Fünfter Teil
Freitag, 25. Mai
Während des Schlafes hatten wir vergessen, in welcher
unvergleichlichen Nachbarschaft wir uns befinden, und auf
welche Herrlichkeiten unsere elende Herberge zeigt. Die Tür
der Terrasse öffnen und vor sich das Grab der heiligen Fatime
bei Sonnenaufgang liegen sehen, das ist ein selten
ergreifender Anblick: über den ganz mit Korallen besäten
Bäumen, den rotblühenden Granatbäumen, erhebt sich ein Bauwerk
von orientalischer, fast übertriebener Anmut, es glitzert von
oben bis unten wie die Gewänder des Schah-Abbas; goldene
Spitzen, goldene Kuppeln, blaue und rosenrote Spitzbogen;
Türme und Türmchen mit so wechselnden Lichtern, daß sie den
Vögeln der Inseln entlehnt zu sein scheinen; und hinter dem
allen die Ruinen und der leblose Horizont der Einöden.
Die Stadt Koum hatte bei unserer Abreise noch eine andere
Überraschung für uns in Bereitschaft, eine wirkliche
Landstraße liegt vor uns, sie ist gepflastert wie bei uns,
wird von zwei kleinen Gräben und einer Reihe
Telegraphenstangen eingerahmt, sie führt durch die unendlichen
Felder. Und sie erscheint uns als der Gipfel der Zivilisation.
Zwar reicht sie nicht weit, und im Laufe des Tages befinden
wir uns von neuem in der tiefen Wüste, wo der Pfad sich kaum
auf dem Sand, in den glänzenden Salzfeldern, zwischen den
vielen Luftspiegelungen, abzeichnet. Aber unser nächtliches
Quartier, umgeben von Weiden und Platanen, in dem Weiler einer
grünen Oase, hat nichts mehr von der wüsten Karawanserei an
sich, die wir vorzufinden gewohnt sind; dies ist fast eine
Herberge, wie man sie in unseren europäischen Dörfern
antrifft, mit einem Gärtchen, und einem Gitter am Rande des
Weges. Das ganze Land liegt übrigens so zuversichtlich, so
alltäglich da.
Aber trotzdem ist die sich herabsenkende Nacht noch voller
Reize, und man fühlt jetzt, daß die Wüste nicht weit entfernt
sein kann; die Gebetsstunde hat etwas Rührendes in diesem
kleinen Garten unter den Linden und den Weiden, mit seinem
Kuckucksruf und seinem Froschgequak; während die persischen
Katzen mit ihrem langen, seidigen Fell leise in den dunklen
Alleen umherstreichen, knien die Reisenden nieder, oft sieht
man die Armen in ihren baumwollenen Gewändern neben den in
Kaschmir gekleideten Reichen auf ein und demselben Teppich
knien.