Gedichte im Islam
Nachtgespräch

von
Friedrich Rückert

Nachtgespräch

Als ich über den Berg Lokam
In tiefer Nacht den Heimweg nahm,
Hört’ ich einen, der dort noch wacht,
Seiner Nacht im Gebet verbracht,

Wovon mir dis zum Ohre kam:
Herr, meiner Hoffnung Wecker,
Herr, meiner Schuld Bedecker!
Behüte mich in dieser Nacht
Vor Stürmen und Getösen,
Vorm Bösen, das auf Erden wacht,
Das in mir schläft, vorm Bösen!
Behüte mich vor einem Triebe,
Der dir nicht lebt!
Behüte mich vor einem Leibe,
Der dir nicht bebt!
Behüte mich vor meinem Sinn, der
Nicht dich bezeugt!
Behüte mich vor einem Knie, das
Nicht dir sich beugt!
Behüte mich vor einem Herzen,
Das dich nicht meint!
Behüte mich vor einem Auge,
Das dir nicht weint!
Behüte mich vor einer Bitte,
Die nicht empor
Dring’ aus der Nacht, des Herzens Mitte,
Zu deinem Ohr! –

Ich rief: Der dort die lichte Macht
Des Himmelsheeres heraufgeführt,
Halt’ über dir die ganze Nacht
Die Lagerfeuer angeschürt!

Er rief: Wer ists, der hier noch strebt
Im Finstern, und nicht grauset?
Ich rief: Wer bist du, der nicht bebt
Im Oeden, wo er hauset?

Er rief: In dessen Schirm ich ruh,
Der gebe dir Geleite!
Ich rief: Im Frieden wohnest du,
In dem ich weiter schreite.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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