Gedichte im Islam
Salomo und die Königin von Saba

von Dschalaleddin Rumi

Bilqis' Geschenk war vierzig Maultierlasten:
die ganze Ladung waren goldne Ziegel.
Als Salomos Gelände man erreichte.
sah man: der Grund war nichts als reines Gold.
Die Leute sagten: «Lasst zurück zum Schatzhaus
das Gold uns tragen - sinnlos unser Werk!»

Der du als dein Geschenk «Verstand» zu Gott bringst:
Verstand ist vor Ihm niedrer noch als Staub!

Als sie den Unwert ihrer Gabe sahen,
zog sie die Scham zurück zu Bilqis's Hofe,
doch sagten sie: «Sei's wertlos, sei es kostbar -
wir sind nur Sklaven, wir gehorchen nur.
Ob Gold wir bringen oder Staub und Erde -
wir müssen dem Befehl gehorsam sein.
Wird euch geheißen, es zurückzubringen,
so bringt es wiederum zu ihr zurück.»
Als Salomo das Gold erblickte, lacht' er:
«Wann hält' ich Dörrfleisch denn von euch gefordert?
Ich sage nicht, ihr solltet Gaben bringen -
nein, würdig solltet ihr sein meiner Gabe!
Denn selt'ne Gaben hab ich aus dem Jenseits,
die Menschensinnen gar nicht fordern darf.
Ihr betet jenen Stern an, der das Gold formt -
wendet zu Ihm euch, der den Stern geformt!
Ihr betet an die Sonne dort im Himmel -
und habt verachtet jenen hohen Geist.
Die Sonne ist, wie Gott befahl, mein Koch nur -
wie töricht war es, wenn ich «Gott» sie nennte!
Verfinstert sich die Sonne - sag, was tust du?
Wie kannst du dich vor dieser Schwärze retten?
Nein, du, bekümmert, kommst zu Gottes Hof doch:
«O nimm das Dunkel fort und gib uns Licht!»
Und würden sie um Mitternacht dich töten -
wo ist die Sonne, daß du Hilfe fändest?
Denn Böses, sieh, geschieht zumeist zur Nachtzeit -
dann ist, was du verehrst, ja ganz verschwunden.
Doch wenn du ehrlich dich vor Gott nur neigest,
lässt du die Sterne, wirst vertraut mit Ihm.
Bist du vertraut, so will ich mit dir sprechen,
dass du erblickst die Sonn' zur Mitternacht.
Ihr Aufgangsort ist nur das Herz, das reine,
nicht Tag gibt es und Nacht, wenn sie erscheine.
Tag ist es, wenn dir diese Sonne aufgeht.
Nacht ist nicht mehr, wenn sie dir leuchtend strahlt.
So wie ein Stäubchen vor dem Licht der Sonne.
So ist die Sonne vor dem klarsten Licht.
Die Sonne, die so leuchtend dir erscheint
und dir das Auge blendet und verwirrt -
siehst du als Staubkorn vor dem Licht des Thrones.
dem flutend-grenzenlosen Licht des Thrones
und siehst sie elend und armselig schwinden.
wenn dir der Schöpfer deinen Blick gestärkt.
O ihr betörten Boten, kehret um nun.
Das Gold ist euer - bringt mir nur das Herz.»

«Gesandte ihr, ich schicke euch als Boten.
denn besser ist's, dass ich zurück dies weise.
Erzählt Bilqis, welch Wunder ihr gesehen.
berichtet ihr von meiner goldnen Wüste,
damit sie weiß, dass ich kein Gold begehre -
da ich mein Gold vom Geber ja erhalte.
der wenn Er wollte, diese ganze Erde
in Gold und Perlen gleich verwandeln könnte.
Ich brauch' kein Gold, ich kenne viele Künste,
kann Staubgeschaff’nes ganz zu Gold verwandeln -
wie sollte ich wohl Gold von euch erbetteln?
Ich mache euch zu großen Alchemisten!
Gebt alles auf, und sei's das Reich von Saba,
denn viele andrer Reiche gibt es jenseits!»

Und so zog Salomo im geist'gen Kampfe
zu sich die Rosse und das Heer der Bilqis:
«O kommt, o kommt, ihr Edlen, kommt doch eilend,
es wallt der Ozean der Gottes-Großmut
und jeden Augenblick wirft ungefährdend
die Welle hundert Perlen an das Ufer!
Wir heißen euch willkommen, Rechtgelenkte -
Rizwan tat auf des Paradieses Pforten!»

Dann sagte Salomon: «Ihr Boten, geht nun
zu Bilqis und - glaubt dieser Religion!
Und sagt zu ihr, sie solle eilends kommen,
denn Gott lädt sie zur Friedenswohnstatt ein.
Komm eilend, die Glückseligkeit du suchest -
Die Zeit der Gnaden ist's, des offnen Tors!
Und auch du, der nicht sucht - komm, und erfahre,
wie dir der treue Freund das Suchen schenkt!
Komm jetzt, denn sonst kann es dir schlecht ergehen;
dein Heer wird dir zum Feind und rebelliert.
Dein Kämmerer, er wird dein Tor zerstören,
und deine Seele wird zum Feind dir werden,
denn die Atome sind in Erd' und Himmeln
nur Gottes Heer, wie man in Prüfung sieht.
Du hast den Wind gesehn, was er den Ad tat,
das Wasser, was es in der Sintflut tat,
und wie das Meer voll Hass schlug Pharao
und was die Erde tat mit Korahs Schatz...
Und denke an mein Heer von Geistern, Feen,
aus ganzem Herzen meine Feinde spaltend!
Lass erst dein Königreich, Bilqis, denn wenn du
mich findest, dann gehört dir jedes Reich.
Du wirst erkennen, wenn zu mir du kommest:
lebloses Bild nur warst du ohne mich!

Komm, ich bin ein Prophet, der alle ruft,
und wie der Tod, so töte ich die Lust...
Erhebe dich. Bilqis. dein Schloss verlassend!
Vernichte jenes Reich der zwei drei Züge!»
Als jenes Morgenlicht nach Saba kam.
befiel Verwirrung Bilqis und ihr Volk.
Die toten Seelen legten Schwingen an.
die Köpfe hebend aus des Leibes Grab,
und gaben sich die frohe Kunde: «Höret,
vom Himmel kam ein wunderbarer Ruf
Von diesem Rufe wird der Glaube stark.
des Herzens Blatt und Zweige werden grün.»
Der Odem Salomos - wie die Posaune
des Jüngsten Tags - erlöset alle Toten...

Ich will von Saba sehnsuchtsvoll euch singen:
als zu dem Tulpenfeld der Frühling kam.
erlebten Leiber Einung mit dem Geiste,
kehrten die Kinderheim zum Ursprungsland.
Das Volk heimlicher Liebe gleicht der Großmut.
von geist'ger Niedrigkeit doch rings umstellt.
Des Geistes Niedrigkeit kommt nur vom Leibe,
des Leibes edler Rang vom Geiste nur.
O Liebende - der Trunk ist euch gegeben!
Ihr seid die Bleibenden, seid ewig ihr!
Die ihr vergessen habt, erhebt euch, liebet,
der Dufthauch Yusufs kommt - o riechet ihn!
Komm, Salomo, der Vogelsprache kundig,
sing jeden Vogels Weise, der da naht!
Da Gott dir alle Vögel sandte, hat Er
dich ja die Sprache aller auch gelehrt...

Lehre die Taube sich vorm Falken hüten,
und sag dem Falken, mild zu sein und sorgsam,
und jener Fledermaus, armselig hilflos. -
zeig' ihr das Licht und lasse sie's erkennen!
Das streitgesinnte Hebhuhn lehre Frieden,
und lehr' den Hahn, vom Morgenlicht 211 künden!
So geh vom Wiedehopf hin bis zum Adler,
zeig' ihren Weg - und Gott weiß es am besten. -

Als Salomo den Vögeln Sabas einmal
nur zupfiff, da band alle er an sich,
nur jenen nicht, der halbtot ohne Schwinge
taubstumm war wie ein Fisch von Anbeginn.
Nein, das ist falsch! Denn neigte solch ein Tauber
sein Haupt der Gottesmacht - er würde hörend!

Als Bilqis nun mit Herz und Seele reiste,
bereute sie die Zeiten, die vergangen.
Sie gab ihr Reich und ihren Reichtum auf,
wie Liebende vergessen Ruhm und Ehre.
Die zarten Mädchen und die holden Knaben
erschienen ihr wie stinkend-faule Zwiebeln,
und ihre Gärten, Schlösser und Gewässer
wie Aschenhaufen vor der Liebe Auge.
Denn wenn die Liebe jemand überwältigt,
erscheint das Lieblichste als hässlich ihm.
Smaragd erscheint wie Lauch - der Liebe Eifer
weist so: «Kein Gott als Er» - nur Er allein!
O Schützer, «Kein Gott außer Ihm» - das zeigt dir
den lichten Mond gleich einem schwarzen Topf!
Bilqis bedauerte nicht Schatz noch Hausrat:
allein ihr Thron - um den tat es ihr leid.
Und Salomo erfuhr des Herzens Sehnen -
von seinem Herz zu ihrem ging ein Weit.
Er, der den Ruf der Ameisen vernommen,
er hörte auch der Fernen innern Gram.

Er sah von fern, dass sie, die sieh ergab,
noch litt, weil sie von ihrem Thron getrennt.

So groß war dieser Thron und so gewaltig.
dass man ihn nicht auf Reisen nehmen konnte.
von feinster Arbeit, und nicht zu zerlegen.
verbunden wie die Glieder eines Leibes.
So sagte Salomo: «Wenn auch am Ende
ihr Thron und Krone nichts bedeuten werden -
(denn wenn die Seele aus der Einheit kommt.
besitzt der Körper keinen Lüster mehr.
und kommt die Perle aus dem Meeresgründe.
erscheint dir Schlamm und Stroh verachtenswert.
und wenn im Flammenschein die Sonne aufglänzt.
wer setzte sich zum Skorpionenschwanz?)
Jedoch in diesem Falle ist es nötig,
dass man den Thron ihr hierher transportiere.
dass sie nicht traurig ist, wenn sie mich trifft -
sowie man Kindern ihren Wunsch erfüllt.
Mir ist das leicht, doch ihr ist er sehr teuer -
so sei am Tisch der Huris auch ein Dämon.
Der Thron, so kostbar, wird zur Lektion ihr.
erinnernd sie an das, was sie gewesen.
damit die so Geplagte dann begreife.
von wo sie sich zu welchem Rang erhoben!»

Es sagte ein Ifrit: «Mit meinen Künsten
bring ich den Thron, eh du verlässt die Sitzung!»
Doch Asaf sprach: «Durch Gottes größten Namen
bring ich ihn vor dich jetzt in diesem Nu!»
Der Ifrit war ein Meister der Magie.
doch Asafs Wort war's, das den Thron gebracht.
und Bilqis' Thron kam an zu dieser Stunde
durch Asaf. nicht durch einen Geistertrick.
«Gelobt sei Gott für dies und hundert Gnaden.
die ich erfahren von dem Herrn der Well!»

Den Thron sah Salomo und sagte: -Ja doch.
du bist es, Baum, der die Betörten fängt!
Steh auf, Bilqis - betrachte dieses Reich!
Am Strand von Gottes Meer nun sammle Perlen.
Am Himmel strahlend weilen deine Schwestern -
was rühmst du dich als Herrscher über Aas'.'
Weißt du, welche edle Gaben deinen Schwestern
der Wahre König gab, dass du dich brüstest.
und freudevoll bei Trommelklang verkündest:
«Ich bin der König, Fürst des Aschenhaufens.'.?»

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