Gebrüder Özoguz

Wir sind (keine) “fundamentalistische Islamisten“ in Deutschland

Eine andere Perspektive

Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz

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Das Hundedilemma

Hunde gehören zum deutschen Alltag fast wie das Bier. Aber was mögen Muslime gegen diese Gottesgeschöpfe haben – mag der Leser jetzt denken – dass diese Vierbeiner jetzt auch noch in diesem Buch erscheinen. Dabei sind die Probleme der Muslime mit diesen Vierbeinern ganz spezieller Art. Es geht hier nicht darum, dass die Hunde zu Ersatzkindern mutiert sind, wie uns eine Nachbarin mitleidsvoll mitteilte, als wir dem Hund aus dem Weg gingen („der tut doch nichts, der ist wie unser Kind“). Auch geht es nicht darum, dass allein die Speise der Hunde in Deutschland ganze Länder in Afrika versorgen könnte. Und nicht zuletzt geht es auch nicht darum, was ein muslimischer Glaubensbruder, der von Beruf Postbote ist, mit diesen Vierbeinern so alles erlebt, denn das können seine nichtmuslimischen Kollegen auch erzählen. Vielmehr geht es um eine ganz banale Szene im täglichen Alltag:

Wir gehen mit der Familie im angrenzenden Naturschutzgebiet spazieren, und plötzlich kommt uns ein Hund mit Herrchen oder Frauchen entgegen, manchmal auch angeleint. Der Hund in seinem jugendlichen Forscherdrang läuft auf uns zu und möchte uns anschnüffeln. Wir machen einen Satz zurück und versuchen irgendwie auszuweichen. Manchmal klappt es, manchmal nicht. In allen Fällen kommt der Hinweis: „Aber der ist ganz lieb, der beisst doch nicht“. Das Problem ist dabei gar nicht die Tatsache, dass der Hund uns beißen könnte, sondern die Tatsache, dass er uns anschnüffelt.

Einmal haben wir im Fall von entfernten Straßennachbarn versucht, diesen Umstand einem Herrchenpaar in aller Höflichkeit zu erläutern und ihnen geantwortet: „Bitte ziehen sie den Hund zurück, denn wenn der Hund an unserer Hose schnüffelt, dann können wir mit der Hose nicht mehr beten“. Hundeherrchen und Hundefrauchen schauten uns völlig verdutzt an, schienen die Antwort nicht zu verstehen, zeigten uns auf offener Straße die Mattscheibe und zogen ihren Hund von uns weg, allerdings nicht um unsere Hosen, sondern um ihren Hund vor diesen merkwürdigen Gestalten zu schützen.

Zugegeben, es ist kaum möglich, auf der Straße auf die Schnelle die Regeln des islamischen Ritus zu erläutern, aber über das Angeschnüffeltwerden regen sich auch Nichtmuslime auf. Was aber hat es nun damit auf sich?

Im Islam gibt es sehr umfangreiche Riten und Regeln bezüglich Sauberkeit und Reinheit. Während “Sauberkeit“ dem auch im Deutschen bekannten Begriff entspricht, ist “Reinheit“ nicht eine Steigerung von Sauberkeit, sondern ein ritueller Zustand, der bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen hat, die ganze Bände füllen. Muslimische Kinder lernen diese Regeln automatisch im Elternhaus. Zu diesen Reinheitsregeln gehört, dass man keine “Unreinheit“ am Körper und an seiner Kleidung während einer heiligen Handlung hat. “Unrein“ sind z.B. Urin und alkoholische Flüssigkeiten. Es gibt aber auch zwei “unreine“ Tiere: Schwein und Hund. Die Tiere werden dadurch nicht abgewertet oder beleidigt, schließlich sind sie Gottes Geschöpfe wie jedes andere auch. Aber sie haben gegenüber dem Menschen eine Wirkung, die das spirituelle Leben beeinträchtigt. “Unreinheit“ wird durch Feuchtigkeit oder Nässe übertragen. Und wenn ein Hund mit seiner feuchten Schnauze an einem herumschnüffelt, dann wird diese Stelle unrein und bedarf der “Reinigung“ (nicht zu verwechseln mit “Säuberung“) mit Wasser. Da wir ungern nach jedem Spaziergang unsere Hose waschen mögen und bei fünf Gebeten am Tag reine Kleidung tragen müssen, vermeiden wir die Schnüffelei. So einfach ist das.

In diesem Zusammenhang erschien es wie ein schlimmer Angriff auf das Heiligtum einer Moschee, wenn im Zuge von Durchsuchungen gleich mehrere Polizeihunde die Moschee entweihten und verunreinigten. Wenn sich solche Vorfälle unter einem bestimmten Innenminister der Republik besonders häufen, und dieser, zumindest in den Augen der Muslime, den Eindruck erweckt, ganze Scharen von Hunden an allem Möglichen herumschnüffeln zu lassen, gepaart mit Sondereinheiten, die mit Kampfstiefeln den Gebetsraum der Moscheen betreten, dann empfindet so ziemlich jeder noch so “moderate“ Muslim in diesem Land eine große Abneigung, unabhängig davon, wie sehr er diese Abneigung veröffentlicht! Dabei wäre es doch so einfach, das Konfliktpotential zu vermindern. Es ist doch kein Geheimnis, dass man die Moschee nicht mit Schuhen betreten soll. In Moscheeräumen gibt es ohnehin kaum Möbel, so dass Hunde wenig sinnvoll sind, und was sollten sie denn schon finden? Drogen wird es in der Moschee nicht geben, und Sprengstoff wird man kaum unter dem Teppich verstecken können. Aber selbst, wenn das vermutet wird, wäre es doch so einfach für die Sondereinsatzkräfte, sich vor dem Eintritt in den geweihten Raum Einwegfüßlinge überzuziehen, die es in jedem Labormarkt gibt. Und niemand könnte ihnen dann vorwerfen, dass sie die Moschee bewusst entweiht haben!

Doch manchmal hat man als Muslim in diesem Land den Eindruck, als wenn es gar nicht darum geht, Konfliktpotentiale zu reduzieren oder Konflikte zu vermeiden, sondern es scheint so, als gehe es um die Demonstration von Macht und Überlegenheit. Wir können viel spekulieren, jedoch werden wir nicht verstehen können, warum ein Innenminister nicht sein Volk vor den wahren Feinden schützt, sondern sein Amt für einen scheinbar persönlichen Feldzug insbesondere gegen unschuldige Muslime nutzt. Dieser Abschnitt wurde zu einer Zeit geschrieben, als ein früherer Innenminister derartige Dinge zu verantworten hatte. Manche glauben, dass es beim neuen Bundesinnenminister nicht besser geworden ist.

Muslimen wird eine Mattscheibe gezeigt, und jegliche Spiritualität und Reinheitsvorschriften im wahrsten Sinn des Wortes mit Füßen getreten, u.a. mit den Füßen von Hunden. Das ist wirklich ein großes Dilemma, und ein Ausweg besteht nur darin, dass verantwortliche Politiker in aller Besonnenheit nach Strategien und Wegen zum gegenseitigen Verständnis suchen und Muslime halt etwas öfter ohne zu murren, ihre Hosen waschen – pardon, reinigen.

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