Dritter Teil
Montag, 7. Mai
Die Sonne ist gerade im Begriff aufzugehen, als wir durch
die Löcher unserer Erdmauer einen Blick ins Freie werfen. Eine
große Karawane, die soeben angegekommen ist, hat sich auf dem
weißbereiften, glitzernden Grase gelagert; die höckerigen
Rücken der Kamele, die Spitzen ihrer Sättel heben sich im
klaren Osten von dem wunderbar reinen Morgenhimmel ab, und für
unsere noch kaum geöffneten Augen geht dies alles zuerst in
die zackigen Berge über – und doch liegen diese so fern dort
hinten am Ende der weiten Ebene.
Von neuem reiten wir durch die eintönige Wüste dahin, wo
einige Asphodelos auftauchen, ihre weißen Blüten ragen über
den kleinen grauen oder violetten Blumen auf, denen wir immer
wieder begegnen. In der Mittagsstunde, unter den Strahlen
einer plötlich sengenden Sonne finden wir an dem bezeichneten
Platz unsere verloren geglaubten Tiere und Leute wieder. Aber
welch ein trauriger Ort des Wiedersehens ist diese
Karawanserei von Khan-Korrah. Nicht das kleinste Dorf in der
Umgegend. Inmitten einer großen Einöde, einer Wüste von
Steinen, liegt hier nur ein hoher, krenelierter Wall, ein
Platz, wo man im Schutze vor den nächtlichen Angriffen hinter
Mauern schlafen kann. Gleich am Eingang bedecken ein Dutzend
Skelette, die Gebeine von Pferden und Kamelen, und einige
kürzlich gestürzte Tiere, auf denen die Geier hocken, den Weg.
Riesengroße Hirtenhunde und drei, bis an die Zähne bewaffnete,
wild dreinblickende Männer, sind die Wächter dieser Festung,
in deren Schatten wir uns für kurze Zeit zum Schlafe
niederlegen. Das Innere des Hofes ist mit Unrat, mit den
Gerippen der Maultiere bedeckt, die hier den Verwesungsprozeß
durchgemacht haben: nach irgendeinem gewaltsamen Marsch sind
die Tiere an diesem Platz der Überanstrengung erlegen, und man
hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie hinauszuwerfen,
sondern übergab sie der Obhut der Geier; jetzt zu dieser
heißen Tagesstunde sind sie in eine Wolke von Fliegen
eingehüllt.
Es wird zweifellos über Nacht frieren, aber in diesem
Augenblick ist die Hitze kaum erträglich; und unser
Mittagsschläfchen wird durch dieselben blauen Fliegen gestört,
die vor unserer Ankunft die verwesten Tiere bedeckten . . .
Nachmittags machen wir einen fünfstündigen Ritt durch die
graue Einöde, unter einer bleiernen Sonne, und begeben uns
dann in die Karawanserei von Surah, in der Nähe einer alten
Festung der Sassaniden, am Fuße der Schneegefilde zur Ruhe.