Tausend und ...

Tausend und Ein Tag im Orient

Friedrich von Bodenstedt

Berlin, 1850 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Fünfzehntes Kapitel

Wanderung durch das Paschalick Achalzich

Ein heftiges Gallenfieber, welches mich im Frühsommer aufs Krankenlager warf, und welches die Aerzte in dem trockenheißen Tiflis für unheilbar erklärten, zwang mich, die Hauptstadt wieder auf längere Zeit zu verlassen, um in der stärkenden Gebirgsluft Heilung zu suchen.

Mirza-Schaffy, der die Verschlimmerung meiner Krankheit lediglich den gebrauchten Arzneimitteln zuschrieb, rieth mir, in seiner Gesellschaft den Kronsgarten am Berge Solalaki zu besuchen, und mir dort den Magen mit der Frucht des Maulbeerbaums zu füllen, deren Genuß mein Uebel alsobald verscheuchen würde.

Der Berg Solalaki, einer der schönsten Punkte der Stadt, trägt auf seinem breiten Rücken die Ruinen der alten Veste Narikalé, welche durch eine lange Mauer mit dem ebenfalls in Trümmern liegenden Schlosse Schahi-tacht (Thron des Schah's) in Verbindung steht, und an die schlimmen Zeiten erinnert, wo Georgien noch unter der grausamen Herrschaft der Perserkönige zitterte.

Von den Höhen des Berges Solalaki erfreut man sich einer Aussicht, welche die vom Davidsberge noch an Großartigkeit übertrifft. Von hier übersieht man die große Ebene Didubeh, unten, zwischen dem Kyros und dem Bergrücken von Soganlug breiten sich die schönsten Gärten von Tiflis aus. Vor allem aber macht der von hohen Mauern beherrschte, terrassenförmig sich abstufende Kronsgarten selbst, mit seiner üppigen Vegetation einen zauberhaften Eindruck.

Ich hatte mich schon ganz eingelebt in Tiflis, und dennoch erschien mir Alles, was ich sah, so vollständig fremdartig und ungewohnt, als ich zum Erstenmale nach langer Zeit meine Klause wieder verließ, um mit Mirza-Schaffy die Wallfahrt anzutreten zu den Maulbeerbäumen im Garten des Solalaki.

Es war zwischen sechs und sieben Uhr Morgens. Die Straßen fingen an sich zu beleben, die Werkstätten und Magazine öffneten sich; hier schrieen uns ein paar Droschkenführer, welche mit tief verhüllten Frauen zu den Bädern fuhren, ihr lautes Kabadah! (Platz gemacht!) zu, dort wurde uns der Weg versperrt durch lange, hagere Imerether, welche Lastthiere, beladen mit großen, wassergefüllten Doppelschläuchen vor sich hertrieben – endlich sahen wir die alte Veste Narikalé vor uns aufsteigen, und als wir, um den Weg abzukürzen, eine Reihe stufenförmig aneinanderhängender Häuser überkletterten, fanden wir auf einigen Dächern noch die Bewohnerinnen im tiefen Schlafe unter freiem Himmel, während von andern Dächern eben das Bettzeug weggeräumt wurde.

Im Kronsgarten angekommen, ruhten wir ein wenig aus im Schatten der hohen Nußbäume, denn schon waren die Sonnenstrahlen von gewaltiger Kraft, – und darauf bestieg ich unter Mirza-Schaffy's Hülfe und Anleitung einen Maulbeerbaum, um Heilung zu suchen im Genuß seiner Früchte.

Das Klettern, wie das Hangen und Bangen in den schwankenden Zweigen wurde meinem geschwächten Körper sehr sauer, aber der Weise von Gjändsha bestand darauf, daß ich die Früchte mit eigener Hand pflücken müsse, wenn sie Genesung bringen sollten, und ich mußte mich seinem Willen fügen.

Aber trotz dieser Kur der Weisheit nahm meine Krankheit einen immer schlimmeren Charakter an, und erst einige Wochen später wurde ich vollständig hergestellt in der lieblichen Bergwildniß von Priutina, dem Sommeraufenthalte der kaukasischen Statthalter.

Den freundlichen Einladungen der Statthalterin, Frau von Neidhart, folgend, brachte ich die heißen Monate in Priutina zu, unter anmuthigen Damen, Blumenduft, Bergluft und Waldesgrün, und neu gestärkt an Leib und Seele trat ich von hier aus über Manglis meine Wanderung in's Paschalick Achalzich an. Die Reise wurde, wie die Natur des Weges dies bedingte, zu Pferde gemacht, und meine Begleitung bestand dieses Mal aus Giorgi, meinem Diener, einem schlauen, mit Sprachen und Sitten der transkaukasischen Länder genau bekannten Armenier, und zwei donischen Kosaken als Eskorte.

Der Gebirgspfad, welcher von Priutina nach dem nur wenige Meilen entfernten Manglis führt, ist aller Reize voll. Burgentragende Felswände wechseln ab mit waldumschlungenen Bergen, grünen Schluchten und lieblichen Fernsichten.

Es war schon spät am Tage, als ich mit meinem lanzentragenden Gefolge in Manglis, dem Standquartiere des Tifliser Jägerregiments, ankam. In Abwesenheit des Kommandanten, Oberst Belgard, wurde ich von dem in russischen Diensten stehenden georgischen Fürsten Schalikow aufs freundlichste empfangen. Von dem langen Ritte ermüdet, verschob ich alle weitern Ausflüge bis auf den folgenden Tag, und brachte den Abend in traulicher Unterhaltung mit dem Fürsten und verschiedenen anderen Offizieren zu, welche sich unserer Gesellschaft angeschlossen hatten.

Mein erster Ausflug am folgenden Morgen war ein Ritt durch die sich ziemlich weit ausdehnende Militärkolonie von Manglis. Ich glaubte mich in ein Dorf der reichen Wolgaprovinzen versetzt, so schmuck und sauber sah Alles aus, was meinen Augen begegnete. Die ganz im russischen Geschmack erbauten, blendend weiß angestrichenen Häuser machten inmitten der dunkelbelaubten Berge, die sie von allen Seiten umragten, einen äußerst heitern Eindruck. Jedes Haus war von einem kleinen, zierlich eingezäunten Garten umgeben, auf deren Beeten, wie überall, wo Russenhand die Erde pflegt, der Kohl die erste Rolle spielt. Sehr gut wissend, wie äußerst wenig die russische Regierung im Allgemeinen zur Verpflegung ihrer Heere thut, konnte ich nicht umhin, meine Verwunderung über den Wohlstand, der sich ringsum zeigte, auszudrücken.

»Wenn die Soldaten nichts hätten, als ihren Sold, – antwortete ein mich begleitender Offizier auf meine in obigem Sinne gemachte Aeußerung, – so würden die armen Teufel schwerlich so leben können, wie es hier und in den meisten andern Militärkolonien wirklich der Fall ist. Aber die Kolonisten sind sämmtlich verheirathet, und unter den Frauen giebt es, wie Sie sehen, viele frische, rüstige Wesen; da verdient sich dann Manches nebenbei. Eine lobenswerthe Eigenschaft dieser Weiber ist es, daß sie das also erworbene Geld nicht auf unnützen Flitterstaat, sondern zur Verbesserung ihrer Haushaltung anwenden.«

Wir fanden nach Besichtigung der Militärkolonie, der großen Kaserne und der übrigen Krongebäude noch Zeit, eine Excursion nach den Ruinen des wenige Werst von dem neuen Manglis gelegenen alten Manglis zu machen. Wir ritten vom großen Wege ab, durch einen hohen, schattigen Tannenwald, und gelangten bald auf eine von wildem, üppigem Gesträuch umwachsene, und von hohen, trotzigen Felsen überragte, enge Bergstraße, deren Passage so schwierig war, daß wir sammt unsern am Zügel nachgeführten Pferden, zu verschiedenen Malen beim Ueberklimmen der rauhen Felsblöcke, welche überall den Weg versperrten, stürzten, und leichte Verletzungen davon trugen. Doch wurden wir durch die großartigen Naturschauspiele, die auf jedem Schritte das Auge entzückten, überreichlich für das Ungemach des Weges entschädigt. Uns zur Rechten rollte der reißende Alghet seine schäumenden Wogen, hier die Wurzeln schwankender Gebüsche, dort die moosüberwachsenen Steinmassen wellentrotzender Felsblöcke umrauschend. Bunt schimmerten und leuchteten die Wogen, zitternd das Bild der Mittagssonne und der blumigen Uferrahmen wiederspiegelnd.

Zu unserer Linken hochaufragten, so weit das Auge spähte, gigantische, wunderlich gezackte Felsenmauern, und wo diese von der Natur aufgethürmten Riesenvesten Lücken gelassen, waren sie durch Menschenhand ausgefüllt. Denn nicht immer standen diese fruchtbaren, wasserreichen Thäler, diese schützenden Schluchten so verlassen da, wie heute. Ein mächtiges Geschlecht haus'te einst hier, dessen Thaten noch fortleben in den Sagen Georgiens. Noch stehen die Trümmer der felsaufgethürmten Mauern da, welche das untenwohnende Volk einst gegen die Einfälle der räuberischen Lesghier errichtete; noch hängen, wie riesige Adlernester, die Ruinen alter Burgen und Schlösser an den laubholzgekrönten Bergen. Den Felswänden selbst haben hier die Menschen mit staunenswerthem Fleiße Schutz und Wohnung abgetrotzt. Ganz kleine, hinter dichtem Gebüsch versteckte, unten unerspähbare Oeffnungen führen zu geräumigen, künstlich gemeißelten Höhlen und Gemächern, wovon einige sechs bis acht Fuß Höhe haben und dreißig bis vierzig Fuß tief in die Brust der Berge hineingehauen sind.

Wir kletterten unter unsäglicher Anstrengung die steile Bergwand hinauf, um einige von den wunderbar gezimmerten Wohnungen in der Nähe zu betrachten, bestiegen, als wir in die Schlucht des Alghet zurückgekehrt waren, unsere unten harrenden Rosse, setzten quer durch den reißenden Fluß, und gelangten ein halbes Stündchen später auf dem andern Ufer nach den Ruinen von Manglis, dem Ziele unserer Wanderung.

Von den vielen Gebäuden, welche einst hier gestanden haben sollen, wo zu Wachtang-Gurgasslan's Zeit der Sitz eines georgischen Bischofs war, fand ich nur noch Trümmer zerfallener Mauern, und eine ziemlich wohlerhaltene, ihres hohen Alters wegen merkwürdige Kirche, welche schon in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr. unter der Regierung des Königs Miriam II. erbaut sein soll. Die Kirche ist, wie die meisten alten Kirchen Georgiens, klein von Umfang, und innen und außen mit einer Menge Arabesken und Inschriften verziert. Bei meinem Eintritt in die geheiligten Räume blöckte mir eine wohlgenährte Heerde Kühe ein dröhnendes Willkommen entgegen. Auf solchen Empfang war ich nicht vorbereitet, und so tolerant ich sonst in Bezug auf kirchliche Angelegenheiten bin, so empörte es mich doch, das Haus des Herrn in einen Kuhstall umgewandelt zu sehen. Später wurde freilich mein Blick daran gewöhnt, öfter Ochsen und Schafe in Tempeln und Palästen zu finden. Die Russen, welche selbst nur bauen, um Ruinen zu machen, haben wenig Verehrung für die Denkmäler des Alterthums. Die Inschriften und Heiligenbilder waren rund umher von den gehörnten Vierfüßlern zernagt und abgerieben; nur eine Inschrift gelang es mir mit Hülfe des Fürsten Schalikow abzuzeichnen und zu entziffern. Sie befindet sich über dem Portal in Stein gehauen, ist in der alten georgischen Kirchensprache abgefaßt und lautet in der Uebersetzung wie folgt: »Herr, erbarme Dich des Gründers dieser Kirche, des Erzbischofs Arseni von Manglis: den 2. Februar des Jahres 360.« Diese Jahreszahl stimmt nicht überein mit der gewöhnlichen Angabe, daß die Kirche bereits zu König Miriams Zeit erbaut sein soll, da dieser Fürst bekanntlich schon in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts starb.

Nachdem ich eine genaue Zeichnung der malerischen Ruinen von Manglis entworfen hatte, wurde auf dem schwellenden Rasenteppich ein nach georgischer Weise zubereitetes Mittagsmahl eingenommen, wobei der im ganzen Orient so beliebte Pillau (hier Plow genannt) und das Schaschelik (ein in kleinen Stücken in seinem eigenen Fette gerösteter Hammelbraten), so wie verschiedene Süßigkeiten, worunter ich besonders »eingemachte Rosenblätter« hervorhebe, die Hauptrolle spielten; der Wein wurde dabei aus den altherkömmlichen kaukasischen Trinkgefäßen, d. h. aus großen, silberbeschlagenen Büffelhörnern getrunken. Die Virtuosität der Georgier im Weintrinken habe ich schon früher zu rühmen Gelegenheit genommen.

Ein ächt georgisches Diner wird immer mit Gesang beschlossen, weshalb auch der freundliche Fürst zu meiner Ueberraschung Sorge getragen hatte, einen alten, blinden Sänger zu bestellen, welcher unser ländliches Mahl durch tatarische Liebeslieder würzte.

Auf einem kürzern und bequemern Wege als der, welchen wir gekommen waren, nach den gastlichen Kasernen des neuen Manglis zurückgekehrt, traf ich Anstalt, meine Reise am folgenden Morgen fortzusetzen.

Wenn man die hohe, Laub- und Nadelholz-gekrönte Bergkette (von den dortigen Einwohnern die gelben Berge genannt) überstiegen hat, über welche der Weg aus dem Thalkessel von Manglis nach Zalka führt, so nimmt die Vegetation einen dürftigen und kälteren Charakter an, und das Land wird immer öder und wüster, je weiter man sich von Manglis entfernt.

Die Sonne war schon ihrem Untergange nahe, als wir das von Armeniern und einigen Griechen bewohnte Dorf Zalka, wo wir ein halbes Stündchen Rast gehalten hatten, verließen, um die noch etwa zehn Werst entfernte, nach dem Dorfe benannte Festung, von den Russen Nazalsky-Redut geheißen, zu erreichen.

»Ist das eine Armenierin?« fragte ich meinen Diener, die Blicke bewundernd auf eine allerliebste junge Frau werfend, welche des Weges kam.

»Ich glaube, ja!« erwiederte Giorgi, »ihr Anzug spricht dafür, ihr Gesicht dagegen. Solche Schönheiten sind selten unter den Armeniern hier zu Lande . . . Welch ein reizendes Wesen!« fuhr er schmunzelnd fort – »was für Augen! Solch ein Blick geht einem durch die Seele – Bemerken Sie sie, sie sieht sich noch einmal um. Beim heiligen David! das Weib sieht aus, wie ein Mädchen von Gurien.«

»Sind denn die Mädchen von Gurien so schön?« fragte ich lächelnd.

»Und das wissen Sie nicht, Effendim?« – rief mir der Kerl zu mit einem Blicke, welcher halb Erstaunen, halb Verachtung ob meiner Unwissenheit ausdrückte. – »Dann kennen Sie auch wohl nicht die Sage, welche die Ursache dieser Schönheit erklärt?«

»Nein,« erwiederte ich, »und wenn Du die Sage kennst, so kannst Du sie mir, während wir dann weiter reiten, erzählen.«

»Ob ich sie kenne? Aber wer kennt denn die nicht? Verzeihung, Effendim! ich werde gleich anfangen.«

Ich befahl den Kosaken voranzureiten, um uns in der Festung anzumelden und ein Lager für die Nacht zu bereiten, hielt mein unruhiges Pferd zurück, um mit dem sanften Thiere Giorgi's in gleichem Schritte zu bleiben, und Letzterer begann mit wichtigem Tone

Die Sage von den vierzig Jungfrauen.

Einst wollte Allah zur Freude seiner Seligen das Paradies mit neuen Houris bevölkern, und befahl zu dem Ende einem Imam, sich umzuschauen unter den Töchtern der Menschen, und die vierzig schönsten Jungfrauen, die auf Erden zu finden, in den Himmel zu führen. Der heilige Vater verstand sich auf Schönheit und erfüllte gewissenhaft seines Gottes Befehle.

Er ging nach Fränkistan in das Land der Inglis (England) und raubte die blühende Königstochter. Der König wollte den kühnen Entführer erschlagen, aber Allah blitzte ihm Dreck in den Kopf, daß seine Augen verfinstert wurden.

Der Imam schiffte übers große Wasser und kam nach dem Lande der Nemtsche, wo viele Mädchen sich durch seine bunten Gewänder und süßen Worte verlocken ließen, ihm zu folgen. Nach einem Jahre war die heilige Zahl voll, und er kehrte über das schwarze und weiße Gewässer zurück nach Osten.

Er kam glücklich mit seiner jungfräulichen Schaar bis nach Gurien, aber dort trieb ihn der böse Feind, sich in eine der angehenden Houris zu verlieben, und sie durch die sündigen Folgen seiner Liebe für das Paradies untauglich zu machen.

Umsonst suchte er umher unter den Schönen des Landes, er fand keine, welche die entweihte Jungfrau ersetzen konnte, und es fehlte Eine an der heiligen Zahl. Voll Reue und Verzweiflung durchbohrte sich der Osmanli mit dem Dolche, um dem Zorne Allah's zu entgehen; die schönen Mädchen aber blieben in Gurien, vermischten sich mit den Kindern des Landes, und erzeugten ein Geschlecht, schöner denn das alte.

***

Es war inzwischen stockfinster geworden, denn im Orient folgt die Nacht dem Tage ohne die süße Zwischenzeit der Dämmerung; ein schneidend kalter Wind wehte vom Gebirge her, wir zogen unser Baschalik tiefer über die Ohren, setzten unsern Pferden die Fersen in die Weichen und jagten in gestrecktem Galopp durch die stürmische Nacht dahin.

Nach einer halben Stunde knarrte schon das Thor der Festung vor uns auf, ein Kosak leuchtete mit einer Fackel voran und führte mich in ein altes zerfallenes Gemach, das beste, welches in der Festung zu finden war.

***

Die Sonne drückte ihren Morgenkuß auf die weißen Wangen der Gletscher, daß sie errötheten in jungfräulicher Scham, als wir, diesmal von zwei Ural'schen Kosaken begleitet, der unheimlichen Festung Lebewohl sagten.

Schon vor vier Uhr war Giorgi in's Zimmer getreten, um mich zu wecken und mir meinen Kaffee zu bringen. Er brauchte mich nicht zu wecken, ich hatte die ganze Nacht vor Kälte und Ungeziefer kein Auge zuthun können.

Er klagte mir ebenfalls seine Noth und meinte, die Prussaki der Festung schienen den kriegerischen Geist der Kosaken eingeathmet zu haben; sie hätten, um seinen Schlummer zu stören, während der Nacht legionenweise förmlich regelmäßige Angriffe auf ihn gemacht. Die Kosaken, fuhr er fort, könnten sich ruhig in ihr Heimathland begeben, und die Prussaki als Besatzung in der Festung zurücklassen; kein Feind würde es sicherlich länger als einen Tag mit ihnen aushalten.

Wohl – dachte ich – wenn in diesem Lande, wo Ungeziefer aller Art so etwas Gewöhnliches ist, ein Mann von Giorgi's Gelichter sich hier besonders davon geplagt fühlt, so muß es wahrhaftig schlimm damit aussehen! –

In Folge eines mehrmaligen Aufenthalts, veranlaßt durch Zeichnen von Ruinen, welche ich unterwegs antraf, erreichten wir erst gegen Mittag das Kosakenlager von Tabiszachur, dicht neben dem schönen See Toporowan (auch kurzweg Toprana genannt) gelegen. Die hier lagernden Kosaken hatten ihre Pferde ein paar Stunden weit auf die Weide getrieben, und es bot sich mir die unerfreuliche Aussicht dar, hier den Rest des Tages und die Nacht zuzubringen, denn vor Abend waren keine Pferde herbeizuschaffen, und in der Dunkelheit war es unmöglich, den Gebirgskamm bis Achalkalaki zu übersteigen.

In Erwartung eines entsprechenden Trinkgeldes, in diesen öden, wenig bereisten Gegenden etwas sehr Seltenes für die armen Teufel, schlugen mir meine Begleiter vor, weiter zu reiten ohne die Pferde zu wechseln. Ich nahm bereitwillig ihren Vorschlag an, ließ unsere ermüdeten Thiere ein paar Stunden verschnaufen, und nahm während der Zeit ein stärkendes Bad in dem kalten Wasser des Sees Toporowan.

Dieser, das Sandshak von Achalkalaki begränzende See, nimmt an Umfang etwa dreißig Werst ein, hat süßes, gesundes Wasser und ist reich an Fischen und historischen Erinnerungen.

Unter letztern erwähne ich als guter Christ insonderheit die auf die Einführung des Christenthums in Georgien Bezug habende, in Wachtang's Chronik mitgetheilte Sage von der heiligen Nino. Diese gesegnete Jungfrau war, um den gräulichen Christenverfolgungen im römischen Reiche zu entgehen, zusammt der heiligen Ripsime und deren Wärterin Gajan nach Armenien geflohen, und rettete sich, nachdem ihr die beiden Freundinnen durch den Märtyrertod entrissen waren, an die Ufer des Sees Toporowan. Später kam sie nach Mtzchetha, der alten Hauptstadt Georgiens, wo sie eine Menge Wunder übte, Todte in's Leben zurückrief u. s. w. und die Einwohner zum Christenthum bekehrte . . .

Unter den Fischen des Sees verdienen besonders die schmackhaften Lachsforellen rühmende Erwähnung.

Nachdem ich eine Schale Kaffee geschlürft und einen Tschibuq geraucht hatte, ging die Reise wieder rüstig von dannen. Wir waren etwa eine halbe Stunde geritten, als uns ein auf einem Esel langsam daher trabender, georgischer Priester aufstieß. Ein junger, hochgewachsener Bursche lief zu Fuß neben her und hatte noch obendrein das ziemlich beträchtliche Reisebündel seines ehrwürdigen Gebieters zu tragen.

Ich rief dem geistlichen Herrn, einem stattlichen Manne von mittlern Jahren, mit regelmäßigen Gesichtszügen und dichtem, schwarzen Barte, einige freundliche Willkommsphrasen in georgischer Sprache zu, welche er eben so freundlich erwiederte, und zugleich höflich neugierige Fragen über meine Herkunft und den Zweck meiner Reise hinterhergleiten ließ. Ich gab ihm Auskunft so gut ich konnte, merkte jedoch bald, daß mein in Tiflis begonnenes Studium der georgischen Sprache noch bedeutender Ergänzungen bedürfe. Eben wollte sich Giorgi dolmetschend in's Mittel legen und fing an, mir den Redeschwall des Priesters in's Russische zu übersetzen, als ihn der geistliche Herr mit den an mich gerichteten Worten unterbrach: »Ah, wenn Sie russisch verstehen, so können wir uns ohne Dolmetsch unterhalten, ich habe auf einem russischen Seminar studirt und bin der Sprache so kundig wie ein Eingeborner.«

In allen dem Kaiser unterworfenen Ländern des Kaukasus gilt russische Sprache und Sitte, aus leicht erklärlichen Gründen, für das Höchste der Civilisation. »Meine Töchter haben alle eine russische Erziehung erhalten,« sagt, rühmend auf seine Kinder deutend, der georgische Fürst zum europäischen Reisenden, vor dessen Auge freilich die gepriesene moskowitische Bildung eben nicht als der größte Reiz der schlanken Georgierinnen erscheint. Wer jedoch den Preis dieser hohen Errungenschaft schmälern wollte, würde bei den gastfreien Landeskindern entweder für hochmüthig, oder selbst gar für ungebildet und urtheilsunfähig gelten, weshalb der Fremde wohl thut, in den allgemeinen Ton mit einzustimmen und davon abweichende Ansichten höchstens seinem Tagebuche anzuvertrauen. Der Leser wird sich demnach nicht wundern, daß ich meinem Eselberittenen Reisegefährten rühmend meine Anerkennung ob seiner Kenntniß der russischen Sprache ausdrückte, und daß mir das Kompliment mit orientalischem Schwulst umwickelt, zurückgegeben wurde.

Theils um seine Neugier weiter zu befriedigen, theils auch wohl um seine Kenntniß der verschiedenen konfessionellen Parteien an den Tag zu legen, fragte er mich mit pfiffiger Miene: ob ich zur römisch-katholischen Kirche gehöre, oder zu derjenigen Sekte, welche Luther als einzigen Heiligen anerkenne? Als ich, ohne weitere Erläuterungen in Bezug auf die Heiligkeit Luther's, den zweiten Theil der Frage bejaht hatte, konnte der geistliche Herr, nachdem er einige kräftige Flüche gegen die jetzt in Rußland in schlechtem Kredit stehende römisch-katholische Kirche geschleudert, nicht umhin, seine Verwunderung darüber zu äußern, daß ein anscheinend so verständiger Mann wie ich, mehrere Jahre in Rußland habe leben können, ohne in den Schooß der allein seligmachenden griechischen Kirche überzutreten.

Er setzte mir die großen Vortheile eines solchen Uebertritts – wobei er vorzüglich die überwiegende, sich noch jährlich vermehrende Anzahl der Heiligen in Rußland, und der Wunder, welche hier täglich geschehen, während bei uns dergleichen niemals vorkommen, hervorhob – so weitschweifig auseinander, daß ich den Strom seiner Bekehrungsrede nur durch das Versprechen hemmen konnte, die Sache nächstens in ernste Erwägung zu ziehen.

Als ich darauf, um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, preisend der großartigen Naturschönheiten des Kaukasus gedachte, hatte ich nochmals Gelegenheit die Früchte der moskowitischen Studien meines geistlichen Freundes zu bewundern.

»Ja,« sagte er mit kundigem Blicke, »außer dem Chimborazo in der Schweiz, findet man doch gewiß in der ganzen Welt keine so hohen Berge wie hier am Kaukasus!«

Ich winkte einverständlich mit dem Kopfe, wohl wissend, daß ich durch eine Berichtigung seines Irrthums meinem gelehrten Begleiter durchaus keinen Gefallen erzeigt haben würde.

Es wird meine freundlichen Leser vielleicht Wunder nehmen zu erfahren, daß mir in der bergeversetzenden Erklärung des geistlichen Herrn der Irrthum selbst weniger auffiel, als der Umstand, daß ein georgischer Priester vom Dasein einer Schweiz und eines Chimborazo überhaupt etwas wußte.

Um noch vor Anbruch der Dunkelheit nach Achalkalaki zu gelangen, machte ich gewaltsam unserm lehrreichen Gespräch ein Ende, und nahm freundlich Abschied von dem ehrwürdigen Verkünder des Wortes, von dem erfüllt wurde wie geschrieben steht: daß der Glaube sogar Berge versetzen kann.

Achalkalaki ist der Hauptort des Sandshaks gleiches Namens, dessen Gesammtzahl der Einwohner männlichen Geschlechts sich nach den russischen Statistiken auf 3200 beläuft, wovon 720 zum Islam, 200 zur griechisch-georgischen Kirche und die übrigen theils zur unirten, theils zur altarmenischen Kirche gehören.

Die einförmigen Häuser des obengenannten Städtchens sind nach asiatischer Weise niedrig, mit platten Dächern gebaut; die hier fehlenden Glasfenster sind durch Drathgitter ersetzt. Achalkalaki besitzt einen ziemlich umfangreichen Markt und Bazar, und wird von einer, auf dem linken Ufer des Toparawan-Tschai gelegenen, den Rücken eines steilen Felsen krönenden Festung beherrscht, welche kurze Zeit nach der Eroberung des Landes durch die Türken erbaut sein soll, und deren Entfernung von Tiflis 110 und von Achalzich 68 Wersten beträgt. Inmitten der starken Ringmauern haben die Russen den Bau einer zweiten Festung begonnen, ein nach der Behauptung des mich begleitenden Ingenieur-Offiziers eben so thörichtes wie nutzloses Unternehmen, dessen Ausführung zu nichts weiter führen kann, als die Taschen der den Bau dirigirenden Beamten zu füllen.

Die größere Zahl der Einwohner besteht aus handeltreibenden Armeniern, welche noch von der Herrschaft der Osmanlis her ihre türkische Tracht beibehalten haben. Die Wohnungen sind, nach denjenigen zu schließen, welche ich in Gesellschaft meines Giorgi – der hier eine Menge von Verwandten und Bekannten hat – besuchte, auffallend reinlich und sauber gehalten. Die Frauen scheinen hier kein so zurückgezogenes Leben zu führen wie man das sonst im Orient zu finden gewohnt ist; im Verlauf einer Stunde begegneten wir über zwanzig unverschleierten, jungen Frauenzimmern, meistens von sehr angenehmer Gesichtsbildung und schlankem Körperbau. Auffallend war es mir, während meines freilich nur kurzen Aufenthalts in Achalkalaki, kein einziges Pferd zu sehen; Alles scheint hier auf Eseln zu reiten. Auf meiner Wanderung durch die Straßen und den Bazar wurde ich alle Augenblicke von naseweisen Militairs angehalten, welche mich um Rang, Namen und Reisezweck befragten. Die Erscheinung eines Reisenden muß hier etwas sehr Seltenes sein, da mich auch die rührigen Handelsleute auf dem Bazar mit abschreckender Neugier angafften.

Das Klima des Sandshaks, so wie überhaupt der ganzen Gegend von den Gebirgszügen bei Manglis an gerechnet, bis zu dem blühenden Thalkessel von Chertwis, unserm nächsten Aufenthaltspunkte, ist rauh, aber gesund. Die in den tiefer gelegenen Theilen Georgiens so gefährlichen und häufigen Fieber sind hier ganz unbekannt, und sonstige Krankheiten selten . . .

Wenn man, dem Laufe des reißenden und fischreichen Toparawan-Tschai folgend, noch einige zwanzig Werst weit die kahle Hochebene überschreitet, welche sich in nordwestlicher Richtung hinter Achalkalaki ausdehnt, gelangt man an eine tiefgelegene weite Schlucht, von halb nackten, halb gesträuchbewachsenen Felsen umschlossen. Hier muß der Reiter sein Roß am Zügel führen und zu Fuß den steinigen, sich zwischen rauhen Felsblöcken hinschlängelnden Bergpfad hinabklimmen, welcher in's Thal zu dem tief unten liegenden Chertwis führt. Selten habe ich einen so halsbrechenden Bergweg wie diesen gefunden, aber selten auch wurde der Blick durch eine so lockende Aussicht belohnt, wie die blühenden Gärten des Thals, durchflossen vom Toparawan-Tschai, der seine Fluten hier mit denen des Kyros mischt, uns darboten. Die Füße jammerten, aber das Auge frohlockte, als wir, unsere guten Rosse am Zügel führend, über das rollende Gestein, die steilen Felswände entlang, behutsam zu dem tief unter uns liegenden Thale hinabstiegen.

Hochaufstrebende Epheuranken schlängelten sich jungfräulich schmiegsam um die schattigen Fruchtbäume, welche uns gastlich mit grünen Zweigarmen zu winken schienen, freudeschwankende Blumen nickten uns vertraulich zu, hell durch das dunkle Grün klang das Zwitschern der Sänger der Lüfte und dazwischen brausten die weißen Wellen der sich unten einenden Ströme wie lautschallendes Gelächter.

Man glaubt sich hier in die wasserreichen Gärten versetzt, die der Prophet seinen Gläubigen verheißen.

Chertwis, welches unter der Türkenherrschaft die Residenz eines Pascha's war, zählt heutigen Tags nur noch etwa 800 Einwohner, ein Gemisch von Armeniern und Türken. Die hochgelegene Festung der Stadt stammt nach dem allgemeinen Dafürhalten noch aus der Blüthezeit des georgischen Königreichs, d. h. aus der Regierungsperiode der vielgepriesenen Königin Tamar. Aus einer alten Inschrift jedoch, welche Dubois hier aufgefunden und Brosset der Jüngere in Petersburg theilweise entziffert hat, ergiebt sich, daß die Festung erst um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, unter der Regierung des Attabeg Kanarkaré, Sohn des Sargis, eines Vasallen König David's VIII. erbaut wurde. Man findet hier eine kleine griechische Kirche mit alten georgischen Inschriften; außerdem umschließen die Mauern des Forts sechs Häuser, die in ihrem Innern noch deutliche Spuren des orientalischen Luxus tragen, mit welchem sie einst geschmückt waren. Besonders ist das merkwürdige, gut erhaltene Harem der Beachtung werth. Das Städtchen erfreut sich eines herrlichen Klima's. Die Gärten der Umgegend, der einzige Reichthum des Orts, sind in ganz Georgien berühmt wegen der köstlichen Früchte, welche hier im Ueberfluß wachsen. Die Wohnungen bestehen, wie in allen ursprünglich georgischen Städten, aus Saklis, d. h. aus kleinen, von Steinen roh aufgeworfenen Häusern ohne Fenster und mit platten Dächern. Das Licht fällt durch ein im Dache angebrachtes Loch, welches zugleich als Rauchfang dient und bei schlechtem Wetter geschlossen wird.

Mein Giorgi hat mich wieder bei einem alten, ihm verwandten Armenier einquartirt; der Kerl muß eine Unzahl von Verwandten in diesem Lande besitzen: bis jetzt haben wir noch kein Dorf passirt, wo er mich nicht mit einem halben Dutzend Cousinen, Schwestern, Schwägerinnen und Frau Basen bekannt gemacht hätte. Ich werde hier mit wenigen Worten des Innern meines Absteigquartiers Erwähnung thun, da dasselbe gleichsam als Typus aller übrigen armenischen Häuser von Chertwis gelten kann. Das Haus meines Gastfreundes besteht aus zwei luftigen, geräumigen Gemächern, deren jedes ein Viereck von etwa fünfzehn Schritt im Durchmesser bildet, das letztere, oder Schlafgemach habe ich leider nicht genauer untersuchen können; das erstere ist zugleich Küche, Wohnstube und Gesellschaftszimmer. Zur rechten Hand von der Thüre befindet sich ein großer, gut gebauter Kamin, den die Engländer für eine Nachahmung der ihrigen ansehen würden, und welcher zugleich die Stelle des Herdes vertritt. An den beiden Seitenwänden hängen die Küchengeräthschaften in so schöner Ordnung und so blank gescheuert, als ob die Kessel, Kasserollen und Töpfe nicht zum täglichen Gebrauch, sondern zum Verkauf da wären. Außer diesen Geräthschaften gewahrt man keinen andern Schmuck als einen einfachen Teppich und einige kleine, niedrige Schemel; aber Alles ist so hübsch vertheilt und schmuck gehalten, daß meine Augen angenehm davon überrascht wurden.

Ich wollte meiner Wirthin ein Kompliment darüber machen, aber die gute Frau schien sich ungemein vor mir zu fürchten, denn sie wich immer zehn Schritt zurück, wenn ich einen Schritt gegen sie anrückte. Ich wandte alle mir zu Gebote stehende Beredsamkeit an, um ihr zu beweisen, daß gar kein Grund vorhanden sei, sich vor mir zu fürchten; ich sagte ihr, daß Frauen mir gar nichts Neues wären, daß ich sie sehr liebte, daß ich schon mit vielen Frauen in Berührung gekommen, daß meine eigene Mutter eine Frau wäre, daß . . . doch ich hatte nicht nöthig weiter fortzufahren, denn der letzte Punkt schien ihr alle Schüchternheit zu nehmen. Bald darauf wurde das sehr reinliche Mittagessen aufgetragen, dessen Hauptbestandtheile wieder Pillau, Schaschelik und Süßigkeiten bildeten.

Nach Tische machte ich in Gesellschaft meines Wirthes eine Wanderung durch die blühende Umgebung von Chertwis, bei welcher Gelegenheit ich Bekanntschaft mit mehrern Türken anknüpfte, welche mich einluden, auch ihre Gärten in Augenschein zu nehmen, und nachdem sie eine Stunde neben mir hergewatschelt und mir Alles gezeigt und erklärt hatten, mich freundlich mit Kaffee und der perlenden Wasserpfeife bewirtheten.

Nach der Schätzung Dubois, welcher im Jahre 1833 von Achalzich aus Chertwis besuchte, liegt das Fort etwa 4000 Fuß über dem Meeresspiegel. Die Häuser des Städtchens dehnen sich am Fuße des Forts links vor dem nach Süden zulaufenden Felsen aus. Die den Ort rings umragenden Berge haben nur zwei großen Schluchten Raum gelassen, wovon sich die eine in östlicher und die andere in südlicher Richtung öffnet; durch die erstere stürzt sich brausend der reißende Toporowan-Tschai dem nicht minder reißenden Kur zu, dessen Wellen die letztgenannte Schlucht durchrollen.

Chertwis ist nach Verhältniß der Größe das am meisten bevölkerte Sandshak des Paschaliks; die Zahl der Einwohner männlichen Geschlechts wird auf 4800 angeschlagen, worunter 2940 Armenier von der alten Kirche, 416 zu der unirten Kirche gehörige, 540 griechisch-katholische Georgier, 340 Muhammedaner und 58 Juden sind. Das Klima ist sehr gesund und das Land eben so wie Achalkalaki reich an Getreide.

Der Weg, welcher von Chertwis über Aspinsa nach Achalzich führt, ist weniger malerisch als beschwerlich. Um die etwa fünfundvierzig Werst betragende Strecke zurückzulegen, brauchten wir trotz unserer trefflichen, wohlgenährten Pferde fast neun Stunden; man begegnet auf dem Wege einer Menge wenig bedeutender Ruinen.

Aspinsa, dessen Entfernung von Achalzich etwa dreißig Werst beträgt, ist der Hauptort des Sandshaks gleichen Namens; dieses Sandshak ist das kleinste und unbedeutendste des ganzen Paschaliks. Die Zahl der in zwölf kleinen Dörfern zerstreuten Bevölkerung wird auf 500 angeschlagen; die Einwohner sind fast durchgehend's Muhammedaner. Von dem Klima und den Produkten des Landes gilt dasselbe, was über Chertwis gesagt wurde. Man findet in Aspinsa, welches früher die Residenz des aus den letzten Türkenkriegen bekannt gewordenen Mustapha-Achmed-Béy-Oglu war, ein in unregelmäßigem Viereck gebautes, altes türkisches Schloß von 140 Fuß Länge und 56 Fuß Breite, welches zu beiden Seiten von bewohnbaren Thürmen überragt wird.

Ich enthalte mich als Laie aller Bemerkungen über die äußerst interessanten, auf rein vulkanischen Ursprung deutenden Formationen, welche besonders von Chertwis an bis zu dem von Trappfelsen und Traßschichten eingeschlossenen Thale von Aspinsa das Auge in Erstaunen setzen, da wir in aller Wahrscheinlichkeit von dem gelehrten Naturforscher, Professor Abich, welcher wenige Monate nach mir diese Gegend besuchte, bald eine gründliche Abhandlung darüber erwarten dürfen.

Ganz ermüdet und zerschlagen von dem langen Ritte kam ich Nachmittags um sechs Uhr in Achalzich, der Hauptstadt des gleichbenannten Paschaliks, an, und machte gleich dem freundlichen Kommandanten der Festung, Oberst von Brevern, den ich schon früher in Armenien kennen gelernt hatte, meine Aufwartung. Die gastliche Einladung des Obersten, ein Appartement in den Festungsgebäuden zu beziehen, lehnte ich höflich ab, da mir Giorgi schon unterwegs eine Wohnung bei einem ihm verwandten armenischen Kaufmann in Aussicht gestellt hatte. Den Abend brachte ich in Gesellschaft der liebenswürdigen Familie des Herrn von Brevern zu, wo ich noch einen jungen deutschen Offizier aus den Ostseeprovinzen, den Ingenieur-Kapitän von Dahl kennen lernte, in dessen Gesellschaft ich am folgenden Morgen meine Wanderungen durch die Stadt begann.

Die Eroberung von Achalzich durch Paskjéwitsch ist ein noch zu neues Ereigniß, und seiner Zeit in den öffentlichen Blättern zu oft besprochen worden, als daß es nöthig wäre, durch eine weitläuftige Schilderung der Belagerung und Einnahme der Stadt die Kriegsbegebenheiten der Jahre 1828 und 1829 in dem Gedächtnisse des Lesers wieder aufzufrischen. Denjenigen, welche sich darüber genauer unterrichten wollen, empfehle ich das den Gegenstand ausführlich behandelnde, obwohl vom russischen Gesichtspunkte aus geschriebene Werk von Felix Fonton: La Russie dans l'Asie Mineure, ou Campagnes du Maréchal Paskévitsch en 1828 et 1829.

Achalzich liegt an einem von dem Potzchoflusse, dem Kaja-Dagh und den Ausläufern der Gebirgszüge von Persaat gebildeten Winkel, wo sich die unansehnlichen, eng zusammengebauten Häuser in einem Umfange von etwa drei Werst ausdehnen. Die Stadt zerfällt in drei Theile: die Festung, die Alt- und Neustadt, welche letztere zwei durch den Potzcho von einander geschieden sind.

Fangen wir, um eine leichtere Uebersicht zu gewinnen, unsere Betrachtungen bei der Festung, als dem am höchsten gelegenen Punkte der Stadt an.

Die Gründung dieser Festung wird, wie alle großartigen Bauten des Landes, von dem Volke der Königin Tamar, der georgischen Semiramis, zugeschrieben. Die Türken nennen die Veste Achiszcha-Kalessi; die Georgier haben dafür den alten Namen Achale-Ziche (d. i. die neue Festung) beibehalten.

Die Befestigungswerke, welche aus drei Theilen bestehen, genannt die obere und untere Festung und die Citadelle, bilden ein seltsames Gemisch von georgischer und türkischer Bauart. Der obere Theil nämlich und die Citadelle wurden von den Georgiern erbaut, und der untere Theil später von den Türken hinzugefügt. Die Mauern dehnen sich auf einem hohen, schwer zugänglichen Felsen aus, dessen Fuß der reißende Potzcho bespült.

Unter den im Innern der Festung befindlichen Gebäuden ist nur die schöne, leider jetzt auch halb in Trümmern dastehende Moschee näherer Beachtung werth. Die Gründung derselben wird dem türkischen Pascha Achmed, welcher zu Anfange des achtzehnten Jahrhunderts über Achalzich herrschte, zugeschrieben. Wie Fluge (in No. 4. der Zeitung von Tiflis des Jahres 1832) erzählt, verschrieb dieser Pascha zur Erbauung der Moschee einen europäischen Architekten aus Konstantinopel, ließ eine Menge christlicher Kirchen niederreißen und das so erbeutete Material zum Bau des prachtvollen, in großartigem Style ausgeführten Tempels verwenden, welcher jetzt bestimmt ist, wiederum in ein christliches Bethaus umgewandelt zu werden.

Die äußern Mauern der Moschee sind einfach und schmucklos, aber von dauerhafter, geschmackvoller Arbeit. Vier hohe, steinerne Säulen von bläulicher Farbe, mit kupfernem Piedestal und durch schön geformte Bogen mit einander verbunden, bilden die Hauptfaçade des herrlichen Gebäudes. Der Raum zwischen diesen Säulen und der Moschee wurde von drei kleinen, mit vergoldeten Halbmonden geschmückten Kuppeln überragt. Die Hauptkuppel der Moschee, welche über sechzig Fuß im Durchmesser hat, ist aus Ziegelsteinen aufgeführt und mit gepreßtem Blei überkleidet. Das hoch durch die Lüfte ragende, schlanke Minaret gewährt zuneben dem umfangreichen Tempel einen besonders schönen Anblick.

Beide sich der Moschee anschließende Vorhöfe sind mit glatten Quadern von bläulicher Farbe gepflastert, welche in einem etwa zwei Stunden von Achalzich gelegenen Steinbruche gewonnen werden. In der Mitte des ersten Hofes sprang eine große, schön eingefaßte Fontaine, von einer mit dem goldenen Halbmond geschmückten Kuppel überragt, welche von acht zierlichen Säulen getragen wird. Dies ist ein Bild der Moschee, wie sie gewesen; die Fontaine springt jetzt nicht mehr, der goldene Halbmond ist verschwunden, die das Innere des Gebäudes zierenden Arabesken und Inschriften sind abgerieben oder übertüncht, und überhaupt sieht man heutzutage nur noch die Spuren der einstigen Pracht . . .

Die Sage erzählt, daß der grausame Achmed-Pascha dem Architekten, als er das große Werk vollendet hatte, zum Dank den Kopf abhauen ließ, um ihn zu verhindern, anderswo ein ähnliches Gebäude zu errichten. Doch wurde der Pascha selbst vom Sultan mit dem Tode für seine Grausamkeit bestraft; sein Grabmal findet sich an der Ecke des Vorhofes der Moschee.

Steigen wir jetzt von der Festung hinab, um eine flüchtige Wanderung durch die Stadt zu machen, welche mit ihrer öden, aller Vegetation entbehrenden Umgebung, und ihren kleinen, eng zusammengeworfenen Häusern einen ziemlich traurigen Anblick gewährt.

Unter den durchgängig unansehnlichen Gebäuden thun wir nur der unfern der Festung gelegenen türkischen Bäder, so wie der Kirchen Erwähnung, deren man sechs in Achalzich findet: eine georgische, eine katholische, drei armenische und einen israelitischen Kahal nebst Synagoge. Der früher so berühmte Bazar von Achalzich trägt jetzt ein höchst ärmliches Gepräge. Von der ehemaligen Bevölkerung dieser einst so volkreichen Stadt ist seit der Besitznahme durch die Russen kaum eine Spur übrig geblieben; von den türkischen Einwohnern haben ich alle wohlhabenden nach der Türkei zurückgezogen, und die übrigen leben zerstreut in den Dörfern der angrenzenden Sandshaks.

Unfern Achalzich, am rechten Ufer des Potzcho, inmitten einer engen, wilden Schlucht, stehen die zerfallenen Mauern einer alten armenischen Kirche.

Die Ruinen, welche von dem Geschmacke und der Kunst des Baumeisters eben keine hohe Idee geben, verdienen nur in sofern Beachtung, als sie ihres Alterthums wegen von Armeniern und Georgiern in hohen Ehren gehalten werden, und ihnen als Zeugniß gelten, wie früh das Christenthum in diesem Lande schon einheimisch gewesen. Zudem knüpft sich eine noch heute unter dem Volke fortlebende Sage daran, welche erzählt, daß der heilige Magnessi nach seiner Vertreibung aus Persien sich in Trapezunt niedergelassen habe, jedoch auch von dort wieder schimpflich verjagt und mit dem Tode bedroht worden sei, weil er mehrere Muhammedaner zur armenischen Kirche bekehrt habe. Des Lebens in den großen Städten müde, und um den steten Verfolgungen der Türken zu entgehen, habe er sich in der Nähe von Achalzich angesiedelt, und dort eine christliche Gemeine gebildet, von welcher die oben erwähnte Kirche herstammt. Nicht lange jedoch sollte er in seinem neuen Wohnorte sich der Ruhe erfreuen. Bei einem Verheerungszuge der Feinde durch Achalzich kam er um's Leben, und sein Leichnam wurde von Wunden entstellt am Eingange des Gotteshauses gefunden. Er war gestorben als ein Streiter Gottes, das Heiligthum des Herrn mit tapferer Hand vertheidigend.

Seit jener Zeit hat die Kirche immer leer und unbenutzt gestanden, und wird nur im Sommer, an hohen Festtagen, von den frommen Einwohnern der Umgegend besucht.

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Mit dem gesellschaftlichen Leben sieht es in Achalzich traurig aus, da es hier an dem belebenden und veredelnden Element der Gesellschaft – an Damen, fehlt. Von den hier dienenden Offizieren und Beamten sind die meisten ohne Vermögen, und folglich auch unverheirathet, da ihre spärliche Besoldung zum Unterhalt einer Familie nicht ausreicht.

Frau von Brevern, die einzige gebildete Dame, die ich in Achalzich gefunden, hat sich vielfach aber vergebens bemüht, unter den vornehmeren Armenierinnen Geselligkeit, im europäischen Sinne des Worts, einzuführen. Die Verschiedenheit der Sprachen, Sitten und Kleidung, so wie die Eifersucht der armenischen Ehemänner, welche über die Sittlichkeit der russischen Offiziere ihre eigenen Ansichten haben, machten jedwede dauernde Annäherung unmöglich. Man begreift demnach leicht, daß eine Anstellung in Achalzich eben kein beneidenswerthes Loos ist, und gewöhnlich als eine Verbannung betrachtet wird. Die unverheiratheten Offiziere und Beamten, von denen die wenigsten Sinn für wissenschaftliche Bestrebungen haben, suchen sich für die vielen geistigen Entbehrungen, denen sie hier ausgesetzt sind, durch materielles Wohlleben zu entschädigen, und die peinigende Langeweile durch häufige und lustige Gelage zu verscheuchen. Ich wohnte zu verschiedenen Malen solchen Ergötzlichkeiten bei, glaube mir jedoch eine Schilderung derselben füglich ersparen zu können, da meine Leser wenig Neues daraus lernen würden.

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Die Wohnungen der Armenier in Achalzich sind eben so anziehend und reinlich, wie die der Georgier und Juden abstoßend und schmutzig sind. Ich war wieder bei einem Verwandten meines Giorgi, einem ziemlich wohlhabenden Kaufmanne, einquartirt, in dessen Behausung es mir um so besser gefiel, als der Sohn des Hauses, der schwarzgelockte Jussuf, in der ganzen Stadt als liederreicher Sänger bekannt und gepriesen war. Wenn ich Abends von meinen Streifzügen nach Hause kam und ermüdet auf den Teppich niedersank, so wußte mir Jussuf immer noch mit seinem frischen Gesange ein Stündchen angenehm zu vertreiben, wobei er sich mit großer Fingerfertigkeit abwechselnd zur Saß und zur Tschengjir begleitete.

Ich suchte von dem reichhaltigen Liederschatze des Sohnes meines Wirthes so viel auszubeuten, wie meine kurze Zeit mir erlaubte, und verließ Achalzich nach achttägigem Aufenthalte, um weitere Ausflüge in das Innere des Landes zu unternehmen.

Der erste Ort, wo ich wieder Halt machte, war das seiner vielen merkwürdigen Ruinen, seiner Mineralquellen und geschichtlichen Erinnerungen wegen berühmte Thal von Bordshom, die alte Verbindungsstraße zwischen dem untern Karthli und Achalzich. Dubois de Montpéreur giebt uns in seinem trefflichen, nur etwas zu weitschweifigen Reisewerke, eine so ausführliche Schilderung des Thales von Bordshom, daß ich nichts Neues von Belang hinzuzufügen wüßte.

Aus der Rückreise gab mir ein mehrtägiger Aufenthalt in den Bädern von Abbas-Tuman Gelegenheit, mich über die Zustände der dort angesiedelten deutschen Einwanderer etwas genauer zu unterrichten. Sie bestehen nur aus zehn Familien, die ich sämmtlich in höchst armseligen Umständen fand; sie klagten mir jammernd ihre Noth, und wünschten nichts sehnlicher, als Mittel zu finden, auf ihre alten Wohnplätze in Taurien zurückzukehren.

Was ihre Lage noch verschlimmert, und das Mitleid ein wenig verstummen macht, ist die beklagenswerthe Uneinigkeit, in welcher sie selbst unter einander leben . . .

Die von üppig bekleideten, ruinentragenden Bergen und wunderlich gezackten Felsen eingeschlossene Schlucht von Abbas-Tuman, gehört zu den schönsten Plätzen des Paschalicks.

Die hier befindlichen Mineralquellen, welche erst seit wenigen Jahren unter ärztlicher Aufsicht benutzt werden, haben in verschiedenen Abstufungen von 28 bis 40° R. Man findet hier ein Hospital, wohin die kranken Soldaten aus der Umgegend geschickt werden. Außer diesen Soldaten, und einigen armenischen und georgischen Offizieren, war die Zahl der Badegäste so gering, daß ich buchstäblich mehr Häuser als Bewohner fand.

Wenn der schöne Badeort nicht gar zu fern von der civilisirten Welt läge, so würde derselbe zweifelsohne bald eben so besucht wie berühmt werden.

Mit Ausnahme meiner Wanderung nach Adigion, welcher ein besonderes Kapitel gewidmet werden soll, weil sie einen Besuch bei dem berühmten Weisen Omar-Effendi in sich schließt, übergehe ich die Schilderung meiner weiteren Ausflüge durch das Paschalick Achalzich, und fasse die daraus gewonnenen Notizen in Folgendem übersichtlich zusammen.

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Der Ackerbau steht im Paschalick Achalzich noch auf einer sehr niedrigen Stufe, woran einerseits der nicht überall ergiebige Boden, besonders aber die einem Europäer unbegreifliche Trägheit der Einwohner Schuld ist. Am ungünstigsten ist das Land in den Sandshaks Atzchwér und Aspinsa, doch könnte, nach der Behauptung erfahrener Agronomen, bei gehöriger Kultur, Bewässerung und Düngen des Bodens, auch hier der bisherige Ertrag um das Zehnfache gesteigert werden.

In den Sandshaks Chertwis und Achalkalaki ist der Boden im Allgemeinen sehr fruchtbar, und wasserreich genug, um künstliche Bewässerung entbehren zu können; das Düngen ist hier jedoch mit großen Schwierigkeiten verknüpft, da wegen des gänzlichen Mangels an Holz aller Mist getrocknet und als Brennmaterial verbraucht wird, in derselben Weise, wie es früher bei unserer Wanderung nach Eriwan beschrieben wurde.

Die Hauptprodukte, welche in den oben genannten Sandshaks gewonnen werden, sind: Waizen, Gerste, türkische Bohnen und verschiedene Obstarten; in den höher gelegenen Gegenden baut man besonders Jusluk, das hiesige Winterkorn, d. i. eine Mischung von Roggen und Waizen. Der Merkwürdigkeit wegen muß ich der sonderbaren Art und Weise, wie man hier den Ackerbau betreibt, etwas umständlicher Erwähnung thun.

Zum Pflügen des harten Bodens bedient man sich eines auf Rädern ruhenden, äußerst schwerfälligen Pfluges, zu dessen Fortschaffung nach Umständen fünf bis zehn Paar Ochsen erfordert werden. Der Pflug enthält zwei kolossale Eisen; das erstere, vorn befestigte, ist ganz schmal und scharf, und dient gleichsam als Vorläufer des letzteren, indem es die Erde nur ein wenig aufreißt, während das breite, dreieckige, hinten befestigte Eisen tief einschneidend hinterher gleitet.

Das Eggen geschieht hier auf dieselbe drollige Weise, wie in Grusien (Georgien): man befestigt eine Menge Reiser auf einem etwa sieben Fuß langen, dünnen Balken; zwei oder drei Bursche setzen sich darauf, ein Zug Ochsen wird davor gespannt, und so geht es schreiend und knarrend vorwärts. Es bedarf kaum der Erwähnung, wie wenig zweckfördernd dieses Verfahren ist.

Noch möchte die eigenthümliche Weise des Dreschens hier zu Lande einer kurzen Schilderung werth sein. Statt der Dreschflegel, deren Handhabung den Leuten zu mühsam sein würde, bedient man sich hier eines etwa fünf Fuß langen und anderthalb Fuß breiten, vorn spitz zulaufenden und nach oben gebogenen Brettes, an dessen Untertheile glatte Steine in der Ordnung eines Schachbrettes befestigt sind. Ein paar Menschen setzen sich darauf, theils um das Gewicht zu vermehren, theils um die angespannten Ochsen zu lenken, und so wird der sonderbare Dreschflegel auf dem im Kreise ausgestreuten Getreide herumgefahren.

Die früher sehr bedeutende Viehzucht ist seit dem letzten Kriege ebenfalls außerordentlich gesunken. Die hiesigen Büffel, Schafe und besonders die zahlreichen Esel sind von ungewöhnlicher Größe. Die Schafe, deren Wolle sehr dicht und lang ist, werden jährlich zweimal geschoren, zu Anfange des Frühjahrs und zu Ende des Herbstes. Die Pferde des Landes sind kräftig, behende und ausdauernd, aber durchgehends klein.

Der Gartenbau ist außer dem Thale von Chertwis nur in den Sandshaks Atzchwér und Aspinsa von einiger Bedeutung. Die Früchte, welche hier besonders in großer Menge gewonnen werden, sind: Aepfel, Birnen, verschiedene Arten von Kirschen, Pflaumen und Nüsse. Der Maulbeerbaum, welcher hier vortrefflich gedeiht, wird nicht des Seidenbaues, sondern lediglich seiner Frucht wegen gezogen.

In den Gärten sowohl, wie in den Wäldern, welche die Berge von Atzchwér und Aspinsa überkleiden, findet man im Ueberfluß: die Berbisbeere (berberis dumetorum), Haselnüsse, Stachelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Preißelbeeren, Hagebutten u. s. f.

Der Weinbau ist durchgehends noch außerordentlich vernachlässigt, obgleich in den tiefer gelegenen Thälern, bei besserer Kultur, die Rebe sehr wohl gedeihen würde. Der wenige Wein, welcher hier gewonnen wird, ist in Folge der schlechten Zubereitung fast ungenießbar.

Ich schließe dieses Kapitel mit der Bemerkung, daß, wenn ich mich hier mehr in Einzelnheiten eingelassen habe, als bei der Schilderung der übrigen Länder, dieses hauptsächlich deshalb geschah, weil das Paschalick Achalzich verhältnißmäßig weniger bekannt und besucht ist.

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