Vierter Teil
Sonntag, 20. Mai
Mourchakar heißt das Dorf, in dem wir diese Nacht
geschlafen haben, und unser Wagen hat Aufsehen erweckt; als er
gestern abend ausgespannt vor der Tür der Karawanserei stand,
sprangen die vom Felde zurückkehrenden Tiere zur Seite, sie
fürchteten sich, ihm zu nahe zu kommen.
Den ganzen Tag sind wir ohne ernste Schwierigkeiten in
scharfem Trab durch diese ziemlich »befahrbare« Wüste über den
alten persischen Boden, über die harte Erde dahingerollt, über
einen Teppich von süßduftenden Blumen, wie wir ihnen seit
Chiraz schon so oft begegnet sind. Die Berge rechts und links
mit ihren Schneegefilden scheinen wir schon zu kennen; ein
großes Gewirr von Felsen, niemals zeigen sie das geringste
Grün, sie erinnern an all die anderen, die sich vor vielen
Tagen als eine eintönige Kette zu beiden Seiten unseres Weges
hinzogen.
Und abends sahen wir in einem Tal eine frische, kleine Oase
liegen, das Dorf ist nicht mehr befestigt, es scheint sich
nicht mehr zu fürchten, wie die anderen Dörfer in den
südlichen Gegenden, es breitet sich im Gegenteil friedlich am
Ufer eines Baches, zwischen den Obstbäumen und den Blumen aus.
Aber welch ein ungewöhnliches Treiben herrscht vor seinem
Eingang, in der Ebene! Es muß irgendeine große Persönlichkeit
sein, die mit einem Gefolge von Satrapen reist: sechs Wagen,
ungefähr zwanzig von den mit rotem Tuch bedeckten Holzkäfigen,
in denen die Frauen auf den Rücken der Maultiere
eingeschlossen sitzen, wenigstens fünfzig Pferde, herrliche
Zelte, die auf dem Gras errichtet sind; und zwischen den
Bäumen hat man Stoffe aufgehängt, sie schließen einen kleinen
Wald ein, augenscheinlich, um den Harem des durchreisenden
Herrn vor den Blicken der Menschen zu schützen. – Man erzählt
uns, es sei ein neuer Vezir, der von Teheran nach Fars
geschickt wird, um diese Provinz zu regieren, und der sich
jetzt auf seinen Posten begibt. Die ganze Karawanserei ist von
seinem Gefolge besetzt, so ist es unnötig, dort nach einem
Raum für uns zu fragen.
Aber niemals haben Dorfbewohner uns so gastfreundlich
empfangen, wie es diese tun, die jetzt einen Kreis um uns
bilden – alle in langen, gemusterten persischen Kleidern, sehr
strammsitzend in der Taille, mit weiten, wallenden Ärmeln, mit
großen Hüten, die man weit zurückschiebt auf dem fast immer
edlen, schönen Kopf. Man streitet sich darum, wer uns sein
Haus öffnet, und wer uns unser Gepäck nachträgt.
Das Lehmzimmerchen, das wir dankend annehmen, liegt auf
einer Terrasse und sieht in einen Obstgarten hinab, der voller
Kirschbäume steht, und durch den die fließenden Bäche
dahinrauschen. Es ist sehr sauber, mit Kalk geweißt und mit
bescheidenen Spiegelmosaiks verziert, die hier und dort in der
Mauer eingelassen sind. Auf dem Kamin, zwischen den
orientalischen Karaffen und den kupfernen Kästchen, hat man
vorjährige Granaten und Äpfel in einer geraden Reihe
hingelegt, ganz so wie es in Frankreich die Bauern tun. Hier
herrscht nicht mehr die einfache Derbheit der südlichen Oasen,
man fühlt sich nicht mehr so weit von der Heimat entfernt;
viele Sachen erinnern fast an die Dörfer bei uns.