republik Iran und Ayatollah Morteza Motahhari, einer der größten Gelehrten und Autoren, dessen Werke auch im Deutschen erhältlich sind.

Allama Tabatabai unternahm häufig Reisen nach Teheran, wo er junge Iraner mit moderner Bildung unterrichtete, denn nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Marxismus in Mode kam, war er einer der wenigen Religionswissenschaftler, der die philosophische Basis des Kommunismus studierte und aus traditioneller Sicht eine Antwort auf den dialektischen Materialismus gab. Es fanden regelmäßige Sitzungen statt, die von einer ausgewählten Gruppe Iraner und in der Herbstzeit von Henri Corbin[5] besucht, und in denen die grundlegendsten und drängendsten geistigen und rationalen Probleme diskutiert wurden. Dabei wurden nicht nur die klassischen Texte göttlicher Weisheit und der Gnosis studiert, sondern auch vergleichende Gnosis, wobei die heiligen Texte der Hauptreligionen wie die Upanischaden, das Johannesevangelium usw. diskutiert und mit dem Sufismus und den gnostischen Doktrinen des Islam verglichen wurden.

Allama Tabatabai gilt als der erste iranische Gelehrte, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Materialismus im Allgemeinen und dem dialektischen Materialismus im Besonderen vom traditionellen Standpunkt aus befasste. Auf diese geistige Auseinandersetzung geht sein wichtiges Werk “Die Prinzipien der Philosophie und die Methode des Realismus“[6] zurück. Dieses Werk, das mit ausführlichen Erläuterungen von Ayatollah Motahhari herausgegeben worden ist und den Weg für eine Reihe anderer ähnlicher Arbeiten bahnte, gilt mittlerweile als Klassiker auf diesem Gebiet.

Zwei bemerkenswerte philosophische Werke haben seinen Ruhm als Kenner der Philosophie, ja, als den Philosophen schlechthin, gefestigt. In einer philosophischen Abhandlung zählt er siebenhundert philosophische Fragen auf, die in der islamischen Philosophie gestellt worden sind, und beweist, dass davon nur zweihundert griechischen Ursprungs sind.[7] Nur eine profunde Kenntnis der beiden philosophischen Traditionen machte das Zustandekommen dieser wissenschaftlichen Abhandlung möglich.

Ein Verdienst anderer Art auf dem Gebiete der Philosophie kommt seinem Werk “Bidayat al-hikma wa nihayat al-hikma“ (Anfang der Philosophie und Ende der Philosophie) zu, indem er versucht, die Fragen der Philosophie aus pädagogischen Gründen geometrisch zu ordnen, d.h., eine bestimmte Reihenfolge der Fragen zu berücksichtigen, so dass die letzteren Fragen aus den ersteren zu erschließen sind.

Durch seine Lehrtätigkeit und sein umfassendes Werk hat er einen großen geistigen Einfluss sowohl auf die moderne als auch auf die traditionelle Gelehrtengeneration ausgeübt. Während sich die meisten Gelehrten mit den Überlieferungswissenschaften insbesondere der Jurisprudenz [fiqh] und den Prinzipien der Jurisprudenz [usul al-fiqh] befassten, versuchte Tabatabai auch die anderen Bereich der traditionellen Wissenschaften, d.h. die rationalistischen Wissenschaften zu beherrschen und zu erforschen. Er war davon überzeugt, dass die überlieferte Offenbarung in keinem Widerspruch zur Vernunft stehe und fast immer durch diese zu erklären sei. Er hielt jedoch nicht am Primat der Vernunft fest, sondern gestand der intuitiven (religiösen) Erkenntnis den höheren Rang zu. Allama Tabatabais zahlreiche Schriften bezeugen seine große Bedeutung für die islamische Welt und die islamischen Wissenschaften.

Die Erforschung des Heiligen Quran war das Kernstück seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. In dreißigjähriger intensiver Arbeit entstand ein 20-bändiger Quran-Exegese in arabischer Sprache, die in seiner Art als einmalig gilt[8]. Er interpretiert den Heiligen Quran aus dem Quran selbst und bringt ihn im Sinne der Ahl-ul-Bait[9] aus sich selbst zum Sprechen[10].

In Unkenntnis der modernen islamischen Werke der Exegese glaubten einige Orientalisten, dass die durchaus anerkennenswerte Arbeit von Rudi Paret einmalig[11] sei, weil er in der Konkordanz zu seiner Übersetzung des Heiligen Quran eine vollständige Beziehung der Parallelstellen vorgenommen habe. Doch diese Methode, die auf eine Prophetenüberlieferung zurückgeht[12], wurde lange vor dem Erscheinen der verdienstvollen Arbeit des deutschen Wissenschaftlers bereits von Allama Tabatabai nicht nur formal, sondern auch inhaltlich angewandt. Im vorliegenden Buch beschreibt er unter anderem auch diese Methode.

Das Buch ist im gewissen Sinne eine Einführung zu seiner sehr umfangreichen Quran-Exegese. Es war ursprünglich im Rahmen eines Projekts zur Veröffentlichung in europäischen Sprachen konzipiert worden[13]. Dieser Schritt sollte nach dem Wunsch Allama Tabatabais zu einem besseren Verständnis der schiitischen Wissenschaftstradition im Ausland dienen. Sein Wunsch wurde nach seinem Ableben in mehreren europäischen Sprachen erfüllt.

[1] Allama ist ein Ehrentitel im Islam, der nur Gelehrten verliehen wird, welche die allerhöchste Stufe des Wissens in mindestens einem bestimmten Lehrgebiet erlangt haben und darüber hinaus als Universalgelehrte gelten.

[2] Abkürzung für „sallalahu alaihi wa alihi wa-sallam“: „Allahs Segnungen und Gruß seien mit ihm und seiner Familie“. Sie wird verwendet für den Propheten Muhammad (s.).

[3] Abkürzung für “alaihi salam“ oder “alaihi salam“: „Der Friede sei mit ihm/ihr“. Sie wird verwendet für die Reinen der Prophetenfamilie (Ahl-ul-Bait) und andere Propheten.

[4] Mulla Sadra (1571-1640 n.Chr.) war ein großer islamischer Gelehrter und Philosoph.

[5] Henry Corbin (1903-1978) war ein Philosoph, Theologe und Professor für Islamische Studien an der Sorbonne in Paris.

[6] Usul-e Falsafa wa Rawesch-e Realism

[7] Festschrift aus Anlass des 400. Geburtstages von Sadr al-Din Schirazi

[8] Al-Mizan fi Tafsir al-Quran

[9] Die Ahl-ul-Bait (Leute des Hauses) sind Prophet Muhammad (s.), seine Tochter Fatima und die Zwölf Imame.

[10] Vgl. Dazu die Aussage Imam Alis (a.) in Nahdsch-ul-Balagha, Predigt 192

[11] Behauptung u.a. in “Zur Koranübersetzung von Rudi Paret, Helmut Gätje, Bustan 6 (1965), Seite 23-26

[12] Aussage des Propheten Muhammad (s.): „Manche Teile des Koran lassen sich durch andere interpretieren.“

[13] Vgl. “Shi'ite Islam” von Allama Sayyid Muhammad Husayn Tabataba'i, State University of New York Press, Albanyi 1975, Seite 240

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