Gedichte im Islam
Das verlorene Reich
Über Marwan (II.) ibn Muhammad ibn Marwan

von
Friedrich Rückert

Noch keinem ward ein Reich entrissen
Auf schmählichere Art
Als einst dem Merwan, der durch Kissen
Gebracht um seines ward.
Der letzte von Omeia’s Stamme,
Der hoch die Krone trug,
Nach der empor die Aufruhrflamme
Der Abbasiden schlug.
Er war der Mann, die Glut zu dämpfen
Mit seiner starken Faust;
Dem Kühngemuten hat vor Kämpfen
Mit Feinden nie gegraust.
Weit war er vor sein Heer geritten,
Die Feinde zu erspäh’n,
Abstieg er in des Feldes Mitten,
Da war’s um ihn gescheh’n.
Den Fuß kaum hatt’ er aus dem Bügel,
Da griff sein böses Glück
Nach seines led’gen Rosses Zügel,
Und trieb’s zum Heer zurück.
Wie dort sie sehn das Ross ankommen,
und nicht den Feldherrn drauf,
Scheu haben sie die Flucht genommen,
Nichts hemmt den Schreckenslauf.
Er eilt nach seiner Hauptstadt Thoren,
Damask, ihm treu zuvor;
Sie sehn, dass er sein Heer verloren,
und schließen ihm das Thor.
Da eilt er nach Ägypten nieder
Zum Kampf, nach dem er schnaubt;
Doch aus dem Kampf kehrt er nicht wieder,
Er ließ darin sein Haupt.

von Friedrich Rückert aus
Sieben Bücher morgenländischer Sagen und Geschichten", Stuttgart 1837

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