Ja, wir beten auch
Zu den
Vorwürfen unserer begrenzten Integration gehört natürlich
auch, dass wir regelmäßig fünf rituelle Gebete am Tag
verrichten. Ist das aber wirklich so gefährlich, dass man
davor Angst haben muss. Ängstigt es denn wirklich eine
Gesellschaft, wenn ein gottesehrfürchtiger Mensch sich fünf
Mal am Tag vor seinen Schöpfer stellt und sein Dasein
vergegenwärtigt?
Am Anfang steht das Geschöpf aufrecht vor
seinem Herrn und richtet sich in Richtung Mekka zum Heiligen
Haus Kaaba aus. Er fühlt sich vereint mit der Menschheit, die
gemeinsam mit ihm an jedem Ort der Erde in die gleiche
Zielrichtung betet. Er “verabschiedet“ sich für eine Weile von
dieser Welt und tritt ein in eine Art Weihezustand, in der ihn
nichts und niemand mehr von der Konzentration auf seinen
Schöpfer abbringen soll. Nach dem Verlesen einer
vorgeschriebenen und einer frei wählbaren Sure verbeugen wir
uns vor dem barmherzigsten aller Barmherzigen und bitten ihn
um mehr, denn wir wollen mehr. Wir streben nach dem ewigen
Leben in der Glückseiligkeit der Liebe Gottes. Dann richten
wir uns wieder auf und erfahren von Gott, ausgesprochen durch
unsere Zungen, dass er uns unseren Wunsch gewährt hat. Wir
erhalten tatsächlich die Freiheit die höchsten Stufen der
Glückseligkeit anstreben zu dürfen. Dafür werden wir auf die
Erde geschickt. Der noch eben stehende sinkt zu Boden und
seine Stirn berührt die Erde, die Erde, aus der er als
irdischen Wesen erschaffen wird. Wir richten uns für eine
kurze Zeit auf und werfen uns wieder nieder. Von der Erde
kommen wir und zu ihr kehren wir zurück. Von Gott kommen wir
und zu Ihm ist die Heimkehr. Nach der zweiten Niederwerfung
richten wir uns wieder auf, denn es gibt die
Widerauferstehung. Und damit ist ein Gebetsabschnitt beendet.
Das Gebet endet mit dem schönsten Friedensgruß.
Ist es wirklich so gefährlich, wenn ein
Mensch diesen Befreiungsritus fünf Mal am Tag in mehreren
Gebetsabschnitten vollzieht? Ist ein Mensch für die deutsche
Gesellschaft gefährlich, der kein Sklave irgendeiner irdischen
Macht ist und sich ausschließlich Gott unterwirft? Oder könnte
er nicht als befreiendes Element für die gesamte Gesellschaft
wirken, die sich vom Materialismus hat versklaven lassen und
sich nur noch vor dem Kapital niederwirft?