Verschleierte Frauen machen
unsicher
Der
muslimische Schleier ist zweifelsohne eines der auffälligsten
Merkmale islamischer Identität in Deutschland. Zwar
unterscheidet sich die muslimische Körperbedeckung der Frau
kaum von derjenigen einer katholischen Nonne, aber dennoch
erscheinen Nonnen weniger “gefährlich“, denn zum einen gibt es
sie kaum in der Öffentlichkeit, und zum anderen sind es
ohnehin keine Geschöpfe mit Sexualität. Eine versteckte
Sexualität aber erscheint in einer Umgebung, in der alles,
aber auch wirklich alles offengelegt wird, wie etwas
“Bedrohliches“. Da dieses Thema aber einer ausführlicheren
Beschreibung bedarf, als es im Vorläuferbuch angedeutet wurde,
haben unsere Ehefrauen später ein ausführlicheres Buch darüber
geschrieben
– wir erinnern daran, dass wir jeweils nur eine Ehefrau haben
und die Mehrzahlform dadurch zustande kommt, dass zwei Männer
insgesamt zwei Ehefrauen haben.Die
muslimischen Frauen verstehen in ihrer Bekleidung durchaus
eine Befreiung gegenüber einer Gesellschaftsnorm, welche die
Entblößung als modern und die Verschleierung als
mittelalterlich darstellt. Viele Deutsche, die nur mit weniger
gebildeten Muslimen zu tun hatten, können sich gar nicht
vorstellen, dass eine gebildete Frau verschleiert sein kann.
Die Ironie der Geschichte aber ist, dass die “Verschleierung“
der Frau die in Deutschland am schnellsten wachsende “Mode“
ist. Dennoch darf man nicht übersehen, dass es sich um eine
verschwindende Minderheit handelt. Ist es denn so schlimm,
wenn in einer Gesellschaft, in der Milliarden für die
Entblößung der Frau ausgegeben werden, auch einige Frauen sich
wieder bedecken?
In anderen
europäischen Ländern sieht man das viel gelassener. In England
z.B. gibt es Polizistinnen mit Kopftuch genauso wie
Lehrerinnen, und niemand regt sich darüber auf, und auch in
Österreich gibt es inzwischen muslimische Lehrerinnen mit
Kopftuch.Muslimische Frauen wollen in der Gesellschaft den Respekt und
die “Asexualität“ einer Nonne genießen und dennoch in der
Familie ihre Weiblichkeit sowohl als Ehefrau als auch als
Mutter ausleben können. Geschäftstüchtige Unternehmer könnten
heute schon davon profitieren, wenn sie sich nicht dagegen
sperren würden, praktizierende Muslimas auch in gehobenen
Positionen einzustellen. Es würden sich ganz neue noch nicht
vorhandene Sichtweisen und Kontakte nutzen lassen.
Insbesondere scheint es aber eine große Besorgnis zu geben,
Muslimas als Verkäuferinnen einzustellen. Dabei ist doch
Deutschland Weltmeister im Tourismus und in anderen Ländern
kaufen sie doch auch von Frauen mit Kopftuch. Zudem freut man
sich doch heutzutage in nahezu jedem Laden schon darüber, wenn
man überhaupt noch eine Beratung erhält, ob mit oder ohne
Kopftuch! Außerdem bestünde die Möglichkeit, auch die neue
Kundschaft gleich mit anzulocken. Denn mit großen Kopftüchern
und muslimischen Gewändern lässt sich bestimmt mindestens so
viel Geld verdienen, wie mit bauchfreien
Nierenproblemhemdchen.
Bedauerlicherweise wird das Kopftuch immer mit Dummheit oder
niedrigem Bildungsstand in Verbindung gebracht. Unsere
Ehefrauen haben diesbezüglich ihre täglichen Erlebnisse in der
Sprache, mit der sie angesprochen werden (“du verstehen“),
obwohl sie in Deutschland studiert haben, und in den
Anfeindungen in der Öffentlichkeit, welche nach dem 11.
September 2001 zugenommen haben. Als Ehemänner, die voller
Freude und Dankbarkeit zusammen mit ihren Kopftuch tragenden
Ehefrauen spazieren gehen, sind wir mindestens genau so
suspekt. Und oftmals scheint nicht Abneigung, sondern eher
Unsicherheit durch. Doch die Unsicherheit erfasst auch uns
manchmal. Wenn wir es z.B. einmal sehr eilig haben, und ich
schnellen Schrittes gehe, “hinkt“ meine Frau allein aufgrund
ihrer Körpergröße etwas hinterher. Sofort bremse ich dann ab,
damit niemand denkt, meine Frau “müsste“ hinter mir herlaufen.Je nach
Ort und Gemeinde kann eine Muslima bei jedem Behördengang,
jedem beantragten Pass, jedem Führerscheinfoto Schwierigkeiten
bekommen oder problemlos behandelt werden. Sehr oft ist es nur
eine Ermessensfrage. Nur bei dem Schwimmunterricht für
muslimische Mädchen ist die Rechtslage inzwischen eigentlich
klar. Muslime haben das Recht, aus religiösen Gründen ihre
Töchter vom Schwimmunterricht abzumelden, bzw. die
Nichtteilnahme zu beantragen. Bedauerlicherweise kennen viele
einfache muslimische Familien diese bürokratischen
Notwendigkeiten nicht und lassen ihre Töchter ohne
schriftliche Abmeldung einfach nicht zum Schwimmunterricht
gehen. Das führt zu viel Ärger für alle Beteiligten. Daher
haben wir im Muslim-Markt einen Antragstext formuliert, mit
dem der formale Weg korrekt eingehalten werden kann und haben
diesen korrekten rechtlichen Weg beschrieben, den auch die
Muslime in diesem Land einzuhalten haben! Dass uns
ausgerechnet diese Hilfeleistung eines Tages von keiner
geringeren Zeitung als der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als
Beweis für unsere angebliche “Verfassungsfeindlichkeit“
ausgelegt werden sollte, hätten wir uns niemals vorstellen
können.
Der Traum,
dass es in absehbarer Zeit in diesem Land eines Tages wieder
getrennte Schwimmbäder für Mann und Frau geben könnte –
zumindest temporär – träumt nicht einmal der noch so
träumerische Muslim. Ein einmaliger Versuch diesbezüglich in
einem Freizeitbad in Delmenhorst, zu einer sonst wenig
besuchten Zeit, das Bad ausschließlich für Frauen zu öffnen
mit ausschließlich weiblichen Bademeisterinnen, wurde in der
Lokalpresse mit den fürchterlichsten Kommentaren vieler Bürger
und der Warnung vor dem Rückfall in das Mittelalter begleitet.
Dabei würden auch viele nichtmuslimische Frauen solch eine
Stunde “nur für Frauen“ gerne nutzen, trauen sich aber nicht,
für so etwas einzutreten. Und Vorzeigefeministinnen tun
sowieso oft alles in ihrer Macht liegende, um Muslimas Schaden
zu können, selbst wenn sie damit auch Nichtmuslimas schaden.
Die
Debatte um das Kopftuch hatte zu jener Zeit aus Sicht der
Muslime in diesem Land dermaßen absurde Züge angenommen, dass
selbst die öffentlich-rechtliche ARD sich auf seinen
Internetseiten gemüßigt fühlte, den Einsatz der Muslime für
das Kopftuch öffentlich anzuprangern. So veröffentlichte die
ARD folgenden Text nach einer eigenen Umfrage:
Umfrage-Ergebnis zum Kopftuch-Streit
In unserer gestrigen Umfrage zum Thema
Kopftuch-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht hatten wir
gefragt: „Wie würden Sie entscheiden?“. Wie uns ein User kurz
darauf mitteilte, wurde auf den Seiten des deutschsprachigen
Islam-Portals “Muslim-Markt“ anschließend dazu aufgefordert,
auf die Abstimmung einzuwirken. Tatsächlich verschob sich die
Tendenz der Umfrage: Nachdem zunächst rund 70 Prozent gegen
das Tragen eines Kopftuchs gestimmt hatten und nur etwa 30
Prozent dafür, stieg der Stimmanteil der Befürworter plötzlich
um zehn Prozent auf rund 40 Prozent an.
Wir weisen an dieser Stelle darauf
hin, dass wir derartige Beeinflussungen unserer Umfragen
leider nicht verhindern können. Genauso wenig können wir
garantieren, dass ein User nur ein einziges Mal seine Stimme
abgibt. Unsere Umfragen sind keine repräsentativen Studien,
die die Meinung des Großteils der Bevölkerung widerspiegeln.
Vielmehr handelt es sich dabei um Momentaufnahmen, gegen deren
Manipulation wir leider nicht gefeit sind. (Stand: 04.06.2003
11:53 Uhr)
Das Endergebnis der Umfrage fiel wie
folgt aus:
| Sie darf mit Kopftuch unterrichten:
5178 Stimmen 72.9% |
| Sie darf nicht mit Kopftuch
unterrichten: 1853 Stimmen 26.1% |
| Ich weiß nicht: 69 Stimmen 1.0% |
Stimmen gesamt: 7100
Tatsächlich hatte der Muslim-Markt in seinem Newsletter an
seine ca. 450 Abonnenten den Hinweis zu der Umfrage gegeben.
Selbst wenn sämtliche Leser des Muslim-Markt-Rundmail ihre
Stimme abgegeben hätten (was eine absurde Vorstellung wäre),
hätten diese nicht einmal 7% Wirkung gehabt! Da aber das
Endergebnis offensichtlich noch ungünstiger gegen das Kopftuch
ausgefallen ist als vor der Weiterleitung der Meldung durch
den Muslim-Markt, bestand die Manipulation ganz offensichtlich
nicht im Newsletter des Muslim-Markt, sondern in der
außergewöhnlichen einmaligen Reaktion der ARD auf ihrer
Internet-Seite. Bei allen möglichen Abstimmungen im Internet
werden Rundmails in den entsprechenden Interessengruppen
verschickt, und nie reagierte die ARD darauf. Bei den Muslimen
aber war es anders, die dürfen natürlich nicht einmal für ihre
eigenen Interessen eintreten, und wenn sie das doch tun, dann
ist es eine “Manipulation“, gegen die gleich mit der gesamten
Internetmacht der ARD entgegengetreten werden muss. Allein die
obige Meldung bezüglich der angeblichen Manipulation haben
wahrscheinlich mehr Leser gelesen, als der Muslim-Markt damals
überhaupt Leser hatte! Oder aber – und wir sollen als Muslime
ja immer das Gute annehmen – ein besonders schüchterner
Sympathisant des Muslim-Markt in der ARD wollte nur eine
versteckte Werbung für den Muslim-Markt werbeträchtig
platzieren! Die Möglichkeit der Manipulation von
Internetumfragen wurde später – z.B. beim Gaza-Massaker Anfang
2009 – von professioneller Seite für Propagandazwecke
missbraucht.Während
das Vorläuferbuch geschrieben wurde, urteilten am 24.9.2003
die höchsten deutschen Richter beim Bundesverfassungsgericht,
dass es den Bundesländern überlassen sei, durch gesetzliche
Regelungen das Tragen des Kopftuches für Lehrerinnen zu
verbieten. Meine damals zwölfjährige Tochter, welche die
Nachrichten gebannt am Bildschirm verfolgte, fragte mich
besorgt: „Papa, was machen wir, wenn sie auch den
Schülerinnen das Kopftuch verbieten?“. Ich versuchte sie
zu beschwichtigen und erläuterte ihr, dass die Diskussion die
Lehrerinnen beträfe und nicht die Schülerinnen. Gleichzeitig
versicherte ich ihr, dass wir uns im Notfall anstrengen
würden, das Geld für eine Privatschule aufzubringen. Aber die
Antwort war scheinbar wenig überzeugend, denn die Sorge wich
nicht aus ihrem Gesicht. So fühlt sich eine zwölfjährige
deutsche Muslima, die sich auch mit ihrem Kopftuch bisher nie
“unintegriert“ gefühlt hatte, und dennoch jetzt miterleben
musste, was es heißt, “integriert“ zu werden. Und diese
Integration betrifft nicht allein ihre Religion sondern auch
ihr Schamgefühl, welches die Gesellschaft offenbar nicht
bereit ist zu akzeptieren. Tatsächlich kam es in den
Folgejahren immer wieder zu Schulverboten auch von
Schülerinnen aufgrund ihres Kopftuches.
Nebenbei
sei erwähnt, dass das “andere“ Schamgefühl nicht nur auf
muslimische Frauen beschränkt ist. Unsere Söhne haben ihren so
geliebten Fußballverein verlassen, da sie gezwungen wurden,
mit den anderen gemeinsam nackt zu duschen. All unser Bemühen,
damit die muslimischen Kinder gemeinsam mit den Anderen
Fußball spielen und somit an der Gesellschaft teilhaben, wurde
vehement blockiert. Sie durften nicht zuhause duschen. Ist es
dann ein Wunder, dass sich praktizierende Muslime zu eigenen
Sportvereinen zusammenschließen?
Vor nicht all zu langer Zeit haben
Rechtsradikale in Deutschland Jagd auf Ausländer gemacht. Es
wurde sogar versucht, diese in ihren Häusern anzuzünden. Im
ganzen Land war man geschockt! Es wurde versucht, dieses
Problem auf Ostdeutschland abzuschieben. Aber scheinbar ist
die deutsche Presse ohne großen Aufwand in der Lage, auch den
Menschen in Westdeutschland eine sehr explosive Einstellung
einzuhämmern. In diesem Fall geht es eben um Kopftuch tragende
Frauen generell. Die Politiker, die sich dabei in der Masse
profilieren wollen, greifen das Thema auf und gehen sogar
einen Schritt weiter. Warum soll man nicht ganz einfach
überall das Kopftuch verbieten? Möglicherweise stehen wir vor
einer Zeit, in der es ganz legal und gern gesehen sein wird,
Menschen, die sich nicht nach deutschem Vorbild entblößen
wollen, zu ächten, ihre Bildungsmöglichkeiten zu blockieren,
ihre Berufschancen zu zerstören, mit Fingern auf sie zu
zeigen, sie zu verfolgen usw. usf. , haben wir doch alles
schon gehabt. Und es wird auch immer wieder vorkommen, bis zu
dem Tag, an dem es einer Gesellschaft gelingt, ihr Wissen
nicht von einer manipulatorischen Presse beeinflussen zu
lassen, sondern derart auf festen Füßen zu stehen, dass sie
auch lernt, Manipulationsversuche richtig einzuschätzen. Zu
dem Thema habe ich einen meiner am häufigsten zitierten
Artikel geschrieben (“BH-Verbot für deutsche Lehrerinnen ab 1.
April in Europien“), welche später in einem Buch zusammen
gefasst wurden.
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