Gebrüder Özoguz

Wir sind (keine) “fundamentalistische Islamisten“ in Deutschland

Eine andere Perspektive

Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz

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Wir berühren keine fremde Frauen

 Wie schon in den vorherigen Kapiteln angedeutet, stehen wir immer wieder vor der Situation, dass eine Frau auf uns zugeht und uns von sich aus die Hand entgegenstreckt, noch bevor wir sie höflich darauf hinweisen können, dass wir Berührungen des anderen Geschlechts aus religiösen Gründen ablehnen. Für diese, für hiesige Verhältnisse ungewöhnliche Situation hat jeder von uns eine eigene Strategie entwickelt. So lege ich z.B. meine rechte Hand auf meine Brust auf Herzhöhe und sage meinen Standartspruch: „Entschuldigen Sie bitte, aber aus religiösen Gründen darf ich nur meine eigene Frau berühren.“ Diese extrem verkürzte Wiedergabe einer religiösen Regel stimmt zwar nicht ganz mit den Tatsachen überein, aber für eine ausführliche Erklärung reicht der kurze Moment der Begrüßung zumeist nicht aus. Denn es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Frauen, wie z.B. meine Mutter, meine Schwester, meine Tochter sowie die Schwestern meiner Eltern, die ich auch berühren darf. Die Strategie meines Bruders ist ähnlich geartet.

Ich sage immer: „Entschuldigen Sie bitte, aus religiöser Treue zu meiner Frau darf ich keine andere junge Frau berühren.“ Wie mein Bruder schon schrieb, ist es meistens aufgrund der kurzen Zeit unmöglich, vernünftig zu erklären, warum es mir nicht möglich ist, andere Frauen neben meiner Ehefrau und den von meinem Bruder genannten Ausnahmen zu berühren. Und natürlich ist ein hier aufgewachsener Mensch verständlicherweise zunächst zurückhaltend. Die Tatsache, dass ich mein Gegenüber als “junge Frau“ bezeichne, schmeichelt zudem, so dass die sonst zu erwartende kurzzeitige Verkrampfung gelockert wird. So versuche ich trotz der kurzen Zeit irgendwie deutlich zu machen, dass dies nichts mit einer Verachtung der Frau zu tun hat. Im Gegenteil, es ist aus meiner Sicht sogar eine Achtung der Frau und insbesondere der besonderen Stellung meiner Ehefrau mir gegenüber. Es ist ein besonderes von Gott gegebenes Recht meiner Ehefrau mir gegenüber, dass ich eben nur sie berühre, welches ich nicht brechen darf.

Wie auch immer, manchmal ereignet sich in solchen, hunderte Male wiederholten Ereignissen auch Ungewöhnliches. Einmal kam in meinem damals noch universitären Berufsleben eine junge forsche Praktikantin in mein Zimmer und wurde mir vorgestellt. Normalerweise weisen die vorstellenden Mitarbeiter die Neuen an meiner Arbeitsstelle auf diesen ungewöhnlichen Menschen hin, und die beidseitige Verlegenheit bleibt den Beteiligten erspart. Aber dieses Mal war es nicht so, und die junge Praktikantin stand vor mir mit ausgestreckter Hand. Ich sagte meinen Standartspruch, und die Praktikantin schaute mich offensichtlich stark verwundert an, nahm es hin und ging wieder zu weiteren Vorstellungen. In der Mittagspause kam sie mit einem sehr nachdenklichem Gesichtsausdruck in mein Zimmer – bei uns waren die Türen immer offen, wenn keine Besprechungen anlagen – und sprach mich an: „Herr Dr. Özoguz, erlauben Sie mir eine Frage?“ Ich konnte mir zwar denken, dass es irgend etwas mit dem Handgeben zu tun haben dürfte, da das schon oft passiert war, aber ihre Frage übertraf dann doch alle vorherigen Fragen an Originalität. Nachdem sie sich erneut – dieses Mal per Frage – davon überzeugt hatte, dass ich keine fremde Frau berühren würde, fragte sie dann: „Ja aber wie tanzen Sie dann mit andern Frauen?“. Es stellte sich heraus, dass die Praktikantin leidenschaftliche Tänzerin war, und sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass ein Mann nicht mit fremden Frauen tanzt.

Auch ich hatte mein außergewöhnliches Erlebnis. Als ich mit einem meiner Chefs – als ich bei einem großen Unternehmen tätig war – bei einer Besprechung mit Industrievertretern war, wurden wir von der Sekretärin empfangen. Ich entschuldigte mich wie oben beschrieben. Später dann beim Abschied standen wir in der Runde mit etwa acht Herren. Da kam die Sekretärin noch mal dazu und fragte mich: „Sagen Sie, Herr Dr. Özoguz, könnten Sie mir das mit dem Handgeben noch mal erklären?“ Ich tat dies, aber natürlich möglichst kurz. Da sagte sie: „Das find ich ja toll, das werde ich meinem Mann jetzt auch vorschreiben!“ Alle lachten und wir verabschiedeten uns.

Wie bereits angedeutet, wurde auch bei einem früheren Bewerbungsgespräch das Thema “Handgeben“ angesprochen. Einer meiner möglichen zukünftigen Vorgesetzten hatte sich über mich informiert und erfahren, dass ich ein “religiöses“ Leben führe. Nachdem die fachlichen und inhaltlichen Aspekte der zukünftigen Arbeit abgeklärt waren, fragte mich der potentielle Chef sinngemäß: „Herr Özoguz, ich habe erfahren, dass Sie Ihre Religion ernst nehmen, welche Auswirkungen hat das auf Ihre Berufstätigkeit?“ Da ich diese Frage schon einige Male gehört hatte und sie daher nicht überraschend kam, konnte ich ohne zu zögern das antworten, was ich immer geantwortet hatte: “Meine Religion hat nahezu keinerlei Auswirkungen auf mein Berufsleben. Mein Beten und Fasten werden Sie nicht spüren. Das Einzige, was auffallen wird, ist, dass ich den Frauen nicht die Hand reiche und an keinen Veranstaltungen teilnehme, bei denen Alkohol gereicht wird.“ Mein Gegenüber schaute mich ruhig an, dachte einen kurzen Moment nach und gab mir eine wirklich in jeder Hinsicht überraschende Antwort, die ich im Wortlaut nicht vergessen habe: „Prima, dann lassen Sie ja meine Sekretärin in Ruhe, und Sie müssen selbst wissen, wie Sie Karriere machen wollen.“ Das mit der Sekretärin war eher wohl als Scherz gemeint. Aber das mit der Karriere hatte schon eher einen tieferen Sinn. Denn die wohl wichtigsten Gespräche auf der Karriereleiter werden eben bei einem Glas Wein (oder Bier) geführt, und da konnte ich ja nun nicht mithalten.

Aber auch mit Muslimen konnte man diesbezüglich lustige Erlebnisse haben. Meine Frau suchte nach unserem Umzug nach Delmenhorst einen neuen Augenarzt, und ihre Wahl fiel auf einen Ägypter. Der wollte ihr die Hand geben, und es kam zu den bekannten Sprüchen, nur dieses Mal mit umgekehrten Vorzeichen. Der arabische Arzt fand das “übertrieben“ und fragte meine Frau nach der Herkunft ihres Mannes. Als er erfuhr, dass meine Eltern aus der Türkei kommen, argumentierte er, dass er schließlich die größere Ahnung hätte, weil er Arabisch verstehen würde.

Wenn die Muslime in den arabischen Ländern nur einen Bruchteil des islamischen Wissens verstanden und umgesetzt hätten, dann würden sie nicht allesamt von Königen und Prinzen in verschiedenen Gewändern regiert werden. Dass eine Frau aus Deutschland mit Kopftuch Arabistik studiert haben könnte, auf solch einen Gedanken kam der Mann gar nicht erst. Er hatte sich später damit abgefunden, dass er ihre Hand nicht berühren kann.

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