Rushdie und der erste
Konflikt der Kulturen
In einer
Zeit, in welcher der später eingeführte Begriff “Kampf der
Zivilisationen“ noch gar nicht existierte, wurden aber bereits
die Vorbereitungen für das gelegt, was wir heute in der Welt
sehen. Der Autor mit dem Namen Rushdie schrieb ein Buch,
welches die allermeisten Muslime in der Welt als schlimmste
Entgleisung der westlichen Welt gegenüber dem Islam empfanden.
Bei Demonstrationen in Indien und Pakistan wurden ein Dutzend
Demonstranten vor der britischen Botschaft erschossen, ohne
dass die westliche Welt davon Notiz nahm. Erst als Imam
Chomeini am 14.2.1989 seine berühmt gewordene Fatwa gegenüber
dem Autor veröffentlichte, war das Thema auch in der
westlichen Welt in aller Munde. Danach ist nach unserer
Kenntnis niemand mehr wegen dem Buch gestorben. Das Wort
“Fatwa“ wurde damals in die westliche Sprache als etwas
Fürchterliches eingeführt, dabei war es lediglich die
Bezeichnung für ein “religiöses Rechtsurteil“ für eine
beliebige Fragestellung.
In unserem kleinen wissenschaftlichen
Team an meinem Arbeitsplatz verliefen die Diskussionen zum
Thema zwar heftig, aber dennoch in einem gesitteten Rahmen.
Ganz anders war es, als ich einmal in der Kaffeeecke mit dem
Institutsleiter und Vorgesetzten meines Doktorvaters verbal
zusammenprallte. Er hatte einen derart lauten hysterischen
Anfall, dass alle im Flur das mitbekamen. Er warf mir wegen
meiner abweichenden Haltung in der Rushdie-Affäre alles nur
Erdenkliche vor und legte dabei die gesamte Macht seiner
Position gepaart mit seiner Lautstärke ins Gewicht. Ich konnte
es mir allerdings nicht verkneifen, dagegen zu halten, wenn
auch leiser! Es sei erwähnt, dass dieser inzwischen
emeritierte Institutsleiter später nicht verhindert hat, dass
ich eine Auszeichnung für meine wissenschaftliche Arbeit
erhielt, obwohl er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Diese
für mich teilweise nervenaufreibenden Auseinandersetzungen
haben dazu geführt, dass ich damals mein erstes Buch
geschrieben habe mit dem Titel “Meinungsfreiheit oder
Massenbeleidigung“.
Als noch sehr junger und unerfahrener Autor verwendete ich
sicherheitshalber das Pseudonym “Abu Hussain“ (Vater von
Huseyin – mein Sohn heißt tatsächlich so). Das Buch erschien
in einem österreichischen Verlag, der vor allem für seine
qualitativ guten Schulbücher bekannt ist. Die Verlegerin stand
als überzeugte Christin mit ihrer Person hinter dem Inhalt,
und ich war froh über die Unterstützung durch eine
gottesehrfürchtige erfahrene Dame. Das Buch wurde später auch
ins Persische übersetzt und auch im Iran herausgegeben.
Titelbilder der deutschen (links) und
persischen Fassung des Buches
Das Titelbild der deutschen Fassung hatte
mein damaliger Zimmerkollege, ein deutschstämmiger Einwanderer
aus Polen und guter Wissenschaftler, in seiner Freizeit für
mich entworfen und mir zur Verfügung gestellt. Das Buch
stellten wir auf einem Stand auch auf der Frankfurter
Buchmesse vor. Sicher würde ich einiges, was ich damals
vertreten habe, heute anders schreiben, zumal man 15 Jahre
später anders bzw. “entwickelter“ darüber denkt. Aber damals
war ich der Verlegerin für die Chance, die sie mir gegeben
hat, sehr dankbar. Die gütige Frau ist inzwischen im hohen
Alter verstorben – Gott habe sie selig. Letztendlich hat sie
meine Karriere als Autor mit eröffnet, worauf noch weitere
Bücher folgen sollten.
Am 13.2.1993 nahmen wir an einer
Demonstration gegen das Rushdie-Buch in Hamburg teil. Es war
eine der ersten Demonstrationen, in der wir durch unsere
Teilnahme versuchten, die fremdsprachlichen Parolen durch
eigene deutschsprachige Parolen zu ersetzen. Später haben wir
für bestimmte Anlässe auch Parolen ins Internet gestellt,
damit auch ausländische Demonstranten lernen, in Deutschland
in deutscher Sprache zu demonstrieren. Diese Praxis haben wir
bei den jährlichen Demonstrationen zum Quds-Tag
(Jerusalem-Tag)
versucht weiter zu führen, da unserer Ansicht nach ein
Demonstrant in Deutschland in deutscher Sprache demonstrieren
sollte!
Details zu der noch heute nachwirkenden
Affäre sind in dem damaligen Buch ausführlich behandelt,
welches dankbarerweise mit Erlaubnis des Verlages auch in
vollständiger Form vom Islamischen Weg e.V. im Internet
veröffentlicht wurde.
Damals sammelte mein Bruder
Video-Aufnahmen über TV-Sendungen zum Thema Islam und über
Muslime. Man beachte, dass es noch keine “Festplattenrecorder“
gab. Die Videos halfen uns zum einen, die Ansichten der
Nichtmuslime über den Islam besser zu verstehen, aber auch den
Unsinn zu beobachten, den so viele Möchtegernexperten zum
Thema von sich gaben. Eine der damaligen Aufnahmen hatte
allerdings eine sensationelle und weitreichende Auswirkung,
die mein betroffener Bruder selbst erzählen soll.