Gedichte im Islam
Bir Almoattala

von
Friedrich Rückert

Als ich der Karawane
Durch Midian folgte, sah
Ich den verfallnen Brunnen
Bir Almoattala.

Auch einen Tropfen Wassers
Gab er dem Durste nicht;
Dagegen zum Ersatze
Gab man mir den Bericht:

Hier wohnt’ ein Volk vorzeiten,
Dem dieser Brunnen quoll
So reichlich, dass vom Segen
War rings die Gegend voll.

Ein König dieses Volkes
War Als genannt, der nahm
Sich vor nie zu verwesen,
Als er zu Jahren kam.

Mit Honig und mit Mirren,
Mit Aloe bestrich
Er seinen Leib, und setzte
Still auf dem Throne sich.

Er war schon längst gestorben,
Und saß noch auf dem Thron,
Als ob er wär’ am leben,
Doch gab er keinen Ton,

Und gab kein Lebenszeichen,
Als Füßen Würzeduft,
Der rings vom stillen König
Ausströmte durch die Luft.

Und alle, die im Leben
Ihm waren untertan,
Die beteten den tobten
Als einen Gott nun an.

Da kam, von Gott gesendet,
Hantala der Prophet,
Der schalt sie, dass sie weihten
Dem Tobten ihr Gebet.

Da griffen sie im Zorne
Den Mann, und warfen ihn
Tief in den Segensbronnen
Der unergründlich schien.

Im selben Augenblicke
Versiegte dessen Flut,
Und alle grünen Gärten
Versengte Sonnenglut.

Hinstarben ihre Herden,
Des Volkes Stamm erlosch,
Und der verfallne Brunnen
Tränkt jetzt einen Frosch.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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