Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Sonntag, 20. Mai

Mourchakar heißt das Dorf, in dem wir diese Nacht geschlafen haben, und unser Wagen hat Aufsehen erweckt; als er gestern abend ausgespannt vor der Tür der Karawanserei stand, sprangen die vom Felde zurückkehrenden Tiere zur Seite, sie fürchteten sich, ihm zu nahe zu kommen.

Den ganzen Tag sind wir ohne ernste Schwierigkeiten in scharfem Trab durch diese ziemlich »befahrbare« Wüste über den alten persischen Boden, über die harte Erde dahingerollt, über einen Teppich von süßduftenden Blumen, wie wir ihnen seit Chiraz schon so oft begegnet sind. Die Berge rechts und links mit ihren Schneegefilden scheinen wir schon zu kennen; ein großes Gewirr von Felsen, niemals zeigen sie das geringste Grün, sie erinnern an all die anderen, die sich vor vielen Tagen als eine eintönige Kette zu beiden Seiten unseres Weges hinzogen.

Und abends sahen wir in einem Tal eine frische, kleine Oase liegen, das Dorf ist nicht mehr befestigt, es scheint sich nicht mehr zu fürchten, wie die anderen Dörfer in den südlichen Gegenden, es breitet sich im Gegenteil friedlich am Ufer eines Baches, zwischen den Obstbäumen und den Blumen aus.

Aber welch ein ungewöhnliches Treiben herrscht vor seinem Eingang, in der Ebene! Es muß irgendeine große Persönlichkeit sein, die mit einem Gefolge von Satrapen reist: sechs Wagen, ungefähr zwanzig von den mit rotem Tuch bedeckten Holzkäfigen, in denen die Frauen auf den Rücken der Maultiere eingeschlossen sitzen, wenigstens fünfzig Pferde, herrliche Zelte, die auf dem Gras errichtet sind; und zwischen den Bäumen hat man Stoffe aufgehängt, sie schließen einen kleinen Wald ein, augenscheinlich, um den Harem des durchreisenden Herrn vor den Blicken der Menschen zu schützen. – Man erzählt uns, es sei ein neuer Vezir, der von Teheran nach Fars geschickt wird, um diese Provinz zu regieren, und der sich jetzt auf seinen Posten begibt. Die ganze Karawanserei ist von seinem Gefolge besetzt, so ist es unnötig, dort nach einem Raum für uns zu fragen.

Aber niemals haben Dorfbewohner uns so gastfreundlich empfangen, wie es diese tun, die jetzt einen Kreis um uns bilden – alle in langen, gemusterten persischen Kleidern, sehr strammsitzend in der Taille, mit weiten, wallenden Ärmeln, mit großen Hüten, die man weit zurückschiebt auf dem fast immer edlen, schönen Kopf. Man streitet sich darum, wer uns sein Haus öffnet, und wer uns unser Gepäck nachträgt.

Das Lehmzimmerchen, das wir dankend annehmen, liegt auf einer Terrasse und sieht in einen Obstgarten hinab, der voller Kirschbäume steht, und durch den die fließenden Bäche dahinrauschen. Es ist sehr sauber, mit Kalk geweißt und mit bescheidenen Spiegelmosaiks verziert, die hier und dort in der Mauer eingelassen sind. Auf dem Kamin, zwischen den orientalischen Karaffen und den kupfernen Kästchen, hat man vorjährige Granaten und Äpfel in einer geraden Reihe hingelegt, ganz so wie es in Frankreich die Bauern tun. Hier herrscht nicht mehr die einfache Derbheit der südlichen Oasen, man fühlt sich nicht mehr so weit von der Heimat entfernt; viele Sachen erinnern fast an die Dörfer bei uns.

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