Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil

Montag, 7. Mai

Die Sonne ist gerade im Begriff aufzugehen, als wir durch die Löcher unserer Erdmauer einen Blick ins Freie werfen. Eine große Karawane, die soeben angegekommen ist, hat sich auf dem weißbereiften, glitzernden Grase gelagert; die höckerigen Rücken der Kamele, die Spitzen ihrer Sättel heben sich im klaren Osten von dem wunderbar reinen Morgenhimmel ab, und für unsere noch kaum geöffneten Augen geht dies alles zuerst in die zackigen Berge über – und doch liegen diese so fern dort hinten am Ende der weiten Ebene.

Von neuem reiten wir durch die eintönige Wüste dahin, wo einige Asphodelos auftauchen, ihre weißen Blüten ragen über den kleinen grauen oder violetten Blumen auf, denen wir immer wieder begegnen. In der Mittagsstunde, unter den Strahlen einer plötlich sengenden Sonne finden wir an dem bezeichneten Platz unsere verloren geglaubten Tiere und Leute wieder. Aber welch ein trauriger Ort des Wiedersehens ist diese Karawanserei von Khan-Korrah. Nicht das kleinste Dorf in der Umgegend. Inmitten einer großen Einöde, einer Wüste von Steinen, liegt hier nur ein hoher, krenelierter Wall, ein Platz, wo man im Schutze vor den nächtlichen Angriffen hinter Mauern schlafen kann. Gleich am Eingang bedecken ein Dutzend Skelette, die Gebeine von Pferden und Kamelen, und einige kürzlich gestürzte Tiere, auf denen die Geier hocken, den Weg. Riesengroße Hirtenhunde und drei, bis an die Zähne bewaffnete, wild dreinblickende Männer, sind die Wächter dieser Festung, in deren Schatten wir uns für kurze Zeit zum Schlafe niederlegen. Das Innere des Hofes ist mit Unrat, mit den Gerippen der Maultiere bedeckt, die hier den Verwesungsprozeß durchgemacht haben: nach irgendeinem gewaltsamen Marsch sind die Tiere an diesem Platz der Überanstrengung erlegen, und man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie hinauszuwerfen, sondern übergab sie der Obhut der Geier; jetzt zu dieser heißen Tagesstunde sind sie in eine Wolke von Fliegen eingehüllt.

Es wird zweifellos über Nacht frieren, aber in diesem Augenblick ist die Hitze kaum erträglich; und unser Mittagsschläfchen wird durch dieselben blauen Fliegen gestört, die vor unserer Ankunft die verwesten Tiere bedeckten . . .

Nachmittags machen wir einen fünfstündigen Ritt durch die graue Einöde, unter einer bleiernen Sonne, und begeben uns dann in die Karawanserei von Surah, in der Nähe einer alten Festung der Sassaniden, am Fuße der Schneegefilde zur Ruhe.

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